Urteil des VG Düsseldorf vom 17.12.2002

VG Düsseldorf: beihilfe, ausführung, bvo, angemessenheit, vergleich, zahnarzt, zahnbehandlung, operation, vollstreckung, versorgung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 6858/01
Datum:
17.12.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 6858/01
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land
vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger, Beamter im Dienst des beklagten Landes, beantragte unter dem
26. Januar 2000 Beihilfe u.a. zu den Aufwendungen für eine Zahnbehandlung nach der
Rechnung des Zahnarztes H (X) vom 25. Januar 2000 über 11.244,52 DM. In dieser
Liquidation waren sog. Schwellenwertüberschreitungen bei der Nr. 221
Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) für sämtliche zehn behandelten Zähne enthalten
mit folgender Begründung:
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"Steigerungssätze begründen sich in stark erhöhtem Präparationsaufwand wegen
massiver kariöser Vorbeschädigung + tief subgingivaler Präparation mit starker
Blutung, erschwerter Retentionsgewinnung an kurzen verbleibenden retentiven
Kronenanteilen. Erschwerter Parallelisierung + Verblockung divergierender
Einschubrichtung zwischen Schraubenaufbauten + Zahnachsen. Zeitaufwendiger
Wiederaufbau sämtlicher Stützkronen in korrekter Okklusion + eckzahngeführter
Artikulation. Schwierige Farbanpassung wegen Verfärbungen des
Restzahnbestandes im sichtbaren Bereich."
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Mit Bescheid vom 3. Februar 2000, der hinsichtlich des Abzugs der
Kostendämpfungspauschale gemäß § 12 a Beihilfenverordnung (BVO) vorläufig erging,
erkannte die Oberfinanzdirektion E (OFD) hinsichtlich der Zahnbehandlung einen
Betrag von 7.576,16 DM als beihilfefähig an und führte dazu aus, aus den Erläuterungen
des behandelnden Zahnarztes zur Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes seien
keine Besonderheiten ersichtlich, die auch im Rahmen der sog. Regelspanne der
verwendeten Gebührenpositionen hätte ausreichend berücksichtigt werden können. Um
nähere Schilderungen der zusätzlich erforderlichen, nicht gesondert berechenbaren
Maßnahmen werde gebeten. Die entsprechenden Gebühren seien vorerst mit dem
2,3fachen Gebührensatz berücksichtigt worden.
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2,3fachen Gebührensatz berücksichtigt worden.
Gegen die Nichtanerkennung des 3,5fachen Gebührensatzes bei den am
25. Januar 2000 erbrachten zahnärztlichen Leistungen als beihilfefähig legte der Kläger
am 20. November 2000 Widerspruch ein mit der Begründung, ein derartiger Aufwand
wie von seinem Zahnarzt beschrieben rechtfertige auch nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts den 3,5fachen Gebührensatz. Hinzukomme in seinem Fall
die auf Grund der kurzen verbleibenden retentiven Kronenanteile erschwerte
Retentionsgewinnung. Auf ein Schreiben der OFD vom 24. November 2000 hin bat der
Kläger um Erteilung eines klagefähigen Bescheides. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2001
wies die OFD den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
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Am 27. Oktober 2001 hat der Kläger Klage erhoben und eine schriftliche Stellungnahme
seines Zahnarztes vom 5. November 2001 vorgelegt, in der es u.a. heisst:
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Die Versorgung mit Kronen habe im Fall des Klägers die letzte Möglichkeit dargestellt,
drohenden Zahnverlust zu verhindern. Dies werde u.a. durch die Anzahl und das
Ausmaß der notwendigen Aufbaufüllungen dokumentiert. Durch die Grenzen der
kariösen Defekte sei es einerseits zu tief subgingivaler Präparation der Kronenränder
(gekommen), wobei durch die zwangsläufig auftretende gingivale Blutung die
Einsehbarkeit und Darstellung der Präparationsgrenzen erschwert worden sei, sowie
die zur Abdrucknahme zwingend notwendige Blutstillung äußerst aufwendig
