Urteil des VG Düsseldorf vom 10.03.2005

VG Düsseldorf: amnesty international, politische verfolgung, myanmar, auskunft, anerkennung, illegale ausreise, sekretär, jahresbericht, bundesamt, organisation

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 K 5077/04.A
Datum:
10.03.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 5077/04.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Tatbestand:
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Die am 00.0.1958 in Z beziehungsweise am 0.0.1966 in E1 geborenen Kläger zu 1. und
2. sind die Eltern der am 00.0.1997 in Z, am 00.0.1999 in Z beziehungsweise
00.00.2001 in C geborenen Kläger zu 3. bis 5. Die Kläger sind Staatsangehörige
Myanmars.
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Zur Begründung ihrer vom 26. März 2004 datierenden Anträge auf Anerkennung als
Asylberechtigte führte der Kläger zu 1. aus: Sie hätten seit 1971 in Z gelebt. Er sei dort
als Arzt tätig gewesen. Seit dem Jahre 1988 sei er Mitglied der NLD. Zuletzt sei er
Sekretär der Partei in dem von ihm bewohnten Stadtteil von Z gewesen. Seine Aufgabe
sei es gewesen, die Bevölkerung, insbesondere die in Z lebenden Chinesen, zu
mobilisieren und über die Ziele der Partei aufzuklären. Dies habe er in seiner Freizeit
getan und zum Beispiel Vorträge über die "Ungerechtigkeit und Brutalität" der
Militärregierung gehalten. Im Jahre 1990 habe er für die Partei Wahlkampf gemacht. Im
November desselben Jahres sei er für die Dauer von zwei Wochen verhaftet und verhört
worden. Im Jahre 2003 seien siebzig Parteianhänger bei einer Konfrontation mit
Regierungseinheiten getötet worden. Dies habe ihn wütend gemacht. Im November
2003 habe ihn der Geheimdienst bedroht. "Sie" hätten von ihm verlangt, dass er seinen
Parteiausweis abgebe, und ihm verboten, sich politisch für die NLD zu betätigen. Am 9.
oder 10. März 2004 seien zwei zivil gekleidete "Leute" vom militärischen Geheimdienst
zu seiner Wohnung gekommen. Sie hätten ihn gesucht und befragen wollen. Er habe an
diesem Tag in seiner Praxis übernachtet. Die Klägerin zu 2. habe ihn am 11. März 2004
angerufen. Später gab er an: Sie habe "jemanden", eine Person aus dem
Freundeskreis, geschickt, der ihm die Nachricht überbracht habe. Da er gewusst habe,
dass sein Leben in Gefahr sei, habe er sich mit Hilfe seiner Partei um die Ausreise
bemüht. Parteimitglieder hätten ihm geholfen, seinen Reisepass zu besorgen. Am 16.
März 2004 seien sie nach Thailand ausgereist. Am 18. März 2004 seien sie in Bangkok
eingetroffen. Von dort aus seien sie am 22. März 2004 nach Frankfurt am Main geflogen.
Die Klägerin zu 2. gab ergänzend an: Sie habe Geographie studiert, sei jedoch
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Hausfrau gewesen. An den späten Abenden des 9. und 10. März 2004 sei sie von zwei
in Zivil gekleideten Geheimdienstmitarbeitern aufgesucht worden, die nach dem Kläger
zu 1. gefragt hätten. Sie habe ihnen geantwortet, dieser sei verreist. Nach diesen
Vorfällen habe sie bei Freunden übernachtet. Am 11. März 2004 habe sie "jemanden"
gebeten, die Nachricht dem Kläger zu 1. zu überbringen. Am 16. März 2004 seien sie
aus Myanmar ausgereist.
Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 - 5088527-427 - lehnte das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag der Kläger auf Anerkennung als
Asylberechtigte ab. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG nicht vorlägen und Abschiebungsverbote gemäß § 53 AuslG nicht bestünden.
Des Weiteren drohte es ihnen für den Fall, dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht innerhalb
eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens freiwillig
nachkämen, die Abschiebung nach Myanmar oder in einen anderen Staat an, in den sie
einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei.
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Am 31. Juli 2004 haben die Kläger Klage erhoben.
