Urteil des VG Düsseldorf vom 13.04.2007

VG Düsseldorf: europäischer gerichtshof für menschenrechte, jordanien, bundesamt für migration, organisation, psychische integrität, auskunft, eltern, anerkennung, libanon, wohnung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 21 K 2287/06.A
Datum:
13.04.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
21. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 K 2287/06.A
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage hinsicht-lich
einer Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und der
Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzun-gen des
§ 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hat.
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 2. des Bescheides des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. April 2005 ver-
pflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5
AufenthG in der Person des Klägers vorliegen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, trägt der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig voll-
streckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstre-ckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubi-ger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist jordanischer Staatsbürger. Er reiste nach eigenen Angaben gemeinsam
mit seinen Eltern, den Klägern zu 1. und 2. im Verfahren 21 K 2284/06.A., am 16. Juni
1990 in das Bundesgebiet ein und beantragte mit ihnen am 18. Juni 1990 erstmals
seine Anerkennung als Asylberechtigter.
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Die Eltern es Klägers gaben in der Anhörung durch das damalige Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (Bundesamt() an, aus dem Libanon zu stammen und zuletzt in dem Lager B
bei T gewohnt zu haben. Der Vater des Klägers führte zu seinen Asylgründen weiter
aus, er habe im Lager einen Lebensmittelladen betrieben, der im Jahre 1990 durch
israelische Bombardierungen völlig zerstört worden sei. Kurz vor der Ausreise habe es
außerdem im Lager Auseinandersetzungen der verschiedenen palästinensischen
Gruppierungen gegeben. Er sei von jeder Organisation aufgefordert worden, sich
jeweils für sie zu verwenden. Dabei sei es zu Bedrohungen gekommen. Um sich dem
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zu entziehen, habe er den Libanon verlassen. Die Mutter des Klägers und der Kläger
machten keine eigenen Asylgründe geltend.
Mit Bescheid vom 15. Februar 1993 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab und
stellte das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie von
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG fest. Die Kläger wurden unter Androhung
der Abschiebung in den Libanon aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland
innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu
verlassen.
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Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht
Gelsenkirchen durch Urteil vom 1. März 1994 als offensichtlich unbegründet ab.
Rechtsmittel gegen diese Entscheidung wurden nicht ergriffen.
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Vor dem Hintergrund eines in Frankfurt/Main geführten Ermittlungsverfahrens wegen
Vergehens gemäß § 129 StGB – Bildung krimineller Vereinigung; hier: der islamischen
Organisation Hizb-ut-Tahrir - wurde am 12. November 2002 die Wohnung der Familie
des Klägers durchsucht. Dabei wurden die jordanischen Reisepässe der Eltern des
Klägers aufgefunden. Der Reisepass der Mutter des Klägers, in dem u.a. auch der
Kläger eingetragen ist, wurde am 16. August 1997 in B1 ausgestellt.
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Am 5. März 2003 stellten die Eltern des Klägers für sich, für den Kläger und für weitere
Kinder einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung machte der Vater des Klägers geltend:
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Er sei im Jahr 1955 in B2 geboren und sei in seiner Schulzeit in Kontakt mit Mitgliedern
der Organisation Hizb-ut-Tahrir gekommen. Auch sein Vater sei langjähriges aktives
Mitglieder dieser Organisation gewesen. Nach seiner Schulzeit habe er in Istanbul ein
Universitätsstudium aufgenommen. Er habe eine Studienzulassung für die
elektrotechnische Fakultät der Staatsakademie Ankara für Ingenieur- und
Architekturwesen erworben. Während der Studienzeit habe er in permanentem Kontakt
zu Mitgliedern der Hizb-ut-Tahrir in der Türkei und in Jordanien gestanden. Im Jahr 1974
sei er als Mitglied der Organisation aufgenommen worden; ab 1980 sei er Mitglied des
Komitees für die Türkei innerhalb der Hizb-ut-Tahrir und in der Zeit von 1981 bis 1985
der für die gesamte Türkei zuständige Verantwortliche gewesen. Er habe insbesondere
mit Studenten aus Jordanien zusammengearbeitet, die nach Abschluss ihrer Studien
nach Jordanien zurückgekehrt seien. Da diese Studenten z.T. verhaftet worden seien
sei seine Zugehörigkeit zur Hizb-ut-Tahrir bei den jordanischen Behörden aktenkundig
geworden.
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Am 22. September 1980 sei sein Bruder verhaftet worden, als er Flugblätter der Hizb-ut-
Tahrir bei sich trug und in der Folgezeit wegen der Zugehörigkeit zur Hizb-ut-Tahrir zu
einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Dies habe ihn veranlasst, unterzutauchen.
