Urteil des VG Düsseldorf vom 22.06.2009

VG Düsseldorf: stadt, verordnung, öffentlich, ausschreibung, erstellung, marktpreis, juristische person, erwerb, verwertung, amtsblatt

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 17 K 4765/07
Datum:
22.06.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 K 4765/07
Tenor:
Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2006
und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. September 2007
sowie der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 12. Januar
2007 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. September
2007 werden aufgehoben, soweit darin Abfallbeseitigungsgebühren
festgesetzt werden.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die
außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zur Hälfte. Die Kosten
des Vorverfahrens trägt der Beklagte. Ihre außergerichtlichen Kosten
tragen der Beklagte und die Beigeladene selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer des in der Stadt P gelegenen Grundstücks G1 (postalisch:
Cstr. 75, P). Im vorliegenden Verfahren wendet er sich gegen die Veranlagung seines
Grundstücks zu Abfallbeseitigungsgebühren der Jahre 2006 und 2007 sowie
Straßenreinigungsgebühren für das Jahr 2007.
2
Mit der Ausführung der kommunalen Aufgabe der Abfallentsorgung und
Straßenreinigung ist in P seit dem Jahr 1996 die "Wirtschaftsbetriebe P (P GmbH)
beauftragt. Die Stadt P ist über ihre Stadtwerke P AG zu 51 % an der P GmbH beteiligt.
Für die Aufgabenwahrnehmung zahlt die Stadt P der P GmbH jährlich ein
Leistungsentgelt. Dieses wird seit dem 1. Januar 2006 aufgrund des Leistungsvertrags
vom 12. Januar 1996 und der am 12. Dezember 2005 geschlossenen
"Rahmenbedingungen für die Ermittlung von Selbstkostenpreisen der P" auf der
Grundlage der Selbstkostenfestpreisermittlung 2006 durch Gutachten der Beratungs-
und Prüfungsgesellschaft, L (im folgenden: C1) vom 12. Dezember 2005, die von der
3
Preisprüfungsstelle der Bezirksregierung E2 preisrechtlich geprüft worden ist, ermittelt.
Das voraussichtliche jährliche Leistungsentgelt für die Abfallbeseitigung bzw. die
Straßenreinigung stellt der Beklagte jeweils als Kostenansatz "Gesamtkosten P GmbH"
in die Gebührenbedarfsberechnungen ein.
Die im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Abfallentsorgung durch die P GmbH
anfallenden und der Entsorgungspflicht der Stadt P als öffentlich-rechtlichem
Entsorgungsträger unterliegenden Abfälle werden nach Maßgabe der Abfallsatzung der
Stadt P in der H verbrannt.
4
Bis 1984 wurde diese Anlage durch den Zweckverband H betrieben, dessen Mitglied
die Stadt P war. Seit 1984 wird die Anlage durch die Beigeladene, die H GmbH (im
folgenden: H), betrieben, die aus der Umwandlung des Zweckverbandes
hervorgegangen ist. Gesellschafter waren zunächst die Städte E (59 %), P (25 %) sowie
E1, N und W (16 %), wobei sich die Verteilung der Gesellschaftsanteile nach den von
ihnen angelieferten Abfallmengen im Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung richtete. Die
Städte E1, N und W wurden 1997 von ihrer Anlieferpflicht für die H befreit, blieben aber
zunächst noch Gesellschafter.
5
Um die Zukunft der H zu sichern, beabsichtigten die kommunalen Gesellschafter E und
P im Jahr 2000 die Veräußerung von bis zu 49 % der Gesellschaftsanteile an einen
privaten Investor. Dieser sollte auch das operative Geschäft der
Müllverbrennungsanlage übernehmen. Die Gesellschaftsbeteiligung wurde in der Form
eines europaweiten Verhandlungsverfahrens mit vorausgegangener öffentlicher
Vergabebekanntmachung ausgeschrieben. Die europaweite Vergabebekanntmachung
erfolgte am 1. Februar 2000. Gleichzeitig wurde die Gesellschaftsbeteiligung auch in
mehreren überregionalen Tageszeitungen ausgeschrieben.
6
Ausführliche Informationen über die rechtliche, technische und wirtschaftliche Situation
der H enthielt das Verkaufsmemorandum zum "Erwerb von Anteilen an der H" der N1
GmbH aus Februar 2000, das den zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bietern zur
Verfügung gestellt wurde. Das Memorandum beschrieb unter Ziffer 9.
"Rahmenbedingungen des Verkaufs und Transaktionsstruktur" die inhaltlichen
Anforderungen an ein von den Bietern abzugebendes Angebot zum Erwerb einer
Gesellschaftsbeteiligung.
7
Nach Angaben des Beklagten gingen bis Ende Juni 2000 sechs Angebote zum Erwerb
der Gesellschaftsanteile ein. Die wesentlichen inhaltlichen Bestandteile dieser
verschiedenen Angebote stellte der Beklagte in der Übersicht "H-Kaufangebote"
zusammen.
8
Vor der Annahme eines der Angebote übertrugen die ursprünglichen Mitgesellschafter
E1, W und N ihre Gesellschaftsanteile auf die beiden Gesellschafterstädte P und E.
Diese wählten zunächst die Fa. U aus, entschieden sich später aber für das Angebot der
Fa. S. Nach Angaben der H erfolgte die Annahme des notariellen Angebots der Firma S
am 6. November 2001.
9
Die Fa. S (heute S1) hält seither 49 % der Gesellschaftsanteile der H, während die Stadt
E mit 35,8 % und die Stadt P noch mit 15,2 % an der H beteiligt sind.
10
Bereits vor Eintritt der Fa. S in die Gesellschaft stellte die Stadt P ihre zuvor nur im
11
Gesellschaftsvertrag geregelten Leistungsbeziehungen zur H durch die "Vereinbarung
über die Abnahme und Verbrennung von Abfällen" vom 13. Mai 2000 auf eine
schuldrechtliche Grundlage. Einen vergleichbaren Vertrag schloss die Stadt E am
19./24. April 2000 mit der H. Gegenstand des Verbrennungsvertrags war die
Beauftragung der H mit der energetischen Verwertung und/oder thermischen
Behandlung zur Beseitigung der laut Abfallsatzung der Stadt überlassenen Abfälle.
Am 30. Oktober 2001 schloss die Stadt P mit der H die 1. Nachtragsvereinbarung zur
Vereinbarung über die Abnahme und Verbrennung von Abfällen vom 13. Mai 2000.
Auch die Stadt E traf mit der H am 8. Oktober 2001 eine vergleichbare Vereinbarung.
Durch diese 1. Nachtragsvereinbarung wurden im wesentlichen der
Vertragsgegenstand (§ 1) und die Entgeltregelung (§ 7) neugefasst.
12
§ 1 Ziffer 1 Abs. 1 des Verbrennungsvertrags hat seither folgende Fassung:
13
"Die Stadt beauftragt ausschließlich die H mit der energetischen Verwertung
und/oder thermischen Behandlung von Abfällen aus privaten Haushaltungen und
von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen, die nach den Vorschriften des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und/oder des Landesabfallgesetzes
Nordrhein-Westfalen der Entsorgungspflicht der Stadt unterliegen und nach der
Abfallsatzung der Stadt in der jeweils gültigen Fassung der H zugewiesen sind."
14
Die Höhe des für die Verbrennungsleistung zu zahlenden Entgelts ergibt sich aus der
angelieferten Abfallmenge, § 7 Abs. 1 S. 2, in Verbindung mit der vereinbarten
Preismengenstaffel, Anlage 2 zu § 7 Abs. 2 des Verbrennungsvertrags. Die
Preismengenstaffel setzt beginnend ab dem Jahr 2001 für jedes Kalenderjahr bis 2020
sowohl einen Netto-Preis je Tonne Abfall (DM) für die gesondert aufgeführte
Mindestliefermenge der Städte E und P sowie zusätzlich ab 2006 – niedrigere - Netto-
Preise je Tonne Abfall für über die Mindestliefermengen hinausgehende zusätzliche
Abfalllieferungen fest. Der Vertrag enthält in Anlage 3 zu § 7 Abs. 2 schließlich eine
Berechnungsformel zur Bestimmung des "Garantiepreises", der bei Unterschreitung der
vereinbarten Mindestliefermenge gelten soll.
15
Das jährlich zu erwartende Verbrennungsentgelt für die Abfallbeseitigung bzw.
Straßenreinigung fließt unter der Position "Entsorgungskosten" in die
Gebührenbedarfsberechnungen Abfallbeseitigung und Straßenreinigung ein.
16
Ungeachtet dieser vertraglichen Vereinbarung legte bereits der Abfallwirtschaftsplan –
Teilplan Siedlungsabfälle – für den Regierungsbezirk E2 vom 9. April 1998 (im
folgenden: AWP 98), der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verbrennungsvertrags
bzw. der Nachtragsvereinbarung noch gültig war, in Ziffer 6.3.3. fest, dass die Städte E
und P sich zur Beseitigung ihrer thermisch zu behandelnden Restabfälle weiterhin
vollständig der H als Abfallbeseitigungsanlage zu bedienen haben. Die
Verbrennungskapazität, die für die Gewährleistung einer Entsorgungssicherheit für die
künftig thermisch zu behandelnden reaktiven Restabfälle beider Städte erforderlich ist,
prognostizierte der AWP 98 auf 325.000 t/a (E 230.000 t/a, P 95.000 t/a).
17
Durch § 3 Abs. 3 der Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 9. April 1998 zur
Verbindlichkeitserklärung des Abfallwirtschaftsplans Teilplan Siedlungsabfälle für den
Regierungsbezirk E2/Sonderbeilage Abfallwirtschaftsplan erklärte der
Regierungspräsident E2 u.a. diese im AWP 98 enthaltene Zuweisung für verbindlich.
18
In mehreren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geführten Verfahren, die die
Abfallbeseitigungs- und Straßenreinigungsgebühren der Jahre 2001 bzw. 2002 betrafen
(vgl. Urteile vom 11. November 2003 - 17 K 6227/02 – u.a.), hob das Gericht die
Veranlagungen mit der Begründung auf, dass die Gebührensätze hinsichtlich der
Fremdleistungen der P GmbH unzulässige Kostenansätze enthalten. Der Beklagte habe
es versäumt, das Fremdleistungsentgelt für die P GmbH vor der Einstellung in die
Gebührenbedarfsberechnung nach den preisrechtlichen Vorschriften der VO PR
Nr. 30/53 zu berechnen und eine solche Berechnung auch nicht nachträglich vorgelegt.