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Mit Beschlüssen vom 13. Januar 2005 und 1. März 2005 hat das Gericht zwei Anträge
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte H aus E2
und S aus X abgelehnt.
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Die Klägerin zu 2. befindet sich ausweislich eines Attestes vom 15. Februar 2005
wegen einer Anpassungsstörung und einer reaktiven Psychose in ärztlicher
Behandlung.
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Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger vorgetragen: Sie hätten zuletzt in Z in
dem Stadtteil L1 gewohnt. Der Kläger zu 1. sei bereits im Jahre 1988 als Arzt tätig
gewesen. Im Jahre 1988 habe er im Streikkomitee der Burma Medical Association
mitgearbeitet und während des Volksaufstandes im gleichen Jahre vom Militär verletzte
Streikaktivisten versorgt. Seit Dezember 1988 sei er Mitglied der NLD. Im Jahre 1990
habe er Wahlkampf für die NLD betrieben. Im November 1990 sei er wegen seiner
Aktivitäten für die NLD für die Dauer von zwei Wochen von den Sicherheitskräften der
Militärregierung verhaftet und in einem Lager des militärischen Geheimdienstes
festgehalten worden. Man habe ihn dort misshandelt. Bei seiner Freilassung habe er
eine Erklärung unterschreiben müssen, in der er sich verpflichtet habe, nie wieder
politisch aktiv gegen die Militärregierung tätig zu werden. Dennoch habe er seine
Aktivitäten für die NLD auch in der Folgezeit fortgesetzt. Er sei allerdings nicht Sekretär
seiner Partei in seinem Stadtviertel gewesen. Bei seiner Anhörung habe er nur von
diesem gesprochen. Wegen des Vorfalles bei Depayin am 30. Mai 2003 habe er eine
große Wut empfunden. In der Folge sei das Parteibüro der NLD in seinem Stadtteil
geschlossen worden. Dessen ungeachtet habe er auch danach viele chinesische
Bewohner von Z mobilisiert. Auch bei seinen Patienten habe er für die NLD geworben.
Im November 2003 hätten ihn Geheimdienstmitarbeiter gezielt in einem Teeladen
angesprochen. Sie hätten ihn aufgefordert, seine Aktivitäten für die Partei einzustellen
und seinen Mitgliedsausweis, den er in diesem Moment nicht bei sich geführt habe,
abzugeben. Gleichwohl habe er sich auch in der Folgezeit weiter für die NLD engagiert.
Ein Patient habe ihn gewarnt, dass gegen ihn von den Sicherheitskräften vorgegangen
werden solle. Am Abend des 10. März 2004 hätten zwischen 2200 Uhr und 2300 Uhr
zwei Geheimdienstmitarbeiter bei der Klägerin zu 2. nach ihm gefragt und gesagt, er
solle "zum Revier" kommen. Er habe an diesem Abend in einer seiner Arztpraxen
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übernachtet. Jene habe angegeben, er sei verreist, und sich hiernach zu Freunden
begeben. Am Morgen des 11. März 2004 habe ihm sein Cousin im Auftrag der Klägerin
zu 2. von dem Auftauchen der Geheimdienstmitarbeiter berichtet. Daraufhin habe er sich
zur Flucht entschlossen. Die Arbeit in den Arztpraxen habe er fortan auf ein Minimum
beschränkt. Nachts habe er bei Freunden geschlafen. Am frühen Morgen des 16. März
2004 hätten sie Z verlassen. Mit einem Auto seien sie nach Moulmein gereist; von dort
seien sie mit einem LKW nach Myawadi gefahren. Am 18. März 2004 hätten sie die
Grenze nach Thailand bei Myawadi illegal über einen Schmugglerweg durch den
Dschungel überschritten, wo sie in Mae Sot angekommen seien. "Zwei Personen der
NLD" hätten sie mit dem Auto nach Bangkok gebracht.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1. ergänzend ausgeführt: In der Zeit
von Dezember 1988 bis zu seiner Ausreise aus Myanmar sei er "Organisator" der NLD
in seinem Wohnviertel gewesen. Seine Aufgabe sei es gewesen, Mitglieder zu werben
und Überzeugungsarbeit zu leisten. Bis zum November 1990 sei er leidenschaftlich
aktiv gewesen. Nach seiner Inhaftierung habe er nur noch im Verborgenen und in
seinem Freundeskreis gegen die Militärregierung agiert. Er habe chinesische
Volkszugehörige in Myanmar unterstützt und unter diesen Mitglieder geworben. Seine
Eltern und er hätten die NLD finanziell mit größeren Spenden unterstützt. Nach dem
Vorfall von Depayin am 30. Mai 2003 habe er wieder begonnen, in seinem
Freundeskreis und unter seinen Patienten Anhänger für die NLD zu gewinnen. Am 25.
