Urteil des VG Düsseldorf vom 05.03.2009

VG Düsseldorf: öffentliche sicherheit, gefahr, öffentliche ordnung, luftverkehr, allgemeinverfügung, flugsicherung, luftfahrzeug, zahl, luftfahrt, anfechtungsklage

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 K 5937/07
Datum:
05.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 5937/07
Tenor:
Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 21./27. November 2007
(Verbot des Aufsteigenlassens von Fluglaternen – Nichterteilung von
Aufstiegserlaubnissen für sog. Fluglaternen) wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen die von der Bezirksregierung E erlassene
Ordnungsverfügung mit der Überschrift "Nichterteilung von Aufstiegserlaubnissen für
sog. Fluglaternen (Flammea, Skylaternen, Himmelslaternen, Wunschballone, Feelgood-
Alive-Laternen, Kong-Ming-Laternen und Kong-Ming-Lampione) / Verbot des
Aufsteigenlassens von Fluglaternen vom 21. /27. November 2007, veröffentlicht u.a. im
Amtsblatt für den Regierungsbezirk E vom 6. Dezember 2007 Seite 416.
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Der Kläger vertreibt u.a. über die Internetplattform G Fluglaternen. Bei diesem Produkt
handelt es sich um eine aus schwer entflammbarem Papier (beschichtetem Reispapier)
hergestellte, luftundurchlässige Papierhülle. Damit die Laterne aufsteigen und sich in
der Luft halten kann, wird die in ihr befindliche Luft durch einen Brennkörper (ein in
Brennstoff getränktes Baumwolltuch, welches eine Brenndauer von 5 – 7 Minuten
besitzt) erhitzt. Aufgrund des dadurch entstehenden Temperaturunterschiedes zwischen
der in der Hülle befindlichen Luft und der die Hülle umgebenden Luft steigt die
Fluglaterne auf.
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Die Ordnungsverfügung vom 21./ 27. November 2007 hat den folgenden Wortlaut:
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"Hiermit gebe ich allgemein bekannt, dass für Fluglaternen mit Eigenantrieb jeder
Bezeichnung keine Aufstiegserlaubnisse erteilt werden.
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Es handelt sich um Luftfahrzeuge (Fluglaternen), die ähnlich einem Heißluftballon
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durch die mittels einer Flamme erzeugten Temperaturunterschiede (d.h.
Luftgewichtsunterschiede innen und außen) aufsteigen und selbstständig an nicht
vorbestimmbaren Orten wieder herabgleiten.
Diese Laternen unterfallen gemäß § 1 LuftVG und § 16 Abs. 1 Nr. 5 LuftVO dem
Luftverkehrsrecht und ihr Aufsteigenlassen bedarf meiner Erlaubnis.
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Eine Erlaubnis kann – auf Grund der von den Fluglaternen ausgehenden
Brandgefahr und der auf Grund der dichtbesiedelten Infrastruktur meines
Zuständigkeitsbereiches somit erheblichen Gefahren für Leib und Leben bzw.
Sachgüter Dritter und der Anwender – von mir nicht erteilt werden. Fluglaternen
entziehen sich durch die jeweils vorherrschende Windrichtung und –stärke schnell
der Verfügungsgewalt des Anwenders und können konstruktionsbedingt nicht nur
sich selbst sondern auch Menschen sowie Sachen in Brand stecken.
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Das Aufsteigenlassen solcher Laternen ohne Erlaubnis stellt eine
Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet
werden kann, sofern es sich nicht nach anderen Vorschriften um eine Straftat
handelt.
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§ 29 Abs. 1 LuftVG ermächtigt mich zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des
Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt
Verfügungen zu erlassen.
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Diese Verfügung gilt für die Regierungsbezirke E und L."
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Zur Begründung seiner Anfechtungsklage macht der Kläger geltend, dass die
Allgemeinverfügung der Beklagten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten
verletze. Durch das Aufsteigenlassen einer Fluglaterne bestehe weder eine Gefahr für
die öffentliche Sicherheit noch für die öffentliche Ordnung im Sinne des § 29 LuftVG.