Es sei gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden und seine Wohnung sei durchsucht
worden. Er sei über Jordanien im Oktober 1980 in die Westbank zurückgekehrt und dort
mehrfach von dem israelischen Geheimdienst zu seinen Aktivitäten in der Türkei befragt
worden. Da er die Aussage verweigert habe, sei sein jordanisches Reisedokument
zunächst eingezogen worden, ihm aber nach Intervention seines Onkel, des damaligen
Bürgermeister von B2, wieder ausgehändigt worden. Er sei im Jahr 1981 mit israelischer
Reiseerlaubnis nach Jordanien ausgereist. Von dort sei er mit einem gefälschten Pass
in die Türkei zurückgekehrt. Noch im Jahr 1981 habe er erfahren, dass auch in
Jordanien ein Haftbefehl gegen ihn ergangen sei.
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Nachdem er sich am 5. November 1982 noch durch Flucht einer Verhaftung in seiner
Wohnung in Ankara habe entziehen können, sei er zusammen mit anderen Mitgliedern
der Hizb-ut-Tahrir am 20. September 1985 in Istanbul verhaftet worden. Das
Gerichtsverfahren habe Ende Dezember 1985 begonnen. Mit Urteil vom 11. August
1986 sei er zu einer Haftstrafe von 8 Jahren, 10 Monaten und 20 Tagen verurteilt
worden, die er im C-Gefängnis in Istanbul verbüßt habe. Wegen guter Führung sei er am
8. April 1989 entlassen, jedoch im Hinblick auf eine geplante Abschiebung nach
Jordanien oder in ein anderes aufnahmebereites arabisches Land in Abschiebehaft
genommen worden. Nach der Entlassung aus dieser sei er mit einem gefälschten Pass
aus der Türkei aus- und letztlich im März 1990 in das Bundesgebiet eingereist.
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Die Mutter und Geschwister des Klägers machten ebenso wie der Kläger geltend, ihnen
drohe bei einer Rückkehr asylrelevante Verfolgung unter dem Aspekt der Sippenhaft.
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Mit Beschluss vom 3. Dezember 2003 stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main das
gegen den Vater des Klägers eingeleitete Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden
Tatverdachts ein.
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Durch jeweils gesonderte Bescheide vom 6. April 2005, die als Einschreiben am 11.
April 2005 zur Post gegeben wurden, lehnte das Bundesamt die Durchführung eines
weiteren Asylverfahrens sowohl in Bezug auf den Kläger als auch in Bezug auf seine
Eltern und Geschwister ab und stellte fest, dass eine geänderte Entscheidung zu den
Feststellungen zu § 53 AuslG nicht zu treffen sei. In den Gründen des Bescheids setzte
sich das Bundesamt mit Abschiebungsverboten in Bezug auf Jordanien auseinander.
Dem Bescheid wurde eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend beigefügt, dass Klage
innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung zu erheben sei.
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Am 22. April 2005 hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines
Vorbringens im Verwaltungsverfahren Klage vor Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
erhoben (dortiges Aktenzeichen: 18a K 1315/05.A).
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Durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der
Verwaltungsgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen vom 7. März 2006 (GV.
NRW 2006 S. 107) ist die Zuständigkeit auf das erkennende Gericht übergegangen.
15
Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7
AufenthG vorliegen.
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Seinen weitergehenden Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur seiner Anerkennung
als Asylberechtigter und auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60
Abs. 1 AufenthG hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen
Verhandlung vom 13. April 2007 zurückgenommen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem
angegriffenen Bescheid,
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die Klage abzuweisen.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der
Ausländerbehörde sowie der beigezogenen Gerichtsakte VG Düsseldorf 21 K
2284/06.A Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts zur Entscheidung des vorliegenden
Rechtsstreits nach dem AsylVfG ab dem 1. April 2006 ergibt sich aus Art. II Nr. 3 i.V.m.
Art. I Nr. 2 des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der
Verwaltungsgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen vom 7. März 2006 (GV.
NRW 2006 S. 107).
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Soweit der Kläger die Klage hinsichtlich einer Anerkennung als Asylberechtigter nach
Art. 16 a GG und der Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen
des § 60 Abs 1 AufenthG zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen, § 92
Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
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Die Klagefrist ist gewahrt. Vor dem Hintergrund der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung
– die Klagefrist im Folgeverfahren beträgt eine Woche, §§ 74 Abs. 1 2. Halbsatz, 36 Abs.