November 2003 habe ihn ein Mitarbeiter des Geheimdienstes aufgefordert, seine
Aktivitäten für die NLD einzustellen. Der Sekretär der NLD in seinem Wohnviertel habe
ihn in der Folge zur Zurückhaltung und Vorsicht ermahnt. Daraufhin habe er seine
Aktivitäten im November 2003 und Dezember 2003 zurückgefahren. Im Februar 2004
sei er dann wieder sehr aktiv gewesen. Zu dieser Zeit habe er ihm zugespielte
Zeitungen photokopiert und als Flyer verteilt. Anfang März 2004 habe ihn ein
vertrauenswürdiger Patient, der bei der Sicherheitsbehörde arbeite, darüber in Kenntnis
gesetzt, dass er demnächst verhaftet werden solle und bereits beschattet werde. Ab dem
3. März 2004 habe er sich beruflich durch seine Kollegen vertreten lassen und die
Arztpraxen, in denen er tätig gewesen sei, zunächst nicht mehr aufgesucht. Nachdem er
seine Ehefrau gewarnt habe, habe er sich in der Zeit vom 4. März 2004 bis zum 11. März
2004, so auch in der Nacht vom 10. März 2004 auf den 11. März 2004, bei
verschiedenen Freunden und Verwandten aufgehalten. Am Morgen des 11. März 2004
habe er sich zu seiner Praxis begeben, um in seiner Eigenschaft als Teilhaber dieser
Praxis seinen Gewinnanteil in Empfang zu nehmen. Dort habe ihn noch am gleichen
Morgen ein Cousin über das Erscheinen der Sicherheitskräfte am 10. März 2004
unterrichtet. Diese hätten ihn verhaften wollen. Seine Ehefrau habe am 10. März 2004
gewusst, dass er wegen des Vorfalles bei Depayin vom 30. Mai 2003 seine politischen
Aktivitäten für die NLD auch im Rahmen seiner Arbeit in den Arztpraxen wieder
aufgenommen habe und dass er darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass man ihn
verhaften wolle. Einzelheiten habe er ihr indes weder vor noch nach ihrer Ausreise
mitgeteilt, da sie gesundheitlich stark angeschlagen gewesen sei. In der Bundesrepublik
Deutschland habe er ihr "die Situation anhand von Unterlagen, die er gesammelt habe,
erklärt". Die Klägerin zu 2. sei infolge ihrer Erkrankung reise- und verhandlungsunfähig.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 22. Juli 2004 - 5088527-427 - zu verpflichten, sie als
Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot im
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Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegt, hilfsweise festzustellen, dass ein
Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
und der Ausländerbehörde des Kreises L2 sowie der Auskünfte und Erkenntnisse, auf
die die Kläger mit Verfügung vom 13. Januar 2005 hingewiesen und die zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht ist durch das Nichterscheinen der Kläger zu 2. bis 5. zu den Terminen zur
mündlichen Verhandlung am 3. März 2005 und 10. März 2005 an einer Entscheidung
des Rechtsstreites nicht gehindert, da die Kläger auf diesen Umstand in den
betreffenden Ladungen im Einklang mit § 102 Abs. 2 VwGO hingewiesen worden sind.
