Urteil des VG Düsseldorf vom 31.03.2000

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 11279/98
Datum:
31.03.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 11279/98
Tenor:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt.
Die Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück Gemarkung
xxxxxxxxx, Flur xxx, Flurstücke xx und xx (xxxxxxxxxxxxx) in xxxxxxxxx
erbaute Röhrenrutsche mit Kletterturm und Hängebrücke zu beseitigen
sowie sicherzustellen, daß der auf dem Grundstück Gemarkung xxxxx
xxxx, Flur xxx, Flurstück xx (xxxxxxxxxxxxx) in xxxxxx xxx gelegene
Bolzplatz in der Zeit von 20.00 Uhr bis 8.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis
15.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen überhaupt nicht und in den
übrigen Zeiten nicht von Kindern über 14 Jahren, Jugendlichen und
Erwachsenen benutzt wird.
Die Beklagte trägt ¾ der Kosten des Verfahrens, der Kläger ¼ der
Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegen den Kläger ohne
Sicherheitsleistung und gegen die Beklagte gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 20.000,00 DM. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung xxxxxxxxx, Flur xxx,
Flurstücke xx und xx (xxxxxxxxxxxxx) in xxxxxxxxx. Das Grundstück liegt im
Geltungsbereich des Bebauungsplanes xxx der Beklagten und ist als "Bolzplatz" (im
wesentlichen Flurstück xx, nördlicher Teil), "Park" (im wesentlichen Flurstück xx,
südlicher Teil) und "Spielplatz- Spielbereich B" (im wesentlichen Flurstück xx,
nördlicher Teil) ausgewiesen. Der Kläger ist Miteigentümer eines in nordöstlicher
Richtung liegenden Grundstücks (Flurstück xxxxx, xxxxxxxxxxxxx), das vom Grundstück
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der Beklagten durch das Flurstück xx getrennt ist. Für das Grundstück des Klägers ist
Allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Es ist mit einem Wohnhaus bebaut. Sein
südöstlicher Teil wird als Hausgarten genutzt.
Die Beklagte gestaltete ihr Grundstück 1998 um. U.a. neu errichtet wurde eine
Röhrenrutsche mit Kletterturm und eine Hängebrücke zwischen Ende der Rutsche und
Turm. Auf dem bereits vorhandenen Bolzplatz wurden zwei Streetballständer aufgestellt.
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Mit Schreiben vom 12. August 1998 wandte sich der Kläger vor allem gegen die von der
Rutsche zu erwartende Lärmbelästigung. Der Beklagte antwortete unter dem 7.
September 1998, wegen der Gefahren beim Überschreiten der Straße sei der im
Norden, jenseits der xxxxxxxxxx liegende Spielplatzteil (Flurstück xx) aufgehoben und
das gesamte im Süden liegende Grundstück (Flurstücke xx und xx) zum Spielen
erschlossen worden. Die im Zuge der Arbeiten erfolgte Fällung von Bäumen sei
erforderlich gewesen.
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Der Kläger hat am 30. Dezember 1998 Klage erhoben. Zunächst hatte er die
Verurteilung der Beklagten zur Beseitigung nicht nur der Röhrenrutsche mit Kletterturm
und Hängebrücke, sondern auch des Bolzplatzes angestrebt. Bezüglich des Bolzplatzes
hat er sein Begehren eingeschränkt. Zur Klagebegründung trägt der Kläger vor:
5
Von der Kletter- und Rutschanlage gingen erhebliche Lärmbelästigungen aus,
verursacht durch zweckentsprechende Nutzung, aber auch durch randalierendes
Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Das riesige Metallrohr animiere zum
Raudaumachen (Hineinwerfen von Steinen, Kreischen in der Röhre, Trommeln mit
harten Gegenständen auf das Metall). Die Lärmbelästigung im Haus sei teilweise auch
bei geschlossenem Fenster unerträglich. Wintergarten, Terrasse und Garten seien nur
noch eingeschränkt nutzbar und zum Ausruhen ungeeignet. In unmittelbarer
Nachbarschaft befinde sich ein Kinderladen, so daß ganze Gruppen von Kindern den
Spielhang bevölkerten. Durch die Umgestaltung des Grundstücks sei eine gewaltige,
zusammenhängende Freizeitanlage geschaffen worden. Das Fällen der Bäume - unter
Verstoß gegen die Baumschutzsatzung - und der Bau der Rutschanlage hätten zur
Folge, daß die vom Bolzplatz ausgehenden Belästigungen erheblich zugenommen
hätten und unzumutbar seien. Ihm gegenüber werde das drittschützende Gebot der
Rücksichtnahme verletzt. Die übrigen neu aufgestellten Spielgeräte, gegen die er sich
nicht wende, seien ausreichend.
