Urteil des VG Düsseldorf vom 27.01.2000

VG Düsseldorf: bhutan, nepal, auskunft, anerkennung, schlepper, bundesamt, indien, herkunft, staatsangehörigkeit, verwaltungsverfahren

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 K 3993/97.A
27.01.2000
Verwaltungsgericht Düsseldorf
8. Kammer
Urteil
8 K 3993/97.A
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Tatbestand:
Der Kläger, der Identitätspapiere nicht vorgelegt hat, meldete sich am 28.11.1995 als
Asylbewerber mit der Angabe, er sei Staatsangehöriger Bhutans. Bei der Anhörung durch
das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am
04.12.1995 gab er im wesentlichen an: Er sei am xxxxxx1969 in Paro Bhutan geboren, wo
er auch von 1993 bis zur Ausreise als Lebensmittelhändler gelebt habe. Er sei ledig, der
Aufenthaltsort seiner Eltern und Schwestern sei ihm unbekannt. Seit 1990 sei er Mitglied
der Bhutan People´s Party (BPP) gewesen und habe in der Organisation die Stellung eines
Sekretärs innegehabt. Die Partei sei anti-monarchistisch. Wegen seiner Teilnahme an
einer Demonstration gegen den König sei er im Februar 1995 auf der Straße verhaftet
worden. Im August desselben Jahres habe man ihn freilassen müssen, nachdem man ihm
eine Erklärung abgefordert hatte, daß er sich in Zukunft nicht mehr gegen den König
betätigen werde. Anfang August habe er aber sogleich wieder an einer Demonstration
teilgenommen; daraufhin sei gegen ihn ein Haftbefehl ergangen. Im September habe er
dann einen Reisepaß beantragt und erhalten. Im Oktober sei ein Brandanschlag auf das
elterliche Haus verübt worden. Er habe seinerzeit ohnehin bei Freunden gewohnt. Die
Eltern und die Schwestern seien dem Brandanschlag entkommen. Allerdings seien die
Mutter und die Schwester von der Polizei mißhandelt und vergewaltigt worden. Man habe
die Familie verschleppt; er wisse nicht, wo sie sich jetzt aufhalte. Alle diese Dinge habe er
über Nachbarn und Parteifreunde erfahren. Nach diesen Ereignissen habe er am
05.10.1995 das Land verlassen. Nach Zwischenaufenthalten in Indien und in einem
Flüchtlingslager in Nepal habe ein Schlepper ihn und seinen Neffen xxxxxxxxxx nach
Deutschland gebracht. Man sei am 24.11.1995 von Delhi abgeflogen und am selben Tag
nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Dubai in Frankfurt/Main eingetroffen. Den
Reisepaß habe der Schlepper einbehalten, sonstige Papiere oder Nachweise besitze er
nicht.
Mit Bescheid vom 05.05.1997 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als
Asylberechtigter ab, stellte fest, es lägen weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
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AuslG noch ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG vor, forderte zur Ausreise auf und
drohte die Abschiebung nach Bhutan an.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 14.05.1997 erhobene Klage, zu deren
Begründung lediglich der Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt wird, ohne
sich mit dessen Würdigung als unglaubhaft auseinanderzusetzen. Innerhalb der
unbeschadet der Verpflichtung aus § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG vom Gericht mit der Ladung
zur mündlichen Verhandlung gemäß § 87 b VwGO gesetzten Frist ist weiterer Vortrag nicht
erfolgt.
In der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger Gelegenheit, seine Asylgründe zu
schildern, und wurde er nach Einzelheiten der Verhältnisse in Bhutan befragt. Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 05.05.1997 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten
anzuerkennen,
hilfsweise,
das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und eines
Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG festzustellen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (auch hinsichtlich
des xxxxxxxxxx) und der Ausländerbehörde sowie auf die Auskünfte und sonstigen
Erkenntnisse ergänzend Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf
Feststellung des Vorliegens der Voraus- setzungen des § 51 Abs. 1 AuslG.
Bhutan, hinsichtlich dessen allein die Gefahr politischer Verfolgung geltend gemacht wird,
ist weder das Land seiner Staatsangehörigkeit noch seines gewöhnlichen Aufenthaltes.
Die nepalesische Volkszugehörigkeit des Klägers steht zwar außer Zweifel. Seine
staatsangehörigkeitsrechtliche Zugehörigkeit ist damit aber nicht geklärt. Außerhalb
Nepals, wo die Nepalis (Gurkhas) die Bevölkerungsmehrheit stellen, leben in Nordindien
ungefähr 10 Mio. Nepalis auf der Suche nach Arbeit und Land. Nepal selber ist aufgrund
seines enormen Bevölkerungswachstums und seiner begrenzten Ressourcen nicht mehr in
der Lage, seinen Menschen Arbeit und Brot zu geben (vgl. Auskunft des Auswärtigen
Amtes vom 31.05.1995). In Bhutan leben mindestens 100000 Nepalis (so das Auswärtige
Amt a.a.O.), nach Schätzung anderer Quellen stellen oder stellten sie bis zu 50% der
Gesamtbevölkerung von (nach ebenfalls ungesicherten Schätzungen) über einer Million
Einwohnern (vgl. Dr. Conrad, Gutachten vom 30.07.1996). Diese Gruppe war seit 1988
einer Bhutani-sierungspolitik der Regierung von Bhutan ausgesetzt mit der Folge einer
Fluchtbewegung in Richtung Nordindien und vor allem nach Nepal (vgl. Frankfurter
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Rundschau vom 14.02.1994) und der Bildung von Protest- und Widerstandsbewegungen
unter den Emigranten (vgl. Dr. Conrad a.a.O.). Das Auswärtige Amt hält die Lage allerdings
inzwischen für konsolidiert und eine Verfolgungsgefahr für Mitglieder der BPP für nicht
gegeben (Auskünfte vom 26.06. und 10.11.1998).
