Urteil des VG Düsseldorf vom 29.08.2002

VG Düsseldorf: schüler, rechtsverordnung, realschule, gymnasium, leistungsfähigkeit, klassenbildung, zaun, zahl, oberstufe, eltern

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 L 2617/02
Datum:
29.08.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 2617/02
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der am 2. Juli 2002 gestellte Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2
Verwaltungsgerichtsordnung aufzugeben, den Antragsteller vorläufig bis zur
rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren 1 K 4518/02 mit Beginn des
Schuljahres 2002/2003 in die Jahrgangsstufe 5 der K- Gesamtschule, aufzunehmen,
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hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist eine einstweilige
Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden
Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder Gefahren zu vereiteln
oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer solchen
Regelungsanordnung setzt voraus, dass der zu Grunde liegende materielle Anspruch,
der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, der
Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§
920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]).
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht,
dass ihm ein Anspruch auf Aufnahme in die Jahrgangsstufe 5 der K- Gesamtschule O
zum kommenden Schuljahr zusteht.
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Die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Antragstellers auf Erziehung und
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Bildung (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Verfassung für das Land Nordrhein- Westfalen [Verf
NRW], Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Grundgesetz [GG]) bzw. seiner Eltern, die Erziehung und
Bildung ihres Kindes zu bestimmen (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Verf NRW, Art. 6 Abs. 2
Satz 1 GG), schließen den Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter
zumutbaren Bedingungen ein und dabei insbesondere das Recht, zwischen den
bestehenden Schulformen zu wählen.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse
vom 8. August 1994 - 19 B 1459/94 - m.w.N., vom 1. Oktober 1997 - 19 A 6455/96 - und
vom 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -.
8
Die verfassungsrechtlich gewährleistete Schulformwahlfreiheit findet allerdings ihre
Grenze in den im Rahmen der staatlichen Schulaufsicht (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 8
Abs. 3 Satz 2 Verf NRW) vorgegebenen eignungs- und leistungsbezogenen
Zugangsvoraussetzungen und ferner dort, wo die Aufnahme des betreffenden Schülers
zu einer Gefährdung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der aufnehmenden Schule
führen würde, weil deren Kapazität erschöpft ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2000 - 19 B 1177/00 - und 18. Dezember
2000 - 19 B 1306/00 -.
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Letzteres ist hier der Fall; die Kapazität der von dem Antragsgegner geleiteten
Gesamtschule ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts ausgeschöpft.
11
Gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 1 Schulverwaltungsgesetz (SchVG) i.V.m. § 5 Abs. 2 Allgemeine
Schulordnung (ASchO) entscheidet der Schulleiter über die Aufnahme eines Schülers
innerhalb des vom Schulträger festgelegten allgemeinen Rahmens. Dieser ist hier nach
dem glaubhaften Vorbringen des Antragsgegners, dem der Antragsteller auch nicht
entgegengetreten ist, durch die Stadt O als Schulträger dahingehend konkretisiert
worden, dass im kommenden Schuljahr an der K- Gesamtschule vier (Eingangs-
)Klassen eingerichtet werden. Diese Vorgabe ist für den Schulleiter bindend; er ist nicht
befugt, darüber hinauszugehen.
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Gemäß § 3 Abs. 1 Erstes Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-
Westfalen (Schulordnungsgesetz - SchOG), § 5 Abs. 1 lit. a) Gesetz über die
Finanzierung der öffentlichen Schulen (Schulfinanzgesetz - SchFG) werden die
Klassenstärken durch Rechtsverordnung bestimmt. Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1
Verordnung zur Ausführung des § 5 SchFG vom 22. Mai 1997 (VO zu § 5 SchFG a.F.),
ebenso jetzt § 6 Abs. 5 Satz 1 VO zu § 5 SchFG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 22. April 2002 (GVBl. NRW S. 148), beträgt der Klassenfrequenzrichtwert in den
Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Gesamtschule 28. Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 lit. b) VO zu §
5 SchFG a.F. (§ 6 Abs. 5 Satz 2 lit. b) VO zu § 5 SchFG) gilt bei vier- und mehrzügigen
Jahrgangsstufen eine Bandbreite von 27 bis 29 Schülern, die um eine Schülerin oder
einen Schüler über- oder unterschritten werden kann.
