Urteil des VG Düsseldorf vom 03.02.2010

VG Düsseldorf (wirtschaftliches interesse, konkretes rechtsverhältnis, grund, wert, probe, produkt, verfügung, lebensmittel, verbraucher, nachweis)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 K 2973/09
Datum:
03.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 2973/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Klägerin vertreibt das Erzeugnis "H Bio Distelöl, kaltgepresst, aus 1. Pressung,
cholesterinfrei". Das Produkt wird mit der Angabe "hergestellt für B mbH, Tstraße 5, D-
E" (im Folgenden: B) in Verkehr gebracht.
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Am 19. Februar 2008 wurde beim "F"-Markt in der T1 Straße 38 in C eine Probe dieses
Produktes mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 06.08 (L5C) entnommen und durch das
Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen C untersucht. Laut Gutachten vom
8. April 2008 sei nach dem Ergebnis der chemisch-analytischen Untersuchung ein
Gehalt an di- und polymeren Triglyceriden von 0,25% ermittelt worden; bei
kaltgepressten Speiseölen pflanzlicher Herkunft betrage der Gehalt diesbezüglich zum
Nachweis der Erhitzung höchstens 0,10%. Das untersuchte Speiseöl weise somit
deutliche Anzeichen einer thermischen Behandlung auf.
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Daraufhin forderte der Beklagte die N GmbH (im Folgenden: N) mit Verfügung vom 6.
Mai 2008 auf Grund der beurteilten Irreführung (§ 11 Abs. 1 LFBG i.V.m. Art. 16 VO (EG)
178/2002) auf, diese Charge und die nachfolgenden Chargen aus dem Verkauf zu
nehmen, bis die entsprechende Verkehrsfähigkeit dieses Produktes nachgewiesen
worden sei. Ferner bat er um Vorlage der Rückrufdokumentation, Benennung des
Herstellers und ggfs. der Vorlieferanten, Nachweis der Eigenkontrolle vorangegangener
Chargen, dass dieses Produkt den ausgelobten Anforderungen (kaltgepresst)
entspreche und Angaben zur Menge der verkauften Chargen (MHD 06.08 (L5C)).
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Ebenfalls am 6. Mai 2008 wurde beim "F"-Markt in der Vstraße 299 in E eine Probe
dieses Produktes, Mindesthaltbarkeitsdatum 10.08 (L2E) entnommen und anschließend
durch das Chemische Untersuchungsamt der Stadt I untersucht. Das Gutachten vom 28.
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Mai 2008 kam zu dem Ergebnis, dass nach dem analytischen Befund der Anteil an di-
und oligomeren Triglyceriden 0,33g/100g betrage und das Distelöl auf Grund der
chemischen Analyse als "raffiniert" bzw. nicht als kaltgepresst einzustufen sei.
Daraufhin forderte der Beklagte die N mit Verfügung vom 2. Juni 2008 "auf Grund der
beurteilten Irreführung (§ 11 Abs. 1 LFGB i.V.m. Art. 16 VO (EG) 178/2002)" auf,
sämtliche Chargen, soweit noch nicht geschehen, für den Verbraucher nicht mehr
erreichbar aus dem Verkauf zu nehmen, bis ihm die entsprechende Verkehrsfähigkeit
dieses Produktes nachgewiesen worden sei. Ferner bat er um Vorlage der
Rückrufdokumentation, sowie um Mitteilung, ob die Gegenproben der vom Bezirksamt
N1-I1 in C entnommenen Probe und der Probenentnahme vom 6. Mai 2008 untersucht
worden seien, welche Eigenkontrollmaßnahmen seit dem 25. Januar 2007 durchgeführt
worden seien, welche Mengen des Artikels seit dem Prüfbericht der F1 GmbH (im
Folgenden: F1) vom 25. Januar 2007 von der Klägerin abgenommen worden seien und
welche Größe die jeweilige Charge gehabt habe.
