Urteil des VG Düsseldorf vom 11.02.2000

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, rechtsverordnung, vwvg, ermächtigung, gesundheit, rechtswidrigkeit, obg, bad, ermessen, interessenabwägung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 L 3975/99
Datum:
11.02.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 3975/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 27. Oktober 1999 anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
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Die Kammer macht von der ihr durch § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eingeräumten Befugnis,
die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen, wie hier, kraft Gesetzes,
vgl. §§ 11 Abs. 4 S. 2, 10 Abs. 8 BSeuchenG, § 8 AGVwGO NW, vollziehbaren
Verwaltungsakt anzuordnen, Gebrauch, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich
rechtswidrig ist und somit ein öffentliches Vollziehungsinteresse nicht bestehen kann,
oder wenn die Interessenabwägung ergibt, daß das Interesse des Betroffenen, von
Vollziehungsmaßnahmen (vorerst) verschont zu bleiben, aus sonstigen Gründen das
öffentliche Vollziehungsinteresse ausnahmsweise überwiegt. Beide Voraussetzungen
liegen hier nicht vor.
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Die Ordnungsverfügung vom 27. Oktober 1999 ist zunächst insoweit nicht offensichtlich
rechtswidrig, als der Antragstellerin aufgegeben wurde, die Untersuchung des
Schwimmbecken- und Whirlpoolwassers des von ihr betriebenen Freizeitbades E in L
monatlich durchzuführen. Über die Art und Weise der durchzuführenden
Untersuchungen herrscht dabei zwischen den Parteien kein Streit, angegriffen ist allein
der monatliche Untersuchungsrhythmus. Die Antragstellerin ist der Auffassung, die von
ihr alle drei Monate veranlaßten Untersuchungen seien ausreichend.
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Die Anordnung der monatlichen Untersuchung dürfte jedoch nicht zu beanstanden sein.
Nach § 11 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BSeuchenG hat die zuständige Behörde die notwendigen
Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des Absatzes 1 und der
Rechtsverordnung nach Absatz 2 sicherzustellen. Der Antragsgegner war als
Ordnungsbehörde zum Erlaß der Verfügung zuständig. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung
zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundes-Seuchengesetz ist (u.a.) für die
Durchführung von Maßnahmen nach § 11 Abs. 4 BSeuchenG die
Kreisordnungsbehörde zuständig. Die Aufgaben der Kreisordnungsbehörden werden
gemäß § 3 OBG von Kreisen und - so im Fall des Antragsgegners - kreisfreien Städten
wahrgenommen.
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Nach § 11 Abs. 1 S. 2 BSeuchenG muß Schwimm- oder Badebeckenwasser in
öffentlichen Bädern oder Gewerbebetrieben so beschaffen sein, daß durch seinen
Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit durch Krankheitserreger nicht
zu besorgen ist. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 BSeuchenG soll durch Rechtsverordnung des
Bundesministers für Gesundheit unter anderem geregelt werden, in welchen
Zeitabständen der Unternehmer oder Inhaber von Schwimm- oder Badebecken
Untersuchungen des Wassers durchführen (lassen) muß. Diese Rechtsverordnung für
Schwimm- und Badebeckenwasser wurde bisher nicht erlassen. Die zuständigen
Ordnungsbehörden können ihre Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualität des
Schwimm- und Badebeckenwassers daher allein an den Generalklauseln der oben
genannten Vorschriften ausrichten, die der allgemeinen ordnungsrechtlichen
Generalklausel des § 14 OBG vergleichbar sind. Dem Antragsgegner als zuständiger
Ordnungsbehörde war deshalb ebenso wie im Falle der Anwendung der allgemeinen
ordnungsrechtlichen Generalklausel bei der Wahl der Mittel Ermessen eingeräumt. Die
von dem Antragsgegner in der angegriffenen Ordnungsverfügung getroffene
Ermessensentscheidung kann vom Gericht allein daraufhin überprüft werden, ob der
Antragsgegner sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt
und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat, vgl. § 40 VwVfG NW.
Daß Untersuchungen des Wassers in der vom Antragsgegner verlangten Art dem
Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechen und zur Sicherung einer
gesundheitlich unbedenklichen Badewasserqualität grundsätzlich geeignet und
verhältnismäßig sind, liegt auf der Hand und wird auch von der Antragstellerin nicht in
Zweifel gezogen. Fraglich ist allein, ob die Anordnung der monatlichen Untersuchung
die Grenzen des dem Antragsgegner eingeräumten Ermessens überschreitet, weil sie
nicht erforderlich ist.
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Die monatliche Untersuchung dürfte jedoch erforderlich sein. Der Antragsgegner hat
seine Entscheidung insoweit an den Regelungen der DIN 19643-1 - Aufbereitung von
Schwimm- und Badebeckenwasser - ausgerichtet. Diese sieht unter 14.1 - Zeitfolge der
Kontrollen - vor: „Hallenbäder: monatlich einmal". Ein längerer Abstand ist nur für die
zweite dort geregelte Gruppe der Freibäder vorgesehen. Daß das Bad der
Antragstellerin den Hallenbädern im Sinne der DIN 19643-1 zurechnen ist, steht außer
Frage. Der Antragsgegner hat sich hier wohl zu Recht an der Regelung der DIN
orientiert. Bei der Beurteilung technisch-wissenschaftlicher Fragen können die vom
Deutschen Institut für Normung erarbeiteten DIN-Vorschriften aufgrund des technischen
Sachverstandes, den sie repräsentieren, eine wichtige Orientierungshilfe bieten.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluß vom 22. März 1991, 4 B 31/91.
