Urteil des VG Düsseldorf vom 25.10.2005

VG Düsseldorf: psychiatrie, rehabilitation, versorgung, sucht, erlass, dach, begriff, anhörung, vollstreckung, anforderung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 798/05
Datum:
25.10.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 798/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Träger des G Krankenhauses in S. Mit Schreiben vom 12. August 1996
hatte die Beklagte ihr mitgeteilt, dass die Frage der stationären
Suchtkrankenversorgung, insbesondere die Handhabung gemischter Angebote von
Entzugs- und Entwöhungsbetten, sich seit vielen Jahren in der Diskussion befinde; um
einen Überblick über die Krankenhäuser zu erhalten, die eine integrative
Suchtkrankenversorgung betrieben, also sowohl Entzugs- als auch
Entwöhnungsbehandlung anböten, werde um die entsprechenden Daten gebeten, die
auch als Grundlage für eine landesweite Regelung benötigt würden. Die Klägerin hatte
unter dem 19. August 1996 erwidert, es seien 1994 und 1995 60 Suchtbetten
vorgehalten worden, die vollständig als Entwöhnungsbetten eingesetzt worden seien.
Mit Feststellungsbescheid vom 20. Juli 1999 hatte die Beklagte die Aufnahme des
Krankenhauses in den Krankenhausplan des Landes mit folgender Strukturierung
festgestellt: Psychiatrie 235 Betten, davon 60 Betten Suchtbehandlung und 15
Tagesklinikplätze.
2
Unter dem 26. Mai 1999 forderte die Beklagte die Klägerin (wie auch andere
Krankenhausträger) auf, zur Handhabung des gemischten Angebots von Entzugs- und
Entwöhnungsbehandlungsbetten auf Grund der mitgeteilten Entwöhnungsbetten mit den
Verbänden der Krankenkassen über ein regionales Planungskonzept zu verhandeln; in
dem vorzulegenden Konzept müsse eindeutig dargestellt werden, wie viel Betten des
Krankenhauses nach dem Krankenhausgesetz und aus welchen Gründen förderfähig
3
seien. Mit Schreiben vom 25. Juni 1999 teilte die Klägerin der B im Rahmen der
Verhandlungen über ein regionales Planungskonzept die Auslastung der 60 Betten für
die Entwöhnungs-(Sucht-)behandlung („Belegung Sucht-Reha vollstationär") mit. Unter
dem 11. November 1999 zeigten die Verbände der Krankenkassen der Beklagten an,
dass die Erarbeitung eines regionalen Planungskonzeptes mit allen
Verfahrensbeteiligten nicht erreicht werden könne. Mit Erlass vom 3. März 2000 teilte
das Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-
Westfalen - MFJFG - der Beklagten mit, es sei notwendig, die im Bereich der
Suchtbehandlung vorgehaltenen Entwöhnungsbetten aus dem Krankenhausplan
herauszunehmen, da es sich nicht um nach den Krankenhausgesetzen förderfähige
Betten handele; es beabsichtige daher, den Krankenhausplan entsprechend
fortzuschreiben; die Beklagte werde gebeten, zur Vorbereitung der Anhörung nach § 17
Abs. 1 und 2 KHG NRW Auskünfte der Krankenhäuser über die
Suchtbehandlungsbetten einzuholen. Die Klägerin machte unter dem 5. April 2000 die
entsprechenden Angaben über die in ihrem Krankenhaus 1997-1999 durchgeführten
Suchtbehandlungen, von denen auf die „Sucht- Entwöhnungsbehandlung im Rahmen
der Rehabilitation" 60 Plätze und auf diejenige im Rahmen der vollstationären
Krankenhausbehandlung - qualifizierte Entwöhnungsbehandlung - 38 Betten entfielen.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2002 gab das MFJFG der Klägerin Gelegenheit, zur
beabsichtigten Herausnahme der Entwöhnungsbetten aus dem Krankenhausplan des
Landes Stellung zu nehmen. Mit Feststellungsbescheid vom 5. April 2004 stellte die
Beklagte die Aufnahme des G Krankenhauses mit folgender Strukturierung fest:
Psychiatrie 165 Betten (davon 127 Psychiatrie Allgemein und 38 Suchtkrankheiten) und
10 Tagesklinikplätze. Die Klägerin erhob unter dem 18. Mai 2004 Widerspruch. Sie trug
vor: Im Bereich der Entwöhnung seien von 60 Betten 5 in Absprache mit den
Kostenträgern als teilstationäre Plätze geführt worden; die 15 Tagesklinikplätze in der
Psychiatrie würden davon nicht berührt. Die stationäre Entwöhnung stelle eine
Krankenbehandlung dar. Die Abgrenzung zwischen Akut- und Rehabehandlung sei in
der Suchtbehandlung, wo häufig Komorbiditäten erschwerend hinzukämen, gänzlich
unmöglich; richtigerweise erfolgten Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung in
gemischten Einrichtungen unter einem Dach. Weiter sei es nicht nachvollziehbar,
weshalb der Feststellungsbescheid den verbleibenden Bereich der Psychiatrie in die
allgemeine Psychiatrie und Suchtkrankheiten unterteile. -Mit Widerspruchsbescheid
vom 25. Januar 2005 stellte die Beklagte die Aufnahme des Krankenhauses in den
Krankenhausplan des Landes mit folgender Strukturierung fest: Psychiatrie 160 Betten
(davon 122 Psychiatrie allgemein und 38 Suchtkrankheiten) und 15 Tagesklinikplätze;
im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Mit der am 22. Februar 2005 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:
4
Für eine Herausnahme nicht förderfähiger Betten fehle es an einer gesetzlichen
Grundlage. Im Übrigen dienten die herausgenommenen Entwöhnungsbetten durchaus
der Krankenbehandlung und nicht nur der Rehabilitation, da auch in der
Entwöhnungsphase Komorbiditäten aufträten, insbesondere - häufig akut
behandlungsbedürftige - psychische Störungen.