Die Kläger haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin zu 2. verhandlungsunfähig
gewesen ist. Das von ihnen vorgelegte privatärztliche Attest vom 15. Februar 2005
genügt den an eine Verhandlungsunfähigkeit belegende ärztliche Bescheinigung zu
stellenden Mindestanforderungen nicht. Die Frage der Verhandlungsfähigkeit wird darin
unmittelbar nicht behandelt. Soweit stattdessen auf eine Reiseunfähigkeit der Klägerin
zu 2. abgehoben wird, werden weder die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage
eine fachliche Beurteilung erfolgt ist (Befundtatsachen), noch die fachlich medizinische
Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose) nachvollziehbar dargelegt. Auf der
Grundlage welcher Ausbildung und Erfahrung sich die ausstellende Ärztin fachlich in
der Lage sieht, eine entsprechende Diagnose zu treffen, lässt sich der Bescheinigung
ebenso wenig wie dem Vortrag der Kläger entnehmen. Der Aufforderung des Gerichts,
ein amtsärztliches Attest vorzulegen, sind die Kläger nicht nachgekommen.
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Ihre Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. Juli 2004 - 5088527-427 - rechtmäßig
ist und die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt werden.
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Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Ebenso wenig
haben sie einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines
Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.
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Sie sind vor ihrer Ausreise aus Myanmar nicht in asylrechtsrelevanter Weise verfolgt
worden. Eine solche Verfolgung stand auch nicht unmittelbar bevor. Das erkennende
Gericht ist auf Grund der Anhörung des Klägers zu 1., des Inhaltes der zum Verfahren
beigezogenen Akten sowie der in das Verfahren eingeführten Gutachten, Auskünfte und
sonstigen Dokumente nicht zu der Überzeugung gelangt, dass diese aus individuellen
Gründen in Myanmar in asylrelevanter Weise verfolgt worden sind. Ebenso wenig ist
anzunehmen, dass sie durch Ereignisse in ihrer Heimat derart signifikant vorbelastet
sind, dass ihnen Verfolgung drohte. Ihr individueller Verfolgungsvortrag im Verwaltungs-
und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist im Kern unsubstantiiert, inhalts- und
detailarm. Er weist zudem erhebliche Unstimmigkeiten auf, die der Kläger zu 1. auch in
der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit des
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Verfolgungsvorbringens aufgelöst hat. Das Gericht folgt zunächst den diesbezüglichen
Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Bescheides. Soweit er im Jahre 1990
in einen Wahlkampf der National League of Democracy (NLD) eingebunden gewesen,
in der Folge festgenommen und für die Dauer von zwei Wochen in Gewahrsam
genommen worden sein will, mangelt es an dem Erfordernis des Bestehens eines
Kausalzusammenhangs zwischen dem Verfolgungsereignis und der Ausreise. Die
Angaben des Klägers zu 1. zu seinem Engagement für die NLD in den Jahren 1990 bis
2004 sind insgesamt vage, oberflächlich und detailarm. Seine Angabe, er sei Sekretär
der NLD in dem Stadtteil L1 in Z, hat er im gerichtlichen Verfahren schriftsätzlich
dahingehend korrigiert, dass er seinerzeit lediglich von dem betreffenden Sekretär
gesprochen, er selbst diese Funktion indes selbst nicht ausgeübt habe. Diese
Darstellung findet in dem Anhörungsprotokoll indes keinen Niederschlag. Vielmehr sah
sich der Kläger zu 1. seinerzeit auch im Rahmen der Rückübersetzung seiner Aussage
nicht veranlasst, eine entsprechende Korrektur seiner Aussage vorzunehmen. Der
Glaubhaftigkeit der in der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2005 aufgestellten
Behauptung, in der Zeit von Dezember 1988 bis zu seiner Ausreise im März 2004 und
damit seit seinem Eintritt in die NLD "Organisator" der Partei in seinem Wohnviertel