gewesen. Andererseits habe die Ausdehnung der Vorschädigung teilweise bis in die
absolute Nähe der Pulpa gereicht, wodurch ebenfalls eine besonders vorsichtige und
schrittweise Kronenpräparation notwendig geworden sei. Erschwerend sei außerdem
hinzugekommen, dass durch die kurzen verbleibenden Zahnstümpfe teilweise kaum
noch retentive, supragingivale Kronenanteile vorhanden gewesen seien. Unter diesen
Voraussetzungen sei es weiterhin erschwerend hinzugekommen, die bei Kläger
vorhandenen Schraubenaufbauten in den Wurzeln der Zähne 21 und 25 mit
benachbarten, kleinen Zahnstümpfen zu parallelisieren, um eine für die notwendige
stabilisierende Verblockung gemeinsame Einschubrichtung zu erreichten, d.h. die
divergierende Achsdehnung der vorhandenen Nachbarzähne und die starre,
systembedingte Ausrichtung der schon länger vorhandenen extraharten
Titanwurzelkanalschrauben hätten aufeinander abgestimmt werden müssen, auch
durch Beschleifen des extraharten Ankerkopfes. Durch die notwendige Überkronung
aller Oberkieferseitenzähne sei eine komplette Wiederherstellung der Stützzonen in
korrekten Okklusions und Artikulationspositionen notwendig geworden. Wegen des im
Unterkiefer vorhandenen ebenfalls keramisch voll ummantelten Zahnersatzes seien
zeitaufwendige und äußerst präzise Gestaltungs und Einschleifmaßnahmen bei der
Kauflächengestaltung notwendig gewesen, um kiefergelenkschädigende
Parafunktionen auszuschließen und eine gleichmäßige Belastung bei jeder
Unterkieferbewegung zu erreichen. Die direkte Nachbarschaft zu nicht zu
überkronenden Frontzähnen mit ihren individuellen Form und Farbnuancen habe eine
besonders schwierige und zeitfordernde Anpassung der sichtbaren Frontzahnkronen
notwendig gemacht. Bedingt durch die ohnehin besonders lange Dauer der
Vorbereitung, Präparation, Abdrucknahme, Bissnahme und Anfertigung der
provisorischen Versorgung seien beim Kläger offensichtlich die Grenzen der
psychischen Belastbarkeit überschritten gewesen. Auf dessen Wunsch sei die
Behandlung mehrfach unterbrochen worden, um ihm eine dringend benötigte
Erholungspause zu ermöglichen. Hierdurch sei zusätzlicher Zeitaufwand entstanden.
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Hierzu trägt der Kläger vor, aus dieser Begründung ergebe sich, dass in seinem
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Behandlungsfalle Besonderheiten vorgelegen hätten, die über die Mehrzahl aller
Behandlungsfälle hinausgegangen sei. Diese außergewöhnlichen Besonderheiten
seien nicht bereits als Umstand in der Leistungsbeschreibung der Nr. 221 GOZ
berücksichtigt und könnten damit zulässig zur Begründung des 3,5fachen
Gebührensatzes herangezogen werden. Dies könne durch sachverständiges Zeugnis
des behandelnden Zahnarztes, Einholung eines Sachverständigengutachtens oder
Einholung einer Stellungnahme der Zahnärztekammer Nordrhein bewiesen werden. Mit
diesem in sachlicher Hinsicht überdurchschnittlichen Leistungsaufwand sei des
Weiteren ein überdurchschnittlicher Zeitaufwand verbunden gewesen. Das beklagte
Land überspanne die Anforderungen, die an Begründung und Abrechenbarkeit des
3,5fachen Gebührensatzes zu stellen seien. Dem beklagten Land könne auch dahin
nicht gefolgt werden, dass für jede einzelne Krone eine gesonderte ausführliche
Begründung verlangt werden könne. Die Begründung sei keineswegs undifferenziert;
sie führe ohnehin einzelne Zahnregionen auf (21 und 25).
Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land unter entsprechend teilweiser Aufhebung des
Bescheides der OFD vom 3. Februar 2000 und deren
Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2001 zu verpflichten, ihm auf
seinen Antrag vom 26. Januar 2000 eine weitere Beihilfe in Höhe von
438,69 Euro zu gewähren.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und den von der OFD vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den sich aus
der Rechnung des Zahnarztes H (X) vom 25. Januar 2000 ergebenden Aufwendungen.