Vielmehr sei der Aufstieg der Fluglaternen genehmigungsfrei und unterfalle dem
Grundsatz der Freiheit der Nutzung des Luftraums. Entgegen der Auffassung der
Beklagten sei bereits fraglich und im Ergebnis zu verneinen, ob es sich bei den
Fluglaternen um Luftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 LuftVG handele. Insbesondere
sei das Luftfahrzeug von Kinderspielzeug abzugrenzen. Andernfalls würde der von
einem Schüler gebastelte Papierflieger, welchen dieser im Schulunterricht fertige,
ebenfalls unter die Vorschriften des Luftrechts fallen. Aufgrund des geringen Gewichts
der Fluglaterne von ca. 100 g, dem Fehlen von starken Bauteilen und der geringen
Aufstiegshöhe von maximal 500 Metern, stelle die Fluglaterne für den Luftverkehr keine
Gefahr dar. Eine Kollisionsgefahr mit motorbetriebenen Luftfahrzeugen sei bereits
deshalb regelmäßig auszuschließen, da die Mindestflughöhe für Überlandflüge nach
Sichtflugregeln gemäß § 6 Abs. 3 LuftVO 600 Meter betrage.
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Selbst wenn wegen der Bedeutung der Fluglaterne nicht von einem Kinderspielzeug
ausgegangen werde, so stelle die Fluglaterne jedenfalls keinen Flugkörper, sondern ein
Luftfahrzeug dar. Nach der allgemein gültigen Definition des Luftfahrzeugs seien diese
solche Geräte, die der Tragfähigkeit der Luft bedürften, um sich in der Luft zu halten.
Flugkörper hingegen bedürften nicht der Tragfähigkeit der Luft, um sich in der Luft zu
halten. Da die Funktion der Fluglaterne von dem Temperaturunterschied zwischen der
in der Hülle erhitzten und der die Hülle umgebenden Luft abhänge, bedürfe die
Fluglaterne der Tragfähigkeit der Luft, um sich in der Luft zu halten. Die Fluglaterne
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funktioniere nicht im Weltall, mithin handele es sich – abgesehen von den Bedenken der
Abgrenzung zum Kinderspielzeug – wenn überhaupt um ein Luftfahrzeug im
eigentlichen Sinne und nicht um einen Flugkörper, welcher nach § 1 LuftVG als
Luftfahrzeug gelte. Der Aufstieg einer Fluglaterne stelle auch keine erlaubnisbedürftige
Nutzung des Luftraumes nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 LuftVO dar. Es handele sich bei der
Fluglaterne weder um einen Flugkörper, noch besitze die Fluglaterne einen
Eigenantrieb. Unzweifelhaft sei die Fluglaterne insoweit mit einem Heißluftballon
identisch, da die Funktionsweise dieselbe sei. Nach ganz herrschender Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur verfügten Ballone (Frei- und Fessel-, Gas- und
Heißluftballone) nicht über einen Eigenantrieb.
Soweit die Fluglaterne als Luftfahrzeug eingeordnet werde, stelle sie aufgrund der
regelmäßigen Nutzung zur Freizeitgestaltung ein Luftfahrzeug in Form eines
Flugmodells dar. Da die Fluglaterne aufgrund des Nutzungszweckes zur
Freizeitveranstaltung als Flugmodell zu betrachten sei, bedürfe es für den Aufstieg nach
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 a LuftVO keiner Erlaubnis, da ihre Gesamtmasse mit 100 g deutlich
unter 5 kg liege. Es bestehe auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts
eines Schadens für die öffentliche Sicherheit. Die Allgemeinverfügung der Beklagten sei
bereits formell rechtswidrig, da § 29 LuftVG der Beklagten als Beauftragten keine
Zuständigkeit für Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren vermittele, welche der
Bundesgesetzgeber im Rahmen der LuftVO zur Nutzung des Luftraums ausdrücklich als
zulässig und damit als hinzunehmendes Restrisiko im Zusammenhang mit der Nutzung
des Luftraumes betrachte.
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Die Allgemeinverfügung sei auch materiell rechtswidrig und verletze den Kläger in
seinen Rechten. Nach § 1 Abs. 1 LuftVG sei die Benutzung des Luftraumes
grundsätzlich frei. Das Grundrecht aus Artikel 2 Abs. 1 GG gewähre dem Kläger eine
allgemeine Handlungsfreiheit, welche die Beklagte mit der angegriffenen
Allgemeinverfügung rechtswidrig eingeschränkt habe.
