Urteil des VG Düsseldorf vom 17.06.2005

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 8941/03
Datum:
17.06.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 8941/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Tatbestand:
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Die 1951 geborene Klägerin und ihr Ehemann erhielten vom Beklagten seit Februar
2002 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und nahmen am Verfahren der pauschalierten
Gewährung von Bekleidungsbeihilfe teil.
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Der Beklagte gewährt die Bekleidungsbeihilfe, soweit die Hilfeempfänger damit
einverstanden sind, in Form einer Bekleidungspauschale, die jeweils im April für das 1.
Halbjahr und im Oktober für das 2. Halbjahr ausgezahlt wird. Die vom Beklagten
gezahlte Pauschale betrug im Jahr 2003 für Männer 145,98 Euro und für Frauen 179,21
Euro.
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Bezüglich eines auf bestimmte Kleidungsstücke gerichteten Antrags des Ehemannes
der Klägerin vom 25. Februar 2003 teilte der Beklagte ihr und ihrem Ehemann mit
Schreiben vom 17. März 2003 mit, dass er diesen Antrag im Hinblick auf die im April
fällig werdende Bekleidungspauschale als erledigt betrachte. Als Reaktion hierauf ging
beim Beklagten ein die Klägerin und ihren Ehemann als Absender ausweisendes und
von beiden unterschriebenes Schreiben vom 23. März 2003 ein, in dem Widerspruch
gegen das Schreiben vom 17. März 2003 erhoben und in dem u.a. ausgeführt wurde:
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„Wir weisen Sie weiterhin darauf hin, dass wir uns an der Bekleidungspauschale nicht
beteiligen werden da wir uns auch an einer Pauschalierung nicht beteiligen. Ich
verweise noch mal auf meinen Antrag auf Bekleidung vom 25.02.03."
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Am 2. April 2003 fand daraufhin ein Hausbesuch bei der Klägerin und ihrem Ehemann
zur Feststellung des Bekleidungsbedarfs des Ehemannes statt. In dem dazu erstellten
Vermerk des Beklagten vom selben Tage hielt dieser fest dass die Klägerin keinen
Bekleidungsbedarf geltend gemacht habe. Nachdem der Beklagte ihrem Ehemann
wenig später aufgrund dieser Bedarfsfeststellung eine konkret berechnete
Bekleidungsbeihilfe gewährt hatte, stellte die Klägerin unter dem 24. April 2003 einen
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eigenen Antrag auf Bekleidungsbeihilfe, in dem sie angab, eine Vielzahl von im
Einzelnen aufgeführten Kleidungsstücken werde dringend benötigt. Nachdem die
Beteiligten in der Folgezeit um die Zulässigkeit der Durchführung eines von der Klägerin
verweigerten Hausbesuchs zur Feststellung ihres Bekleidungsbedarfs gestritten hatten,
lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 24. April 2003 mit Bescheid vom 14.
Juli 2003 ab und begründete dies damit, dass sie einen Hausbesuch verweigert habe
und infolge dessen der geltend gemachte Bedarf nicht feststellbar sei. Hiergegen
wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 21. Juli 2003, in dem sie wiederum auf die
Unzulässigkeit von Hausbesuchen abstellte.
Nachdem die Klägerin klargestellt hatte, dass sie wieder am Verfahren der
pauschalierten Gewährung von Bekleidungsbeihilfe teilnehmen wollte, erhielt sie mit
Bescheid vom 14. November 2003 die Bekleidungspauschale für das 2. Halbjahr 2003.
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Sie hat am 17. Dezember 2003 Klage erhoben, mit dem sie die Zahlung der
Bekleidungspauschale für das 1. Halbjahr 2003 begehrt. Sie begründet dies im
Wesentlichen damit, sie habe zu keinem Zeitpunkt - insbesondere nicht durch das
Schreiben vom 23. März 2003, bei dem es sich um die Erklärung ihres Ehemannes
handele - auf die Bekleidungspauschale verzichtet.
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Die zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Klägerin beantragt schriftsätzlich
sinngemäß,
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den Beklagten zu verpflichten, ihr die Bekleidungspauschale für das 1. Halbjahr 2003 in
Höhe von 179,21 Euro zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Klage zum einen für unzulässig, weil der Bescheid vom 14. Juli 2003
bestandskräftig geworden sei, und zum anderen für unbegründet, weil die Klägerin eine
Bedarfsermittlung abgelehnt habe.
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Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die
Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Verfahrens gleichen Rubrums 13 L 3511/03
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte entscheiden, obwohl die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht
erschienen ist, da sie in der ihr mit Postzustellungsurkunde ordnungsgemäß
zugestellten Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass beim Ausbleiben eines
Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die Klage ist zulässig.
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Ihr steht nicht die Bestandskraft des Bescheides vom 14. Juli 2003 entgegen. Zum einen
haben die Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2003 sinngemäß Widerspruch gegen
diesen Bescheid erhoben, zum anderen regelt dieser Bescheid erkennbar nicht die
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Bekleidungspauschale, sondern allein die Ablehnung des auf bestimmte
Kleidungsstücke gerichteten Antrags der Klägerin vom 24. April 2003. Eine
unausgesprochen mitgeregelte Ablehnung der Bekleidungspauschale lässt sich dem
Bescheid nicht entnehmen. Auch wenn der Beklagte somit über die
Bekleidungspauschale für das 1. Halbjahr 2003 noch nicht entschieden hat, ist die
Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Ein grundsätzlich vor
Klageerhebung erforderlicher Antrag der Klägerin auf die Bekleidungspauschale liegt z.