Die Rechtmäßigkeit der Kostenansätze könne daher nicht festgestellt werden. Weil sich
bereits danach die Unwirksamkeit der Gebührensätze für die Abfallbeseitigung und
Straßenreinigung ergab, wies das Gericht lediglich ergänzend darauf hin, dass es auch
für das in die Gebührenkalkulationen eingestellte Leistungsentgelt der H an einer
erforderlichen Abrechnung nach den preisrechtlichen Vorschriften der §§ 5 bis 8 VO PR
Nr. 30/53 fehle. Eine solche sei erforderlich, weil es aufgrund der verbindlichen
Zuweisung des AWP 98 für die Verbrennungsleistungen schon aus Rechtsgründen an
einem Markt fehle. Eine Berechnung habe daher auf der Basis der Selbstkosten der H
zu erfolgen. Eine solche sei aber jedenfalls seit 1998 nicht erfolgt.
19
Mit Heranziehungsbescheid vom 13. Januar 2006 veranlagte der Beklagte das
Grundstück des Klägers u.a. zu Abfallbeseitigungsgebühren 2006 in Höhe von
1.053,08 Euro und mit Heranziehungsbescheid vom 12. Januar 2007 u.a. zu
Abfallbeseitigungs- und Straßenreinigungsgebühren 2007 in Höhe von 1.112,61 Euro
und 277, 00 Euro.
20
Die hiergegen erhobenen Widersprüche des Klägers wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheiden vom 24. September 2007 zurück.
21
Der Kläger hat am 24. Oktober 2007 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung
der Klage tragen er und die Kläger der Parallelverfahren im wesentlichen vor: Die
Gebührensätze beruhten im Hinblick auf das Leistungsentgelt der P GmbH und der H
auf unzulässigen Kostenansätzen und verstießen daher gegen das
Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 S. 3 KAG NRW. Es sei fraglich, ob sich für
Verbrennungsleistungen ein allgemeiner Markt i.S.v. § 4 VO PR Nr. 30/53 gebildet
habe. Die Ausschreibung der Veräußerung des Gesellschaftsanteils an der H sei nicht
geeignet gewesen, einen Marktpreis zu erkunden. Sie habe vorrangig der
Ausschreibung von Investments gedient und gerade keine nur auf die Dienstleistung
bezogene Angebotsaufforderung enthalten. Selbst wenn es einen Markt für
Verbrennungsleistungen gebe, sei fraglich, ob dem öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 4
Abs. 3 VO PR Nr. 30/53 die gleichen Konditionen wie dem vergleichbaren, nicht
öffentlichen Auftraggeber eingeräumt worden seien. Das nachträgliche Gutachten der Q
vom 18. August 2008 sei schon deshalb nicht geeignet, das in die Kalkulationen
eingestellte Verbrennungsentgelt preisrechtlich zu rechtfertigen, weil die Prüfer in
Wirklichkeit selbst vom Vorliegen eines Marktpreises ausgingen. Es stehe außerdem im
Hinblick auf die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen und des
kalkulatorischen Gewinns nicht mit den Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von
Selbstkosten sowie mit der obergerichtlichen Rechtsprechung in Einklang. Angesichts
einer nach den Jahresabschlüssen 2006 und 2007 erzielten bemerkenswerten
Umsatzrendite von 32 % bzw. 36,4 % sei höchst zweifelhaft, ob es sich bei den
Fremdleistungsentgelten noch um betriebsnotwendige Kosten handele, deren
Bemessung nicht dem Äquivalenzprinzip widerspreche. Auch der für die Leistungen der
22
P GmbH durch die C1 ermittelte und durch die Preisprüfungsstelle überprüfte
Selbstkostenfestpreis 2006 und dessen Fortschreibung seien preisrechtlich fehlerhaft
ermittelt.
Der Kläger beantragt,
23
den Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2006 und
den Widerspruchsbescheid vom 24. September 2007 aufzuheben, soweit
darin Abfallbeseitigungsgebühren festgesetzt werden, und den Bescheid
vom 12. Januar 2007 und den Widerspruchsbescheid vom
24. September 2007 aufzuheben, soweit darin Abfallbeseitigungs- und
Straßenreinigungsgebühren festgesetzt werden.
24
Der Beklagte beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Zur Begründung führt er aus: Der Abschluss des Leistungsvertrags vom 13. Mai 2000
und der Nachtragsvereinbarung vom 30. Oktober 2001 stehe in untrennbarem
Zusammenhang mit dem durch die Städte E und P im Jahr 2000 durchgeführten
Vergabeverfahren zur Veräußerung einer Gesellschaftsbeteiligung an der H. Das
Vergabeverfahren habe vorrangig auf die Veräußerung einer gesellschaftsrechtlichen
Beteiligung an der H abgezielt. Gleichzeitig habe dem Vergabeverfahren aber auch der
Abschluss der Leistungsverträge zugrunde gelegen. Dementsprechend sei schon der
Vergabebekanntmachung zu entnehmen, dass "wesentliche Geschäftsgrundlagen...
langfristige Leistungsverträge mit den Städten E und P" sein sollten. Dies ergebe sich
auch aus dem Verkaufsmemorandum der N1 GmbH aus Februar 2000, das an die zur
Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen versandt worden sei. Die bis Ende Juni
eingegangenen sechs Angebote hätten die unterschiedlichsten strategischen Konzepte
beinhaltet, daneben aber auch verschiedene Verbrennungsentgelte im Rahmen des
bestehenden Entsorgungsvertrags. Das durch die Nachtragsvereinbarung vom
30. Oktober 2001 vereinbarte Entgelt könne daher durchaus als Marktpreis eingeordnet
werden, da der Vertragsschluss Bestandteil des Verhandlungsverfahrens zur
Veräußerung des Gesellschaftsanteils gewesen sei. In der Schlussphase des
Verfahrens hätten die beiden Gesellschafterstädte E und P parallel mit zwei Bietern
verhandelt, um das für sie günstigste Angebot zu erzielen. Diese Angebote seien nicht
nur in der technischen Leistung, sondern auch in preislicher Hinsicht in Korrelation zu
der einheitlich geforderten Leistung vergleichbar.
27
Die Beigeladene beantragt,
28
die Klage abzuweisen.
29
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie das Vorbringen des Beklagten zum
Vorliegen eines allgemeinen bzw. durch die Ausschreibung der
Gesellschaftsbeteiligung geschaffenen besonderen Marktes und führt ergänzend aus:
Dass ein allgemeiner Markt für die Restabfallverbrennung bestehe und dieser
insbesondere nicht auf einen bestimmten regionalen Raum beschränkt sei, habe bereits
das OVG Lüneburg in seinem Urteil vom 20. Dezember 2000 – 7 L 1276/00 –
entschieden. Die durch die ordnungsbehördliche Verordnung vom 9. April 1998 erfolgte
30
Verbindlicherklärung des AWP 98 und damit der Zuweisung der Restabfälle der Städte
E und P zur H stehe einer Wettbewerbssituation nicht entgegen. Im übrigen bestünden
erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Abfallwirtschaftsplans. Ungeachtet dessen
setze der Abfallwirtschaftsplan nur den Vertragsschluss als solches, nicht jedoch einen
verbindlichen Preis fest. Bestehe ein Marktpreis, so sei dieser auch für einen
Vertragsabschluss bindend, der zwangsweise zustande gekommen sei. Das
durchgeführte Vergabeverfahren zeige gerade, dass auch unter der Geltung einer
Zuweisung im AWP 98 ein Marktpreis gebildet werden könne. Die den Bedingungen
dieser Vergabe im Wettbewerb entsprechenden Preisangebote mehrerer Bieter seien
als die im Verkehr üblichen Preise im Sinne von § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 auf diesem
besonderen Markt anzusehen. Die Ausnahmetatbestände des § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 VO PR
Nr. 30/53 lägen nicht vor. Schließlich sei durch die Zuweisung des
Abfallwirtschaftsplans die Entscheidungsfreiheit der Stadt P nicht beeinflusst worden.
Sie habe jederzeit eine Ausnahme von der Zuweisung des AWP 98 beantragen und
auch erhalten können. Die H biete im übrigen nicht nur Verbrennungsleistungen für
Beseitigungsabfälle an. Ein wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit bestehe in der Entsorgung
von Abfällen zur Verwertung. Die Zuweisung des AWP 98 beziehe sich aber nur auf
thermisch zu behandelnde Restabfälle.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 hat der Beklagte das ihm von der H überlassene
Gutachten über die Kalkulation der Entgelte nach der VO PR Nr. 30/53 vom 18. August
2008 vorgelegt, das die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Q, E und J, F im Auftrag der
H erstellt haben. Darin haben die Wirtschaftsprüfer für das Jahr 2001 einen
Selbstkostenfestpreis je Tonne Abfall ermittelt und diesen bis 2020 fortgeschrieben.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Gutachten verwiesen. Die sich
nach dem Gutachten ergebenden Selbstkostenfestpreise überschreiten bis zum Jahr
2010 die in der Preismengenstaffel der Nachtragsvereinbarung festgelegten
Garantiepreise pro Tonne Abfall, ab 2011 liegen sie darunter.
31
In der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2009 haben der Kläger und der Beklagte
das Verfahren, soweit es die Straßenreinigungsgebühren 2007 betraf, durch den
Abschluss eines Vergleichs beendet.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge dieses Verfahrens
(Beiakten Hefte 1–17) sowie des Verfahrens 17 K 1297/07 (Beiakten Hefte 2-15) und
des Verfahrens 17 K 1390/08 (Beiakten Hefte 2,3) Bezug genommen.
33
Entscheidungsgründe:
34
Soweit sich die Klage gegen die Straßenreinigungsgebühren 2007 gerichtet hat, haben
der Kläger und der Beklagte das Verfahren in der mündlichen Verhandlung am
22. Juni 2009 durch Abschluss eines Vergleichs erledigt, § 106 S. 1 VwGO.
35
Die noch anhängige Klage hinsichtlich der Abfallbeseitigungsgebühren 2006 und 2007
ist zulässig und begründet.