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Der Kläger beantragt,
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die Allgemeinverfügung der Beklagten vom 21./27. November 2007
(Nichterteilung von Aufstiegserlaubnissen für sog. Fluglaternen/Verbot des
Aufsteigenlassens von Fluglaternen) aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt zur Begründung aus, dass die Allgemeinverfügung formell und materiell
rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze.
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Ihre Zuständigkeit als Luftfahrtbehörde ergebe sich aus § 2 LuftVO i.V.m. § 31 Abs. 2
Nr. 16 Buchst. f LuftVG. Die Fluglaternen seien Luftfahrzeuge gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 11
LuftVG und unterlägen damit dem Luftverkehrsrecht. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 LuftVG sei
als Generalklausel anzusehen, mit der der Gesetzgeber bezweckt habe, der rasanten
technischen Entwicklung und immer neu hinzukommenden "Flugobjekten" Rechnung
zu tragen. Die Gefahr gehe von den Fluglaternen nicht allein von ihrer Flugeigenschaft
aus, sondern von dem ihr zugehörigen Brandsatz, ihrer Brennfähigkeit und der
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möglichen langen Flugdauer. Weder ein Papierflieger noch ein kleiner gasgefüllter
Ballon von der Kirmes trage ein offenes Feuer mit sich. Die Durchführung der Aufstiege
von Fluglaternen sei gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 LuftVO erlaubnispflichtig. Fluglaternen
seien als ungesteuerte Flugkörper mit Eigenantrieb anzusehen, da sie mittels einer
offenen Flamme und des dadurch erzeugten Temperaturunterschiedes aufsteigen. Einer
Einflussnahme des Anwenders seien die Fluglaternen somit wenige Sekunden nach
Aufstieg entzogen. Die Beklagte sei entgegen der Auffassung des Klägers auch die
zuständige Gefahrenabwehrbehörde. Das Luftverkehrsrecht gehöre zur
Bundesauftragsverwaltung nach Artikel 87 d Abs. 1 Grundgesetz. Zur Gefahrenabwehr
könnten die Luftfahrtbehörden gemäß § 29 Abs. 1 LuftVG Verfügungen erlassen. Nach
§ 31 Abs. 2 Nr. 16 Buchst. f LuftVG i.V.m. § 2 Luftfahrtzuständigkeitsverordnung sei sie
als zuständige Luftfahrtbehörde des Landes ermächtigt, die Erlaubnis für das
Steigenlassen von Flugkörpern nicht zu erteilen, wenn dieses zur Abwehr von Gefahren
für den Luftverkehr oder für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt
geboten sei. Durch den Aufstieg der Fluglaternen entstünden erhebliche Gefahren für
den Luftverkehr. Die Fluglaternen könnten je nach Bauart z.B. einen Durchmesser von
0,27 m und eine Höhe von 1,15 m haben. Durch das Anzünden des sich innerhalb der
Laternen offen befindlichen Brennmaterials entstehe im Innenraum eine höhere
Temperatur. Die somit erzeugten unterschiedlichen Temperaturverhältnisse bewirkten
den Auftrieb der Laterne bis zu einer Höhe von 500 Metern. In den Regierungsbezirken
L und E gebe es 97 Flugplätze. Die Gefahr sei groß, dass die ungesteuert
dahertreibenden Fluglaternen, welche eine Fahrweite von mehreren Kilometern
erreichen könnten, auch in den Luftraum des Flugplatzes vordringen. Hier könnten sie
bei Piloten, die Sichtflug – gerade bei Nacht – durchführen, zu Irritationen führen. Die
Nutzung bestimmter Lufträume bedürfe überdies der Freigabe durch die Deutsche
Flugsicherung (DFS). Außerdem bestehe eine erhebliche Brandgefahr bei Verwendung
der Fluglaternen. Selbst bei strikter Einhaltung der den Fluglaternen beiliegenden
Sicherheitsempfehlungen, die praktisch nicht umzusetzen seien, sei eine Gefährdung
von Menschen und Sachen nicht auszuschließen. In Nordrhein-Westfalen sei kein
Gelände zu finden, in dem im Umkreis von mindestens 1 km nichts Brennbares zu
finden sei. Selbst eine trockene Wiese könne nicht nur im Sommer schnell entflammbar
sein. Von den Anwendern könne eine solche weiträumige Absicherung nicht verlangt
werden. Besonders hervorzuheben sei die Unkontrollierbarkeit der Fluglaterne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Die Beklagte selbst ist ersichtlich – wie sie
im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt hat - davon ausgegangen, eine
Verbotsverfügung erlassen zu haben. Damit ist die erhobene Anfechtungsklage
zumindest unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte sich des Erlasses einer
anfechtbaren Verfügung berühmt hat, zulässig und es kommt nicht darauf an, dass
Zweifel bestehen, ob es sich überhaupt um eine Verbotsverfügung handelt, weil ein
Verbot nur in der Überschrift der Ordnungsverfügung ausgesprochen worden ist, nicht
jedoch im Text der Ordnungsverfügung, und in der Verfügung die Nichterteilung der
Erlaubnis des Aufsteigenlassens und ihre Begründung einen größeren Platz einnimmt.