6
Für die Kletter- und Rutschanlage wie auch für den Bolzplatz gebe es keine
Baugenehmigung, obschon eine solche erforderlich sei. Die Fläche, auf der die Kletter-
und Rutschanlage errichtet worden sei, sei ihm Bebauungsplan als "Park" festgesetzt
worden. Durch die Neugestaltung der Flurstücke xx und xx sei der mit dem Plan
angestrebte Charakter grundlegend verändert worden mit der Folge, daß der mit dem
Bebauungsplan bezweckte Schutz des benachbarten Allgemeinen Wohngebietes
beseitigt worden sei. Nach dem Inhalt des Aufstellungsvorgangs für den Bebauungsplan
habe die Festsetzung "Park" nachbarschützende Wirkung. Eine Beseitigung der Kletter-
und Rutschanlage sei erforderlich, weil eine Nutzungsbeschränkung faktisch nicht
durchsetzbar wäre. Das hätten die Erfahrungen mit der Durchsetzung des im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlusses des Gerichts gezeigt,
der bislang ins Leere laufe.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, die auf dem Grundstück Gemarkung xxxxxxxxx, Flur xxx,
Flurstücke xx und xx (xxxxxxxxxxxxx) in xxxxxxxxx erbaute Röhrenrutsche mit
Kletterturm und Hängebrücke zu beseitigen,
9
2.
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3. der Beklagten aufzugeben, sicherzustellen, daß der auf dem Grundstück Gemarkung
xxxxxxxxx, Flur xxx, Flurstück xx in xxxxxxxxx (xxxxxxxxxxxxx) gelegene Bolzplatz in
der Zeit von 20.00 Uhr bis 8.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr sowie an Sonn-
und Feiertagen überhaupt nicht und in den übrigen Zeiten nicht von Kindern über 14
Jahren, Jugendlichen und Erwachsenen benutzt wird.
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4.
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Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen
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und macht geltend:
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Die Röhrenrutsche sei heute auf Kinderspielplätzen nach Art, Ausführung und Größe
üblich. In xxxxxxxxx gebe es bereits etwa ein Dutzend von ihnen. Das
Rücksichtnahmegebot werde nicht verletzt. Die Rutschanlage sei nicht in einer für den
Kläger besonders belastenden Weise errichtet worden. Es sei keine
Schalltrichterwirkung zum Grundstück des Klägers gegeben. Der Rutschenausgang
liege zudem unter dem Geländeniveau des Grundstücks des Klägers. Die Entfernung zu
dessen Grundstücksgrenze betrage immerhin 19 m. Mittlerweile sei eine Lärmdämmung
installiert worden. Wie von ihr durchgeführte Schallmessungen ergeben hätten, sei
dadurch eine wesentliche Lärmminderung erreicht worden. Beim Hineinwerfen eines
größeren Steines in die Röhrenrutsche sei in zwei 2 m Abstand von der Mündung der
Röhre vor der Dämmung ein Momentanpegel von 97 dB(A) festgestellt worden, danach
einer von 88 dB(A). Eine Pegelminderung von etwa 10 dB(A) werde als Halbierung des
Lärms wahrgenommen. Die durch eine bestimmungsgemäße Nutzung der Rutsche oder
durch Schläge auf die Röhre hervorgerufenen Geräusche seien deutlich geringer als die
Geräusche, die durch ein Hineinwerfen eines Steines entstünden. Auch der Bolzplatz
sei nicht in einer besonders den Kläger belastenden Weise errichtet worden. Der Kläger
werde, was die Lärmentwicklung angehe, auch insoweit durch den Geländeverlauf
begünstigt.