Für eine Herkunft aus Bhutan hat der Kläger keinerlei Unterlagen vorgelegt und spricht
auch sonst nichts. Seine Angaben dazu sind als unglaubwürdig anzusehen. Insoweit wird
gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG auf den angegriffenen Bescheid des Bundesamtes Bezug
genommen, dem der Kläger nichts Substantiiertes entgegengesetzt hat. Insbesondere ist
von ihm der offenbare Widerspruch zwischen der Behauptung, mit Haftbefehl gesucht
worden zu sein und gleichwohl noch einen Reisepaß offiziell erhalten zu haben, auch nicht
ansatzweise aufgeklärt worden. Dazu paßt, daß der Kläger ohne zureichende Begründung
außerstande sein will, diesen bhutanischen Reisepaß vorzulegen. Die bloße Behauptung,
den Reisepaß beim Schlepper xxxxxxxxxxxxxx gelassen zu haben, genügt insoweit nicht
(§ 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG). Andere Belege sind ebenfalls nicht vorgelegt worden.
Angesichts der Würdigung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren als unglaubhaft
waren insoweit Bemühungen zu erwarten, sich geeignete Bescheinigungen o.ä. zu
beschaffen. In Frage kamen zum Beleg der Herkunft sowohl heimatliche Urkunden (z.B.
Schulzeugnisse) als auch im Hinblick auf die behauptete oppositionelle Betätigung in
Bhutan entsprechende Bescheinigungen der BPP. Der Kläger ist bereits in der mündlichen
Verhandlung darauf hingewiesen worden, daß die in Nepal und Indien agierende BPP sehr
wohl Mitgliedschaftsbescheinigungen ausstelle (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom
18.07.1996). Die Begründung, Bemühungen darum seien zwecklos, weil er eben in Bhutan
und nicht in Nepal oder Indien aktiv gewesen sei, entbehrt jeder Nachvollziehbarkeit, da es
sich bei der genannten Organisation gerade um eine bhutanische Exil-Bewegung handelt,
in der für Aktivitäten im Heimatland mit besonders ausgeprägter Anerkennung zu rechnen
ist. Dem Kläger sind in der mündlichen Verhandlung die Abweichungen seiner Angaben
von denen des xxxxxxxxxx (zur letzten Wohnanschrift in Bhutan und zum Reiseweg)
vorgehalten worden. Die Angabe, er wisse nicht, was xxxx gesagt habe, behebt nicht die
Widersprüchlichkeit der Angaben, auf die das Gericht hingewiesen hat. Schließlich ist der
Kläger auch nicht mit den Grundbegriffen des bhutanischen Verwaltungsaufbaus vertraut,
die jedem in Bhutan Lebenden vertraut sein müssen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom
23.08.1996: citizenship identity number, Dzonkhag, Gewog, Thram; vgl. auch die Hinweise
des Auswärtigen Amtes zu Bhutan und Nepal vom 08.11.1999). Der Kläger kannte seine
Identitätsnummer nicht, Gewog war ihm unbekannt, den Unterschied zwischen Dzonkhag
und Thram konnte er nicht erklären. Abgerundet werden diese Festellungen durch den
Umstand, daß der Kläger keinerlei bhutanesisch (dzongka) spricht, obwohl er bis 1991 in
Paro zur Schule gegangen sein will, in Bhutan seit 1965 dzongka als Pflichtfach gelehrt
wird und nepalesisch als Schulsprache seit 1990 sogar verboten war (Auskunft des
Auswärtigen Amtes vom 23.08.1996). Unter diesen Umständen geht das Gericht davon
aus, daß der Kläger nicht aus Bhutan stammt, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach zu
den Staatsangehörigen Nepals gehört, die sich die Schwierigkeiten bei der Rückführung
angeblich bhutanesischer Staatsangehöriger nach Bhutan zunutze machen (vgl. Auskunft
des Auswärtigen Amtes vom 17.11.1997).
Ein Abschiebungshindernis gem. §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG liegt auch sonst nicht vor. Ist der
Kläger, wovon das Gericht ausgeht, nicht bhutanesischer, sondern nach aller
Wahrscheinlichkeit nepalesischer Staatsangehöriger, so sind ihm die angebliche
Mitgliedschaft und die Aktivitäten in der BPP nicht abzunehmen; mit den Schwierigkeiten,
die er allein deswegen in Bhutan befürchtet, ist mithin nicht zu rechnen.
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Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entsprechen den gesetzlichen
Bestimmungen (§§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG, § 50 AuslG). Die Bezeichnung Bhutans als
Abschiebungsstaat ist ungeachtet des Fehlens einer staatsangehörigkeitsrechtlichen oder
sonstigen Beziehung des Klägers dorthin unbedenklich. Sie entspricht seiner eigenen
Angabe; eine gesetzliche Vorgabe, daß eine Abschiebung nur in den Staat der jeweiligen
Staatsangehörigkeit stattfinden dürfe, besteht nicht (vgl. § 50 Abs. 2 AuslG).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b Abs. 1 AsylVfG.