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Unabhängig davon, dass auch Zweifel bestehen, ob die Verfügung die Merkmale einer
Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 VwVfG aufweist, da schon zweifelhaft ist, welche
Regelung die Verfügung treffen wollte – jedenfalls kann die Bekanntgabe, dass für
Fluglaternen keine Aufstiegserlaubnisse erteilt werden, auch als bloßer Hinweis auf ein
zukünftiges Behördenverhalten gewertet werden –, ist die Verfügung als
Verbotsverfügung rechtswidrig.
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Vor diesem Hintergrund war der Frage, ob Fluglaternen einer Aufstiegserlaubnis nach
§ 16 Abs. 1 Nr. 5 Luftverkehrs-Ordnung bedürfen, ob die Erteilung der Erlaubnis schon
im Vorgriff auf mögliche Einzelanträge allgemein abgelehnt werden kann und welchen
Charakter eine solche vorweggenommene Ablehnung hat (Regelung i.S. von § 35
VwVfG oder lediglich Hinweis auf ein Behördenverhalten), hier nicht weiter
nachzugehen.
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Die Beklagte hat ihre Verfügung auf § 29 Abs. 1 LuftVG gestützt. Danach ist die Abwehr
von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) Aufgabe der
Luftfahrtbehörden und der für die Flugsicherung zuständigen Stelle. Sie können in
Ausübung der Luftaufsicht Verfügungen erlassen.
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Es spricht einiges dafür, dass das Aufsteigenlassen von Fluglaternen als Luftverkehr im
Sinne von § 1 LuftVG anzusehen ist; eine abschließende Bewertung ist hier jedoch
nicht erforderlich, weil es darauf nicht maßgeblich ankommt, da die Verfügung aus
anderen Gründen rechtswidrig ist, wie noch darzulegen sein wird.
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Fluglaternen könnten dem Recht des Luftverkehrs unterfallen, wenn sie Luftfahrzeuge
i.S. des § 1 LuftVG sind. Luftfahrzeuge sind nach dem Sprachgebrauch und nach
allgemeiner Verkehrsanschauung solche Geräte, die der Eigenschaft der Luft bedürfen,
um sich in der Luft zu halten,
30
vgl. Grabherr, Kommentar zum Luftverkehrsgesetz, Stand 2008, § 1 LuftVG Rn. 33.
31
Für die Begriffsbestimmung ist es ohne Bedeutung, ob die Luftfahrzeuge sich mit
eigener Kraft bewegen und in der Luft halten können oder ob sie von der Erde aus
gelenkt werden. Unerheblich für den in § 1 Abs. 2 LuftVG verwendeten Begriff des
Luftfahrzeugs ist auch, auf welche Weise das Fluggerät angetrieben wird,
32
vgl. Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Stand Dezember
2008, § 1 LuftVG Rn. 28.
33
Dabei kann hier offen bleiben, ob Fluglaternen eher mit den Frei und Fesselballonen
nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 LuftVG vergleichbar sind und dieser Vorschrift unterfallen, da es
darauf letztlich nicht entscheidungserheblich ankommt. Dafür spricht, dass die
Fluglaternen keinen Antrieb z.B. im Sinne eines Motors haben und nicht lenkbar sind.