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Der Antragsgegner hat nach seinem auch insoweit glaubhaften Vorbringen von der
Möglichkeit der Überschreitung der Bandbreite Gebrauch gemacht und 30 Schüler pro
Klasse (insgesamt 120 Schüler) aufgenommen. Damit ist die Kapazität der Schule, wie
sie durch § 5 VO zu § 5 SchFG a.F. (§ 6 VO zu § 5 SchFG) vorgegeben ist,
ausgeschöpft. Das Gericht hat die an die Vorgabe in § 3 Abs. 1 Satz 2 SchOG
anknüpfende Wertung des Verordnungsgebers zu respektieren, dass zur
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Gewährleistung einer erfolgreichen Bildungs- und Erziehungsarbeit die Klassenstärken
für mehrzügige Schulen in der Regel auf 28 bis 30 Schüler zu begrenzen sind. Durch
die Inbezugnahme der Verordnung zu § 5 SchFG in § 3 Abs. 1 Satz 4 SchOG ist
klargestellt, dass diese Verordnung keine ausschließlich finanzrechtliche, sondern eine
gleichermaßen haushaltsrechtlich wie pädagogisch bestimmte Zielrichtung hat.
Soweit der Antragsteller auf die Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 2 lit. b) Satz 2 VO zu § 5
SchFG a.F. (§ 6 Abs. 5 Satz 2 lit. b) Satz 2 VO zu § 5 SchFG) verweist, ergibt sich
daraus keine freie Kapazität um einen weiteren Platz. Nach dieser Bestimmung kann
der Schulleiter/die Schulleiterin einer Realschule oder eines Gymnasiums eine
Überschreitung (oder Unterschreitung) der Bandbreite um einen weiteren Schüler/eine
weitere Schülerin zulassen, wenn dies im Einzelfall zur Klassenbildung erforderlich ist.
Es kann hier dahinstehen, ob es sich, wie der Antragsteller meint, mit Blick auf die
Nichteinbeziehung der Gesamtschule um eine Ungleichbehandlung gleicher
Sachverhalte handelt. Allerdings spricht Vieles dafür, dass die Differenzierung zwischen
Realschule/Gymnasium einerseits und Gesamtschule andererseits sachlich durch die
Besonderheiten der Schulform Gesamtschule gerechtfertigt ist. Diese verfolgt, wie sich
aus § 4 d SchVG ergibt, ein abweichendes pädagogisches Unterrichtskonzept, da
ungeachtet der jeweils angestrebten Schulabschlüsse der Unterricht grundsätzlich im
Klassenverband erfolgt. Dies bedingt, dass in einer Gesamtschulklasse regelmäßig in
stärkerem Maße als an einer Realschule oder einem Gymnasium leistungsschwächere
und leistungsstärkere Schüler/Schülerinnen gemeinsam zu unterrichten sind, was sich
im Vergleich zur Realschule oder zum Gymnasium in einem höheren
Betreuungsaufwand seitens der Lehrkraft auswirken dürfte. Vor diesem Hintergrund ist
es sachgerecht, bei der Gesamtschule den Klassenfrequenzhöchstwert auf 30 Schüler
zu beschränken und anders als bei Realschule und Gymnasium eine weitere
Ausnahme nicht zuzulassen. Die Kammer geht dem aber nicht abschließend nach.
Denn auch die vom Antragsteller geltend gemachte verfassungskonforme Einbeziehung
der Gesamtschule in die Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 2 lit. b) Satz 2 VO zu § 5 SchFG
a.F. führte nicht dazu, dass ein weiterer Aufnahmeplatz zur Verfügung stünde. Die
weitere Überschreitungsmöglichkeit knüpft daran an, dass dies zur Klassenbildung
erforderlich ist. Diese Voraussetzungen ist nicht gegeben. Es bedarf nicht der Aufnahme
eines weiteren (31.) Schülers, um an der Schule des Antragsgegners eine
Klassenbildung möglich zu machen. Eine solche ist vielmehr auch ohne weitere
Überschreitung gewährleistet. Auch sonstige Einzelfallumstände, die eine Ausweitung
der Klassenschülerzahl auf 31 erfordern könnten, wie z.B. die Unterbringung eines
Wiederholers, sind nicht ersichtlich.