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Eine Baugenehmigung sei nicht erforderlich. Die Frage nach einem
gebietsübergreifenden Nachbarschutz stelle sich nicht, weil ein Kinderspielplatz keine
wohngebietsunverträgliche Nutzung darstelle. Das als "Park" ausgewiesene Teilstück
komme schon wegen seiner Lage nicht als Puffer zwischen Spielfläche und
Wohngrundstücken in Betracht. Es habe zudem ein recht steiles Gefälle und sei, um
Unfälle von Kindern zu verhindern, als "Park" ausgewiesen worden. Die mit dem
Klageantrag zu 2. angestrebte Regelung werde wohl eher für neuen Konfliktstoff sorgen,
wie die Erfahrungen mit der Durchsetzung des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
ergangenen Beschlusses des Gerichts gezeigt hätten. Sie widerspreche zudem
sämtlichen Erkenntnissen der Pädagogik, weil gerade die Tageszeiten mit erhöhtem
Spieldrang und insbesondere Sonn- und Feiertage ausgeschlossen werden sollten.
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Auch die Beschränkung auf Kinder unter 14 Jahren trage den Erkenntnissen der
pädagogischen Wissenschaft über die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht
Rechnung. Sie würde faktisch die vollständige Schließung bedeuten, weil die
Einrichtung eines Schlüsseldienstes für sie - die Beklagte - nicht finanzierbar wäre.
Dem Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Gericht mit
Beschluß vom 17. Februar 1999 teilweise stattgegeben (13 L 5921/98). Den Antrag der
Beklagten auf Zulassung der Beschwerde gegen diesen Beschluß hat das OVG NRW
mit Beschluß vom 19. August 1999 abgelehnt (11 B 498/99). Einen weiteren Antrag des
Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Gericht mit Beschluß vom
8. Juli 1999 abgelehnt (13 L 1976/99), ebenso einen Antrag des Klägers auf
Vollstreckung aus dem Beschluß vom 17. Februar 1999 (Beschluß vom 21. Oktober
1999, 13 M 103/99).
18
Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 24. Januar 2000 hat der Berichterstatter die
Örtlichkeit des streitgegenständlichen Grundstücks in Augenschein genommen. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der hierüber gefertigten
Niederschrift vom 9. März 2000 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
19
Entscheidungsgründe:
20
Das Verfahren ist einzustellen, soweit der Kläger die Klage durch Einschränkung des
sich auf den Bolzplatz beziehenden Begehrens konkludent zurückgenommen hat (§ 91
Abs. 3 VwGO).
21
Die Klage im übrigen ist begründet.
22
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, daß diese die auf ihrem
Grundstück erbaute Röhrenrutsche mit Kletterturm und Hängebrücke beseitigt
(Klageantrag zu 1.).
23
Der Anspruch des Klägers folgt aus dem für Fälle der vorliegenden Art entwickelten
(allgemeinen) öffentlich- rechtlichen Abwehr-, Beseitigungs- und
Unterlassungsanspruch. Er beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 1004
BGB und setzt voraus, daß eine Privatperson durch schlicht hoheitliches
Verwaltungshandeln in ihren geschützten Rechtsgütern rechtswidrig beeinträchtigt wird
und zur Duldung dieser Beeinträchtigung nicht verpflichtet ist, und richtet sich gegen
den für die Beeinträchtigung verantwortlichen Hoheitsträger.