5
Die Klägerin beantragt,
6
den Feststellungsbescheid vom 22. April 2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2005 aufzuheben.
7
Die Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Sie führt aus: Die im Feststellungsbescheid genannte Bettenzahl sei keine
Rechtsposition, auf die sich ein Krankenhaus zeitlich unbeschränkt berufen könne. Die
an den Entzug sich anschließende Entwöhnungsbehandlung sei eine Maßnahme der
Rehabilitation; Einrichtungen, die der Rehabilitation dienten, fielen nicht unter die
Krankenhausgesetze.
10
Wegen des Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
11
Entscheidungsgründe:
12
Die Klage ist nicht begründet.
13
Der Feststellungsbescheid vom 22. April 2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2005 ist rechtmäßig. Zu Recht hat die
Beklagte die Aufnahme des G Krankenhauses, S, in den Krankenhausplan des Landes
mit 160 Betten im Gebiet Psychiatrie festgestellt. Soweit dabei innerhalb dieses
Gebietes 38 Betten unter Suchtkrankheiten ausgewiesen werden, folgt der Bescheid
den entsprechenden Angaben der Klägerin (Schreiben vom 5. April 2000), die im
Widerspruchsverfahren wiederholt worden sind (eMail vom 8. Juli 2004); eine
Schwerpunktfestlegung war damit nicht beantragt worden und wurde auch nicht
vorgenommen. Soweit im Gebiet Psychiatrie 60 Betten Suchtbehandlung nicht
aufgenommen wurden, ist verfahrensrechtliche Grundlage § 16 Abs. 6 S. 1 KHG NRW.
Nach dieser Bestimmung wird die Entscheidung nach Absatz 5 durch Bescheid nach §
18 an den Krankenhausträger Bestandteil des Krankenhausplans. Nach § 16 Abs. 5
entscheidet, soweit regionale Planungskonzepte nicht vorgelegt werden, das
zuständige Ministerium von Amts wegen nach Anhörung der Beteiligten nach § 17 Abs.
1 und 2, wenn der Krankenhausplan fortgeschrieben werden soll. Diese
Voraussetzungen lagen vor. Die Verhandlungen über ein regionales Planungskonzept
waren abgeschlossen, ein regionales Planungskonzept wurde nicht vorgelegt.