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Weiterhin nahm der Beklagte diesen Sachverhalt zum Anlass, gegen die
Geschäftsführer der B Bußgeldverfahren einzuleiten. Die Anhörungsschreiben datieren
vom 10. September 2008. Das hinsichtlich eines der Geschäftsführer nach Erlass eines
Bußgeldbescheides vor dem zuständigen Amtsgericht fortgeführte Bußgeldverfahren
wurde im Hinblick auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage der B (16 K
1799/09) ausgesetzt.
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Die Klägerin hat am 29. April 2009 Klage erhoben. Sie macht geltend: Der Beklagte
habe ihr gegenüber verbindliche Anordnungen getroffen. Auf Grund der vom Beklagten
ausgesprochenen Vertriebsverbote sei es ihr nicht möglich, ihr Produkt über die Filialen
der N derzeit an die Verbraucher abzugeben. Der Verwaltungsakt greife damit
unmittelbar in ihre Rechte ein. Sie sei unmittelbar in ihrem aus Art. 12 und 14 GG
folgenden Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt. Auf Grund
des an ihre Kundin gerichteten Verbots des Inverkehrbringens der beanstandeten
Erzeugnisse seien diese Geschäftsbeziehungen nachhaltig gestört. Durch eine
Durchsetzung des angeordneten Vertriebsverbotes würden die Geschäftsbeziehungen
zwischen ihr und der N insgesamt beendet. Zusätzlich sei ein jedenfalls zeitweiliges
Verbot des Inverkehrbringens mit einer massiven Beeinträchtigung ihres Rufes
verbunden. Auch angesichts dieser Rufschädigung und wegen des ergangenen
Verwaltungsaktes sei die N derzeit nicht bereit, die Geschäftsbeziehungen zu ihr für das
beanstandete Produkt aufrecht zu erhalten. Dadurch, dass hier in laufende, nahezu im
täglichen Rhythmus erfolgende Lieferbeziehungen eingegriffen werde, unterscheide
sich der Fall von den Fallgestaltungen, in denen lediglich eine unternehmerische
Chance vereitelt werde und die daher nicht unter den Schutzbereich des Art. 14 GG
fielen. Schließlich gebiete auch ein ihr gegebenenfalls zustehender
Amtshaftungsanspruch vor dem Hintergrund des Vorranges des Primärrechtsschutzes
die Klageerhebung. Da sie Betroffene sei, hätte der Verwaltungsakt auch ihr gegenüber
bekannt gegeben werden müssen. Eine Irreführung der Verbraucher sei
ausgeschlossen, da es sich bei dem in Rede stehenden Distelöl tatsächlich um
kaltgepresstes, aus 1. Pressung stammendes Öl gehandelt habe. Eine bloße
Überschreitung des Wertes von 0,1% an polymeren Triglyceriden ohne weitere
Überprüfungen rechtfertige nicht den erhobenen Vorwurf eines rechtswidrigen
Handelns. Das bloße Abstellen auf den Wert von 0,1% an di- und polymeren
Triglyceriden für den Nachweis einer Wärmebehandlung von Öl sei nicht sachgerecht.
Der Wert von 0,1% sei nicht verbindlich festgelegt, sondern lediglich in einem Entwurf
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zur Änderung der Leitsätze enthalten. Er werde auch nur als ein Parameter zum
Nachweis einer Erhitzung genannt. Weiterer Indikator sei die Summe der trans-Isomere
von C 18:1, C 18:2 und C 18:3, zu der sich in keinem der Untersuchungsbefunde eine
Aussage befinde. Auf Grund der im Distelöl ablaufenden technologischen Prozesse
während der Lagerung bildeten sich polymere Triglyceride über den Wert von 0,1%
hinaus, dies werde von mehreren Sachverständigen bestätigt. Zu dem für die
Kennzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt der Herstellung bzw. Abfüllung hätten keine
Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass das Öl einer thermischen Behandlung unterzogen
worden sei. Dazu sei auf die große Zahl der Eigenuntersuchungen hinzuweisen. Der
Untersuchungsbefund von F1 vom 25. Januar 2007 betreffe dasselbe
Mindesthaltbarkeitsdatum wie die erste amtliche Probe. Wäre das Distelöl tatsächlich
einer thermischen Behandlung unterzogen worden, hätte schon bei der damaligen
Untersuchung der Wert für polymeres Triglycerid über dem vermeintlichen Grenzwert
liegen müssen. Natürliche Veränderungen während der mehrmonatigen Lagerung lägen
außerhalb des Verantwortungsbereichs des Lebensmittelunternehmers.