36
Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2006 und der
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. September 2007 sowie der
Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 12. Januar 2007 und der
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. September 2007 sind rechtswidrig und
37
verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit darin Abfallbeseitigungsgebühren
festgesetzt werden, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Der Beklagte kann sich für die Erhebung der Abfallbeseitigungsgebühren 2006 und
2007 nicht auf die Abfallsatzung der Stadt P vom 28. Juni 2005,
38
veröffentlicht im Amtsblatt für die Stadt P Nr. 14/2005 vom 15. Juli 2005,
39
in Verbindung mit der Satzung der Stadt P über die Jahressätze für Entwässerungs-,
Abfallbeseitigungs- und Straßenreinigungsgebühren (Abgabesatz-Satzung) für das Jahr
2006 vom 19. Dezember 2005 und für das Jahr 2007 vom 18. Dezember 2006,
40
jeweils veröffentlicht im Amtsblatt für die Stadt P, Sonderausgabe vom 23. Dezember
2005 bzw. Sonderausgabe vom 22. Dezember 2006,
41
stützen. Die Abgabesatz-Satzungen kommen als Rechtsgrundlage nicht in Betracht,
weil die Gebührensätze für die Abfallbeseitigung unwirksam sind. Sie verstoßen gegen
das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW.
42
Nach dieser Vorschrift soll das veranschlagte Gebührenaufkommen die
voraussichtlichen Kosten der über die Gebühren zu finanzierenden Einrichtung nicht
überschreiten. In der Gebührenbedarfsberechnung sind daher zur Ermittlung des
Gebührensatzes die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung und die voraussichtlichen
Maßstabseinheiten so gewissenhaft zu schätzen, dass unzulässige oder überhöhte,
aber auch zu niedrige Ansätze vermieden werden. Allerdings führt nicht jeder Verstoß
gegen das Kostenüberschreitungsverbot zur Ungültigkeit des Gebührensatzes.
Unerheblich sind dabei Kostenüberschreitungen von nicht mehr als 3 %, wenn sie nicht
auf bewusst oder schwer und offenkundig fehlerhaften Kostenansätzen beruhen,
43
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil
vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92-, NWVBl. 1994, 428; Beschluss vom 30. Oktober
2001 – 9 A 3331/01-.
44
Nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW (sog. Ergebnisrechtsprechung) ist
zudem davon auszugehen, dass der Gebührensatz lediglich im Ergebnis den
Anforderungen der einschlägigen Gebührenvorschriften entsprechen muss, d.h. nicht
überhöht sein darf, und demzufolge nicht auf einer vom Rat beschlossenen, stimmigen
Gebührenkalkulation beruhen muss. Das bedeutet, dass überhöhte Kostenansätze
gegebenenfalls keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Gebührensatzes und
damit der Satzung insgesamt haben, wenn sich im Rahmen einer umfassenden Prüfung
herausstellt, dass zulässige Kostenansätze mit der Folge unterblieben oder zu niedrig
bemessen worden sind, dass sie fehlerhafte Ansätze ausgleichen. Hiernach ist es
insbesondere zulässig, den Gebührensatz mit einer nach Abschluss der
Gebührenperiode – oder noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens - aufgestellten
Betriebsabrechnung zu rechtfertigen,
45
vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Oktober 1991 – 9 A 208/90-; Urteil vom 5. August 1994
– 9 A 1248/92-, a.a.O.; Urteil vom 24. Juli 1995 – 9 A 2251/93, NWVBl. 1995, 470;
Urteil vom 1. Juli 1997 9 A 3556/96, NWVBl. 1998, 118.
46
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist ein Verstoß gegen das
47
Kostenüberschreitungsverbot festzustellen.
Den Gebührenbedarfsberechnungen für die Abfallbeseitigung der Jahre 2006 und 2007
liegen jedenfalls im Hinblick auf die in der Position "Entsorgungskosten" mitenthaltenen
Leistungsentgelte der H in Höhe von 13.913.206,80 Euro (2006) und
14.710.363,00 Euro (2007) unzulässige Kostenansätze zugrunde, die die o.g.
Fehlertoleranzgrenze von 3 % erheblich überschreiten und nicht durch unterbliebene
oder zu niedrig bemessene andere Kostenansätze ausgeglichen werden.
48
Die von der Stadt P an die H zu zahlenden Entgelte für die Abfallverbrennung sind zwar
dem Grunde nach in der Gebührenbedarfsberechnung ansatzfähige Kosten.
49
Zu den gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 KAG NRW nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
ansatzfähigen und durch Gebühren zu deckenden Kosten gehören auch Entgelte, die
eine Kommune für die Inanspruchnahme von Fremdleistungen an Dritte zahlt (§ 6 Abs. 2
S. 4 KAG NRW). Fremdleistungen sind solche Leistungen, die von einer von der
öffentlich-rechtlichen Körperschaft rechtlich getrennten juristischen Person für diese im
Rahmen von deren Pflichterfüllung erbracht werden. Für die Qualifizierung als
Fremdleistungen im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 4 KAG NRW ist dabei unbeachtlich, in
welchem Umfang die jeweilige Kommune an dem Fremdleister als juristische Person
des Privatrechts beteiligt ist und ob entsprechende Kosten bei einer öffentlich-
rechtlichen Aufgabenerledigung angefallen wären,
50
vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 9 A 2251/93, a.a.O.; Beschluss vom
19. März 1998 – 9 B 144/98 – a.a.O., m.w.Nw..
51
Bei der H handelt es sich um eine rechtlich von der Stadt P getrennte Gesellschaft, an
der die Stadt ursprünglich zu 25 %, seit der Anteilsveräußerung im Jahr 2001 noch mit
15,2 % beteiligt ist. Die H übernimmt entsprechend § 1 der Vereinbarung über die
Abnahme und Verbrennung von Abfällen vom 13. Mai 2000 in der Fassung der 1.
Nachtragsvereinbarung vom 30. Oktober 2001 (im folgenden: Verbrennungsvertrag) als
Erfüllungsgehilfin der Stadt P die gebührenrelevante Aufgabe der Verbrennung von
Abfällen aus privaten Haushaltungen und von Abfällen aus anderen
Herkunftsbereichen, die gesetzlich der Entsorgungspflicht der Stadt P unterliegen und
nach der städtischen Abfallsatzung der H zugewiesen sind. Bei dem vom Beklagten an
die H zu zahlenden Verbrennungsentgelt handelt es sich mithin grundsätzlich um
ansatzfähige Fremdleistungen i.S.v. § 6 Abs. 2 S. 4 KAG NRW.
52
Es ist jedoch im Ergebnis nicht feststellbar, dass dieser Kostenansatz der Höhe nach
gerechtfertigt ist.
53
Im Rahmen der von der Stadt bei der Aufstellung der Gebührenbedarfsberechnung zu
treffenden Prognoseentscheidung, welches die voraussichtlich ansatzfähigen Kosten
nach § 6 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 KAG NW, § 9 Abs. 2 LAbfG NW für die von ihr als
öffentliche Einrichtung betriebene Abfallentsorgung bzw. Straßenreinigung sein werden,
hatte die Stadt u.a. gewissenhaft zu schätzen, wie hoch die Entgelte für in Anspruch zu
nehmende Fremdleistungen im Veranlagungsjahr sein würden. Im Rahmen dieser
Prognoseentscheidung darf die Stadt allerdings nicht jeden Preis, den das leistende
Unternehmen von ihr fordert, in die Gebührenbedarfsberechnung einstellen. Sie muss
vielmehr prüfen, ob das aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen geforderte Entgelt in
der Weise gerechtfertigt ist, dass es gebührenrechtlich der Kalkulation zu Grunde gelegt
54
werden kann. Gebührenrechtlich ansatzfähig sind gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 KAG NRW die
im Rahmen der Aufgabenstellung betriebsnotwendigen Kosten. Dies sind bei
Fremdleistungen nur solche Kosten, die nach den ex lege geltenden Vorschriften des
öffentlichen Preisrechts zulässigerweise gefordert und angenommen werden dürfen und
deren Bemessung dem Äquivalenzprinzip entspricht,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2003 – 9 A 2954/03-, NVwZ 2004, 121; Urteil
vom 5. April 2001 – 9 A 1795/99-, NWVBl. 2002, 37; Urteil vom 24. November 1999 –
9 A 6065/96-, NWVBl. 2000, 373; Beschluss vom 19. März 1998 – 9 B 144/98 -; Urteil
vom 1. Juli 1997 9 A 3556/96-; Teilurteil vom 15. Dezember 1994 – 9 A 2251/93, alle
unter www.juris.de.
55
Nach § 1 Abs. 3 der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen
(im folgenden: VO PR Nr. 30/53)
56
vom 21. November 1953 (BAnz 1953, Nr. 244), zuletzt geändert durch Art. 289 der VO
v. 25. November 2003 (BGBl. I 2304),
57
dürfen für Leistungen aufgrund öffentlicher Verträge – wie sie hier in Rede stehen -
höhere Preise u.a. nicht vereinbart werden, als sie nach den Bestimmungen dieser
Verordnung zulässig sind.
58
Nach der Grundregel des § 1 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 ist bei der Vereinbarung
grundsätzlich Marktpreisen gemäß § 4 VO PR Nr. 30/53 vor Selbstkostenpreisen gemäß
§§ 5 – 8 VO PR Nr. 30/53 der Vorrang zu geben. Die marktwirtschaftliche Preisbildung
findet jedoch ihre Grenzen, wo der Wettbewerb keine übernehmbaren Preise liefert.
Besteht kein Markt für die öffentlich nachgefragte Leistung, sind für die Preisbildung
allein die Selbstkostenpreise des Auftragnehmers gemäß §§ 5 – 8 VO PR Nr. 30/53
maßgeblich. Soweit die Beteiligten in Abweichung von der preisrechtlichen Rechtslage
vertraglich einen vermeintlichen "Marktpreis" vereinbart haben sollten, dürfen der
Schätzung des in die Gebührenbedarfsberechnung einzustellenden Leistungsentgelts
in diesem Fall dennoch allein die nach Preisrecht zulässigen Selbstkosten zugrunde
gelegt werden, denn ein preisrechtlich unzulässiger (Markt-) Preis wird durch den
zulässigen (Selbstkosten-) Preistyp ersetzt,
59
vgl. Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 7.