24
OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 1994 - 7 A 2002/92 -, OVGE 44, 1 m.w.N..
25
Allerdings kann der Beseitigungsanspruch des Klägers nicht daraus hergeleitet werden,
daß die Errichtung und Nutzung der Röhrenrutsche mit Kletterturm und Hängebrücke
oder doch zumindest des Spielplatzes baugenehmigungspflichtig sind. Selbst wenn
eine Baugenehmigung erforderlich wäre, könnte sich der Kläger auf deren Fehlen nicht
berufen, weil es insoweit nicht um seine geschützten Rechtsgüter ginge. Denn die
Vorschriften über die formelle Genehmigungspflicht baulicher Anlagen ist nicht
nachbarschützend.
26
Vgl. Boeddinghaus u.a., BauO NW 1995, Kommentar, § 74 Rdnr. 354, 401.
27
Der Beseitigungsanspruch des Klägers ergibt sich vielmehr zum einen daraus, daß die
Beklagte die Röhrenrutsche mit Kletterturm und Hängebrücke errichtet hat, obwohl für
diese Fläche im Bebauungsplan mit nachbarschützender Wirkung "Park" festgesetzt
worden ist.
28
In der Rechtsprechung ist geklärt, auf welchem methodischem Wege zu ermitteln ist, ob
ein Bebauungsplan Drittschutz vermittelt. Die in Betracht kommende Festsetzung des
Bebauungsplans ist anhand des Wortlautes sowie von Sinn und Zweck der
Festsetzungen und der zugrundeliegenden Ermächtigungsnorm auszulegen,
gegebenenfalls auch unter Heranziehung ihrer Entstehungsgeschichte.
29
OVG NRW, Beschluß vom 9. Juli 1997 - 7 B 1486/97 -; BVerwG, Urteil vom 19.
September 1986 - 4 C 8.84 -, BRS 46 Nr. 173 (S. 399).
30
Die Auslegung nach den genannten Kriterien ergibt, daß der Rat der Beklagten mit der
Festsetzung "Park" zumindest auch den Schutz des Klägers als Eigentümer des
benachbarten Flurstückes xxxxx beabsichtigt hat. Die im Bebauungsplan xxx als Park
festgesetzte Fläche stellt nach den örtlichen Verhältnissen vom Grundstück des Klägers
aus gesehen einen Puffer zu der westlich jenseits der xxxxxxxxxxxxxx liegenden
ausgedehnten, sechsstöckigen Bebauung (Gebäude der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx) dar.
Diese tatsächliche Abschirmwirkung auch gegen Geräuschimmissionen ist vom Rat der
Beklagten bei der Beschlußfassung über den Bebauungsplan beabsichtigt gewesen.
Das ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Aufstellungsvorgängen.
