Urteil des VG Düsseldorf vom 20.12.2002

VG Düsseldorf: psychiatrische behandlung, unterlassen, sozialhilfeleistung, jugendamt, verwaltungsverfahren, beteiligter, erfüllung, datum, anfechtung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 19 L 4620/02
Datum:
20.12.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 L 4620/02
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Gründe:
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Das dem Gericht am 27. November 2002 unterbreitete, auf die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes gerichtete - ausdrücklich formulierte - Begehren,
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1. "dem Antragsgegner wird bei Meidung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft in
gesetzlich zulässiger Höhe untersagt, Dritten gegenüber zu behaupten, der
Unterzeichner wolle seine Töchter T, geboren am 00.00.1986 und B, geboren am
00.00.1988, in stationäre psychiatrische Behandlung nach W oder in eine sonstige
psychiatrische Einrichtung bringen oder habe erklärt, dies zu wollen,
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2.
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3. der Unterzeichner beabsichtige oder plane oder habe die Einleitung strafrechtlicher
Schritte gegen T1, den Freund seiner Tochter T, angekündigt,
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4.
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5. ab sofort jeden persönlichen Kontakt mit den Kindern des Unterzeichners zu
unterlassen,
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6.
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7. die entsprechenden Behauptungen ausschließlich schriftlich gegenüber dem
Unterzeichner zu widerrufen,"
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8.
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hat keinen Erfolg. Der Antrag ist bereits insgesamt unzulässig, unabhängig davon aber
auch unbegründet.
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Das gilt zunächst für die Anträge zu 1. und 2.
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Gemäß § 44a S. 1 VwGO können behördliche Verfahrenshandlungen grundsätzlich
nicht "isoliert" angefochten werden. Die Anträge zu 1. und 2. zielen aber gerade darauf
ab. Denn der Antragsgegner soll die dort aufgeführten Äußerungen im Rahmen der
jugendhilferechtlichen Verfahren der Töchter T und B - im Rahmen der Erfüllung seiner
gesetzlichen Aufgaben - gemacht haben. Behauptungen sonstigen Dritten gegenüber
stehen nicht in Rede. Die streitigen Äußerungen stellen damit "Verfahrenshandlungen"
i.S. der genannten Bestimmung dar, weil sie behördlichen Maßnahmen außerhalb von -
anfechtbaren - Sachentscheidungen zuzuordnen sind,
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vgl. Eyermann, Kommentar zur VwGO (11. Aufl., 2000), § 44a, Anm. 4.
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Die Ausnahmevorschrift des § 44a S. 2 VwGO, welche die Anfechtung von
Verfahrenshandlungen gegen Nichtbeteiligte zulässt, trifft im Falle des Antragstellers
nicht zu. Denn gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ist er "Beteiligter", weil der Beklagte gegen
ihn das Kostenbeitragsverfahren eingeleitet hat.
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Die beiden Anträge erweisen sich ferner deshalb als unzulässig, weil der Antragsteller
den Antragsgegner vor Anrufung des Gerichts nicht ordnungsgemäß mit seinem
Untersagungsbegehren befasst hat. Das Gericht soll im Jugendhilferecht - wie im
Sozialhilferecht - nur als Kontrollinstanz tätig werden und nicht "originär" über
Ansprüche befinden. Dass der Betroffene dem Jugendamt sein Anliegen nicht
ordnungsgemäß unterbreitet und diesem nicht die notwendige Gelegenheit zur
Bearbeitung gegeben hat, folgt bereits aus dem Zeitablauf: Der Antragsteller hat nach
seinem Vortrag am 19. November 2002 - einem Dienstag - von dem Schreiben des
Beklagten vom 20. Februar 2001 Kenntnis erhalten. Bereits an dem folgenden Freitag
oder Samstag - dem 22. bzw. 23. November 2002 - hat er den für das Gericht
bestimmten Eilantrag formuliert.
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Unabhängig davon ist das Begehren hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. mangels
Anordnungsgrundes i.S. des § 123 VwGO unbegründet.
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Nach § 123 Abs.1 S.2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur getroffen werden,
wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123
Abs.3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs.2 ZPO voraus, dass das Bestehen eines zu
sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit
(Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden. Unabhängig von der Frage, ob und
inwieweit ein Anordnungsanspruch auf die begehrte Sozialhilfeleistung glaubhaft
gemacht ist, kann eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs.1 Satz 2 VwGO nur
dann ergehen, wenn es zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den
betreffenden Antragsteller notwendig ist, dass seinem Begehren sofort entsprochen
wird. Durch diese besondere Regelung des Prozessrechts soll verhindert werden, dass
das für die Klärung von Streitfragen zwischen Bürgern und Behörden vorgesehene
Klageverfahren, in dem der Sachverhalt erschöpfend und ohne Zeitdruck aufgeklärt
werden kann, seinem eigentlichen Zweck entkleidet und die Streitfragen in Abweichung
von der gesetzlichen Regelung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
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vorverlagert werden. Die gerichtliche Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren
(Klageverfahren) soll nämlich regelmäßig nicht durch eine Eilentscheidung im Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem zwangsläufig nur die summarische Prüfung des
Sach- und Streitstandes erfolgen kann, vorweggenommen werden. Nur wenn es um die
Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den betreffenden Antragsteller geht,
kann eine Sachentscheidung - etwa durch Erlass einer einstweiligen Anordnung - in
Erwägung gezogen werden.
Diese strengen Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Eine Überprüfung kann,
ohne dass dem Antragsteller unzumutbare Nachteile entstehen, im Hauptverfahren
erfolgen.
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Soweit der Betroffene mit dem Antrag zu 3. verlangt, der Antragsgegner solle ab sofort
jeden persönlichen Kontakt zu den Kindern des Betroffenen unterlassen, gilt nichts
anderes.
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Auch dieses Begehren ist aus den vorgenannten Gründen nach § 44a VwGO
unzulässig. Außerdem erweist es sich mangels Anordnungsanspruchs und
Anordnungsgrundes i.S. des § 123 VwGO als unbegründet. Ein Anordnungsanspruch
ist deshalb nicht ersichtlich, weil der persönliche Kontakt zu den Kindern nach den
Bestimmungen des SGB VIII zu den Grundpflichten des Jugendamtes bzw. seiner
Mitarbeiter gehört. Der Anordnungsgrund kann nicht festgestellt werden, weil nicht zu
erkennen ist, warum eine gerichtliche Eilentscheidung gerade jetzt kurzfristig ergehen
müsste und nicht ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren abgewartet werden
könnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.
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