Urteil des VG Düsseldorf vom 18.01.2006
VG Düsseldorf: geschäftsführung ohne auftrag, ersatzvornahme, aufschiebende wirkung, vwvg, verwaltungsakt, zustand, wiederherstellung, androhung, eigentümer, aufwand
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 K 2626/05
Datum:
18.01.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 2626/05
Tenor:
Der Bescheid vom 10. Mai 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 9.
Juni 2005 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Zufahrt für die Wiederherstellung einer
landwirtschaftlichen Zufahrt zur L 00. Nachdem der Beklagte Beschädigungen an der
Zufahrt festgestellt hatte, forderte er den Kläger mit Schreiben vom 10. März 2003 auf,
die Zufahrt nach einer beiliegenden Musterzeichnung zu erneuern. Er wiederholte diese
Aufforderung mit Schreiben vom 11. Juni 2003 unter Fristsetzung zum 31. Juli 2003.
Daraufhin teilte der Kläger unter dem 15. Juli 2003 mit, die seinerzeit wohl im Auftrag
des Beklagten durchgeführte Befestigung sei unzureichend gewesen. Im übrigen
entscheide der Anlieger selbst, in welcher Form und in welcher Weise er von seinem
Feld auf die Straße fahren wolle. Nach erneuter Fristsetzung mit Schreiben vom 4.
August 2003 forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22. September 2003
auf, die Zufahrt bis zum 31. Oktober 2003 wiederherzustellen. Für den Fall, dass der
Kläger der Aufforderung nicht nachkomme, sehe er sich gezwungen,
ordnungsbehördliche Maßnahmen zu ergreifen. Mit weiterem Schreiben vom 7.
November 2003 teilte er dem Kläger mit, wenn es zu keiner Einigung komme, werde er
die Baumaßnahme zunächst ohne Abstimmung durchführen und die Kosten sodann auf
Grund öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag von ihm, dem Kläger,
einfordern. Diese Ankündigung wiederholte er mit Schreiben vom 4. Dezember 2003 für
den Fall, dass er bis zum 15. Januar 2004 keine Antwort erhalte. Schließlich setzte er
mit Leistungsbescheid vom 30. August 2004 Kosten in Höhe von 3.590,14 Euro für die
Wiederherstellung der Zufahrt fest. Auf den Widerspruch des Klägers hin hob er den
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Bescheid mit weiteren Bescheid vom 10. Mai 2005 auf und setzte die Kosten
stattdessen in Höhe von 1.226,37 Euro fest. Dabei legte er nicht mehr die Kosten für die
Gesamtzufahrt, sondern nur noch die für die verkehrsgefährdenden Ausrundungen zu
Grunde. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, er sei weder
rechtlich noch tatsächlicher Verursacher der Beschädigungen, die Kosten seien um
einen sogenannten Korruptionsabschlag zu vermindern, wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2005 zurück. Der Kläger sei Eigentümer der über die
Zufahrt erschlossenen landwirtschaftlich genutzten Flächen und dementsprechend
gemäß § 20 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 18 Abs. 4 StrWG NRW als Erlaubnisnehmer zur
Unterhaltung der Zufahrt verpflichtet. Nach § 22 StrWG NRW könne er, der Beklagte, die
Erfüllung der Verpflichtungen verlangen, wobei es unerheblich sei, ob der Kläger
tatsächlicher Verursacher der Beschädigungen sei. Nachdem der nicht hinnehmbare
Zustand längere Zeit angedauert habe, habe er im Rahmen der Ersatzvornahme die
Arbeiten durchgeführt. Mit seiner am 15. Juni 2005 bei Gericht eingegangenen Klage
macht der Kläger geltend, er sei nicht Eigentümer der landwirtschaftlichen Flächen,
habe diese vielmehr lediglich bis vor etwa 10 Jahren als Pächter benutzt. Jedenfalls
habe er in dieser Phase Schäden an der Zufahrt nicht verursacht. Seitdem werde die
Ackerfläche von einem anderen Pächter benutzt. Im Übrigen würden die dargestellten
Kosten bestritten. Die Arbeiten hätten insgesamt allenfalls 300,- Euro an Werklohn
betragen. Eine Gefährdung sei von der Zufahrt nicht ausgegangen.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid vom 10. Mai 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2005
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Frage des Eigentums könne dahinstehen. Jedenfalls überfahre der Kläger mit
seinen Fahrzeugen die im Streit stehende Zufahrt, verschmutze und beschädige sie.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Vorraussetzungen für eine Festsetzung
der Kosten für die Wiederherrichtung der Ausrundungen der streitigen Feldzufahrt im
Wege der Ersatzvornahme lagen nicht vor. Weder sind die Voraussetzungen erfüllt,
unter denen nach § 22 StrWG ein rechtswidriger Zustand auf Kosten des Klägers hätte
beseitigt werden können, noch sind im Übrigen die Voraussetzungen einer Festsetzung
der Kosten der Ersatzvornahme nach § 59 Abs. 2 VwVG NRW erfüllt.