Auflage 2001, § 1 VO PR Nr. 30/53 Rn 101 f.; Michaelis/Rhösa, Preisbildung bei
öffentlichen Aufträgen, Kommentar, Stand: 28. April 2009, Verordnung § 1 Anm. (B) I..
60
Nach den vorstehenden Maßgaben durfte der Beklagte seiner Prognose des in den
Jahren 2006 und 2007 voraussichtlich an die H zu zahlenden Leistungsentgelts nicht
das in § 7 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 des Verbrennungsvertrags vertraglich vereinbarte und
nach Kalenderjahren gestaffelte Entgelt pro Tonne Abfall als Marktpreis zugrunde legen.
61
Haben die Vertragspartner – wie vorliegend – vertraglich zwar die Preishöhe, nicht aber
den Preistyp festgelegt, so gilt grundsätzlich der für den betreffenden Fall nach der VO
PR Nr. 30/53 einschlägige Preistyp,
62
vgl. Ebisch/Gottschalk, a.a.O., § 1 VO PR Nr. 30/53, Rn 112.
63
Dies ist vorliegend entgegen der Auffassung der beigeladenen H und des Beklagten
64
jedoch kein Marktpreis i.S.v. § 4 VO PR Nr. 30/53, sondern ein Selbstkostenpreis nach
Maßgabe der §§ 5 – 8 VO PR Nr. 30/53. Der zwischen der Stadt P und der H
geschlossene Verbrennungsvertrag in seiner Fassung vom 30. Oktober 2001 betrifft
keine marktgängige Leistung.
Auf den Zeitpunkt der ersten Nachtragsvereinbarung vom 30. Oktober 2001 kommt es
für die Beurteilung des zulässigen Preistyps vorliegend an, weil die Stadt P und die H
mit dieser Vereinbarung ihre Leistungsbeziehungen gegenüber dem Ursprungsvertrag
vom 13. Mai 2000 sowohl hinsichtlich des Leistungsgegenstandes – exklusive
Beauftragung der H bei Ausschluss der Bioabfälle von der Anlieferpflicht -, als auch
insbesondere hinsichtlich der Entgeltbemessung auf eine neue rechtliche Grundlage
gestellt haben, mithin den Preis für die zu erbringende Leistung neu fixiert haben,
65
vgl. Ebisch/Gottschalk, a.a.O., § 1 VO PR NR. 30/53, Rn 62, 106; Michaelis/Rhösa,
a.a.O., Verordnung § 1 (B) I. , (D) III..
66
So bemisst sich das Entgelt auf der Grundlage von § 7 Abs. 2 n.F. in Verbindung mit der
Preismengenstaffel der Anlage 2 bis zum Jahr 2020 nach den dort festgelegten Preisen.
Anders als in der vorangegangenen Regelung sind die Preise nicht mehr von der
angelieferten Abfallart abhängig, auch ist keine Preisgleitung zur Wertanpassung mehr
vorgesehen.
67
Die Marktgängigkeit einer Leistung setzt voraus, dass für sie ein Markt mit
wettbewerblicher Preisbildung besteht, entweder weil für die Leistung ein allgemeiner
Markt besteht, auf dem sie allgemein und stetig angeboten wird, oder weil durch eine
Ausschreibung ein besonderer Markt infolge des Wettbewerbs mehrerer Bieter
besonders geschaffen wird,
68
vgl. Michaelis/Rhösa, a.a.O., Verordnung § 4 (B) I.; Ebisch/Gottschalk, a.a.O., § 4 VO
PR Nr. 30/53 Rn 10.
69
Das Vorhandensein eines allgemeinen oder besonderen Marktes setzt voraus, dass
entweder mehrere Nachfrager oder mehrere Anbieter am Markt agieren. Ein Markt im
Sinne des Preisrechts existiert nicht mehr, wenn einem Anbieter nur ein Nachfrager
gegenübersteht,
70
vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. April 2001 – 9 A 1795/99-, NWVBl. 2002, 37;
Ebisch/Gottschalk, a.a.O., § 4 VO PR Nr. 30/53, Rn 47.
71
Die Prüfung der Marktgängigkeit der Leistung setzt zunächst die Bestimmung des für die
preisrechtliche Betrachtung relevanten Marktes voraus. Insoweit ist allein auf den Markt
abzustellen, der für den in Auftrag zu gebenden Gegenstand, d.h. für den gesamten
Leistungsumfang besteht,
72
vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. April 2001 – 9 A 1795/99-, a.a.O.; Ebisch/Gottschalk,
a.a.O. § 4 VO PR Nr. 30/53, Rn 9.
73
Gemäß § 1 Abs. 1 Verbrennungsvertrag wurde die H "mit der energetischen Verwertung
und/oder thermischen Behandlung von Abfällen aus privaten Haushaltungen und von
Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen, die nach den Vorschriften des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und/oder des Landesabfallgesetzes Nordrhein-
74
Westfalen der Entsorgungspflicht der Stadt unterliegen und nach der Abfallsatzung der
Stadt in der jeweils gültigen Fassung der H zugewiesen sind", beauftragt. Für diese
Leistung erhält die H von der Stadt P das Entgelt nach § 7 i.V.m. Anlage 2 des Vertrags.
Beauftragte Leistung ist mithin die Verbrennung der der Entsorgungspflicht der Stadt P
als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger unterliegenden und der H angelieferten
Abfälle.
Für diese konkrete Verbrennungsleistung bestand im Zeitpunkt der
Nachtragsvereinbarung kein allgemeiner Markt.
75
Zwar verfügte allein der Regierungsbezirk E2 ausweislich Anlage II des
Abfallwirtschaftsplans Teilplan Siedlungsabfälle für den Regierungsbezirk E2 (AWP
98),
76
bekannt gemacht als Sonderbeilage im Amtsblatt für den Regierungsbezirk E2 Nr. 15
vom 16. April 1998, berichtigt bzw. ergänzt durch Bekanntmachung vom 6. August
1998 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk E2 Nr. 32 vom 13. August 1998,
77
im Jahr 1998 bereits über sieben Müllverbrennungsanlagen. Weitere Anlagen gab es in
den anderen Regierungsbezirken Nordrhein-Westfalens. Im Jahr 2000 belief sich die
Zahl der Müllverbrennungsanlagen im gesamten Bundesgebiet auf 61,
78
vgl. www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/muellverbrennung_dioxin.pdf im
Jahr 2000.
79
Für die von der Stadt P als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger zu beauftragende
Verbrennungsleistung war jedoch weder die gesamte Bundesrepublik, noch das Land
Nordrhein-Westfalen und im Ergebnis auch nicht der Regierungsbezirk E2 der räumlich
relevante Markt. Vielmehr stand für den von der Stadt P zu vergebenden
Verbrennungsauftrag aus Rechtsgründen nur eine einzige Müllverbrennungsanlage, die
H, zur Verfügung.
80
Aufgrund der Verbindlicherklärung der Kapitel 6.3 und 7.3 des AWP 98 durch §§ 1, 3 der
Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 9. April 1998,
81
bekannt gemacht im Amtblatt für den Regierungsbezirk E2 Nr. 15 vom 16. April 1998,
berichtigt bzw. ergänzt durch Bekanntmachung vom 20. April 1998 im Amtsblatt für
den Regierungsbezirk E2 Nr. 16 vom 23. April 1998 und weitere Bekanntmachung im
Amtsblatt für den Regierungsbezirk E2 Nr. 32 vom 13. August 1998,
82
wurden alle von der Stadt P als beseitigungspflichtigem öffentlich-rechtlichem
Entsorgungsträger thermisch zu behandelnden Restabfälle, dabei handelte es sich
sowohl um solche aus privaten Haushalten als auch aus anderen Herkunftsbereichen
(vgl. Ziffer 1.1.1. des AWP 98), der H zugewiesen. Entsprechend dieser verbindlichen
Zuweisung hatte die Stadt P daher alle reaktiven Restabfälle, für die sie
beseitigungspflichtig war, der H anzudienen, vgl. § 3 Abs. 3 der Ordnungsbehördlichen
Verordnung.
83
Soweit die Stadt P die H gemäß § 1 Abs. 1 Verbrennungsvertrag mit der thermischen
Behandlung und/oder energetischen Verwertung von Abfällen aus privaten Haushalten
und von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen, für die sie entsorgungspflichtig war,
84
beauftragt hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum Zeitpunkt der Beauftragung
wurde die thermische Behandlung von Abfällen in einer Müllverbrennungsanlage
rechtlich ausschließlich als Beseitigungshandlung i.S.v. § 10 KrW-/AbfG eingestuft.
Ungeachtet des Wortlauts des Vertrags hat die Stadt P daher ausschließlich die
thermische Behandlung, d.h. die Beseitigung, der ihr überlassenen und ihrer
Entsorgungspflicht unterliegenden Abfälle aus privaten Haushalten bzw. anderen
Herkunftsbereichen in Auftrag gegeben. Hierfür galt aber gerade die verbindliche
Zuweisung des AWP 98. Dass die Müllverbrennungsanlagen Nordrhein-Westfalens,
also auch die H, inzwischen grundsätzlich als geeignet angesehen werden, die vom
Europäischen Gerichtshof in seinem sog. Luxemburg-Urteil
vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2003 – C- 458/00-, www.juris.de,
85
aufgestellten Anforderungen an eine energetische Verwertung von Abfällen zu erfüllen,
mithin für Abfälle zur Beseitigung nunmehr auch die Möglichkeit einer energetischen
Verwertung durch Verbrennung besteht, ist erst durch die "Konsenserklärung zwischen
dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
und den Betreibergesellschaften der Müllverbrennungsanlagen" vom 14. September
2005 geklärt worden und daher für den maßgeblichen Zeitpunkt der
Nachtragsvereinbarung unbeachtlich. Ungeachtet dessen ergibt sich allein aus der
Konsenserklärung nicht, dass die Verbrennung der Abfälle der Stadt P als energetische
Verwertung einzuordnen ist. Die Konsenserklärung eröffnet hierfür lediglich die Chance.
Ob die beauftragte Verbrennung von Abfall im Einzelfall als Beseitigungs- oder
Verwertungshandlung einzustufen ist, hängt von den konkreten Eigenschaften des
jeweils zu verbrennenden Abfalls ab.