31
Die dem Beschlußvorschlag beigegebene Begründung gemäß § 9 Abs. 8 BBauG (Seite
5) enthält insoweit allerdings keine eindeutige Formulierung. Dort ist nur davon die
Rede, daß möglichst viel von der vorhandenen Parkanlage erhalten werden soll und die
Pauschalausweisung differenziert worden ist, um deutlich zu machen, in welchem
Bereich die Parkanlage erhalten wird. Daß das östlich angrenzende Wohngebiet
geschützt werden soll, wird im Zusammenhang damit nur für den im oberen Bereich
festgesetzten, etwa 6 m breiten Pflanzstreifen ausgeführt. Etwas anderes ergibt sich aus
den Vorschlägen der Verwaltung zur Behandlung der Bedenken und Anregungen zum
Bauleitplanverfahren, die dem Beschlußvorschlag ebenfalls als Anlage beigefügt
waren. Diese Vorschläge sind Gegenstand des Ratsbeschlusses geworden. Denn in
dem verabschiedeten Beschlußvorschlag wird ausdrücklich ausgeführt, die
vorgebrachten Bedenken und Anregungen würden entsprechend den Vorschlägen der
Verwaltung behandelt. Zu den Bedenken und Anregungen zu 16. hatte die Verwaltung
eine Behandlung u.a. wie folgt vorgeschlagen (S. 27): Durch die Festsetzung eines
Kinderspielplatzes innerhalb einer öffentlichen Grünfläche werde nicht die Abwägung
des Rates der Beklagten aufgehoben, die seinerzeit zum vorausgegangenen
Bebauungsplan Nr. xxx erfolgt sei (Ausgleich zu der Bebauung der xxxxxxxxxxxxxx
xxxxxx). Selbst durch Ausbau des Kinderspielplatzes bleibe der Charakter einer
öffentlichen Grünfläche, die hier als Äquivalent zum stark bebauten Grundstück der
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vorhanden sein soll, erhalten. Durch Festsetzung der Bäume
innerhalb der Spielflächen, durch Ausweisung einer Grünzone zwischen dem Bolzplatz
und der höher gelegenen Spielfläche und durch Festsetzung eines Pflanzgebotes
entlang der Grenze zum Haus xxxxxxxxxxxxxxxxx bleibe der Charakter einer Grünfläche
voll gewahrt. Damit ist unzweideutig ausgedrückt, daß die Festsetzung "Park"
(Grünzone) gerade auch zum Schutz der sich östlich anschließenden Wohnbebauung,
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also auch des Grundstücks des Klägers, getroffen worden ist.
Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß die als "Park"
ausgewiesene Fläche schon wegen ihrer Lage nicht als Puffer zwischen der Spielfläche
und Wohngrundstücken in Betracht komme, vermag das Gericht ihr nicht zu folgen.
Denn wie ausgeführt, geht es hier nicht um eine abschirmende Wirkung zur Spielfläche
etwa des Bolzplatzes, sondern zu dem westlich jenseits der xxxxxxxxxxxxxx gelegenen
Grundstück. In den Aufstellungsvorgängen findet sich auch kein Hinweis darauf, daß die
in Rede stehende Fläche allein wegen ihres steilen Gefälles als "Park" festgesetzt
worden ist.
33
Die Beklagte verstößt durch die Errichtung und das Betreiben der Röhrenrutsche mit
Kletterturm und Hängebrücke auf der als "Park" festgesetzten Fläche gegen die
Festsetzung des Bebauungsplans xxx. Durch die im Bebauungsplan erfolgte
ausdrückliche Differenzierung zwischen "Bolzplatz", "Park" und "Spielplatz-
Spielbereich B" ist eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die als "Park" festgesetzte
Fläche nicht als Spielplatz benutzt werden darf. Da diese Festsetzung wie ausgeführt
nachbarschützende Wirkung hat, hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf
deren Einhaltung. Er kann also die Beseitigung der Anlage verlangen.
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Der Beseitigungsanspruch des Klägers läßt sich daneben auch aus dem sich aus § 15
BauNVO ergebenden nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme ableiten.
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Bei der insoweit erforderlichen Interessenabwägung ist zu fragen, ob den Betroffenen
die nachteiligen Einwirkungen einer baulichen Anlage einschließlich ihrer
vorgesehenen Nutzung billigerweise zugemutet werden können oder nicht. Soweit es
wie hier um die Abwehr von Geräuschimmissionen geht, wird das Gebot der
Rücksichtnahme durch §§ 3 Abs. 1 und 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2
Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) konkretisiert. Danach sind schädliche
Umwelteinwirkungen (z.B. Geräusche), die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind,
erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen, zu verhindern, soweit
dies nach dem Stand der Technik möglich ist, und auf ein Mindestmaß zu beschränken,
soweit ihre Verhinderung nicht möglich ist. Erhebliche Belästigungen in diesem Sinne
und damit schädliche Umwelteinwirkungen sind Geräuschimmissionen, die
billigerweise nicht mehr hinzunehmen sind. Ob und wann dies der Fall ist, läßt sich nicht
schematisch an Immissionsrichtwerten allgemeiner Regelwerke festmachen, sondern
bedarf einer situationsbedingten Abwägung und eines Ausgleichs der widerstreitenden
Interessen.