Das Luftfahrtbundesamt teilt auf seiner Internetseite zum Aufstieg von Skylaternen mit,
dass Skylaternen kleine Ballons, meist aus Papier und Draht seien. Ein Teelicht
erwärme die Luft in der Ballonhülle und lasse die Laterne aufsteigen,
34
vgl. www. lba.de
35
Die Fluglaternen könnten auch sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte
Geräte, sofern sie in Höhe von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser
betrieben werden können, i.S. des § 1 Nr. 11 Abs. 2 LuftVG sein. Der Gesetzgeber
wollte hier ersichtlich eine Generalklausel für alle denkbaren Fälle und neuartigen
Entwicklungen der Nutzung des Luftraumes schaffen. Deshalb kann davon
ausgegangen werden, dass die in Rede stehenden Fluglaternen jedenfalls dieser
Auffangklausel unterfallen. Ob Fluglaternen diesem Tatbestand nicht unterfallen, weil
sie nicht "betrieben" werden – wovon das Ministerium für Bauen und Verkehr des
Landes Nordrhein Westfalen ausgeht –, da sie nicht aktiv gesteuert werden können,
mag hier dahinstehen.
36
Bei den Fluglaternen handelt es sich jedenfalls eindeutig auch nicht um
Kinderspielzeug, das den luftrechtlichen Vorschriften nicht unterfällt,
37
vgl. Grabherr, s.o., § 1 LuftVG, Rn 34.
38
Das wird schon durch die Lektüre der Sicherheitshinweise zur Benutzung der Laternen
deutlich, die im Fall des Klägers 7 Punkte umfasst. Kinder sind mit dem Steigenlassen
einer solchen Laterne auch aufgrund des Anzündevorgangs deutlich überfordert.
39
Die Idee der Fluglaternen geht von den aus China stammenden Kong-Ming Laternen
aus. Sie wurden vor fast 2000 Jahren vom chinesischen Militärführer Kong-Ming
entwickelt und zur Kommunikation eingesetzt. Durch die große Flughöhe sind sie bei
Nacht über viele Kilometer hinweg sichtbar,
40
vgl. Wikipedia, "Kong-Ming-Laterne", www. Wikipedia.de.
41
Auch das spricht dagegen, solche Laternen, die ursprünglich im Krieg zur
Kommunikation eingesetzt worden sind, als Kinderspielzeug zu betrachten.
42
Letztlich kann die Frage, ob Fluglaternen dem Luftverkehr unterfallen, offen bleiben,
wobei die Kammer dazu neigt, davon auszugehen, dass Fluglaternen jedenfalls
Luftfahrzeuge sind, da sie Geräte sind, die der Eigenschaft der Luft bedürfen, um sich in
der Luft zu halten, und bis in den Luftraum von 500 m aufsteigen können. Davon geht
ersichtlich auch die deutsche Flugsicherung aus, die Anträge zur
Flugverkehrskontrollfreigabe bearbeitet,
43
www.dfs.de "Aufstieg von Fluglaternen" nach § 16 a LuftVO.
44
Die Frage kann deshalb im vorliegenden Fall offen bleiben, da auch bei der Annahme,
dass Fluglaternen dem Luftverkehr unterfallen, dies die Beklagte nicht ermächtigt, eine
Verbotsverfügung nach § 29 LuftVG zu erlassen. Denn hier liegt die erforderliche
konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht vor.
45
Voraussetzung für ein Einschreiten nach der luftaufsichtsrechtlichen Generalklausel ist
das Vorliegen einer konkreten Gefahr, d.h. der Schadenseintritt muss hinreichend
wahrscheinlich sein,
46
vgl. Grabherr, Kommentar zum Luftverkehrsgesetz, a.a.O, § 29 Rn 11.
47
Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts liegt hier jedoch nicht vor.
48
Es ist zwar bereits zu Unfällen mit Fluglaternen gekommen. So brannte in der
Neujahrsnacht in Leverkusen ein Haus komplett aus,
49
vgl. Rheinische Post vom 17. Januar 2009, Seite A 3.