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 6. Mai 2008 und den Bescheid vom 2. Juni 2008
aufzuheben,
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hilfsweise festzustellen, dass die Bezeichnung des Erzeugnisses "H Bio
Distelöl", das Gegenstand der Beanstandung vom 10. September 2008 ist, in
objektiver Hinsicht nicht gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verstößt.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Klage für unzulässig,
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum vorliegenden
sowie zu den dieselben Beanstandungen betreffenden Verfahren 16 K 1799/09 und
16 K 3142/09 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.
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Die Klägerin ist nicht klagebefugt, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO.
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Sie ist nicht Adressatin des angefochtenen Verwaltungsaktes. Dieser ist nicht an sie
gerichtet, auch inhaltlich obliegt der Klägerin die Umsetzung der durch die Verfügung
des Beklagten aufgegebenen Verpflichtungen nicht. Vielmehr ficht die Klägerin die
Verfügung als nicht unmittelbar beteiligte Dritte an. In einem solchen Fall kann eine
Aufhebung des Verwaltungsaktes nur dann beansprucht werden, wenn für die rechtliche
Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs die Anwendung von Rechtsnormen in
Betracht kommt, die zumindest auch dem Schutz des Individualinteresses Dritter zu
dienen bestimmt sind,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1995 - 3 C 27.94 -, NVwZ-RR 1996, 537 m.w.N.,
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und die Klägerin von dem angegriffenen Verwaltungsakt unmittelbar tatsächlich in der
durch diese Norm geschützten Rechtsposition betroffen ist oder jedenfalls die
Möglichkeit einer solchen Betroffenheit nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
Daher kommt es darauf an, ob nach der objektiv gegebenen Rechtslage subjektive
eigene Rechte oder zumindest anderweitig rechtlich geschützte Interessen verletzt sein
können. Ein rein wirtschaftliches Interesse an der Überprüfung der
Verwaltungsentscheidung genügt insoweit nicht.
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Die Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) dienen zum
einen dem Verbraucherschutz, zum anderen begrenzen sie zu Gunsten der Hersteller
und Inverkehrbringer die Eingriffsbefugnisse der Behörden. Sie gewähren dem
einzelnen Lebensmittelhersteller bzw. –inverkehrbringer dagegen keine
subjektivöffentlichen Rechte auf Schutz vor rechtswidrigen Eingriffen in
Geschäftsbeziehungen.
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Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf ihre Grundrechte aus Art. 12 und Art.
14 GG berufen. Sie ist durch das an ihre Geschäftspartnerin ergangene Verbot des
vorübergehenden Inverkehrbringens eines einzigen der von ihr hergestellten Produkte
nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit betroffen. Den
angefochtenen Maßnahmen fehlt im Hinblick auf die Klägerin die berufsregelnde
Tendenz. Weder wird ihr der Vertrieb des Produktes verboten noch werden ihr Pflichten
auferlegt,
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vgl. zum mangelhaften Grundrechtsbezug von Maßnahmen gegenüber anderen
Marktteilnehmern BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95 u.a. -, NJW
2003, 1232.