gewesen zu sein, widerstreitet, dass diese Darstellung weder im Verwaltungsverfahren
noch im gerichtlichen Verfahren Erwähnung gefunden, der Kläger zu 1. vielmehr sogar
noch am 10. März 2005 angeben hat, in den Jahren 1990 bis 2003, mithin über einen
Zeitraum von annähernd dreizehn Jahren "nicht so aktiv" gewesen zu sein. Im Übrigen
hätte es sich spätestens in dem Moment, als er die Darstellung, er sei Sekretär der
Partei in seinem Wohnviertel gewesen, korrigiert hat, aufgedrängt, auf seine Funktion
als "Organisator" der Partei hinzuweisen. Dessen ungeachtet ist es nicht glaubhaft, dass
eine Partei die Wahrnehmung der Funktion eines "Organisators" einer Person überlässt,
die über einen Zeitraum von annähernd dreizehn Jahren keine erheblichen politischen
Aktivitäten entfaltet. Solche hat der Kläger zu 1. weder bezogen auf den Zeitraum von
November 1990 bis Mai 2003 noch für den Zeitraum von Juni 2003 bis März 2004 in
substantiierter Weise vorgetragen. Seine Ausführungen zu den angeblich in dem
erstgenannten Zeitraum entfalteten Aktivitäten sind inhaltsarm und substanzlos. Trotz
mehrfacher Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2005 ist er nicht in
der Lage gewesen, auch nur eine einzige Aktivität detailgenau schildern und in
zeitlicher Hinsicht einzuordnen. Gleiches gilt für den Zeitraum von Juni 2003 bis zu
seiner Ausreise im März 2004. Den betreffenden Angaben ist nicht zu entnehmen, wann
er innerhalb welchen Rahmens welche konkreten Tätigkeiten entfaltet haben will. Sie
erschöpfen sich vielmehr in der stereotypen und in Ermangelung jeglicher Präzisierung
nicht nachprüfbaren Behauptung, Patienten und chinesische Volkszugehörige für die
Partei geworben zu haben. Soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 10.
März 2005 behauptet, er habe im Februar 2004 Zeitungen, die ihm zugespielt worden
seien, photokopiert und verteilt, unterbleibt erneut jegliche Präzisierung, die den Vortrag
nachprüfbar gemacht hätte. Selbst auf die Frage, welche Zeitungen er verteilt habe,
erschöpft sich seine Einlassung in dem Hinweis auf die Titel zweier mitgeführter
Zeitungen aus den Jahren 1991 und 1995 und den Zusatz "und andere Zeitungen".
Angaben zu Erscheinungsdatum oder Inhalt der vermeintlich verteilten Ausgaben
unterbleiben. Die Darstellung, die beiden Zeitungen aus den Jahren 1991 und 1995
seien von ihm unbewusst mitgeführt worden, ist auch im Hinblick auf seine Darstellung,
er habe aktuelle Zeitungen aus Sicherheitsgründen nicht mitnehmen können,
lebensfremd und unglaubhaft. Detaillierte Angaben zu den Umständen und
Hintergründen der angeblichen Begegnung mit einem oder mehreren Mitarbeitern des
Militärischen Geheimdienstes im November 2003 unterbleiben. Seine schriftsätzliche
Darstellung, er sei von mehreren "Mitarbeitern" des Geheimdienstes angesprochen
worden, "diese" hätten von ihm verlangt, dass er seine politischen Aktivitäten einstelle,
die im Einklang mit seinen Ausführungen im Verwaltungsverfahren steht, hat er in der
mündlichen Verhandlung dahingehend korrigiert, dass er nur von einer einzelnen
Person angesprochen worden sei. Das auf die Bitte, das Ereignis zeitlich einzugrenzen,
geäußerte Datum stellt sich im Hinblick auf die nachfolgende Behauptung, er habe sich
nach einem Gespräch mit dem örtlichen Sekretär der NLD "unter Kontrolle gehalten"
und "im November und Dezember 2003 zwei Monate lang" nur sehr wenig
unternommen, als unstimmig dar. Die Darstellung, durch einen vertrauenswürdigen
Patienten vor einer Verhaftung gewarnt worden zu sein, hat in der Anhörung des
Klägers zu 1. durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
weder Erwähnung noch eine Andeutung gefunden. Gleiches gilt für die Behauptung,
seine Arbeit in den Praxen bereits zum 3. März 2004 eingestellt und sich in der
Folgezeit bei Freunden aufgehalten zu haben. Diese Darstellung steht in krassem
Widerspruch nicht nur zu der Behauptung im Verwaltungsverfahren, die Nacht vom 10.