3, 71 Abs. 4 1. Halbsatz AsylVfG - ist die Jahresfrist, § 58 Abs. 2 VwGO, gewahrt, da der
angegriffene Bescheid als am 14. April 2005 zugestellt gilt und die Klage am 22. April
2005 erhoben wurde.
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Die Klage ist auch begründet.
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Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten zu der
Feststellung, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in
Bezug auf Jordanien erfüllt sind. Der Bescheid des Bundesamtes vom 6. April 2005 ist,
soweit durch ihn diese Feststellung versagt wird, rechtswidrig und verletzt den Kläger
insoweit in seinen Rechten, § 113 Abs. 5, 1 VwGO.
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Hat das Bundesamt – wie vorliegend – im ersten Asylverfahren bereits unanfechtbar
festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht bestehen, kann auf
den Asylfolgeantrag des Ausländers hin eine erneute Prüfung und Entscheidung des
Bundesamtes zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, der § 53 AuslG ersetzt hat, nur unter den
Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erfolgen.
Das Bundesamt hat demnach bei einer erneuten Befassung mit § 60 Abs. 2 bis 7
AufenthG zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG
vorliegen. Liegen sie – wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 in
Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob
die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird.
Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dem steht nicht
entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer
solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder
unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
anzuwenden.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. März 2000, – 9 C 41/99 -,
30
juris-Dokument.
Das Bundesamt war daher jedenfalls nach § 51 Abs. 5 VwVfG befugt, auf den Antrag
des Klägers erneut über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden,
auch ohne dabei auf die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 bis
3 VVfG einzugehen. Der Antrag des Klägers ist dabei ungeachtet der
uneingeschränkten Formulierung sachdienlich dahingehend auszulegen, dass
Abschiebungsschutz nur bezüglich des Staates oder der Staaten begehrt wird, für die
das Bundesamt festgestellt hat, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, oder die es
in der Abschiebungsandrohung ausdrücklich als Zielstaaten bezeichnet hat.
31
Zur Auslegung des Begehrens nach Abschiebungsschutz vgl.: BVerwG, Urteil vom 4.
Dezember 2001, - 1 C 11/01 -, juris-Dokument.
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Soweit im Erstverfahren ausdrücklich der Libanon als Zielstaat bezeichnet wurde, kann
offen bleiben, ob das Bundesamt das im Folgeverfahren in Bezug auf die Feststellung
von Abschiebungsverboten eingeräumte Ermessen überhaupt bzw. ermessensfehlerfrei
ausgeübt hat, denn Abschiebungsverbote in Bezug auf den Libanon sind vom Kläger
weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass eine positive Entscheidung im
Rahmen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre.
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Soweit sich der verfahrensgegenständliche Bescheid des Bundesamtes zu einer
Gefährdung des Klägers bei einer Rückkehr nach Jordanien verhält, liegt eine auf
sonstige Weise erfolgte nachträgliche Konkretisierung eines weiteren Zielstaates vor.
34
Zur nachträglichen Konkretisierung eines Zielstaates vgl.: VG Karlsruhe, Urteil vom
15. Mai 2005, - 4 K 10788/05 -, juris-Dokument, m.w.N.
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Indem sich das Bundesamt mit Abschiebungsverboten in Bezug auf diesen Zielstaat
auseinandergesetzt hat, hat es den Weg zu einer Sachprüfung auch im gerichtlichen
Verfahren freigemacht. Mithin war die Entscheidung des Bundesamtes zu überprüfen,
dass in Bezug auf Jordanien hinsichtlich des Klägers keine Abschiebungsverbote nach
§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehen.
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Zur Überzeugung des Gerichts sind jedoch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5
AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK, dem Art. 15 lit. b und Art. 6 lit. c der Richtlinie
2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 entspricht,
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in diesem Sinne: VG Braunschweig, Urteil vom 28. November 2006 – 6 A 589/05-,
juris-Dokument
38
erfüllt. Danach ist die Abschiebung unzulässig, wenn ein Ausländer in seinem
Heimatland der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
unterworfen wäre. Eine den Abschiebungsschutz auslösende "unmenschliche" oder
"erniedrigende" Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK liegt vor, wenn die physische
oder psychische Integrität des Betroffenen nach den Umständen des jeweiligen
Einzelfalles schwerwiegend beeinträchtigt ist.
39
Vgl.: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil vom 25. September
1997, NVwZ 1998, 161 ff.