15
Der Einwand des Antragstellers, § 5 VO zu § 5 SchFG stelle keine hinreichende
Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung von Kapazitätsgrenzen dar, greift ebenfalls
nicht durch. § 5 Abs. 5 VO zu § 5 SchFG findet in § 5 Abs. 1 lit. a) SchFG eine
ausreichende Ermächtigungsgrundlage, die den Anforderungen des Art. 70 Sätze 1 bis
3 Verf NRW genügt und auch im Übrigen verfassungsgemäß ist.
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Vgl. im Einzelnen Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGH
NRW), Urteil vom 24. August 1993 - 13/92 -, DVBl. 1993, S. 1209 ff.
17
Insbesondere legt § 5 Abs. 1 lit. a) SchFG Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung
hinreichend bestimmt fest. Danach dürfen Klassenbildungswerte nach den
pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnissen der einzelnen Schulformen,
Schulstufen oder Klassen durch Rechtsverordnung festgesetzt werden. Soweit es sich
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dabei um ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe handelt, verletzt dies das
Bestimmtheitsgebot nicht. Eine Ermächtigungsnorm genügt dem Maßstab des Art. 70
Satz 2 Verf NRW auch dann, wenn sich durch Auslegung oder Ausfüllung unbestimmter
Rechtsbegriffe die Reichweite der dem Verordnungsgeber übertragenen
Rechtsetzungsbefugnis bestimmen lässt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da sich
unter Heranziehung der Zweckbestimmung des § 5 Abs. 1 SchFG, durch Festlegung
des Klassenbildungswertes auf den Lehrerbedarf und damit die Personalausgaben
Einfluss zu nehmen, sowie unter Einbeziehung der anderweitig geregelten Vorgaben für
die Ausbildung von Schülern (vgl. z.B. § 3 Abs. 1 SchOG, §§ 26, 26 b SchVG) ermitteln
lässt, was unter den „pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnissen der
einzelnen Schulformen, Schulstufen oder Klassen" zu verstehen ist.
Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 24. August 1993 - 13/92 -, a.a.O., S. 1210.
19
Soweit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3, Abs. 2 Satz 1 GG den Gesetzgeber
verpflichten, im Schulwesen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen,
begegnet § 5 Abs. 1 SchFG auch in dieser Hinsicht keinen Bedenken. Nach der
Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein- Westfalen vom 24.
August 1993, die gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtshofgesetz NRW
Gesetzeskraft hat, stellen die nach § 5 Abs. 1 lit. a) SchFG festzusetzenden
Klassenbildungswerte als Berechnungsfaktor zur Feststellung des Lehrerbedarfs (auch)
keine für die Grundrechtsausübung von Eltern und Schülern relevante Entscheidung
dar, sodass der Gesetzgeber nicht gehindert war, der Schulverwaltung die Regelung der
Einzelheiten der Klassenbildungswerte durch Rechtsverordnung zu übertragen.
20
Vgl. im Einzelnen VerfGH NRW, Urteil vom 24. August 1993 - 13/92 -, a.a.O., S. 1210.
21
Trotz Ausschöpfung der durch § 5 VO zu § 5 SchFG a.F. (§ 6 VO zu § 5 SchFG)
vorgegebenen Kapazitäten kann - vorbehaltlich der durch die tatsächliche
Aufnahmekapazität gezogenen Grenzen (z.B. auf Grund der räumlichen Situation) - über
die in der Rechtsverordnung zu § 5 SchFG geregelten Ausnahmetatbestände hinaus
eine Überschreitung des Regelwertes nach § 3 Abs. 1 Satz 2 SchOG, § 5 VO zu § 5
SchFG a.F. (§ 6 VO zu § 5 SchFG) allerdings dann in Betracht gezogen werden, wenn
es andernfalls vor dem Hintergrund der genannten verfassungsrechtlichen Garantien zu
unerträglichen Ergebnissen kommen würde.
22
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. September 1991 - 19 B 2373/91 -;
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. Juli 1996 - 1 L 2457/96 -, 23. Juni
1999 - 1 L 1774/99 -, 20. Juli 2000 - 1 L 1183/00 - und 11. Juli 2002 - 1 L .1505/02 -.
23
Das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalles hat der Antragsteller nicht glaubhaft
gemacht.