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Auch in das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG wird nicht eingegriffen. Das gegenüber
der Geschäftspartnerin der Klägerin ausgesprochene Verbot, vorübergehend ein von
der Klägerin vertriebenes Produkt in Verkehr zu bringen, hat den Angaben der Klägerin
zufolge Auswirkungen auf den Vertriebsweg und führt zu einer Beeinträchtigung der
Geschäftsbeziehungen, nämlich zu deren Beendigung. Derartige Beeinträchtigungen
unterfallen nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Denn der hierdurch gewährleistete
Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes umfasst nicht bloße
(Umsatz- und Gewinn-) Chancen und tatsächliche Gegebenheiten, wie die bestehenden
Geschäftsverbindungen,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84.
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Art. 14 Abs. 1 GG vermittelt nur Bestandsschutz, keinen Erwerbsschutz.
Einnahmeausfälle und Aufwendungen, die mittelbar durch das in der Verfügung
ausgesprochene Verbot des vorübergehenden Inverkehrbringens entstehen und die
Existenz des Betriebes als solchen nicht bedrohen, betreffen den Unternehmer allenfalls
in seinen eigentumsrechtlich als solchem nicht geschützten Vermögen. Die Klägerin
muss sich insoweit auf die aus den vertraglichen Beziehungen mit ihrer
Vertragspartnerin folgenden Rechte und entsprechenden Rechtsschutzmöglichkeiten
verweisen lassen. In diesem Verhältnis geht es letztlich um die Frage, ob die Klägerin
mängelbehaftete Ware geliefert hat. Weder zur Klärung dieser Frage noch im Hinblick
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auf eine eventuell später beabsichtigte Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs
ist nach Art. 19 Abs. 4 GG eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen die einen Dritten
betreffende Maßnahme der Lebensmittelaufsicht geboten. Effektiver Rechtsschutz kann
vielmehr durch die Zivilgerichte gewährt werden.
Auch die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist unzulässig.
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Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein
berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Eine solche Feststellungsklage
kann statthafterweise nur zur Klärung eines konkreten Rechtsverhältnisses, d.h. nur
unter der Voraussetzung erhoben werden, dass die Anwendung einer Rechtsnorm auf
einen bestimmten, bereits übersehbaren Sachverhalt zwischen den Parteien streitig ist.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Ein in diesem Sinne hinreichend
konkretes Rechtsverhältnis liegt nicht vor. Der Beklagte hat zwar das mit der
Bezeichnung "kaltgepresst" in Verkehr gebrachte Distelöl der Klägerin als irreführend
beanstandet, diese Beanstandung ist aber nicht unmittelbar gegenüber der Klägerin
erhoben worden sondern gegenüber anderen in der Handelskette beteiligten
Lebensmittelunternehmen, nämlich dem auf der Packung mit dem Zusatz "hergestellt
für" gekennzeichneten Lebensmittelunternehmen bzw. der dieses Unternehmen
beherrschenden Muttergesellschaft. Gegenüber der Klägerin ist der Beklagte nicht tätig
geworden; die streitige Frage besteht damit nicht unmittelbar zwischen den Parteien
sondern nur mittelbar über die von der Klägerin eingegangenen Geschäftsbeziehungen.
Dies reicht für die Bejahung eines Feststellungsinteresses nicht aus, da keine rechtliche
sondern nur eine wirtschaftliche Position der Klägerin betroffen ist.
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Die Klage wäre aber auch unbegründet.
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Gemäß § 39 Abs. 2 S. 1 LFGB treffen die zuständigen Behörden die notwendigen
Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines
hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße
oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die
Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind.
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Der Vertrieb des Produkts verstieß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB.
Nach diesen Vorschriften ist es unter anderem verboten, Lebensmittel unter
irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu
bringen, was insbesondere der Fall ist, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung
geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige
Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit,
Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung
verwendet werden. Die im vorliegenden Fall für das Distelöl zusätzlich verwendete
Bezeichnung "kalt gepresst, aus 1. Pressung" ist bzw. war in Bezug auf die am 19.