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Vgl. VGH München, Urteil vom 18. Januar 1993 - 2 B 91/15 -, NVwZ 1993, 1006.
37
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, daß selbst in einem reinen
Wohngebiet die Errichtung eines Kinderspielplatzes als sozialadäquate Ergänzung der
Wohnbebauung grundsätzlich zulässig ist. Kinderspielplätze dienen der geistigen und
körperlichen Entfaltung der Kinder, der Befriedigung der Spiel- und
Bewegungsbedürfnisse sowie der Einübung sozialen Verhaltens. Die mit der
bestimmungsmäßigen Nutzung eines Kinderspielplatzes für die nähere Umgebung
unvermeidbar verbundenen Beeinträchtigungen (vor allem Geräusche) sind ortsüblich
und sozialadäquat; sie sind den Nachbarn zuzumuten und von ihnen hinzunehmen.
Allerdings dürfen auf der anderen Seite aber auch die andersgearteten Bedürfnisse
insbesondere berufstätiger, alter und kranker Menschen nicht vernachlässigt werden, so
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daß im Einzelfall bei der gebotenen Interessenabwägung wegen besonderer Umstände
eine Beschränkung des Spielplatzbetriebs erforderlich sein kann. Bei Spielplätzen für
Kinder bis zu 14 Jahren mit üblicher Ausstattung ist eine Verletzung des zugunsten der
Nachbarn bestehenden Gebots der Rücksichtnahme in aller Regel ausgeschlossen.
Das gilt beispielsweise nicht für sogenannte Abenteuer- oder Robinsonspielplätze und
auch dann nicht, wenn einzelne Spielgeräte (wie etwa eine Tischtennisplatte) ohne
sachliche Notwendigkeit in unmittelbarer Nähe zur Nachbargrenze aufgestellt worden
ist.
BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5.88 -, BRS 52 Nr. 47; OVG NRW,
Beschluß vom 13. Juni 1996 - 10 A 2589/93 -, Beschluß vom 29. Dezember 1993 - 7aD
146/92.NE -, Urteil vom 10. September 1982 - 15 A 654/79 -, NVwZ 1983, 356; VGH
Baden-Württemberg, Beschluß vom 26. März 1985 - 3 S 405/85 -, BauR 1985, 535.
39
Die von der Beklagten errichtete und zur Benutzung zur Verfügung gestellte
Röhrenrutsche mit Kletterturm und Hängebrücke verstößt gegen das Gebot der
Rücksichtnahme, auf dessen Einhaltung der Kläger einen Anspruch hat. Dieses
Spielgerät sprengt die Grenzen der üblichen Ausstattung von Kinderspielplätzen als
sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung.
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Das ergibt sich aus der enormen Geräuschentwicklung, die bei bestimmungsgemäßer
(Rutschen) und darüber hinausgehender Nutzung (Schlagen mit harten Gegenständen
auf die Röhre, Hineinwerfen von Steinen usw.) entsteht. Dabei bedeutet es für den
Kläger keine wesentliche Erleichterung, daß der Ausgang der Röhre nicht auf sein
Grundstück gerichtet ist und unter dessen Geländeniveau liegt. Immerhin ist die Grenze
zu seinem Hausgarten, der Teil der schutzwürdigen Ruhezone ist, nur etwa 18 m von
der Rutsche entfernt. Die von der Beklagten kürzlich vorgenommene Schalldämmung
bedeutet keine wesentliche Verminderung der Geräuschentwicklung. Vielmehr ergibt
sich aus den von ihr vorgenommenen Schallmessungen, daß die Benutzung des
Spielgeräts unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarn mit sich bringt. Denn durch
das Hineinwerfen eines Steines in die Röhre wird danach trotz Schalldämmung ein
Momentanpegel von 88 dB(A) verursacht. Auch wenn es sich dabei nicht um ein
Dauergeräusch handelt, ist es wegen seines unvermuteten Auftretens und insbesondere
wegen seiner Lautstärke besonders störend. Von etwa gleicher Lautstärke ist
beispielsweise der Lärm eines ungedämpften Maschinensaales, einer Kreissäge oder
eines im Abstand von 6 m vorbeifahrenden schweren LKW mit einer Geschwindigkeit
von 80 km/h.