86
Anders als in der als Nachweis für das Bestehen eines Marktes für
Verbrennungsleistungen von der H angeführten Entscheidung des OVG Lüneburg – 7 L
1276/00 - vom 20. Dezember 2000,
87
abgedruckt in: Michaelis/Rhösa, a.a.O., Bd. 4 Entscheidungen II 1996 - 2000 S. 56,
88
standen sich hinsichtlich der von der Stadt P zu beauftragenden Verbrennungsleistung
damit aus Rechtsgründen nur ein Anbieter, die H, und ein Nachfrager, die Stadt P als
öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, gegenüber. Ein relevanter allgemeiner Markt
i.S.v. § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 lag damit für die zu beauftragende
Verbrennungsleistung der Stadt P nicht vor.
89
Substantiierte Einwände gegen die Rechtswirksamkeit des AWP 98 bzw. der
Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 9. April 1998, die weitere
Aufklärungsmaßnahmen des Gerichts gebieten würden, haben der Beklagte und die
Beigeladene nicht vorgetragen. Anhaltspunkte hierfür sind nach der Aktenlage auch
nicht ersichtlich. Dies kann jedoch auch deshalb offen bleiben, weil die Stadt P die
Zuweisungsentscheidung des AWP 98 ersichtlich als für sich bindend empfunden hat
und ihre Abfälle seit dem Vertragsschluss ohne Unterbrechung tatsächlich der H
andient. Das Gericht sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf die
verbindlichen Zuweisungen der anderen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im
Regierungsbezirk E2 etwas anderes gelten würde. Die Zuweisungen des AWP 98
haben mithin ungeachtet ihrer Rechtswirksamkeit faktisch einen preisbildenden
Wettbewerb der verschiedenen Anbieter von Verbrennungsleistungen um die
Verbrennungsaufträge der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ausgeschlossen.
90
Aus diesem Grund ist auch unbeachtlich, ob – wie die Beigeladene ausführt - auf
Wunsch der Stadt P die im AWP 98 enthaltene Zuweisung zur H geändert worden wäre,
wenn infolge der Ausschreibung der Anteilsveräußerung nicht die H, sondern eine
andere Verbrennungsanlage mit der Verbrennung der Abfälle hätte beauftragt werden
sollen. Eine solche anderweitige Beauftragung ist von der Stadt P tatsächlich zu keiner
Zeit in Erwägung gezogen worden.
91
Die Stadt P hat für die zu beauftragende Verbrennungsleistung auch nicht durch die
gemeinsam mit der Stadt E im Februar 2000 vorgenommene Ausschreibung der
Veräußerung einer Gesellschaftsbeteilung von 49 % an der H einen besonderen Markt
im Sinne von § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 geschaffen.
92
Voraussetzung für die Schaffung eines besonderen Marktes ist, dass durch die
Ausschreibung der geforderten Leistung ein spezieller, wirksamer Wettbewerb mehrerer
Bieter hergestellt wird,
93
vgl. Michaelis/Rhösa, a.a.O., Verordnung § 4 Anm. B. III.; Ebisch/Gottschalk, a.a.O., §
4 VO PR Nr. 30/53, Rn 10, 74 f..
94
An der Herstellung eines solchen Wettbewerbs fehlt es im Hinblick auf die beauftragte
Verbrennungsleistung der Stadt P.
95
Gegenstand der Angebotsaufforderung aus Februar 2000 war ausweislich der vom
Beklagten vorgelegten Ausschreibungsunterlagen, insbesondere des
Verkaufsmemorandums der N1 GmbH, ausschließlich die Veräußerung einer
Gesellschaftsbeteiligung an der H an einen privaten Investor. Anhaltspunkte für ein
gleichzeitige Ausschreibung (auch) der Verbrennungsleistung ergeben sich daraus
nicht.
96
Bereits der Titel der europaweiten Ausschreibung im Supplement des Amtsblatts der
Europäischen Union vom 8. Februar 2000 "Beteiligung an der Müll-
Verbrennungsanlage" ist auf die Anteilsveräußerung beschränkt. Auch die in der Rubrik
"12. Mindestbedingungen" aufgezählten inhaltlichen Anforderungen an die
abzugebenden Angebote der Bieter beziehen sich ausnahmslos auf die Bedingungen
des Gesellschaftsanteilserwerbs, insbesondere das von den Bietern für den Erwerb
geplante Finanzierungskonzept. Ein anderes Bild ergibt sich auch nicht aus den vom
Beklagten weiter vorgelegten, in der deutschen Tagespresse (Handelsblatt, FAZ)
veröffentlichten Angebotsaufforderungen vom 3. Februar 2000 bzw. 8. Februar 2000.
Auch diese betreffen ausschließlich die Ausschreibung der Beteiligung an der H.
Sämtlichen Unterlagen lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Bieter zugleich auch
zur Abgabe eines Angebots zum Abschluss von Leistungsverträgen bzw. neuen
Entgeltvereinbarungen mit den Städten E und P aufgefordert worden sind. Die
Ausschreibungstexte heben im Gegenteil die bestehenden langfristigen
Leistungsverträge mit den Städten E, P und Dritten als wesentliche
Geschäftsgrundlagen der H hervor.
97
Wäre – wie der Beklagte und die beigeladene H behaupten – der Abschluss der
Leistungsverträge tatsächlich ein untrennbarer Bestandteil der Vergabe der
Gesellschaftsanteile gewesen, so hätte spätestens das Verkaufsmemorandum der N1
GmbH, das den Bietern zur Ausarbeitung ihrer Angebote zur Verfügung gestellt worden
98
ist, konkrete Angaben bzw. Anforderungen hierzu enthalten müssen. Dafür ergibt sich
jedoch nichts. Es bezieht sich – wie die Ausschreibungstexte - seinem Titel "Erwerb von
Anteilen an der H GmbH" nach ebenfalls ausschließlich auf die Veräußerung der
Gesellschaftsanteile. Eine Aufforderung an die Bieter, Angaben zur künftigen Höhe der
Leistungsentgelte oder gar zur künftigen Gestaltung von neuen Leistungsverträgen zu
machen, enthält es gerade nicht ("Die Interessenten werden daher zunächst
aufgefordert, auf Basis der in diesem Memorandum vorgelegten Informationen ein
Angebot für 49 % der Anteile an der H abzugeben. Das Angebot sollte unter anderem
eine Kaufpreisindikation und das mit dem Erwerb verbundene Konzept enthalten.", S.
38). Vielmehr verweist es – genauso wie die Ausschreibungstexte - im Hinblick auf die
Geschäftsaktivitäten der H ausdrücklich auf bereits bestehende langfristige Verträge mit
den Gesellschafterstädten E und P über die Beseitigung von Abfällen ("Die Beseitigung
von Abfällen für die Gesellschafterstädte E und P ist durch langfristige Verträge
gesichert", S. 3) und hebt die gesicherte, stabile Grundauslastung der
Verbrennungsanlage durch diese langfristigen Lieferverträge als wesentlichen
Investitionsvorteil hervor (S. 5, 9). Hierzu steht nicht in Widerspruch, das P und E mit der
H erst am 13. Mai 2000 bzw. 19./24. April 2000 die "Vereinbarung über die Abnahme
und Verbrennung von Abfällen" geschlossen haben. Die beiden Gesellschafterstädte
haben hierdurch lediglich ihre zuvor bereits im Gesellschaftsvertrag geregelten
langjährigen Leistungsbeziehungen ergänzend auf eine schuldrechtliche Grundlage
gestellt.
Soweit der Vertreter der H in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass die
Städte P und E vor der Annahme des notariellen Angebots der Fa. S am
6. November 2001 bis zuletzt um die Höhe der künftigen Leistungsentgelte "gerungen"
hätten, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn zum einen haben die beiden
Städte mit der H eine neue Entgeltvereinbarung getroffen, noch bevor der neue
Gesellschafter, die Fa. S, tatsächlich in die Gesellschaft eingetreten ist. Die zwischen
der H und den Städten E und P geschlossenen Nachtragsvereinbarungen datieren vom
8. Oktober 2001 bzw. 30. Oktober 2001. Zum anderen mögen sie zwar mit dem
ausgewählten Bieter für die Gesellschaftsbeteiligung über die Gestaltung des künftigen
Leistungsentgeltes intensiv verhandelt haben. Zu diesem Zeitpunkt standen sich aber
jedenfalls nur noch der für den Erwerb des Gesellschaftsanteils ausgewählte Bieter –
zunächst die Fa. U, nach deren Ausscheiden aus dem Ausschreibungsverfahren dann
die Fa. S – und die Gesellschafterstädte als Anbieter gegenüber; ein Wettbewerb
mehrerer Bieter um dieselbe Leistung bestand damit aber gerade nicht. Hierzu fügt sich
nicht zuletzt, dass ausweislich der vom Beklagten vorgelegten vergleichenden
Übersicht der bis Juni 2000 eingegangenen "H-Kaufangebote" ohnehin nur zwei von
sechs Bietern in ihren umfassenden Angeboten zum Erwerb der
Gesellschaftsbeteiligung Angaben zur künftigen Gestaltung des Leistungspreises für die
Abfallverbrennung gemacht haben.
99
Das Gericht kann nach alledem nicht feststellen, dass bezogen auf die zu
beauftragende Verbrennungsleistung eine wettbewerbsbegründende Ausschreibung
erfolgt ist. Es fehlt daher für diese Leistung an der Herstellung eines besonderen
Marktes i.S.v. § 4 Abs. 2 VO PR Nr. 30/53.
100
Selbst wenn neben der Ausschreibung des Gesellschaftsanteils zugleich auch eine
Ausschreibung des Abschlusses langfristiger Leistungsverträge erfolgt wäre, so hätte
diese Ausschreibung vorliegend jedenfalls keinen wirksamen preisgestaltenden
Wettbewerb der Anbieter um die zu beauftragende Verbrennungsleistung hergestellt.
101
Wie bereits ausgeführt, haben nur zwei von sechs Bietern in ihrem Angebot überhaupt
Angaben zur Höhe der künftigen Verbrennungsentgelte gemacht. Diese beiden
Angebote sind aber in ihren Bestandteilen derart unterschiedlich – allein der Kaufpreis
für den Gesellschaftsanteil variiert von einer – symbolischen – D-Mark bis zu einem
Preis von 264 Millionen DM –, dass ein von der zugrunde liegenden Konzeption für den
Anteilskauf losgelöster Vergleich der Leistungsentgelte von vorneherein ausscheidet.