24
Soweit er geltend macht, die Auswahlentscheidung sei ermessensfehlerhaft, kann offen
bleiben, ob dies dazu führen würde, dass die Kapazität der Schule rechtlich noch nicht
erschöpft wäre, oder ob im Hinblick auf die möglicherweise rechtswidrigen, aber im
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung doch wirksamen Aufnahmeentscheidungen zu
Gunsten der aufgenommenen Schülerinnen und Schüler von einer
Kapazitätserschöpfung auszugehen ist. Auch im letzteren Falle ließe sich ein
Aufnahmeanspruch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes daraus ableiten,
dass ein Verweis auf die Kapazitätserschöpfung im Hinblick auf die
25
Rechtsschutzgewährleistung in Art. 19 Abs. 4 GG zu einem unerträglichen Ergebnis
führen würde.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2000 - 19 B 1177/00 - und 18. Dezember
2000 - 19 B 1306/00 -; ferner Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 9. August
2000 - 1 L 1512/00 -.
26
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass der
Antragsgegner das ihm bei der nach § 5 Abs. 2 ASchO zu treffenden
Aufnahmeentscheidung eingeräumte Auswahlermessen zu Lasten des Antragstellers
fehlerhaft ausgeübt hätte. Gemäß § 114 VwGO unterliegt die Auswahlentscheidung des
Antragsgegners nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung dahin, ob dieser
den vom Schulträger für die Aufnahme festgelegten allgemeinen Rahmen beachtet, von
seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht widersprechenden Weise
Gebrauch gemacht und seiner Ermessensentscheidung einen zutreffenden Sachverhalt
zugrundegelegt hat.
27
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 - 19 A 6455/96 -, 15. August 2000 - 19
B 1177/00 - und 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -.
28
Nach diesen Maßstäben lässt sich ein Ermessensfehler nicht feststellen. Die vom
Antragsgegner herangezogenen Aufnahmekriterien - ausgewogene
Leistungsheterogenität, ausgewogenes Verhältnis von Jungen und Mädchen,
Berücksichtigung von sozialen Härtefällen, angemessene Berücksichtigung
ausländischer Schüler/Schülerinnen und Losverfahren im Übrigen - sind sachgerecht,
29
vgl. z.B. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. August 1994 - 19 B 1459/94 - und 18.
Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7.
August 2001 - 1 L 1340/01 -; siehe auch Pöttgen/Jekuhl/Zaun, Kommentar zur
Allgemeinen Schulordnung, 18. Aufl., § 5 Anm. 2, S. 59 ff.
30
Der Antragsgegner ist an ihrer Heranziehung auch nicht deshalb gehindert, weil sie
nicht ausdrücklich gesetzlich oder im Rahmen einer Rechtsverordnung als
Aufnahmekriterien benannt sind. Es ist keine Norm ersichtlich, die dies verlangte.
Soweit der Antragsteller darauf verweist, das Auswahlverfahren müsse gewährleisten,
dass die Vergabe der Plätze unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes nach
sachgerechten Kriterien erfolge, und ferner geltend macht, das Verfahren müsse durch
Gesetz oder Verordnung geregelt sein, sind diese Voraussetzungen mit § 5 Abs. 2
ASchO erfüllt. Insbesondere durch die bei der Ermessensbetätigung einzuhaltenden
rechtlichen Grenzen (vgl. auch § 40 VwVfG) bestehen hinreichende Vorgaben für den
Rahmen, innerhalb dessen der Schulleiter/die Schulleiterin sich bei der Entscheidung
über die Aufnahme zu bewegen hat. Damit ist auch gewährleistet, dass nur
sachgerechte Auswahlkriterien herangezogen werden dürfen.
31
Die Durchführung des Auswahlverfahrens des Antragsgegners anhand der
vorgenannten Aufnahmekriterien hält sich ebenfalls in dem durch § 114 VwGO
gezogenen Rahmen.
32
Das Differenzierungsmerkmal der Leistungsheterogenität soll gewährleisten, dass die
Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule in ihrer Leistungsfähigkeit die gesamte
Leistungsbreite in einem ausgewogenen Verhältnis vertreten. Damit gründet es sich auf
33
den an die Gesamtschule gerichteten, ihre schulformspezifische Ausgestaltung
bestimmenden in § 4 Abs. 7, § 4 d SchVG normierten Auftrag, in einem differenzierten
Unterrichtssystem Bildungsgänge zu ermöglichen, die zu allen Abschlüssen der
Sekundarstufe I führen, und (in aller Regel) die zur allgemeinen Hochschulreife
führende Sekundarstufe II als gymnasiale Oberstufe vorzuhalten.
OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -.