März 2004 auf den 11. März 2004 in seiner Praxis verbracht zu haben, sondern auch zu
der bereits für sich genommen unglaubhaften, weil realitätsfremden schriftsätzlichen
Darstellung, er habe seine ärztliche Tätigkeit in dem Wissen, dass gegen ihn ermittelt
werde, und obgleich zur Flucht entschlossen, weiterhin, wenn auch angeblich nur in
geringem Umfang fortgeführt. Soweit er auf einen die Nacht vom 10. März 2004 auf den
11. März 2004 betreffenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung angibt, der
Einzelentscheider des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge habe
ihn missverstanden, ist dies unglaubhaft, da Verständigungsschwierigkeiten weder
seinerzeit noch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden sind und im
Zuge der dreißigminütigen Rückübersetzung seiner Angaben hinreichend Gelegenheit
bestanden hätte, auf die fehlerhafte Wiedergabe seiner Ausführungen hinzuweisen und
auf deren Berichtigung hinzuwirken. Die Schilderung der angeblichen Vorfälle vom 9.
und/oder 10. beziehungsweise 11. März 2004 vermittelt gleichfalls nicht den Eindruck
tatsächlich erlebten Geschehens. Sie erschöpft sich in einer gänzlich oberflächlichen
und in sich unstimmigen Darstellung. Während der Kläger zu. 1. zunächst vage
angegeben hatte, die Geheimdienstmitarbeiter seien am 9. oder 10. März 2004
erschienen, gab die Klägerin zu 2. an, die beiden "Leute" hätten sie sowohl am 9. März
2004 als auch am 10. März 2004 aufgesucht, bei ihrem ersten Besuch seien sie
weggegangen, am zweiten Tag seien sie wieder zurückgekommen, danach seien sie
nicht mehr erschienen. Im gerichtlichen Verfahren ändert sie ihre Darstellung unter
Hinweis auf ihren Gesundheitszustand dahingehend ab, dass die
Geheimdienstmitarbeiter nur einmal am Abend des 10. März 2004 erschienen seien.
Diese nunmehr auch von dem Kläger zu 1. verwendete Darstellung findet indes in der
von ihr auch im Rahmen der Rückübertragung nicht korrigierten Aussage vor dem
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nicht einmal eine
Andeutung. Einzelheiten der Unterredung der Klägerin zu 2. und der
Geheimdienstmitarbeiter werden weder von ihr noch von dem Kläger zu 1. substantiiert
vorgetragen. Einer gerichtlichen Befragung zu diesem zentralen Komplex des
Verfolgungsvortrages hat sich die Klägerin zu 2. nicht gestellt, ohne dass glaubhaft
gemacht worden wäre, sie sei verhandlungsunfähig. Unglaubhaft ist des Weiteren, dass
die Klägerin zu 2., die selbst ein Hochschulstudium betrieben hat, angeblich keinerlei
konkrete Angaben zu den politischen Aktivitäten ihres Ehemannes zu machen wusste.
Es ist lebensfremd anzunehmen, sie habe den Kläger zu 1. bis zu ihrer mehr als drei
Wochen nach der Ausreise aus Myanmar stattfindenden Anhörung bei dem Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nicht nach den Hintergründen ihrer
angeblichen Flucht befragt. Lebensfremd ist auch die Behauptung des Klägers zu 1., er
habe sich mit der Klägerin zu 2. wegen ihrer Erkrankung und des Umstandes, dass
diese "meistens mit den Kindern beschäftigt" gewesen sei, selbst nach ihrer Einreise in
das Bundesgebiet nicht über Einzelheiten seiner angeblichen Aktivitäten ausgetauscht.
Ebenso realitätsfremd und damit unglaubhaft ist die Darstellung, er habe seiner Ehefrau
"die Situation" anhand von Unterlagen, wie etwa Lageberichten des U.S. Department of
State und der Organisation "Freedom House", "erklärt" und mit ihr erörtert, wie er im
Jahre 1990 verhaftet worden sei, wenn diese erwarten musste, zu den Vorgängen in
den Jahren 2003 und 2004 vernommen zu werden.