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Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Beihilfenverordnung (BVO) sind in Krankheitsfällen beihilfefähig
die zur Wiedererlangung der Gesundheit und zur Besserung oder Linderung von Leiden
notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange. Bei dem Merkmal der
Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der jeweils im
Einzelfall einer Konkretisierung bedarf. Dabei ist die Angemessenheit von
Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen unter Berücksichtigung dessen zu
beurteilen, was die Gebührenordnung für Zahnärzte als Honorar für die jeweilige
Leistung vorsieht. Soweit dem Zahnarzt nach ein Honoraranspruch in der geltend
gemachten Höhe zusteht, handelt es sich mithin zugleich um angemessene
Aufwendungen des Beihilfeberechtigten im Sinne von § 3 Abs. 1 BVO, es sei denn, die
Beihilfevorschriften schränkten die Gewährung einer Beihilfe für bestimmte
Aufwendungen ein oder schlössen sie gar gänzlich aus. Da Zweck der
Beihilfegewährung lediglich ist, einen zusätzlichen Bedarf abzudecken, der mit den
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Dienstbezügen eines Beamten nicht mehr bestritten werden kann und daher unter dem
Gesichtspunkt einer angemessenen Fürsorge einer Beihilfe bedarf, ist gegen derartige
Regelungen jedenfalls dann nichts einzuwenden, wenn die Beschränkungen oder
Ausschlüsse der Beihilfefähigkeit bestimmter Leistungen die dem Dienstherrn
obliegende Fürsorgepflicht nicht in ihrem Wesenskern verletzen.
Zu letzterem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 28. April 1988
2 C 58.85 , Buchholz 270 § 7 BhV Nr. 1.
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Die Angemessenheit ist ferner in den Fällen zu bejahen, in denen die Berechnung
zahnärztlicher Leistungen auf einer zweifelhaften Auslegung der Gebührenordnung
beruht, wenn der vom Zahnarzt in Rechnung gestellte Betrag einer zumindest
vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige
Dienstherr nicht für rechtzeitige Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat.
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BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1994 2 C 25.92 , ZBR 1994 S. 228 f.
20
Die angefochtenen Bescheide des beklagten Landes sind insoweit nicht zu
beanstanden, als das beklagte Land die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen des
Klägers verneint hat, die auf eine Überschreitung des Schwellenwertes bei den
zahnärztlichen Leistungen entfallen.
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Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühren für eine
zahnärztliche Leistung in der Regel nach dem einfachen bis 2,3fachen des im
zugehörigen Gebührenverzeichnis festgelegten Gebührensatzes. Eine Überschreitung
des Schwellenwertes von 2,3 bis zum Höchstwert des 3,5fachen Satzes ist nach § 5
Abs. 2 Satz 4 GOZ nur zulässig und damit beihilferechtlich anzuerkennen, wenn
Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ angegebenen Bemessungskriterien
(Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umstände der Ausführung) die Überschreitung
rechtfertigen. Um dies im Einzelfall prüfen und gegebenenfalls bejahen zu können,
bedarf es einer besonderen Begründung, aus der sich ergeben muss, aus welchen
Gründen die im Einzelnen erbrachten Leistungen über dem des insoweit
durchschnittlich Normalen gelegen haben (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ), wobei die bei
Rechnungsstellung noch zulässige lediglich stichwortartige Begründung gemäß § 10
Abs. 3 Satz 2 GOZ auf Verlangen näher zu erläutern ist.