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Es kann dahinstehen, ob der Kläger als Erlaubnisnehmer im Sinne des § 22 Satz 1
StrWG seinen Verpflichtungen zur Unterhaltung der Zufahrt nicht nachkam. Ein
Anspruch auf Ersatz der Kosten gemäß § 22 Satz 2 StrWG liegt in jedem Fall nicht vor.
Danach kann die Behörde den rechtswidrigen Zustand nur dann auf Kosten des
Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen, wenn Anordnungen im Sinne des Satz 1
nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder nicht erfolgversprechend
sind. Solche Anordnungen waren möglich, um die Durchsetzung von Verpflichtungen
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des Erlaubnisnehmers durchzusetzen. Dass sie nicht nur mit unverhältnismäßigem
Aufwand möglich waren, zeigt das Verhalten des Beklagten, der den Kläger mehrfach
dazu aufforderte, zum Teil auch unter Fristsetzung, die Zufahrt zu reparieren. Dass die
Anordnungen des Beklagten letztlich nicht den gewünschten Erfolg hatten, bedeutete
nicht, dass solche Anordnungen von vornherein nicht erfolgversprechend gewesen
wären.
Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 77 Abs. 1 VwVG
NRW i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 7 KostO liegen nicht vor, weil es an einer rechtmäßigen
Ersatzvornahme fehlt. Nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW setzt die rechtmäßige
Ersatzvornahme zunächst voraus, dass der durchzusetzende Verwaltungsakt
unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Es kann
dahinstehen, ob das Schreiben vom 22. September 2003 als Verwaltungsakt im Sinne
einer einseitigen verbindlichen Regelung im Sinne des § 35 VwVfG angesehen werden
kann. Dagegen kann immerhin angeführt werden, dass die Aufforderung der
Wiederherstellung verbunden wird mit der Ankündigung, falls dies nicht bis zum 31.
Oktober 2003 geschehe, sehe man sich gezwungen, „ordnungsbehördliche
Maßnahmen zu ergreifen". Selbst wenn dies nicht dem Verständnis des Schreibens
vom 22. September 2003 als Verwaltungsakt widerspräche, so würde es doch jedenfalls
an der weiteren Voraussetzung des § 55 Abs. 1 VwVG fehlen, der Unanfechtbarkeit
bzw. Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes. Dieser enthielt weder eine Anordnung der
sofortigen Vollziehung, noch konnte er mangels Rechtsmittelbelehrung nach einem
Monat bestandskräftig werden, vgl. § 58 Abs. 2, 70 Abs. 1, 2 VwGO. Mithin kann offen
bleiben, inwieweit es an der Androhung der Ersatzvornahme unter Festsetzung einer
bestimmten Frist fehlt, § 63 Abs. 1 VwVG. Dem Schreiben vom 22. September 2003
fehlte die konkrete Androhung der Ersatzvornahme, dem Schreiben vom 7. November
die entsprechende Fristsetzung. Im Schreiben vom 4. Dezember 2003 ist zwar eine Frist
sowie die Androhung der Ersatzvornahme enthalten. Die Frist ist jedoch nicht zur
Erfüllung der Grundverpflichtung gesetzt, sondern als letztmalige Möglichkeit
eingeräumt, das Schreiben vom 7. November 2003 zu beantworten.
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Die Voraussetzungen für die Durchführung des Verwaltungszwangs ohne
vorausgehenden Verwaltungsakt gemäß § 55 Abs. 2 VwVG NRW lägen nicht vor.
Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 22 S. 2 StrWG NRW Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Gründe für eine Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4
VwGO liegen nicht vor.
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