Angesichts des nach alledem insgesamt als zumindest unstimmig und unsubstantiiert
zu qualifizierenden individuellen Verfolgungsvorbringens ist ein einen Anspruch auf
Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte und
Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 1
AufenthG begründendes Verfolgungsschicksal nicht schlüssig vorgetragen worden. Es
ist vielmehr davon auszugehen, dass die Kläger in den Jahren nach 1990 individuelle
politische Verfolgung in Myanmar nicht erlitten haben.
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Erkenntnisse darüber, dass Mitgliedern der NLD, hinsichtlich derer auf Grund ihres
Vortrages nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie vor ihrer Ausreise
asylrelevante politische Aktivitäten entfaltet haben, bei ihrer Rückkehr allein auf Grund
ihrer Zugehörigkeit zu der Partei politische Verfolgung drohen würde, liegen nicht vor.
21
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass den Klägern politische Verfolgung auf
Grund ihres Auslandsaufenthaltes, ihrer Asylantragstellung oder der bloßen Tatsache
einer - durch eine freiwillige Ausreise abzuwendenden - Abschiebung drohen, welche
ihnen, da sie sich vor dem Verlassen ihres Heimatlandes nicht in einer latenten
Gefährdungslage befunden haben, zwar keinen Anspruch auf Anerkennung als
Asylberechtigte vermitteln,
22
BVerwG, Urt. v. 31. März 1992 - 9 C 57.91 -, DVBl. 1992, 1543,
23
wohl aber die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG
rechtfertigen können, besteht ebenfalls nicht. Zwar dürfte eine illegale Ausreise in
Myanmar nach den gegenwärtigen Erkenntnissen einen Straftatbestand erfüllen;
24
vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft v. 21. Juli 2004 - 508-516.80/42803 - an d.
Verwaltungsgericht Wiesbaden; Siemers, Auskunft v. 14. Juni 2004 an d.
Verwaltungsgericht Wiesbaden; Burma Büro e.V., Auskunft v. 25. Mai 2004 an d.
Verwaltungsgericht Wiesbaden; Dr. Frasch, Auskunft v. 3. Juni 2004 an d.
Verwaltungsgericht Wiesbaden;
25
zudem spricht Einiges dafür, dass die Betroffenen am Flughafen in Z von
Sicherheitskräften empfangen und verhört werden;
26
vgl. Dr. Frasch, Auskunft v. 3. Juni 2004 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden.
27
Davon aber, dass Staatsangehörige Myanmars allein wegen illegaler Ausreise,
Asylantragstellung im Ausland und Abschiebung in asylerheblichem Umfang verfolgt
werden, wird in den vorliegenden Erkenntnissen nichts berichtet;
28
vgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte v. 25. September 2002 - 508-516.80/40076 - an d.
Verwaltungsgericht Kassel u. 21. Juli 2004 - 508-516.80/42804 -; ferner Auswärtiges
29
Amt, Auskunft v. 18. September 2002 - 508-516.80/40032 -; Burma Büro, Auskunft v. 25.
Mai 2004 an d. Verwaltungsgericht Wiesbaden; Dr. Frasch, Auskunft v. 3. Juni 2004 an
d. Verwaltungsgericht Wiesbaden;
vielmehr wird insoweit auf einen Ermessensspielraum der Behörden abgehoben;
30
Siemers, Auskunft v. 14. Juni 2004 an d. Verwaltungsgericht Wiesbaden.
31
Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat auf Grund einer vertraglichen
Vereinbarung seit 1999 prinzipiell freien Zugang zu allen Gefängnissen und
Arbeitslagern in Myanmar und kann die Insassen individuell und ohne Anwesenheit
Dritter sprechen;
32
vgl. Auswärtiges Amt, Länderinfos Myanmar, Innenpolitik (Stand: September 2004) (zit.
nach http://www.auswaertiges- amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_
html?type_id=10&land_id=117, Siemers, Auskunft v. 14. Juni 2004 an d.
Verwaltungsgericht Wiesbaden; amnesty international, Jahresbericht 2004 Myanmar,
Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2003 (Jahresbericht 2004).
33
Ferner durfte im Januar und Februar 2003 zum ersten Mal eine Delegation von amnesty
international das Land besuchen. Im Dezember 2003 gab es einen weiteren Besuch, bei
dem Vertreter der Organisation Ermittlungen zu politischen Inhaftierungen sowie der
Rechtspflege durchführen und fünfunddreißig politische Gefangene in Haftanstalten
befragen durften;
34
vgl. amnesty international, Jahresbericht 2004.