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In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht,
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Urteil vom 17. Februar 1994 2 C 10.92 , BVerwGE 95 S. 117 (121 ff.),
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dessen zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ergangenen Ausführungen für die
insoweit sachgleichen Regelungen der Gebührenordnung für Zahnärzte gleichermaßen
gelten, zu der weithin verbreiteten Auffassung, für durchschnittliche, normale Leistungen
gelte bereits der 2,3fache Gebührensatz, sodass bereits jede als überdurchschnittlich zu
bewertende Tätigkeit den Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors rechtfertige, unter
anderem Folgendes ausgeführt:
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Die Annahme von "Besonderheiten” der Bemessungskriterien im Sinne des zweiten
Halbsatzes des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ, die ein Überschreiten des Schwellenwertes
rechtfertigen, steht nicht im Ermessen des Arztes, sondern ist rechtlich voll
nachprüfbar. Sie hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Vorschrift den
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Charakter einer Ausnahme und setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der
Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der
Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des
Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig,
jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender
Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweise bei der Ausführung einer im
Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung, hier die ambulante Durchführung einer
im Gebührenverzeichnis beschriebenen Operation, als eine das Überschreiten des
Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde. Diese
Betrachtungsweise ergibt sich aus der Gegenüberstellung der "in der Regel”
einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen Gebührensatz und dem
Schwellenwert einerseits mit dem zulässigen Überschreiten dieses Wertes wegen
Besonderheiten der Bemessungskriterien andererseits (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ) sowie
aus der Anordnung einer schriftlichen Begründung des Überschreitens des
Schwellenwertes, die auf Verlangen näher zu erläutern ist (§ 12 Abs. 3 Sätze 1 und 2
GOÄ). Für eine nähere Erläuterung ist sinnvoll nur Raum, wenn Besonderheiten
gerade des vorliegenden Einzelfalles darzustellen sind; könnte schon eine bestimmte,
vom Einzelfall unabhängige Art der Ausführung der im Gebührenverzeichnis
beschriebenen Leistung das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, so
wäre dies mit einem kurzen Hinweis auf die angewandte Ausführungsart hier auf die
ambulante Durchführung der Operation abschließend dargelegt.
Bei dieser Auffassung geht der Senat mit dem Berufungsgericht davon aus, dass die
in der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen und dem 2,3fachen
Gebührensatz vom Verordnungsgeber nicht nur für einfache oder höchstens
durchschnittlich schwierige und aufwendige Behandlungsfälle, sondern für die große
Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt ist und in diesem Rahmen
auch die Mehrzahl der schwierigeren und aufwendigeren Behandlungsfälle abdeckt.
Auch soweit es üblich geworden sein und hingenommen werden sollte, dass Ärzte
überwiegend ohne Rücksicht auf den Einzelfall den Schwellenwert ansetzen (vgl.
dazu den Bericht der Bundesregierung an den Bundesrat über Erfahrungen mit der
GOÄ vom 23. Dezember 1985, Bundesratsdrucksache 625/85, Seite 17 f.), ändert dies
nichts an der Rechtslage, insbesondere nicht daran, dass auch die Mehrzahl
schwierigerer und aufwendigerer Behandlungsfälle im Rahmen der Regelspanne
abzugelten ist (vgl. neben dem genannten Bericht der Bundesregierung insbesondere
Urteil des VG Gelsenkirchen vom 23. Juni 1989 3 K 1621/88 , NWVBl. 1990, 68
m.w.N.).
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Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
28
Urteil vom 9. November 1993 6 A 511/92 ,
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hat hierzu weiter ausgeführt, dass es für die erforderliche Begründung und weitere
Erläuterung notwendig, aber ausreichend sei, dass der Arzt die erforderlichen
Besonderheiten der Bemessungskriterien im Einzelfall so darlege, dass sie dem
Patienten nachvollziehbar seien. Dementsprechend müsse die von dem Arzt zu
erstellende Begründung hinsichtlich des Überschreitens des Schwellenwertes den
Zeitaufwand und den Schwierigkeitsgrad plausibel erläutern. Auszugehen sei davon,
dass der Verordnungsgeber mit dem jeweiligen Gebührentatbestand Fälle erfasst habe,
die unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen
Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung angemessen mit dem einfachen
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Gebührensatz entgolten seien (einfache Fälle). Der 3,5fache Gebührensatz gelte damit
nur in Fällen, die in der ärztlichen Praxis außergewöhnliche Anforderungen stellten. Ob
im jeweiligen Fall außergewöhnliche Verhältnisse vorlagen und deshalb eine
Überschreitung des Schwellenwertes bis zum Höchstsatz gerechtfertigt sei, zeige sich
im Vergleich der Verhältnisse dieses Falles mit dem vom Gebührentatbestand ebenfalls
erfassten einfachen Fall. Aus der Begründung des behandelnden Arztes müssten sich
die für diesen Vergleich notwendigen Anhaltspunkte ergeben. So könnte der
behandelnde Arzt darlegen, welchen zeitlichen Rahmen (vom einfachen bis hin zu den
schwierigsten Fällen) der vorgenommene Eingriff in der ärztlichen Praxis in Anspruch
nimmt, und/oder inwieweit sich der Fall des konkreten Patienten unter Berücksichtigung
der Schwierigkeit sowie der Umstände bei der Ausführung vom einfachen oder
durchschnittlichen Behandlungsfall unterscheidet.