B. mit dem Schreiben vom 29. September 2002 vor, aufgrund dessen die Klägerin zuvor
am Verfahren der pauschalierten Gewährung der Bekleidungsbeihilfe teilgenommen
hatte.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die
Bekleidungspauschale für das 1. Halbjahr 2003 gegen den Beklagten (§ 113 Abs. 5
Satz 1 VwGO).
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Sie hat auf ihren Anspruch auf Bekleidungspauschale für diesen Zeitraum wirksam
verzichtet und diesen Verzicht innerhalb des 1. Halbjahres 2003 auch nicht widerrufen.
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Gemäß § 46 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) kann auf
Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem
Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die
Zukunft widerrufen werden.
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Die Klägerin hat auf ihren Anspruch auf pauschalierte Bekleidungsbeihilfe durch das
Schreiben vom 23. März 2003 verzichtet. Auch wenn sie vorträgt, diese Erklärung habe
sich nur auf ihren Ehemann beziehen sollen und es handele sich in Bezug auf sie um
ein Missverständnis, so ist das jedenfalls als Widerspruch ihres Ehemannes gegen das
Schreiben vom 17. März 2003 anzusehende Schreiben bei verständiger Auslegung
nach dem entscheidenden objektivierten Empfängerhorizont auch als Verzicht auf die
Bekleidungspauschale für ihre Person zu verstehen: Der Briefkopf weist auch sie als
Absender auf, auch sie hat das Schreiben unterschrieben und die Erklärung, sich nicht
an der Bekleidungspauschale beteiligen zu wollen, ist in der 1. Person Plural („Wir-
Form") gehalten. Sollte es sich tatsächlich um das von der Klägerin behauptete
Missverständnis handeln, so hätte sie dies in der Folgezeit klarstellen und aus der Welt
schaffen können. Dies hat sie nicht getan; stattdessen hat sie dieses Verständnis
dadurch bestätigt, dass sie einen auf bestimmte Bekleidungsstücke gerichteten Antrag
gestellt hat. Dieser Verzicht hat die Wirkung, dass sie keine pauschalierte
Bekleidungsbeihilfe erhält; solange der Verzicht nicht gemäß § 46 Abs. 1, 2. Halbsatz
SGB I widerrufen wird, kann sie Bekleidungsbeihilfe nur noch auf gesonderten Antrag
für im Einzelnen bestimmte Kleidungsstücke bewilligt bekommen, in Bezug auf die der
Bedarf nach § 20 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zu ermitteln ist.
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Ein jederzeit für die Zukunft möglicher Widerruf des Verzichts - also eine Änderung der
Entscheidung der Klägerin für die nicht-pauschalierte Bekleidungsbeihilfe - ist innerhalb
des 1. Halbjahres 2003 nicht erfolgt. Keine dem Verwaltungsvorgang zu entnehmende
Äußerung der Klägerin enthält bei verständiger Auslegung einen Widerruf der
Erklärung, sich nicht am pauschalierten Bekleidungsbeihilfeverfahren beteiligen zu
wollen. Sie hat vielmehr um die Gewährung einer Beihilfe für bestimmte in ihrem Antrag
vom 24. April 2003 bezeichnete Kleidungsstücke und in diesem Zusammenhang um die
Zulässigkeit eines Hausbesuchs gestritten. Sie hat zur Bedarfsfeststellung durch
Hausbesuch aber nicht vorgetragen, ein solcher sei nicht erforderlich, weil sie eine
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Pauschale wünsche, sondern hat sich darauf berufen, dass die rechtlichen
Voraussetzungen einer Bedarfsfeststellung durch Hausbesuch nicht vorlägen. Auch
ihren sonstigen Äußerungen (z. B. den Schreiben an den Beklagten vom 9., 28. und 29.
April sowie vom 12. Mai 2003) lässt sich nicht entnehmen, dass sie ihren Antrag auf
Bekleidungsbeihilfe für im Einzelnen bestimmte Kleidungsstücke vom 24. April 2003
fallen lässt und um pauschalierte Gewährung bittet. Erst im Herbst 2003 hat die Klägerin
deutlich gemacht, dass sie wieder am Verfahren der pauschalierten Gewährung
teilnehmen wolle. Dies konnte jedoch nach dem eindeutigen Regelungsgehalt des § 46
Abs. 1, 2. Halbsatz SGB I nur Wirkung ab diesem Zeitpunkt - und damit nicht für die
Bekleidungspauschale für das 1. Halbjahr 2003 - entfalten.
Die Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf Beihilfe für die mit dem Antrag vom 24.
April 2003 benannten Kleidungsstücke zusteht, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens,
da die Klägerin mit ihrer Klage in eindeutiger Weise allein die Bekleidungspauschale
geltend macht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2, 1. Halbs. VwGO.
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