35
Trotz dieser Erkenntnismöglichkeiten ist bislang weder durch das Internationale
Komitee des Roten Kreuzes noch durch amnesty international bekannt geworden, dass
sich Personen allein wegen der oben genannten Delikte in Haft befänden oder
befunden hätten. Stattdessen liegt ein Bericht über einen konkreten Einzelfall vor, in
dem ein im Jahr 2001 illegal nach Deutschland eingereister myanmarischer
Staatsbürger, der im Februar 2003 nach Rom abgeschoben worden und mehrere
Monate später nach Myanmar zurückgekehrt sein soll, dort in keiner Weise bestraft
worden sei und im Berichtszeitpunkt - wenige Monate später - bei seinen Eltern gewohnt
habe;
36
vgl. Siemers, Auskunft v. 14. Juni 2004 an d. Verwaltungsgericht Wiesbaden.
37
Die Organisation amnesty international führt im Jahresbericht 2004 zwar aus, dass
gegen zwei buddhistische Nonnen auf der Grundlage des Notstandsgesetzes
(Emergency Provisions Law) von 1950 wegen illegaler Ein- und Ausreise
fünfzehnjährige Freiheitsstrafen verhängt worden seien. In dem Bericht wird aber
zugleich darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen friedliche Demonstrationen der
Nonnen vorausgegangen seien und das Notstandsgesetz häufig dazu missbraucht
werde, gewaltlose kritische Meinungsäußerungen zu kriminalisieren;
38
vgl. amnesty international, Jahresbericht 2004.
39
Ähnlich verhält es sich in dem von den Klägern geschilderten Fall eines aus der
Schweiz abgeschobenen myanmarischen Asylbewerbers, der in seiner Heimat
40
ebenfalls nicht allein wegen illegaler Ausreise, sondern auch wegen politischer
Aktivitäten für die Organisation CNF verurteilt wurde. Aus diesen Gründen lassen sich
den Berichten keine verallgemeinerungsfähigen Feststellungen zur Behandlung von
Staatsangehörigen Myanmars entnehmen, die illegal ausgereist sind, im Ausland um
Asyl nachgesucht haben und abgeschoben worden sind, aber - wie die Kläger -
politisch nicht in erheblicher Weise in Erscheinung getreten sind. Entsprechende Fälle
werden auch nicht in der von den Klägern zur Gerichtsakte gereichten Dokumentation
"Myanmar - Facing Political Imprisonment: Prisoners of concern to Amnesty
International" (Stand: Dezember 2004) aufgeführt. Die Einschätzung des Burma Büro
e.V., dass eine Person durch die Beantragung von Asyl in einem anderen Land zum
"Feind der Regierung" werde und "Verhör und jegliche Maßnahmen, die bei Vergehen
gegen die Regierung ergriffen werden" erdulden müsse,
vgl. Burma Büro e.V., Auskunft v. 25. Mai 2004 an d. Verwaltungsgericht Wiesbaden,
41
ist nicht durch konkrete Referenzfälle belegt und daher nicht nachvollziehbar. Die vage
und allgemeine Formulierung deutet darauf hin, dass auch dem Burma Büro e.V. kein
konkreter Fall bekannt ist, in dem ein Rückkehrer bei seiner Ankunft in Myanmar allein
wegen illegaler Ausreise und Asylantragstellung im Ausland in asylerheblichem
Ausmaß verfolgt worden ist; die angebliche Gefahr späterer Verhöre und Verhaftungen
beruht mithin allein auf Vermutungen;
42
in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht Arnsberg, Urt. v. 19. August 2004 - 5 K
2101/03.A -.
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Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art.
3 EMRK bestehen nach den vorstehenden Ausführungen keine Anhaltspunkte.
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Die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34
Abs. 1 AsylVfG. Die zur freiwilligen Befolgung der Ausreisepflicht belassene Frist ist im
Einklang mit § 38 Abs. 1 AsylVfG bemessen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nichterhebung von
Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b Abs. 1 AsylVfG.
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