Die Höhe der genannten Leistungsentgelte wird ersichtlich maßgeblich von den
Bedingungen des Anteilskaufs bestimmt. Können die angebotenen Leistungsentgelte
aber nicht selbständig und ohne Berücksichtigung des Konzepts des Anteilskaufs
miteinander verglichen werden, folgt daraus zugleich, dass jedenfalls bezogen auf die
zu beauftragende Verbrennungsleistung kein wirksamer preisgestaltender Wettbewerb
hergestellt worden ist.
Bei den zu beauftragenden Verbrennungsleistungen handelt es sich schließlich auch
nicht um unter gleichartigen Voraussetzungen mit marktgängigen Leistungen im
wesentlichen vergleichbare Leistungen, § 4 Abs. 2 VO PR Nr. 30/53, für die ein
Marktpreis ableitbar wäre. Zwar übersteigen die genehmigten
Müllverbrennungskapazitäten vieler Müllverbrennungsanlagen die für die öffentlich-
rechtlichen Entsorgungsträger vorzuhaltenden Verbrennungskapazitäten. Selbst wenn
sich hinsichtlich dieser "Überkapazitäten" im maßgeblichen Zeitpunkt der
Nachtragsvereinbarung vom 30. Oktober 2001 bereits ein preisbildender Wettbewerb
herausgebildet hätte, so wären diese Verbrennungsleistungen zwar der von der Stadt P
als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger beauftragten Verbrennungsleistung
technisch vergleichbar. Weitere Voraussetzung für die Feststellung eines abgeleiteten
Marktpreises ist jedoch, dass der Preis der marktgängigen Leistung, der für die
vergleichbare Leistung als Preisermittlungsgrundlage dienen soll, unter "gleichartigen
Voraussetzungen" zustande gekommen ist,
102
vgl. Michaelis/Rhösa, a.a.O., Verordnung § 4 C. III.
103
Das ist nicht der Fall. Die Verträge mit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern
sind zur Gewährleistung der rechtlich erforderlichen Entsorgungssicherheit auf eine
lange Laufzeit ausgelegt und binden die Anlagen dauerhaft, sichern ihnen andererseits
aber auch langfristig eine regelmäßige "Grundauslastung". Die Interessenlage bei
diesen Verträgen ist daher eine andere, als bei der Vergabe der Überkapazitäten, die im
wesentlichen die Erschließung neuer "Abfallquellen" im gewerblichen Bereich erfordert
und in der Regel nur mit kürzeren Vertragslaufzeiten und anderen Preiskonditionen
möglich ist. So ging die H für die Vergabe ihrer vorhandenen Überkapazitäten
ausweislich des Verkaufsmemorandums von Februar 2000 selbst von einem
durchschnittlichen Preis von nur 230 DM/t, statt der für die öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger angesetzten 300 DM/t aus (vgl. S. 36, 37).
104
Mithin war im Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung grundsätzlich nur
eine Preisbildung auf der Grundlage der Selbstkosten der H gemäß §§ 5 – 8 VO PR Nr.
30/53 zulässig.
105
Eine solche Berechnung des Fremdleistungsentgelts auf der Basis von Selbstkosten
gemäß §§ 5 – 8 VO PR Nr. 30/53 hat der Beklagte vor der Einstellung des jährlich
erwarteten Fremdleistungsentgelts der H in die Gebührenbedarfsberechnungen nach
eigenen Angaben zu keinem Zeitpunkt vorgenommen.
106
Das vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2008
nachträglich vorgelegte, im Auftrag der H erstellte Gutachten der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Q, E, und J AG, F, "Kalkulation der Entgelte nach der
Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen auf Grund von
Selbstkosten für die H GmbH, P" vom 18. August 2008 ist nicht geeignet, nachzuweisen,
dass das in die Gebührenbedarfsberechnungen 2006 und 2007 eingeflossene
Leistungsentgelt der H den nach Preisrecht zulässigen Höchstpreis auf der Grundlage
von Selbstkosten nicht überschreitet.
107
Gegenstand dieses Gutachtens ist die Ermittlung eines Selbstkostenfestpreises i.S.v. §
6 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 für das Jahr 2001 und dessen Fortschreibung bis zum Jahr
2020. Der Selbstkostenfestpreis ist jedoch im vorliegenden Fall nicht der nach §§ 5 – 8
VO PR Nr. 30/53 zulässige Selbstkostenpreistyp.
108
Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Selbstkostenfestpreiskalkulation
erst lange Zeit nach dem Beginn der Leistungserbringung erstellt und vom Beklagten
erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden ist. Selbstkostenfestpreise sind zwar
gemäß § 6 Abs. 2 VO PR Nr. 30/53 i.V.m. Nr. 6 Bst. a) Leitsätze für die Preisermittlung
auf Grund von Selbstkosten (LSP),
109
vom 21. November 1953, zuletzt geändert durch Art. 289 VO vom 25. November 2003
(BGBl. I S. 2304),
110
durch eine Vorkalkulation zu ermitteln und grundsätzlich bei, spätestens aber
unmittelbar nach Abschluss des Vertrags festzulegen. Um den preisrechtlichen Vorrang
des Selbstkostenfestpreises aufrecht zu erhalten, ist es allerdings geboten, dann, wenn
die rechtzeitige Festlegung des Selbstkostenfestpreises versäumt wurde, obwohl die
Kalkulationsgrundlagen übersehbar waren, den Selbstkostenfestpreis unverzüglich
nachträglich aus vorkalkulatorischer Sicht zu ermitteln,
111
vgl. Ebisch/Gottschalk, a.a.O., § 6 VO PR Nr. 30/53, Rn 14; Michaelis/Rhösa, a.a.O.,
Verordnung § 6 (B.) III.
112
Dies muss erst recht gelten, wenn die Beteiligten – wie vorliegend - eine Vorkalkulation
deshalb unterlassen haben, weil sie in Verkennung der Rechtslage davon
ausgegangen sind, einen Marktpreis vereinbart zu haben. Der vertraglich vereinbarte
Preis ist in diesem Fall nur dann rechtmäßig in die Gebührenbedarfsberechnung
eingestellt worden, wenn er den tatsächlich zulässigen Selbstkostenfestpreis nicht
übersteigt. Dieser Nachweis kann durch eine nachträglich erstellte Vorkalkulation auch
noch nach Erstellung der Gebührenbedarfsberechnung im gerichtlichen Verfahren
erbracht werden,
113
vgl. auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 5 K
1171/06-, www.juris.de.
114
Die Voraussetzungen für die Ermittlung eines Selbstkostenfestpreises gemäß § 6 Abs.
1, Abs. 2 VO PR Nr. 30/53 liegen nicht vor.
115
Der Selbstkostenfestpreis wird anhand einer Vorkalkulation der im künftigen
Leistungszeitraum für die Leistungserstellung voraussichtlich zu verbrauchenden Güter
und Dienstleistungen (Mengenansatz) und der Wertansätze, vgl. § 6 Abs. 2 VO PR
116
Nr. 30/53 i.V.m. Nr. 6 Bst. a), Nr. 7 und Nr. 8 LSP ermittelt. Die Erstellung einer solchen
Vorkalkulation setzt voraus, dass die Kalkulationsgrundlagen hinreichend überschaubar
sind; der tatsächliche Leistungsumfang muss beschreibbar und die Mengen- und
Wertansätze der Vorkalkulation zuverlässig bestimmbar sein,
vgl. Michaelis/Rhösa, a.a.O., Verordnung § 6 (B) II. 2.; Ebisch/Gottschalk, a.a.O., Nr. 5
LSP Rn 2, 3.
117
Dabei müssen die Kosten allerdings nicht mit der Genauigkeit einer Nachkalkulation
ermittelbar sein. Die Kosten müssen aber objektiv in der Weise überschaubar sein, dass
ein sachverständiger Dritter den Abschluss eines Selbstkostenfestpreises im Rahmen
der üblichen technischen und kaufmännischen Risiken für möglich halten würde. Die
vorkalkulierten Ansätze müssen dabei insbesondere so erfolgen, dass das Risiko von
tatsächlichen Abweichungen möglichst gleich auf Auftragnehmer und Auftraggeber
verteilt ist,
118
vgl. Michaelis/Rhösa, a.a.O., Verordnung § 6 (B.) II. 1. und 2. b); Ebisch/Gottschalk,
a.a.O., § 6 VO PR Nr. 30/53, Rn 2. ff.,
119
Im Hinblick auf zukünftig zu erwartende Preis- bzw. Lohnsteigerungen u.ä. ist lediglich
die Vereinbarung einer Preisgleitklausel zur Fortschreibung der Wertansätze der
Vorkalkulation zulässig.
120
Nach diesen Maßgaben waren die Kalkulationsgrundlagen im für die
Preistypbestimmung maßgeblichen Zeitpunkt der ersten Nachtragsvereinbarung vom
30. Oktober 2001 für den künftigen Leistungserstellungszeitraum nicht hinreichend
überschaubar.
121
Beurteilungszeitraum ist vorliegend nicht nur das Geschäftsjahr 2001, sondern die
gesamte geplante Vertragslaufzeit von 20 Jahren. Der Selbstkostenfestpreis ist ein
endgültiger Preis, der zwischen den Parteien – mit Ausnahme einer eventuellen
Wertfortschreibung durch eine Preisgleitklausel - unverändert bis zum Ende der
Vertragslaufzeit gilt. Das hiermit verbundene Risiko unberücksichtigt bleibender
Kostensteigerungen bzw. –senkungen würde ein sachverständiger Dritter aber nur dann
übernehmen, wenn das durch die Vorkalkulation ermittelte Mengen- und Wertgerüst
voraussichtlich bis zum Ende der Leistungserstellung im wesentlichen unverändert
bleiben würde. Ungeachtet der in § 14 Abs. 1 Verbrennungsvertrag vereinbarten
Mindestlaufzeit von 10 Jahren gingen die Beteiligten nach ihren eigenen Angaben in
der mündlichen Verhandlung im Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung
von einer tatsächlichen Laufzeit des Vertrags von mindestens 20 Jahren aus. Diese
Erwartung der Vertragspartner kommt auch im Vertrag selbst zum Ausdruck. Die mit der
Nachtragsvereinbarung erstmals vereinbarte Preis-Mengen-Staffel (Anlage 2 zu § 7
Abs. 2) legt die künftig zu zahlenden Verbrennungsentgelte pro Tonne gestaffelt nach
Kalenderjahren bis zum Jahr 2020 fest.