Februar 2008 und 6. Mai 2008 entnommenen Proben zur Täuschung der Verbraucher
geeignet. Jedenfalls begründeten die Feststellungen des Beklagten den hinreichenden
Verdacht eines solchen Verstoßes gegen das Irreführungsverbot.
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Ausweislich der Untersuchungsbefunde enthielten die untersuchten Proben Anteile an
di- und oligomeren Triglyceriden, die zumindest in dieser Menge in einem
kaltgepressten Öl nicht enthalten sein können. Dies ist in der dem Beklagten gegenüber
abgegebenen gutachterlichen Stellungnahme des H1 vom Chemischen
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Untersuchungsamt der Stadt I vom 1. April 2009 nachvollziehbar und überzeugend
dargelegt worden (Beiakte Heft 1 zu 16 K 1799/09). Der Gutachter nimmt dabei auch zu
der von der Klägerin angeführten Möglichkeit eines lagerungsbedingten Anstiegs der
polymeren Triglyceride Stellung. Er berichtet, dass bei Versuchen, bei denen Öl 4
Wochen lang der Sonne bei 28° C ausgesetzt worden sei, ein Anstieg des dimeren
Gehaltes von 0,03 auf 0,13% beobachtet worden sei, diese Öle aber alle nicht mehr
genusstauglich gewesen seien, da sie eine extreme Ranzigkeit aufgewiesen hätten. Die
als Gegenbeweis genannten Lagerungsversuche, die der Sachverständige N2
durchgeführt habe, seien laut telefonischer Auskunft desselben 60 Tage lang bei 60° C
durchgeführt worden; eine sensorische Prüfung sei nicht vorgenommen worden. Da
derartige Versuchsbedingungen nicht mit einer normalen Lagerung vergleichbar sind,
vermögen sie einen lagerungsbedingten Anstieg der di- und oligomeren Triglyceride
von einem unter 0,1% liegenden Ausgangswert für kaltgepresste Öle auf 0,25% bzw.
sogar 0,33% ohne Auffälligkeiten bei der sensorischen Prüfung nicht zu erklären. Der in
der mündlichen Verhandlung als sachverständiger Beistand für die Klägerin anwesende
A hat die festgestellten Werte ebenfalls als auffällig hoch eingeschätzt. Angesichts
dessen begegnet es keinen Bedenken, dass zusätzliche Untersuchungsbefunde auf
andere Indikatoren für eine Wärmebehandlung nicht erhoben worden sind. Die genaue
Ursachenfeststellung obliegt gegebenenfalls der Klägerin bzw. ihren Vertragspartnern.
Auch der Prüfbericht der F1 vom 25. Januar 2007 ist nicht geeignet, das
Untersuchungsergebnis in Frage zu stellen. Dort wird als Ergebnis der physikalisch-
chemischen Untersuchung vom 23. bis 25.01.2007 eines Distelöls kbA mit der Los-Nr.
919 AUS für polymeres Triglycerid ein Wert von <0,05% angegeben. Dass dieses
Untersuchungsergebnis die Charge betrifft, zu der auch die am 19. Februar 2008
entnommene Probe des Öls mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 06.08 und der
Chargennummer L5C gehört, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Zwar enthält
dieser von der Klägerin als Anlage 8 zur Klageschrift in Kopie vorgelegte Prüfbericht
den mitkopierten handschriftlichen Zusatz "H MHD: 06 08 L5C". Dies reicht allerdings
nicht als Beleg dafür aus, dass dieser Prüfbericht sich tatsächlich auf das später
beanstandete Öl mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 06.08 und der Chargennummer L5C
bezieht, denn dieser handschriftliche Zusatz war auf einer nach der Beanstandung des
Öls von der Klägerin an die N am 7. Mai 2008 übersandten Kopie des Prüfberichts
(Beiakte Heft 1 zu 16 K 3142/09) noch nicht enthalten, muss also zu einem späteren
Zeitpunkt angebracht worden sein.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Gründe für eine Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr.
4 VwGO liegen nicht vor.
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