41
Fickert/Fieseler, BauNVO, Kommentar, 9. Auflage, § 15 Rdnr. 15.2.
42
Bei der Interessenabwägung, die bei der Bestimmung der billigerweise nicht mehr
hinzunehmenden Geräuschimmissionen anzustellen ist, fällt demgegenüber kein auch
nur annähernd gleich großes öffentliches Interesse ins Gewicht. Der Zweck von
Kinderspielplätzen, nämlich der geistigen und körperlichen Entfaltung der Kinder, der
Befriedigung des Spiel- und Bewegungsbedürfnisses sowie der Einübung sozialen
Verhaltens zu dienen, kann ohne weiteres auch unter Verzicht auf die von der Beklagten
erbaute Röhrenrutsche mit Kletterturm und Hängebrücke durch andere Spielgeräte
erreicht werden. Etwas anderes hat auch die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Im
übrigen wäre die Beklagte unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht daran
gehindert, eine derartige Röhrenrutsche auf einem Grundstück zu errichten, das nicht in
der Nähe von Wohnbebauung liegt. Aus der Verletzung des Gebots der
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Rücksichtnahme ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Anlage, weil
nur so ihre Nutzung wirksam ausgeschlossen werden kann.
Auch der den Bolzplatz betreffende Klageantrag zu 2. ist begründet. Der Kläger hat
einen Anspruch gegen die Beklagte auf Sicherstellung, daß der Bolzplatz in der Zeit von
20.00 Uhr bis 8.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen
überhaupt nicht und in den übrigen Zeiten nicht von Kindern über 14 Jahren,
Jugendlichen und Erwachsenen benutzt wird.
44
Wie bei dem Klageantrag zu 1. folgt der Anspruch aus dem (allgemeinen) öffentlich-
rechtlichen Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB analog) in
Verbindung mit dem sich aus § 15 BauNVO ergebenden Gebot der Rücksichtnahme.
45
Während Kinderspielplätze im Wohngebiet allgemein zulässig sind, ist das bei
Bolzplätzen nicht so. Sie sind bauplanungsrechtlich anders zu beurteilen als
Kinderspielplätze, weil sie auch und vor allem der spielerischen und sportlichen
Betätigung Jugendlicher und junger Erwachsener dienen und weil von ihnen stärkere
Auswirkungen auf ihre Umgebung ausgehen. Sie sind in hohem Maße konfliktträchtig.
Denn von ihnen geht eine erhebliche Geräuschentwicklung (Treten des Balles gegen
Tor und Ballfangzäune) aus und sie werden über erhebliche Zeiträume des Tages
benutzt. Zudem werden auch bei ihnen die gegebenen Nutzungsmöglichkeiten zum Teil
überschritten (Mißbrauch). Daher sind Bolzplätze in Wohngebieten anders als
Kinderspielplätze nicht generell nachbarverträglich, sondern es ist unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eine Interessenabwägung dazu
vorzunehmen, was der einen oder der anderen Seite zugemutet werden kann.
46
BVerwG, Beschluß vom 3. März 1992 - 4 B 70/91 -, NVwZ 1992, 884; OVG NRW, Urteil
vom 2. März 1999 - 10 A 6491/96 -, S. 16 f., 24 des Urteilsumdrucks.