(Schreiben der Verbände der Kostenträger vom 11. November 1999). Das MFJFG hatte
daraufhin entschieden, der Krankenhausplan solle fortgeschrieben werden (Erlass vom
3. März 2000). Das Schreiben der Verbände der Krankenkassen vom 30. März 2000,
man habe sich nachträglich geeinigt, konnte das Verfahren nicht mehr auf die Stufe der
Erarbeitung eines regionalen Planungskonzeptes zurückwerfen, da bereits die
Handlungsebene des § 17 Abs. 5 S. 1 KHG NRW erreicht war; im Übrigen war die Frist
für den Abschluss der Verhandlungen nach § 16 Abs. 2 S. 4 KHG NRW bereits im
November 1999 abgelaufen. Neben den Bestimmungen über die Fortschreibung des
Krankenhausplans des Landes ist für die Aufhebungsvorschriften des
Verwaltungsverfahrensgesetzes kein Raum, da durch die Aktualisierung des
Krankenhausplans die vorhergehenden Feststellungsbescheide gegenstandslos
werden, ohne dass es einer Aufhebung bedarf. -Die mithin zu treffende Entscheidung
über die Planbettenzahlen nach § 16 Abs. 1 S 1 KHG NRW ist auch in der Sache zu
Recht ergangen. Materiell-rechtliche Grundlage ist § 8 Abs. 1 S. 1 KHG. Danach haben
die Krankenhäuser Anspruch auf Förderung, soweit und solange sie in den
Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind. Mindestvoraussetzung der
Aufnahme ist, dass es sich bei der Einrichtung um ein förderfähiges Krankenhaus
14
handelt. Diese Voraussetzung erfüllt das G Krankenhaus in S zweifelsfrei hinsichtlich
der nicht der Rehabilitation dienenden Teile. Soweit das Krankenhaus eine
Untergliederung „Suchtbehandlung" geführt hatte, dürfte es sich um eine
Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) SGB V handeln, die
gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 KHG nicht förderungsfähig ist. Zwar setzt der Begriff der
Einrichtung ein gewisses Maß an Abgrenzbarkeit voraus; dieser Anforderung dürfte aber
durch die Art („Suchtbehandlung") und den Umfang (60 Betten) der Aufgabenzuweisung
genügt sein; eine juristische oder organisatorische Selbstständigkeit wird nicht verlangt,
da Einrichtungen im Sinne von § 5 Abs. 1 KHG auch Teile eines Krankenhauses sein
können (vgl. § 5 Abs. 1 Nrn. 3 und 8 KHG). Derartige Einrichtungen der Rehabilitation
sind auch dann nicht förderungsfähig, wenn sie im Übrigen den Begriff des
Krankenhauses im Sinne von § 2 Nr. 1 KHG erfüllen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.
September 1991 - 13 A 374/89 - ). Die Frage, ob die Untergliederung
„Suchtbehandlung" eine Einrichtung ist oder nicht, kann aber auf sich beruhen.
Jedenfalls erfordert die Aufnahme in den Krankenhausplan weiter, dass das
Krankenhaus geeignet sein muss, die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit
leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu
gewährleisten (vgl. § 1 Abs. 1 KHG). Als bedarfsgerecht in diesem Sinne ist nur die
grundsätzlich förderungsfähige Versorgung anzusehen, nicht hingegen die Versorgung,
die Rehabilitationseinrichtungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 7 KHG obliegt. Ein als
selbstständiger Betrieb nicht förderungsfähiger Komplex von beispielsweise 60 Reha-
Betten kann die krankenhausrechtliche Förderung daher auch dann nicht erlangen,
wenn er unter das Dach eines Plankrankenhauses zieht; eine derartige organisatorische
Anbindung darf, selbst wenn sie medizinisch betrachtet zweckmäßig wäre,
subventionsrechtlich nicht zu einer Fehlleitung der Investitionsmittel für dem
Krankenhausrecht fremde Zwecke führen. Die im Krankenhausplan ausgewiesen
gewesenen 60 Betten „Suchtbehandlung" deckten einen solchen Bedarf. Maßgebend
ist die planerische Ausweisung und - natürlich - nicht, welche Art von Bedarf die
Abteilung nach der tatsächlichen Bettennutzung gedeckt hatte. Die Untergliederung
„Suchtbehandlung" mit 60 Betten deckte einen Bedarf an Krankenhausbetten für die
Rehabilitation Suchtkranker. Hierüber bestand zwischen den Parteien stets Einigkeit;
auf den entsprechenden Schriftverkehr, der im Tatbestand wiedergegeben ist, wird
verwiesen. Die Deckung solch eines stationären Behandlungsbedarfs ist aber nicht
Sache von Plankrankenhäusern, sondern von Rehabilitationseinrichtungen. Auf die
Frage, ob - wegen einer faktischen Versorgung von Psychiatriepatienten - im
Einzugsbereich des G Krankenhauses eine Versorgungslücke entsteht (die
möglicherweise durch Psychiatriebetten des G Krankenhauses geschlossen werden
könnte) oder nicht, kommt es nicht an, da Gegenstand des
Planfortschreibungsverfahrens, wie ihn das MFJFG bestimmt hatte, nur die
Herausnahme der Entwöhnungsbetten aus dem Krankenhausplan war. Auf Regelungen
der Psych-PV kommt es schon deswegen nicht an, weil sie nicht auf einer Ermächtigung
zur Abänderung der §§ 1, 8 KHG beruhte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
15
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167
VwGO, 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
16
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung im Urteil des Verwaltungsgerichts
nach den §§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
17
18