34
Das Auswahlkriterium der Leistungsheterogenität bezweckt hiernach eine
leistungsmäßige Durchmischung der aufzunehmenden Schüler. Wie ein ausgewogenes
Verhältnis hinsichtlich der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit zu bilden ist, ist weder
gesetzlich noch in einer Rechtsverordnung geregelt. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen und
des erkennenden Gerichts ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Hälfte
der zur Verfügung stehenden Plätze an leistungsstärkere Schüler vergeben wird und die
andere Hälfte der Schülerplätze der Gruppe der leistungsschwächeren Schüler
vorbehalten wird.
35
OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -, vom 15. August 2000
- 19 B 1177/00 - und vom 8. August 1994 - 19 B 1459/94 -; Verwaltungsgericht
Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 1999 - 1 L 1774/99 -; Pöttgen/Jekuhl/Zaun, ASchO,
18. Aufl., § 5 Rdn. 2 S. 61.
36
Eine solche gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Schülerplätze lässt unter
Berücksichtigung von Prognoseunsicherheiten in etwa erwarten, dass eine im
Allgemeinen für die Führung einer gymnasialen Oberstufe ausreichende Zahl von
leistungsstärkeren Schülern aufgenommen wird, bei denen davon ausgegangen werden
kann, dass sie die höheren Abschlüsse der Sekundarstufe I erreichen werden; sie
ermöglicht zum anderen, dass bei der Aufnahme in grundsätzlich angemessener Zahl
leistungsschwächere Schüler berücksichtigt werden, für die die sonstigen Abschlüsse
der Gesamtschule erreichbar sind, wenn sie sich nicht doch gemäß ihrer durch ihre
Fähigkeiten und Neigungen und die darauf abgestellte schulspezifische Förderung
bestimmten schulischen Entwicklung für die höheren Abschlüsse qualifizieren.
37
OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -.
38
Soweit die Heranziehung des Kriteriums der Leistungsheterogenität im Sinne der
Bildung von Leistungsgruppen dazu führt, dass die Schülerinnen und Schüler, deren
Leistungsgruppe bei den Anmeldungen überrepräsentiert ist, über schlechtere
Aufnahmechancen verfügen als die der anderen Leistungsgruppe Zugehörigen,
rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Die insoweit bestehende Ungleichbehandlung
ist der Anwendung dieses Kriteriums - wie überdies der Anwendung jedes
Differenzierungskriteriums - immanent und damit aus den oben genannten Gründen
sachlich gerechtfertigt.
39
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 5. Juli 2001 - 1 L 1552/01 - und vom
11. Juli 2002 - 1 L 1505/02 -.
40
In diesem Zusammenhang ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn der
Schulleiter sich bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit der angemeldeten
Schülerinnen und Schüler auf das Grundschulzeugnis des 1. Halbjahres der 4. Klasse
41
und dort auf die Leistungsbewertung in bestimmten Fächern stützt, denen ein höherer
Aussagewert zu der Leistungsfähigkeit des Schülers zukommt als anderen Fächern.
Stellt der Schulleiter auf die Fächer Deutsch, Mathematik und Sachunterricht ab, ist dies
nicht rechtswidrig.
Für die Zulässigkeit der Heranziehung dieser Fächer ausdrücklich auch OVG NRW,
Beschluss vom 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -; Verwaltungsgericht Düsseldorf,
Beschluss vom 23. Juni 1999 - 1 L 1774/99 -; Pöttgen/Jekuhl/Zaun, a.a.O., § 5 Rdn. 2 S.
61.
42
Da die Heranziehung des durch einen Notendurchschnitt dokumentierten
Leistungsstandes sachgerecht ist, ist es rechtlich ebenso wenig zu beanstanden, wenn
der Antragsgegner sich für die Einordnung in eine Leistungsgruppe auf dieses Kriterium
beschränkt und lediglich hypothetische Leistungsentwicklungen - die sonst bei allen die
Aufnahme begehrenden Kindern zu bedenken wären - nicht mit in den Blick nimmt. Dies
gilt umso mehr, als der aufnehmenden Schule die schulischen Leistungen der
angemeldeten Schüler bis auf die für das Anmeldeverfahren erforderlichen Unterlagen
nicht weiter bekannt sind und dem Antragsgegner somit für die Einschätzung des
Leistungspotenzials eine hinreichende Beurteilungsgrundlage fehlen dürfte. Genauso
wenig ist der Antragsgegner danach gehalten, im Rahmen des Auswahlverfahrens
nochmals eine gesonderte eigene Leistungsprüfung vorzunehmen.