50
Am 1. Juli 2008 setzten im Landkreis Fürth drei Miniheißluftballone ein Feld mit
Wintergerste in Brand,
51
Mitteilung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 20.August 2008, www. Rp.baden-
wuerttemberg.de
52
Eine sog. Himmelslaterne löste nach einem Absturz auf ein Gebäude einer Chemnitzer
Firma einen Dachbrand mit einem geschätzten Schaden von etwa 5000 Euro aus,
53
vgl. Bericht MDR vom 25. August 2008 (Beiakte Heft 3, Anlage 2).
54
Durch eine Himmelslaterne wurde ein Schaden von mehreren tausend Euro in einer
Kläranlage verursacht,
55
vgl. Badische Zeitung vom 17. September 2008.
56
Damit steht fest, dass in der Vergangenheit einige Fälle von Bränden, die durch
Fluglaternen ausgelöst worden sind, bekannt geworden sind, worauf die Beklagte im
Schriftsatz vom 25. September 2008 auch zu Recht hingewiesen hat. Die Anzahl der
bekannt gewordenen Unfälle und Brandschäden ist jedoch angesichts der Vielzahl der
vertriebenen Laternen sehr gering.
57
Die Fluglaternen werden frei vermarktet. Angesichts des Angebotes im Internet und in
zahlreichen Geschäften ist davon auszugehen, dass Zehntausende solcher Laternen im
Umlauf sind und auch angezündet werden. Bei der deutschen Flugsicherung gab es in
der Sommersaison 2008 etwa 100 Anfragen pro Tag und bundesweit über 5800
Anfragen,
58
vgl. Bericht "Skylaternen": Feurige Ufos als neue Gefahr, vom 28.Juli 2008,
www.derwestem.de/nachrichten/wr/2008; ein Bericht "Laternen außer Kontrolle" aus
Berlin spricht von fast 10.000 bearbeiteten Anträgen durch die Deutsche
Flugsicherung, vgl. Aktuelle Nachrichten Berlin, www.ad-hoc-news.de.
59
Stellt man die mutmaßliche Zahl der verkauften Laternen in Deutschland und die Zahl
der bei der Deutschen Flugsicherung gestellten Anträge der Zahl der bekannt
gewordenen Unfälle gegenüber, kann von einer konkreten Gefahr nicht ausgegangen
werden. Es ist angesichts der niedrigen Zahl der bekannt gewordenen Unfälle nicht
hinreichend wahrscheinlich, dass durch das Herabfallen von brennenden Laternen
Brände am Boden ausgelöst werden.
60
Dazu kommt, dass Brände, die durch das unsachgemäße Anzünden von Laternen am
Boden verursacht werden, nicht dem Luftverkehr unterfallen. Erst wenn die Laternen in
den Himmel aufsteigen und durch das Herabfallen in brennendem Zustand Brände
verursachen, gehen Gefahren durch den Luftverkehr aus. Damit sind Unfälle, die durch
das vorzeitige Entflammen der Laternen auf dem Boden verursacht werden, keine
61
Gefahren, denen durch luftaufsichtsrechtliche Verfügungen zu begegnen ist, und haben
deshalb bei der Prüfung der Zahl der Unfälle außer Betracht zu bleiben.
Von den Fluglaternen geht angesichts der Art ihrer Nutzung und der bisher bekannten
und durch Fluglaternen verursachten Brände die abstrakte Gefahr aus, erhebliche
Schäden für Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit wie Leben oder Eigentum zu
verursachen. Einer solchen abstrakten Gefahr kann jedoch nicht mit dem Mittel der
luftaufsichtsrechtlichen Verfügung, die das Bestehen einer konkreten Gefahr
voraussetzt, begegnet werden.
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Ob andere ordnungsbehördliche Ermächtigungsgrundlagen zur Abwendung von
Gefahren, die durch die Nutzung von Fluglaternen ausgehen, zur Verfügung stehen
oder ob der Gebrauch von Fluglaternen unter dem Aspekt der Produktsicherheit in
Frage zu stellen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Solche
Rechtsgrundlagen sind jedenfalls als Ermächtigungsgrundlage für ein Handeln der
Beklagten nicht ersichtlich.
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Es liegt ggfs. in den Händen des Gesetzgebers, Regelungen zur Abwehr abstrakter
Gefahren zu treffen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711
Zivilprozessordnung.
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