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Soweit ein derartiger Verweis im Gesetz vorgesehen ist, können sie auch „anerkannte
Regeln der Technik" sein.
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Vgl. (für § 1 WHG) BVerwG, Beschluß vom 30. September 1996, 4 B 175/96, DÖV 1997,
303.
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Der von der Antragstellerin wiederholt, zuletzt mit Schriftsatz vom 10. Februar 2000
unter Beifügung eines Schreibens des Deutschen Instituts für Normung e.V., erhobene
Einwand, die DIN 19643-1 beschäftige sich nur mit betriebsinternen Kontrollen,
ermächtige aber nicht die Gesundheitsämter zur Durchführung von monatlichen
Untersuchungen, geht fehl. Dabei kann die Richtigkeit der von der Antragstellerin
insoweit vertretenen Auffassung unterstellt werden. Vorliegend wurde nicht eine
monatliche Untersuchung des Wassers durch das Gesundheitsamt angeordnet,
vielmehr wurde der Antragstellerin aufgegeben, das Wasser monatlich untersuchen zu
lassen. Eine andere Form betriebsinterner Kontrolle ist nicht vorstellbar, da ohne
weiteres davon auszugehen ist, daß die Antragstellerin die in der DIN 19643-1 u.a.
vorgesehene - monatliche - bakteriologische Untersuchung, die die besondere
Sachkunde und Einrichtung eines Labors erfordert, nicht selbst vornehmen kann. Daß
aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles vorliegend eine von der DIN 19643-1
abweichende Beurteilung geboten wäre, ist nicht ersichtlich.
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Auch wenn man mit der Antragstellerin der Auffassung ist, daß die Abhandlung
„Hygienische Überwachung öffentlicher und gewerblicher Bäder durch die
Gesundheitsämter", die in der von der Antragstellerin auszugsweise vorgelegten
Kommentierung der DIN sinngemäß zitiert wird und vom Antragsgegner im vollen
Wortlaut zur Akte gereicht wurde, in gleicher Weise wie die DIN von technischem
Sachverstand geprägt ist und einen Anhaltspunkt für die Bemessung der
Untersuchungsabstände geben kann, so führt die Anwendung der darin aufgestellten
Grundsätze hier doch nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angegriffenen
Anordnung des Antragsgegners. Der von der Kommission ausnahmsweise für möglich
gehaltene Untersuchungsabstand von vier Monaten gilt bereits ausdrücklich nicht für die
der Antragstellerin auch aufgegebene Untersuchung auf Legionellen. Ob die
Voraussetzungen für die in den Empfehlungen für möglich gehaltene Erstreckung der
Untersuchungsabstände auf vier Monate im übrigen vorliegen, ob insbesondere die dort
vorausgesetzte fortlaufende Aufzeichnung des Gehalts an Desinfektionsmitteln und der
Redoxspannung im Bad der Antragstellerin tatsächlich durchgeführt wird, wie die
Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10. Februar 2000 erstmals substantiiert
behauptet, kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, daß den
Vorgaben der Empfehlungen der Badewasserkommission der Vorzug vor den
strengeren Anforderungen der DIN 19643-1 zu geben wäre. Daß die Entscheidung des
Antragsgegners an einer erst im Entwurf vorliegenden Rechtsverordnung auszurichten
sein sollte, wie die Antragstellerin meint, erscheint dem Gericht nicht nachvollziehbar.
Jedenfalls kann die Nichtbeachtung der zuletzt genannten Auffassungen angesichts der
hinsichtlich des Untersuchungsabstands eindeutigen Fassung der DIN 19643-1
keinesfalls zu der hier erforderlichen offensichtlichen Rechtswidrigkeit der
Ordnungsverfügung führen.
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Auch die Zwangsgeldandrohung ist nicht offensichtlich rechtswidrig. Die
Voraussetzungen der §§ 55 Abs. 1, 63 VwVG NW liegen vor. Der für die Androhung
eines Zwangsgeldes gesetzte Rahmen, § 60 Abs. 1 S. 1 VwVG NW, von zwanzig bis
einhunderttausend DM wurde eingehalten. Das Zwangsgeld von 1.000 DM je Verstoß
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steht nicht außer Verhältnis zum Interesse der Antragstellerin an der Nichtbefolgung des
Verwaltungsaktes, § 60 Abs. 1 S. 2 VwVG NW, zumal dieses Interesse nicht nur in der
Ersparnis der Kosten der jeweiligen Untersuchung besteht, sondern zugleich in der
Verringerung des Risikos der Aufdeckung von Betriebsstörungen.
Bei dieser Sachlage geht die Interessenabwägung zugunsten des öffentlichen
Vollziehungsinteresses aus. Da es um die Abwendung von Gesundheitsgefahren geht,
die für die Benutzer des Bades entstehen und von diesen weitergetragen werden
können, muß das private Interesse der Antragstellerin, das sich in der Vermeidung von
Kosten und nur lästigem Verwaltungsaufwand erschöpft, zurückstehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde gemäß §§
20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG in Höhe des halben Regelwertes festgesetzt.
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