Urteil des VG Düsseldorf vom 07.03.2005

VG Düsseldorf: besonders verwerflich, missbrauch, wohnung, wohnraum, anteil, entgeltlichkeit, mieter, mietzins, rückerstattung, vollstreckbarkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 14 K 5791/04
07.03.2005
Verwaltungsgericht Düsseldorf
14. Kammer
Urteil
14 K 5791/04
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die im Jahre 1954 geborene Klägerin ist Studentin mit dem angestrebten Abschluss
Lehramt, Sekundarstufe II, Studienfächer Englisch und Spanisch. Seit etwa 1980 erhält sie
von dem Beklagten mit kurzen Unterbrechungen Wohngeld in der Form eines
Mietzuschusses für ihre Wohnung Gstraße 18 (Dachgeschoss) in E. Eigentümer dieser
Wohnung ist der Vater der Klägerin, C1, der ebenfalls in der Gstraße wohnt. In ihrem
Wiederholungsantrag vom 29.4.2004 gab die Klägerin für die 66 qm große Wohnung ein
Mietentgelt von 296 Euro einschließlich der Nebenkosten an. Nach einer Bestätigung des
Vaters der Klägerin erhält sie von diesem eine monatliche Unterstützung von 494 Euro, in
der das Mietentgelt, eine Unterhaltszahlung von 180 Euro sowie studienbedingte Kosten
von 18 Euro enthalten sind.
Auf Anregung der Widerspruchsbehörde lehnte der Beklagte den Antrag unter Hinweis auf
§ 18 Nr. 6 WoGG ab. Zur Begründung führte er aus, die Antragstellung sei
rechtsmissbräuchlich. Von einem Missbrauch sei dann auszugehen, wenn der Klägerin
zuzumuten sei, durch eigene Arbeit zur Einkommenserhöhung beizutragen und die Miete
ganz oder zu einem höheren Anteil selbst zu tragen. Da die Regelstudienzeit deutlich
überschritten sei, sei nicht zu erkennen, ob und gegebenenfalls wann die Klägerin dem
allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wolle.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie ausführte,
die Überschreitung der Regelstudienzeit stelle kein rechtswidriges Verhalten dar. Ihr
Studium erfordere uneingeschränkte Konzentration, so dass es nicht möglich sei,
zusätzlich einer Arbeit nachzugehen. Wegen einiger Lebenskrisen sei ihre seelische
Verfassung ohnehin einem erfolgreichen Studium nicht gerade förderlich gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.8.2004 wies die Bezirksregierung E den Widerspruch
zurück. Die Klägerin hat am 1.9.2004 Klage erhoben und über die
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Widerspruchsbegründung hinaus vorgetragen, sie sei auch weiterhin an einem
erfolgreichen Abschluss ihres Studiums interessiert, zumal die Universität E den
Studiengang 2008 schließe und seit 2002 keine Erstsemester mehr immatrikuliere. Trotz
mehrerer Bewerbungen habe sie keine Arbeit aufnehmen können.
Die Klägerin beantragt,
den Wohngeldbescheid des Beklagten vom 11.5.2004 und den Widerspruchsbescheid der
Bezirksregierung E vom 11.8.2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr
Wohngeld in gesetzmäßig festgesetzter Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die angegriffenen Bescheide und den Inhalt seiner
Verwaltungsvorgänge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
beigezogenen Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage bleibt in der Sache erfolglos.
Die ablehnenden Bescheide des Beklagten und der Widerspruchsbehörde sind
rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung eines Mietzuschusses (§
113 Abs. 5 VwGO).
Nach § 1 Abs. 1 WoGG wird ein Mietzuschuss zur Sicherung angemessenen und
familiengerechten Wohnens zu den Aufwendungen für den Wohnraum geleistet.