122
Die fehlende Überschaubarkeit der Kalkulationsgrundlagen bis zum Ende der
Vertragslaufzeit ergibt sich allerdings nicht schon im Hinblick auf die Ableitung des für
die Erstellung der durchschnittlichen Gesamtverbrennungsleistung der Anlage von
560.000 t erforderlichen Mengen- und Wertgerüsts. Die Müllverbrennungsanlage war
bereits seit mehreren Jahren mit einer genehmigten Verbrennungskapazität von
578.160 t/a in Betrieb. Die Verbrennungskapazität wurde seit Jahren mit den
123
vorhandenen Betriebsmitteln und der vorhandenen Betriebsorganisation zuverlässig
und dauerhaft erbracht. Im Zeitpunkt der Vorkalkulation waren nach den plausiblen
Angaben des Vertreters der H in der mündlichen Verhandlung zur künftigen Erstellung
dieser Verbrennungsleistung auch keine Erweiterungsinvestitionen sondern lediglich
Ersatzinvestitionen geplant. Gegen die Ableitung der Mengen- und Wertansätze für den
Selbstkostenfestpreis aus dem zurückliegenden Geschäftsjahr bestehen vor diesem
Hintergrund daher grundsätzlich keine Bedenken. Dass die Wirtschaftsprüfer sich
vorliegend nicht exakt auf den Kenntnisstand eines Prüfers im Zeitpunkt der
Nachtragsvereinbarung gestellt haben, wie dies bei einer nachträglichen Vorkalkulation
eigentlich erforderlich wäre,
vgl. Michaelis/Rhösa, a.a.O., Verordnung § 6, (B) II. 4. a) m.w.N.,
124
sondern die Ableitung aus den Ist-Daten des – im Oktober 2001 noch nicht vorliegenden
- Jahresabschlusses 2001 vorgenommen haben, begegnet vorliegend keinen
durchgreifenden Bedenken. Der Wirtschaftsprüfer Herr O hat hierzu in der mündlichen
Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, dass er die aus der Gewinn- und
Verlustrechnung 2001 abgeleiteten Ansätze anhand der Wirtschaftsplanung der H für
das Jahr 2001 sowie der Daten aus den Jahresabschlüssen 1999 und 2000 auf
Plausibilität geprüft und keine relevanten Abweichungen festgestellt habe. Im Ergebnis
sind die so ermittelten Mengen- und Wertansätze zur Vorkalkulation der für die
Erbringung der Gesamtverbrennungsleistung 2001 anzusetzenden Vorhaltekosten
(kalkulatorische Kostenbestandteile) und Personal-, Material- und sonstigen
Einzelkosten (Entsorgungskosten) grundsätzlich geeignet.
125
Bezogen auf die Erstellung der Gesamtverbrennungsleistung bestehen auch keine
Bedenken, die Mengenplanung für das Jahr 2001 als fortbestehende Basis der
Selbstkostenrechnung der Folgejahre bis 2020 zu verwenden. Denn auch insoweit ist
nach den Ausführungen des Vertreters der H und der Wirtschaftsprüfer in der
mündlichen Verhandlung plausibel, dass die Mengenplanung der H bezogen auf die
durchschnittliche Gesamtverbrennungskapazität von 560.000 t/a voraussichtlich auf
Dauer in etwa gleich bleiben wird, weil auch die künftige Erbringung dieser Leistung
dauerhaft und ohne wesentliche Änderungen mit den vorhandenen Betriebsmitteln und
der vorhanden Betriebsorganisation dieser "eingeschwungenen Anlage" möglich sein
wird.
126
An der erforderlichen Überschaubarkeit der Kalkulationsgrundlagen für den gesamten
Leistungserstellungszeitraum fehlt es jedoch im Hinblick auf die zur Ermittlung des
Vorhaltekostenanteils angesetzte Vorhaltekapazität der H für die Gesellschafterstädte
von 325.000 t/a bis zum Jahr 2020.
127
Der Selbstkostenfestpreis pro Tonne Abfall für die Städte P und E wird nicht durch
Division der voraussichtlichen Gesamtselbstkosten 2001 in Höhe von 88.898.000 Euro
(Vorhaltekosten: 48.996.000 Euro und Entsorgungskosten 39.932.000 Euro) durch die
durchschnittliche Verbrennungskapazität der Anlage (560.000 t/a) ermittelt und für die
Folgejahre lediglich wertmäßig fortgeschrieben. Die Selbstkostenfestpreisermittlung für
die Gesellschafterstädte berücksichtigt vielmehr zusätzlich, dass die H für die Städte P
und E aufgrund der Prognosen des AWP 98 im maßgeblichen Zeitpunkt der
Vorkalkulation die Entsorgungssicherheit für eine Abfallkapazität von 325.000 t
gewährleisten musste. Diese kommunale Vorhaltekapazität macht einen Anteil von
58,04 % der durchschnittlichen Gesamtverbrennungskapazität der Anlage aus.
128
Entsprechend stellten die Wirtschaftsprüfer einen Anteil von 58,04 % der gesamten
Vorhaltekosten (28.435.000 Euro) in die Ermittlung des Selbstkostenfestpreises ein.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob es mit den preisrechtlichen Vorschriften
grundsätzlich vereinbar ist, die Vorhaltekosten ungeachtet der tatsächlichen
Anlieferungsmenge der Gesellschafterstädte allein nach der sich aus dem
Abfallwirtschaftsplan ergebenden Vorhaltekapazität umzulegen. Hierfür spricht
allerdings, dass die beiden Gesellschafterstädte sich aufgrund der verbindlichen
Zuweisung im AWP 98 für die thermische Behandlung ihrer Restabfälle der H bedienen
mussten. Die erforderliche Entsorgungssicherheit konnte also nur durch die Vorhaltung
der entsprechenden Verbrennungskapazitäten in der H selbst gewährleistet werden.
Ohne die Berücksichtigung der Vorhaltekapazität würde allein die H das Risiko tragen,
bei einem tatsächlichen Zurückbleiben der Anliefermengen der Kommunen
freiwerdende Kapazitäten nur zu einem schlechteren Preis vergeben oder u. U.
überhaupt nicht anderweitig auslasten zu können.
129
Jedenfalls ergaben sich im Zeitpunkt der Nachtragsvereinbarung aber keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die auf der Grundlage des AWP 98 für P und E
vorzuhaltende Kapazität von 325.000 t/a bis zum Jahr 2020 unverändert hoch bleiben
würde. Dies folgt schon daraus, dass die Prognose im AWP 98 selbst nur für einen
Zeitraum von maximal 5 Jahren galt. Denn der AWP 98 war gemäß § 29 Abs. 10 KrW-
/AbfG (Abs. 9 a.F.) nach fünf Jahren fortzuschreiben. Die gesetzliche Frist zur
Fortschreibung der Abfallwirtschaftspläne trägt ersichtlich dem Umstand Rechnung,
dass eine zuverlässige Prognose der von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern
zu entsorgenden Abfallmengen trotz des umfangreichen Zahlen- und Datenmaterials,
das den Abfallwirtschaftsbehörden zur Erstellung ihrer Prognosen zur Verfügung steht
(vgl. nur die Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen der öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger, § 29 Abs. 8 KrW-/AbfG, §§ 5a, 5c LAbfG NRW), über einen längeren
Zeitraum als fünf Jahre nicht zuverlässig möglich ist und daher einer regelmäßigen
Überprüfung und Anpassung bedarf. Anhaltspunkte dafür, dass die H für ihre
Mengenplanung über konkretere und langfristigere Erkenntnisgrundlagen als die
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bzw. die für die Erstellung der Pläne
zuständigen Abfallwirtschaftsbehörden verfügte, die die Annahme einer unveränderten
Fortschreibung der Vorhaltekapazität von 325.000 t/a in den Abfallwirtschaftsplänen bis
zum Jahr 2020 tragen, sind für das Gericht nicht ersichtlich. Die H hat hierfür auch selbst
nichts vorgetragen. Die nach Angaben des Wirtschaftsprüfers Herr O dem Gutachten
vom 18. August 2008 zugrunde liegende eigene Mengenplanung der H für die Jahre
2000 bis 2020, wie sie im Rahmen der Gesellschaftsanteilsveräußerung Gegenstand
der Anlage 8 der Änderungen der Angebotsurkunde vom 8. Dezember 2000 und der
Urkunde vom 27. Juni 2001 des nunmehr das operative Geschäft wahrnehmenden
Gesellschafters war, hat die H trotz Anforderung des Gerichts nicht vorgelegt.
Ungeachtet dessen enthielt der AWP 98 selbst Anhaltspunkte, die jedenfalls auf eine
künftige Senkung der zur Gewährleistung der Entsorgungssicherheit erforderlichen
Vorhaltekapazität hindeuteten. Bereits die Prognose von 325.000 t/a im AWP 98 war
das Ergebnis eines tatsächlichen Rückgangs der Verbrennungsmengen der beiden
Gesellschafterstädte in den Vorjahren. Für die Folgejahre rechnete die Bezirksregierung
E2 bezirksweit, aber auch konkret für die Städte P und E, mit einem weiteren Rückgang
der thermisch zu behandelnden Abfälle. Diese Prognose stützte die Bezirksregierung im
wesentlichen auf eine sich – insbesondere bei den hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen
- abzeichnende weitere Steigerung der Verwertungsquote und beim Hausmüll auf eine
vermehrte Kompostierung von Bioabfällen (vgl. Ziffer 4.2. und 5.2. des AWP 98). Die H
130
ging schließlich auch selbst von künftig kontinuierlich sinkenden Anlieferungsmengen
der Gesellschafterstädte aus. Dies zeigt sich deutlich im Gutachten der Q vom
18. August 2008. Danach liegt die von der H prognostizierte jährliche
Anlieferungsmenge von P und E (vgl. Rz. 102 des Gutachtens) nicht nur im gesamten
Zeitraum von 2001 bis 2020 deutlich unterhalb der Vorhaltemenge des AWP 98,
sondern sinkt insgesamt ab dem Jahr 2002 jährlich um 1,2 Prozent.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Gewährleistung einer zehnjährigen Entsorgungssicherheit. Nach § 5a Abs. 1 LAbfG
stellen die Kreise und kreisfreien Städte in ihrem Gebiet Abfallwirtschaftskonzepte auf.
