Urteil des VG Düsseldorf vom 23.11.2006

VG Düsseldorf: subjektives recht, gewinnung, abgrabung, wasser, hauptsache, ermessen, klagerücknahme, beweismittel, rechtsverletzung, behörde

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 3518/05
Datum:
23.11.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3518/05
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren
eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Gewinnung und zum Vertrieb von Sand und
Kies. Unter dem 19. April 1991 hatte ihr der Regierungspräsident E eine
Abgrabungsgenehmigung betreffend das Grundstück in X, G1 (vormals G2, davor G3,
X1) erteilt. Die Genehmigung erstreckt sich neben der Gewinnung von Sand und Kies
auch auf die Herstellung von Kleingewässer (Feuchtbiotope). Nach Ziffer 3.1 der
Nebenbestimmungen zur Abgrabungsgenehmigung musste die Abgrabung bis zum 31.
Dezember 2001 und die Herrichtung bis zum 31. Dezember 2002 beendet sein. Mit
Änderungsbescheid vom 10. April 2003 verlängerte der Beklagte die Rekultivierungsfrist
bis zum 31. Dezember 2007. Bereits mit wasserrechtlicher Erlaubnis vom 27. August
1992 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19. Oktober 1993 hatte der
Beklagte der Klägerin gestattet, das für die Kieswäsche benötigte Wasser in einer
Menge bis zu 40 m³/stündlich, 3.120 m³/wöchentlich und 156.000 m³/jährlich (50
Wochen) in das hergestellte Gewässer einzuleiten. Die Erlaubnis ist befristet bis zum
31. Dezember 2009.
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Nach den Angaben der Klägerin sind die Flächen der Abgrabung X1 mit Ausnahme der
von den Betriebsanlagen in Anspruch genommenen Flächen (13,75 ha) vollständig
rekultiviert. Zu diesen Anlagen wird derzeit über eine elektrisch betriebene
Landbandstraße noch Sand- und Kiesmaterial transportiert, das die Klägerin in der
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Trockenabgrabung auf den Grundstücken in X, G4, G5, G6 (tlw.), G7, G8 und G9 sowie
G10 und G11 (Abgrabung X2), gewinnt.
Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2004 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie gehe davon
aus, dass die Entnahme und die Wiedereinleitung des für die Kieswäsche benötigten
Wassers im Rahmen des nach § 24 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ordnung des
Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) erlaubnisfreien
Eigentümergebrauchs erfolge. Einer wasserrechtlichen Erlaubnis habe es daher nicht
bedurft. Zugleich beantragte die Klägerin, die Erlaubnisfreiheit der Gewässerbenutzung
durch die Erteilung eines Freistellungsbescheides zu bestätigen. Unter dem 15. Juni
2004 wies die Klägerin ferner darauf hin, dass sich die Fördermenge auf bis zu 800
m³/stündlich, 9.600 m³/täglich und 1.920.000 m³/jährlich belaufe. Auch insoweit halte sie
aber die Voraussetzungen für die Ausübung des Eigentümergebrauchs für erfüllt.
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Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. September 2004 mit, es werde
derzeit zu der Frage, ob die Gewässerbenutzung für die Kieswäsche als erlaubnisfreie
Eigentümernutzung anzusehen sei, eine landeseinheitliche Regelung angestrebt. Vor
diesem Hintergrund werde eine Entscheidung über den Antrag der Klägerin zunächst
zurückgestellt.
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Am 8. August 2005 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben und beantragt
festzustellen, dass die Entnahme von Wasser sowie die Wiedereinleitung des
Brauchwassers auf dem Vorhabengrundstück zum Zwecke der Kieswäsche im Rahmen
des erlaubnisfreien Eigentümergebrauchs erfolge.
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Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2006 hat die Klägerin dem Bergamt N angezeigt, dass sie
in der Gemeinde X, G4, G5, G6 (tlw.), G7, G8 und G9 sowie G10 und G 11 (X2) einen
Tagebau zur Gewinnung von quartären Sanden und Kiesen auf einer Gesamtfläche von
etwa 37,6 ha betreibe. Nach ihrer Auffassung sei das gewonnene Kies- und
Sandmaterial zur Herstellung feuerfester Erzeugnisse im Sinne des § 3 Abs. 4 des
Bundesberggesetzes (BBergG) geeignet, so dass das Vorhaben der Bergaufsicht
unterliege.