Zweifelhaft erscheint bereits, ob die Klägerin überhaupt antragsberechtigt für einen
Mietzuschuss im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 WoGG ist. Antragsberechtigt ist nämlich nur der
Mieter von Wohnraum. Dies sind nur Personen, die Vertragsteil eines bürgerlich-
rechtlichen Mietverhältnisses sind, wobei ein wesentliches Merkmal des Mietvertrages die
Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung von Wohnraum ist. Der ernsthafte Abschluss
eines Mietverhältnisses muss vorliegend in Zweifel gezogen werden. Auch wenn die
Begründung von Mietverhältnissen unter nahen Verwandten natürlich grundsätzlich
möglich ist, liegt der Vorwurf eines Gestaltungsmissbrauchs jedenfalls dann nahe, wenn -
wie hier - der Mietzins aus dem Barunterhalt des Vaters bestritten wird. Von einem
ernsthaften Mietverhältnis wird man in derartigen Fällen aber nur ausgehen können, wenn
es in Durchführung und Gestaltung dem entspricht, was unter Fremden üblich ist, also
einem Fremdvergleich standhält. Wenn die Klägerin in der Verhandlung ausführt, sie werde
von ihrem Vater mit einem Barbetrag unterstützt, wovon 296 Euro auf die Miete entfielen,
die sie ihrem Vater zurück erstatte, so ist dies lebensfremd und legt den zum Verlust des
Antragsrechts führenden Missbrauch des Gestaltungsrechts nahe. Da auf den Anteil
studienbedingter Kosten lediglich 18 Euro entfallen, muss sich die Klägerin bei
Rückerstattung des Mietzinses an ihren Vater überdies die Frage gefallen lassen, aus
welchen Mitteln sie denn überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreitet.
Letztlich können diese Fragen offen bleiben, weil jedenfalls ein Anspruch auf Wohngeld
dann nicht besteht, soweit seine Inanspruchnahme nach § 18 Nr. 6 WoGG
rechtsmissbräuchlich wäre. Diese Voraussetzung hat der Beklagte letztlich zu Recht
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bejaht.
Ein Missbrauch liegt vor, wenn vom Standpunkt eines objektiven Beobachters eine
Rechtsposition nur zu dem Zweck geschaffen wird, einen anderenfalls nicht bestehenden
Wohngeldanspruch zu schaffen.
Stadler/Gutekunst/Forster/Wolf, WoGG, § 18 Rdn. 28.
So liegen die Voraussetzungen hier. Aus der Sicht eines objektiven Dritten ist das
Verhalten der Klägerin einem derartigen Unwerturteil unterworfen, das es als ​sozialwidrig"
erscheinen lässt.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 9.10.1991 - 4 L 1810/91 -.
Mit ihrer überlangen, jeden vernünftigen Rahmen sprengenden Studiendauer hat die
Klägerin die Chance vertan, in ihrem ursprünglich angestrebten Beruf arbeiten zu können.
Wegen ihres Alters fehlen zudem begründete Aussichten, überhaupt noch in normale
Arbeitsprozesse eingegliedert werden zu können. Wenn auch mit dem
Missbrauchstatbestand des § 18 Nr. 6 WoGG grundsätzlich nicht auf berufsbedingte
Entscheidungen Einfluss genommen werden soll und der Missbrauch ein Gesamtverhalten
voraussetzt, dem eine vornehmlich wohngeldrechtliche Motivation zugrunde liegt.
BverwG, Urteile vom 29.9.92 - 8 C 68 und 70.90 und vom 8.11.94 - 8 C 28.92 -
Muss im Falle der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie sich in Kenntnis ihrer
überschaubaren Zukunftsaussichten ​sozialwidrig" auf den Bezug von Wohngeld
eingerichtet hat und es zur Durchführung eines eher ​hobbymäßigen" Studiums auf dessen
Subventionierung durch staatliche Hilfen anlegt. Ein solches Verhalten ist objektiv
unangemessen und angesichts der Mangelsituation im System der staatlichen
Sozialleistungen besonders verwerflich und pflichtwidrig. Der Klägerin ist zuzumuten, ihren
Wunsch auf Abschluss des Studiums ohne staatliche Hilfe zu verwirklichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm. § 708 Nr. 11 ZPO.