Darin müssen sie zwar den Nachweis einer zehnjährigen Entsorgungssicherheit
erbringen (§ 5a Abs. 2 Nr. 4 LAbfG NRW). Aus dieser Nachweispflicht lässt sich jedoch
nicht die Ansatzfähigkeit einer Vorhaltemenge von 325.000 t/a ableiten. Das ergibt sich
schon daraus, dass die Kommunen P und E selbst zum Zeitpunkt des AWP 98 nur von
einem Restabfallaufkommen von 310.000 t/a ausgingen. Im übrigen sind Ziel und Inhalt
des Abfallwirtschaftskonzepts, auf der Basis einer gesicherten Mengenerfassung aller
zu entsorgenden Abfälle und realistischer Prognosen die zur Gewährleistung der
Entsorgungssicherheit notwendigen Maßnahmen und Anlagen für einen Zeitraum von
mindestens 10 Jahren darzustellen. Die der Erstellung des Konzepts zugrunde
liegenden Daten und Angaben stehen jedoch nicht unabänderlich fest. Vielmehr ist das
Abfallwirtschaftskonzept fortzuschreiben und spätestens nach fünf Jahren sowie bei
wesentlichen Änderungen der Bezirksregierung vorzulegen (§ 5a Abs. 2 Satz 8 LAbfG
NRW). Tatsächlich sinkende Abfallmengen sind mithin – auch für den Nachweis der
Entsorgungssicherheit – ebenso zu berücksichtigen wie geänderte Festlegungen des
AWP (vgl. § 5a Abs. 1 Satz 2 LAbfG NRW). Auch hier geht der Gesetzgeber also
ersichtlich davon aus, dass eine zuverlässige Prognose über einen längeren Zeitraum
als fünf Jahre nicht möglich ist.
131
Ein sachverständiger Dritter hätte unter diesen Umständen aber die Vereinbarung eines
über 20 Jahre geltenden Selbstkostenfestpreises auf der Basis der im Jahr 2001
maßgeblichen Vorhaltemenge abgelehnt, denn das Risiko eines dauerhaft zu hohen
Fixkostenanteils liegt allein auf Seiten des Beklagten.
132
Dabei kann das Gericht offen lassen, ob auf der Grundlage des AWP 98 eine
Vorhersehbarkeit der Kalkulationsgrundlagen jedenfalls für den fünfjährigen Zeitraum
der Geltung des AWP 98 bis zur Fortschreibung durch den Abfallwirtschaftsplan 2004
gegeben war. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind ausschließlich die
Abfallbeseitigungsgebühren der Jahre 2006 und 2007.
133
Die preisrechtlich unzulässige dauerhafte Festlegung eines Anteils an den
Vorhaltekosten von 58,04 % wird entgegen der Auffassung der H auch nicht dadurch
ausgeglichen, dass bei der Fortschreibung des Selbstkostenfestpreises ab dem Jahr
2004 erwartete Gutschriften aus der geplanten Drittvergabe der von den Kommunen
nicht genutzten Vorhaltekapazität von den Vorhaltekosten der Städte in Abzug gebracht
werden. Dabei ist zunächst schon fraglich, ob die vom Gutachter für diese jährlich
freiwerdenden Mengen der Vorhaltekapazität angesetzten Preise, vgl. Tabelle Rz. 84
des Gutachtens vom 18. August 2008, sowie die sinkenden Anliefermengen der Städte
E und P je Kalenderjahr bis 2020 im Zeitpunkt der Selbstkostenfestpreisermittlung
überhaupt hinreichend überschaubar waren. Jedenfalls führen die angesetzten
Gutschriften bis zum aktuellen Gebührenjahr 2009 nicht zu einem tatsächlichen
Ausgleich der unzulässig hohen Vorhaltekostenbeteiligung. Davon ausgehend, dass
134
bereits der nächste Abfallwirtschaftsplan 2004 die zur Gewährleistung der
Entsorgungssicherheit der Städte P und E erforderliche Vorhaltemenge auf 282.000 t/a
reduziert hat,
vgl. Abfallwirtschaftsplan 2004 Teilplan Siedlungsabfälle für den Regierungsbezirk E2
vom 30. April 2004 (AWP 04), bekannt gemacht als Sonderbeilage zum Amtsblatt Nr.
21 für den Regierungsbezirk E2 vom 21. April 2004,
135
und die beiden öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger weiterhin verbindlich der H
zuweist,
136
vgl. Ziffer 5.3.3 AWP 04 i.V.m. der Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 1. Mai
2004 zur Verbindlichkeitserklärung des Abfallwirtschaftsplans Teilplan
Siedlungsabfälle für den Regierungsbezirk E2, veröffentlicht im Amtsblatt für den
Regierungsbezirk E2 Nr. 21 vom 21. Mai 2004,
137
wären die Städte E und P bei einer fortbestehenden Gesamtverbrennungskapazität der
H von 560.000 t/a nur noch zu 50,34 % an den Vorhaltekosten der Anlage zu beteiligen.
Hieraus ergäbe sich bereits eine Reduzierung der Vorhaltekosten von jährlich
3.771.000 Euro (7,7 %). Die lt. Gutachten ab 2004 abzusetzenden Gutschriften liegen
dagegen bis zum Jahr 2011 - teilweise erheblich - unter diesem Betrag und reduzieren
die Vorhaltekosten daher nicht in vergleichbarem Umfang. Soweit die beigeladene H
darauf hinweist, dass die der Vorkalkulation zugrunde gelegten Eckdaten, insbesondere
die Abfallmengen, nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen vollkommen bestätigt
worden, bislang sogar eher höher ausgefallen seien, führt dies nicht zu einer
abweichenden Beurteilung, da sie nur die Ist-Mengen der Abfallanlieferung betreffen.
Für die Frage der Vorhersehbarkeit der Entwicklung der durch die
Abfallwirtschaftsplanung der Bezirksregierung E2 vorgegebenen Vorhaltekapazität im
Zeitpunkt der Nachtragsvereinbarung geben sie dagegen nichts her.
138
Darüber hinaus bestehen auch aus methodischen Gründen Bedenken gegen das
Gutachten vom 18. August 2008. Aus dem Gebot, dass bei der Erstellung einer
nachträglichen Vorkalkulation nur die Erkenntnisse zugrunde gelegt werden dürfen, die
einem Prüfer im Zeitpunkt der Angebotsabgabe zur Verfügung gestanden hätten, folgt
zugleich, dass solche künftigen Änderungen der Kalkulationsgrundlagen, die bereits
zum Zeitpunkt der Erstellung der Vorkalkulation absehbar sind, in der Vorkalkulation
selbst Berücksichtigung finden müssen. Im Falle der – aus Sicht der H gegebenen -
Vorhersehbarkeit der Einnahmen, die bis 2020 aus der jährlich frei werdenden
kommunalen Vorhaltekapazität zu erzielen sein würden, hätten diese bereits bei der
Ermittlung des für die gesamte Dauer der Vertragslaufzeit geltenden
Selbstkostenfestpreises Berücksichtigung finden müssen.
139
Auch die Ermittlung des betriebsnotwendigen Vermögens, Nr. 44 Abs. 2 LSP, aus dem
Durchschnitt des dem Betriebszweck dienenden Anlage- und Umlaufvermögens der
Jahre 1999 bis 2001 führt zu einem fehlerhaften Kostenansatz. Soweit dies (vgl. Ziffer
41 des Gutachtens) der Glättung von Schwankungen dienen und der langen Laufzeit
des Verbrennungsvertrags von 20 Jahren Rechnung tragen sollte, hätten nach
vorstehender Maßgabe lediglich bereits zum Angebotszeitpunkt hinreichend
vorhersehbare künftige Veränderungen des betriebsnotwendigen Vermögens
Berücksichtigung finden können, nicht jedoch Schwankungen in der Vergangenheit.
Ungeachtet dessen führt dies vorliegend auch deshalb zu einer fehlerhaften Bemessung
140
des Kostenansatzes für die kalkulatorischen Zinsen, weil in den Jahren 1999 und 2000
noch Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs angefallen sind, die
ab dem Jahr 2001 nicht mehr zu erwarten waren. Diese Kosten haben auf dem Wege
der Ermittlung des betriebsnotwendigen Vermögens aus dem Durchschnitt der Jahre
1999 bis 2001 dauerhaft Eingang in den Selbstkostenfestpreis gefunden, obwohl dieser
Ansatz bei einer allein auf den künftigen Leistungszeitraum ab 2001 bezogenen
Betrachtungsweise nicht mehr hätte erfolgen dürfen.
Im Ergebnis fehlt es mithin an einer preisrechtlichen Rechtfertigung des in die
Gebührenbedarfsberechnungen 2006 und 2007 eingestellten Verbrennungsentgelts.
141
Der im Hinblick auf das Verbrennungsentgelt der H fehlerhafte Kostenansatz
"Entsorgungskosten" der Jahre 2006 und 2007 übersteigt auch die in der
Rechtsprechung des OVG NRW anerkannte Fehlertoleranzgrenze von 3%. Denn das
Entgelt machte 2006 (13.913.206,80 Euro) einen Anteil am Gesamtaufwand für die
Abfallbeseitigung von 53,99 % und in 2007 (14.710.363 Euro) von 54,66 % aus.
Anhaltspunkte für einen Ausgleich dieser fehlerhaften Ansätze durch zu unrecht
unterbliebene oder zu niedrig bemessene andere Kostenansätze sind weder vom
Beklagten vorgetragen worden noch nach der Aktenlage sonst ersichtlich.
142
Steht damit aber bereits die Rechtswidrigkeit der Gebührensätze fest, kommt es nicht
mehr darauf an, ob das Leistungsentgelt für die P GmbH in preisrechtlich zulässiger
Höhe in die Gebührenbedarfsberechnungen eingestellt worden ist.
143
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 VwGO. Die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 S.
2 ZPO.
144