43
Ausgehend davon ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Antragsgegner auf der
Basis des Notendurchschnitts in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht
zwei Leistungsgruppen - Notendurchschnitt von 2,6 und besser bzw. Notendurchschnitt
schlechter als 2,6 - gebildet hat.
44
Vgl. auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 8. August 2001 - 1 L 1624/01 -
.
45
Ebenso wenig zu beanstanden ist die weitere Differenzierung nach dem Geschlecht, da
dies gewährleisten soll, dass Jungen und Mädchen in einem ausgewogenen Verhältnis
aufgenommen werden und es sich dabei, wie angeführt, um ein zulässiges Kriterium
handelt.
46
Die Handhabung des Kriteriums „angemessene Berücksichtigung ausländischer
Schülerinnen und Schüler" vermag ebenfalls nicht auf einen Aufnahmeanspruch des
Antragstellers zu führen. Soweit der Antragsgegner vorab ein bestimmtes Kontingent an
ausländische Schüler/Schülerinnen vergeben hat, begegnet dies nach dem
gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts keinen Bedenken, da es sich dabei um ein
grundsätzlich zulässige Differenzierungskriterium handelt,
47
vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 8. August 1994 - 19 B 1459/94 - und
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 31. Juli 1998 - 1 K 4307/98 - und
Beschluss vom 11. Juni 1996 - 1 L 2457/96 -,
48
und auch die Umsetzung mit der Orientierung an dem Anteil der ausländischen
Bevölkerung in der Stadt O einen sachgerechten Anknüpfungspunkt darstellt.
Anhaltspunkte, dass die zu Grunde gelegte Quote (13 %) mit den tatsächlichen
Gegebenheiten nicht übereinstimmte, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.
Soweit die Heranziehung des Kriteriums „angemessene Berücksichtigung
49
ausländischer Schülerinnen und Schüler" dazu führt, dass ausländische
Schüler/Schülerinnen in ihrer Auswahlgruppe über größere Aufnahmechancen verfügen
als die nicht ausländischen Schüler/Schülerinnen in ihren Auswahlgruppen, rechtfertigt
dies keine andere Bewertung. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass diese
Ungleichbehandlung der Anwendung des Kriteriums immanent und mit Blick auf die
Zulässigkeit des Kriteriums an sich ebenfalls sachlich gerechtfertigt ist.
Soweit der Antragsgegner die nicht ausgelosten ausländischen Schüler/Schülerinnen
bei der Vergabe der übrigen Plätze erneut berücksichtigt hat, ist zwar nicht zu
verkennen, dass die ausländischen Schülerinnen und Schüler hierdurch insoweit
begünstigt werden, als ihnen eine zweifache Loschance zukommt. Eine solche
Privilegierung könnte allerdings unter dem Aspekt der Kompensation einer möglichen
strukturellen Benachteiligung ausländischer Schülerinnen und Schüler im
Zusammenhang mit der Heranziehung des Kriteriums der Leistungsheterogenität
sachlich gerechtfertigt sein.
50
Vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 8. August 2001 - 1 L
1624/01 -.
51
Die Kammer geht der Frage hier nicht abschließend nach. Denn selbst wenn die
Privilegierung sachlich nicht gerechtfertigt wäre, ergäbe sich daraus kein
Aufnahmeanspruch zu Gunsten des Antragstellers, da sich die dann gegebene
Ungleichbehandlung nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt hätte. Nach dem von dem
Antragsgegner über das Aufnahmeverfahren angefertigten Protokoll sind allein in der
Gruppe B 1 (2. Leistungsgruppe, Mädchen) vorab nicht ausgeloste ausländische
Schülerinnen erneut in die Gruppe eingeordnet worden und haben am weiteren
Losverfahren in der Gruppe B 1 teilgenommen. Da der Antragsteller dieser Gruppe nicht
zugeordnet war, hätte sich mithin eine etwaige Ungleichbehandlung nicht zu seinen
Lasten ausgewirkt, da seine Aufnahmechancen dadurch nicht berührt worden sind.
52
Auch die Anwendung des Kriteriums des sozialen Härtefalls hält sich in dem durch §
114 VwGO gezogenen Rahmen. Es handelt sich dabei um ein zulässiges, unterhalb der
Grenze unerträglicher Ergebnisse aber kein zwingendes Differenzierungskriterium.