Da ein Gebührensatz zwischen dem 2,3 und dem 3,5fachen, wie oben ausgeführt, nur in
den Fällen gelten kann, die in der ärztlichen Praxis außergewöhnliche Anforderungen
stellen, müssen sich diese aus der Begründung nachvollziehbar ergeben; die
Begründung muss es demnach ermöglichen, dass die Verhältnisse des konkret zu
beurteilenden Falles mit den Verhältnissen der vom Gebührentatbestand erfassten
(normalen und schwierigen) Fälle verglichen werden können, und muss weiter
nachvollziehbar erkennen lassen, wie sich der konkrete Fall im Vergleich zu anderen
Fällen verhält und inwieweit und weshalb er sich deutlich vom Durchschnitt
unterscheidet und abhebt.
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Ebenso Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 24. Januar 1996
10 K 9290/93 , vom 11. November 1996 10 K 11766/94 und vom 25. Mai 1998
26 K 3113/97 .
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Die Begründung des behandelnden Zahnarztes in der Rechnung vom 25. Januar 2000
genügt diesen Anforderungen an eine Begründung der Überschreitung des
Schwellenwertes nicht; seine weitere Stellungnahme vom 5. November 2001 enthält
insoweit ebenfalls keine ausreichende Begründung. Auch aus dieser Begründung
hinsichtlich der streitigen Überschreitungen des Steigerungsfaktors von 2,3 in der
Rechnung ist nicht erkennbar, ob und inwieweit sich die Behandlung des Klägers -
wobei insoweit auf die Behandlung jedes einzelnen Zahns abzustellen ist, weil die
Schwellenwertüberschreitung nicht pauschal für eine Behandlung, sondern je einzeln
nach der abgerechneten Gebührenziffer zu begründen ist - von dem einfachen, dem
durchschnittlichen und dem schwierigen, aber noch von der Regelspanne umfassten
Behandlungsfall unterschieden hätte. Es ergeben sich hieraus keine konkreten
Anhaltspunkte oder gar Vergleichsbetrachtungen, die es ermöglichten, den
vorliegenden Behandlungsfall als überdurchschnittlich schwierigen Fall einzustufen.
Nicht erkennbar, inwieweit und in welchem Umfang sich die Behandlung des Patienten
von einem normalen oder durchschnittlich schwierigen Behandlungsfall unterschieden
hätte. Insoweit mangelt es an konkreten, nachvollziehbaren Angaben, die eine
Abgrenzung zu dem durchschnittlich schwierigen und damit eine Zuordnung des
konkreten Falles zu dem überdurchschnittlich schwierigen Behandlungsfall
ermöglichten. Insbesondere mangelt es an jeglicher konkreten Zeitangabe, die eine
solche Einstufung der Behandlung des Klägers als überdurchschnittlich schwierig
belegen könnte. Pauschale Schwierigkeitseinstufungen genügen insoweit nicht. Dabei
ist nicht auszuschließen, dass die eine oder andere abgerechnete Leistung die
Schwellenwertüberschreitung gerechtfertigt hätte. Da sich die Begründung jedoch auf
die Behandlung sämtlicher zehn Zähne bezieht und insoweit notwendigerweise von
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Zahn zu Zahn unterschiedliche Verhältnisse vorgelegen haben, trägt die Begründung
keine der Schwellenwertüberschreitungen.
Im Übrigen wird entsprechend § 117 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf
die Ausführungen des beklagten Landes in seinem Schriftsatz vom 25. Januar 2002,
denen das erkennende Gericht insbesondere zur Frage der beantragten
Beweiserhebung folgt, Bezug genommen.
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Sonach war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708
Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.
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