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Das Gericht geht davon aus, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG in
Verbindung mit Art. 3 EMRK in dem vorliegenden besonderen Einzelfall aufgrund des
Zusammenspiels der allgemeinen Verhältnisse in Jordanien und der besonderen
Situation von Angehörigen von Personen, die der Organisation Hizb-ut-Tahrir
angehören, gegeben ist.
41
Zu deren Situation führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 28. November
2006, von der die Beteiligten Kenntnis genommen haben, aus:
42
"Familienangehörige von Verdächtigen werden regelmäßig ebenfalls durch die
Sicherheitsbehörden nach den .... geschilderten Maßstäben befragt, zum einen um
Informationen über den Verdächtigen zu erhalten, zum anderen um Informationen über
eine eventuelle eigene Betätigung in der verbotenen Organisation zu erlangen. "
43
Vor diesem Hintergrund besteht zur Überzeugung des Gerichts eine beachtliche
Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Jordanien der
konkreten Gefahr unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre, weil er jedenfalls
wegen der Betätigung seines Vaters, des Klägers zu 1. im Verfahren 21 K 2284/06.A, für
die Organisation Hizb-ut-Tahrir damit rechnen müsste sofort bei der Einreise
festgenommen und auf unbestimmte Zeit inhaftiert zu werden. Aufgrund seines Alters,
der Kläger ist 21 Jahre alt, ist er in der Lage verwertbare Informationen zu geben. Er
müsste weiter damit rechnen, während der Haft misshandelt zu werden, da – wie aus
der Auskunft des Deutschen Orient Instituts vom 12. Februar 2007 folgt – das Vorgehen
gegen islamische Kräfte, zu denen auch die Organisation Hizb-ut-Tahrir gehört, durch
den jordanischen Geheimdienst (GID – General Intelligence Department) erfolgt und es
bei diesem Sicherheitsdienst während der Haft zu Folter und körperlicher Gewalt
kommt.
44
Vgl. Auskunft des Deutschen Orient Instituts vom 12. Februar 2007, Seite 13 u. 14.
45
Soweit das Deutsche Orient Institut in seiner Auskunft im Verfahren 21 K 2284/06.A
46
Vgl. Auskunft des Deutschen Orient Instituts vom 12. Februar 2007, Seite 18 ff.
47
eine Gefährdung der Familienangehörigen verneint hat, folgt ihm das Gericht nicht.
48
Nach Auffassung der Einzelrichterin überzeugt es nicht, wenn das Deutsche Orient
Institut seine Auffassung darauf stützt, dass der Mutter des Klägers, der Klägerin zu 2. im
Verfahren 21 K 2284/06.A ein Pass ausgestellt wurde, in dem auch die Kinder, hier die
Kläger, eingetragen ist. Denn es ist glaubhaft dargelegt worden, dass der Pass durch
Beziehungen der Schwester der Mutter des Klägers. zu einem Mitarbeiter der
Passbehörde erlangt wurde und über Verwandte in Polen weitergeleitet wurde. Wegen
der näheren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der eidesstattlichen
Versicherung, Bl. 285 der Beiakte Heft 12 im Verfahren 21 K 2284/06.A. Von einer
"offiziellen" Ausstellung, aus der das fehlende Interesse der jordanischen
Sicherheitskräfte an Familienangehörigen abzuleiten wäre, kann angesichts dieses
Hintergrunds zur Überzeugung des Gerichts nicht gesprochen werden. Soweit das
Deutsche Orient Institut feststellt, ".... Sippenhaft werde ..., soweit wir sehen, und soweit
das von uns erreichbare Material reicht, nicht praktiziert. ..", überzeugt dies das Gericht
nicht. Es fehlt schon an der Bezeichnung, der Quellen, die ausgewertet wurden. Darüber
hinaus ist die Schlussfolgerung nach Ansicht des Gerichts auch deshalb nicht
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überzeugend, weil das Deutsche Orient Institut an anderer Stelle feststellt, in Jordanien
folgten in sicherheitsrelevanten Bereichen die Dinge durchaus nicht stets
rechtsstaatlichen Maßstäben
Vgl. Auskunft des Deutschen Orient Instituts vom 12. Februar 2007, Seite 19,
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ferner sei nicht ausschließbar, dass jordanische Sicherheitskräfte – auch unter Einsatz
von Folter – versucht sein würden, den Vater des Klägers als Informationsquelle
abzuschöpfen.
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Vgl. Auskunft des Deutschen Orient Instituts vom 12. Februar 2007, Seite 16.
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Weshalb dies nicht auch für Familienangehörige gilt, erschließt sich für das Gericht
nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit § 83 b
AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Hinsichtlich des Gegenstandswertes weist das Gericht auf § 30 RVG hin.
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