53
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 1994 - 19 B 1459/94 -; Verwaltungsgericht
Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. August 2001 - 1 L 1340/01 - und 4. Juli 2002 - 1 L
1179/02 -.
54
Liegt schon die grundsätzliche Anerkennung dieses Kriteriums im Ermessen des
Schulleiters bzw. des Schulträgers, gilt dies mangels normativer Vorgaben
grundsätzlich auch für seine inhaltliche Ausgestaltung. Dabei kann offen bleiben, ob die
inhaltliche Ausfüllung des Merkmals der sozialen Härte in vollem Umfang gerichtlich
überprüfbar ist oder einer nur begrenzt justiziablen Einschätzungsprärogative des
Schulleiters bzw. Schulträgers unterfällt. Denn jedenfalls beruht die inhaltliche
Ausgestaltung durch den Antragsgegner nicht auf sachwidrigen und damit im
Rechtssinne willkürlichen Erwägungen. Nach dem Protokoll über das
Aufnahmeverfahren sind in dem vom Antragsgegner durchgeführten 4. Schritt „unter
Berücksichtigung besonderer sozialer Härten (allein erziehend, besonderer
Förderbedarf, sonstige im Aufnahmegespräch vorgebrachte Gründe)" insgesamt 14
Schüler über dieses Kriterium aufgenommen worden. Dass der Heranziehung der
jeweils im Einzelnen vermerkten Gesichtspunkte sachwidrige Erwägungen zu Grunde
55
liegen, ist nicht ersichtlich. Sie tragen namentlich der nachvollziehbaren Annahme
Rechnung, dass bei schwierigen familiären Verhältnissen die Betreuungssituation des
Schülers regelmäßig erschwert sein dürfte und ein besonderes Bedürfnis nach einer
Beschulung (gemeinsam mit Geschwistern) auf einer Gesamtschule besteht, ferner,
dass ein auf besonderen Umständen des Einzelfalles beruhender Förderbedarf eine
Aufnahme rechtfertigt. Anhaltspunkte, dass die konkret ausgewählten Schüler danach
nicht hätten ausgewählt werden dürfen, liegen nicht vor.
Nicht ausschlaggebend ist, welche Aussagen zum Aufnahmeverfahren in den
Informationsveranstaltungen der Schule des Antragsgegners getätigt worden sind. Dass
der Antragsgegner sich durch die dort gegebenen Erläuterungen zu den Modalitäten
des Aufnahmeverfahrens rechtlich in irgend einer Weise binden wollte, ist nicht
ersichtlich und angesichts des bloßen Informationscharakters der Veranstaltungen auch
fern liegend. Auch sonst liegen keine Anknüpfungspunkte dafür vor, dass der
Antragsgegner durch Äußerungen im Vorfeld rechtlich bindend die für das
Auswahlverfahren maßgeblichen Aufnahmekriterien festgelegt hätte.
56
Die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller nicht über das Kriterium des
sozialen Härtefalls aufzunehmen, lässt schließlich ebenfalls keinen Rechtsfehler
erkennen. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner
Gesichtspunkte wie Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS) für sich allein nicht als
ausreichend erachtet hat, einen sozialen Härtefall zu begründen. Da derartige
Umstände in einer Mehrzahl von Fällen vorkommen, sind die Erwägungen des
Antragsgegners, diese (allein) nicht als besondere Gründe im Sinne eines sozialen
Härtefalls anzusehen, auf der Grundlage der Erkenntnismittel des Eilverfahrens nicht
sachwidrig.
57
Auch die Durchführung des Auswahlverfahrens im Weiteren hält sich in dem durch §
114 VwGO gezogenen Rahmen, da die Durchführung eines Losverfahrens innerhalb
jeder gebildeten Gruppe als letzter Auswahlvorgang keinen Anlass zur Beanstandung
gibt und Fehler bei der Anwendung dieses Auswahlkriteriums weder von dem
Antragsteller substantiiert geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich sind.
58
Ein Aufnahmeanspruch des Antragstellers ergibt sich auch nicht unter dem
Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit des Besuchs einer anderen Schule. Er hat nicht
glaubhaft gemacht, dass der Schulbesuch einer anderen als der K-Gesamtschule für ihn
mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre. Gründe, die dem Besuch jedweder
anderen in Betracht kommenden Schule rechtlich zwingend entgegenstehen würden,
sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
59
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
60
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
61
62