47
In der zuletzt genannten Entscheidung hat das OVG NRW zum Ausdruck gebracht, daß
ein Bolzplatz für die Nachbarn nicht zumutbar ist, wenn u.a. die Entfernung zur
Wohnbebauung gering ist, der Platz auch in den besonders schutzwürdigen Mittags-
und Abendstunden genutzt wird und keine Vorkehrungen zu einer zuverlässigen
Belastungsminderung (etwa wirksame Kontrolle der Zeit- und Altersbegrenzung)
ergriffen worden sind.
48
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Fall des Klägers ergibt sich, daß sein
Klagebegehren hinsichtlich des Bolzplatzes begründet ist.
49
Die altersmäßige Beschränkung der Nutzung ergibt sich daraus, daß Spielflächen in
unmittelbarer Nähe von Wohnbebauung vor allen Dingen für jüngere Kinder bestimmt
sind, damit sie diese - gegebenenfalls unter Beaufsichtigung - leicht fußläufig erreichen
können. Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene, denen das Zurücklegen weiterer
Wege zugemutet werden kann, können auf entfernter liegende Sportflächen verwiesen
werden.
50
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 a.a.O.
51
Die zeitliche Beschränkung der Nutzung ergibt sich ebenfalls aus einer Abwägung der
Interessen des Klägers einerseits und der Benutzer des Bolzplatzes andererseits. Der
Bolzplatz darf danach an Sonn- und Feiertagen, nachts und in den Morgen- und
52
Abendstunden vor 8.00 Uhr und nach 20.00 Uhr sowie während der Mittagsruhe von
13.00 Uhr bis 15.00 Uhr nicht benutzt werden. Diese Zeiten stehen zum Teil unter dem
besonderen normativen Schutz von Sonn- und Feiertagen (vgl. Art. 140 GG in
Verbindung mit Art. 139 WRV, Gesetz über Sonn- und Feiertage NW vom 23. April
1989, GVBl. S. 22) und der Nachtruhe von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr (§ 9 Abs. 1
Landesimmissionsschutzgesetz vom 18. März 1975, GVBl. S. 232). Insgesamt werden
sie als Zeiten besonderen Ruhebedürfnisses angesehen und anerkannt und sind
üblicherweise auch weitgehend von Arbeitslärm frei.
Selbst wenn, wie die Beklagte vorträgt, der Spieldrang der Kinder während der Sonn-
und Feiertage und während der Mittagszeit von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr erhöht sein
sollte, würde das nichts ändern. Denn es steht nicht eine Schließung des Bolzplatzes in
Rede, sondern als Kompromiß nur eine zeitliche Einschränkung, die etwa an den
beiden Tagen des Wochenendes die Nutzung an einem Tag (Samstag) zuläßt.
53
Der Klageantrag zu 2. ist hinreichend bestimmt gefaßt. Die Beklagte bemängelt
insoweit, daß unklar sei, welche Maßnahmen zur Sicherstellung der eingeschränkten
Nutzung des Bolzplatzes zu ergreifen sind bzw. verlangt werden können. Daß das nicht
zu beanstanden ist, hat das OVG in seinem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
ergangenen Beschluß bereits festgestellt,
54
Beschluß vom 19. August 1999 - 11 B 498/99 -.
55
Würden etwa die Bolzzeiten nach Anbringung einer entsprechenden Beschilderung
nicht eingehalten, kämen der Abschluß eines sogenannten Schlüsselvertrages mit
einem Anlieger, eine zeitlich befristete Kontrolle durch einen privaten Schlüsseldienst
oder aber auch zeitlich befristete, in dieser Zeit aber verstärkt durchgeführte Kontrollen
durch Bedienstete in Betracht, nötigenfalls auch eine befristete Schließung der Anlage.
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OVG NRW, Urteil vom 8. Juli 1986 - 11 A 1288/85 -, BauR 1987, 46 (49).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, die
Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709
S. 1 und 711 S. 1 ZPO.
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