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Unter dem 7. März 2006 hat der Geologische Dienst NRW dem Bergamt N mitgeteilt, bei
der Lagerstätte (Tagebau X2) handele es sich um Sande und Kiese der Unteren
Mittelterrasse, die stratigrafisch dem Quartär zuzuordnen seien. Da in unmittelbarer
Nachbarschaft die Eignung der Lagerstätte zur Herstellung feuerfester Erzeugnisse
nachgewiesen worden sei und hier vergleichbare geologische Verhältnisse vorlägen,
werde eine weitere Eignungsuntersuchung für nicht erforderlich gehalten. Aus den
Gründen dieser Stellungnahme hat das Bergamt N die Klägerin und den Beklagten mit
Schreiben vom 13. März 2006 darauf hingewiesen, dass das Vorhaben der Klägerin der
Bergaufsicht unterliege.
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Mit Schriftsatz vom 17. August 2006 hat die Klägerin den Rechtsstreit in der
Hauptsache, soweit es die Feststellung der Erlaubnisfreiheit der Entnahme und der
Wiedereinleitung von Wasser für die Kieswäsche betrifft, für erledigt erklärt. Sie
beantragt nunmehr,
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den Beklagten zu verpflichten, den im Feststellungsverfahren entstandenen
Verwaltungsvorgang des Beklagten (Aktenzeichen 0.0-0 00 00-00/00) an das Bergamt
N zu verweisen,
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hilfsweise an die Bezirksregierung B1 zu verweisen.
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Der Beklagte hat sich der teilweisen Erledigungserklärung angeschlossen und
beantragt im Übrigen,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für
erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3
Satz 1 VwGO einzustellen.
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2. Hinsichtlich des streitig gebliebenen Teils hat die Klage keinen Erfolg. Die Klage ist
insgesamt unzulässig.
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2.1. Soweit die Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Verpflichtung des
Beklagten zur Verweisung des im Feststellungsverfahren entstandenen
Verwaltungsvorganges (Aktenzeichen 0.0-00 00 00-00/00) an das Bergamt N zum
Gegenstand ihrer Klage gemacht hat, liegt eine Änderung des Antrags und damit eine
Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO vor. Hierauf hat sich der Beklagte im Termin
zur mündlichen Verhandlung eingelassen (§ 91 Abs. 2, 2. Fall VwGO), so dass eine
Einwilligung in die Änderung der Klage anzunehmen ist.
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2.2. Die geänderte Klage ist unzulässig. Für das auf Verweisung der in Rede stehenden
Verwaltungsvorgänge gerichtete Begehren der Klägerin ist die allgemeine
Leistungsklage statthaft, da der begehrten Aktenübersendung an die Bergbehörden
keine Verwaltungsaktqualität zukommt. Der Aktenübersendung fehlt es an der
Außenwirkung im Sinne des § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Die Klägerin ist nicht klagebefugt (§ 42 Abs.
2 VwGO analog). Für sie streitet keine einfach-gesetzliche Vorschrift, die ein subjektives
Recht auf die erstrebte Leistung beinhaltet. Bereits die Möglichkeit einer
Rechtsverletzung der Klägerin scheidet mithin aus. Es ist Sache der Bergbehörden,
gegebenenfalls für erforderlich gehaltene Akten im bergrechtlichen
Betriebsplanverfahren beizuziehen. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW bedient sich
die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung
des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann nach Satz 2 Nr. 3 der Vorschrift
insbesondere Akten beiziehen. Im Rahmen der Amtshilfe kann dabei grundsätzlich auch
von anderen Behörden die Vorlage von Akten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG NRW
verlangt werden. Auch diese verfahrensrechtlichen Vorschriften begründen keine
subjektiven Rechte der Klägerin, da sie nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer
effektiven Verwirklichung der Verwaltungsaufgaben dienen (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 26. August 1998, 11 VR 4/98). Nach dem Vorstehenden kommt es auch nicht
entscheidungserheblich darauf an, ob es sich bei dem von der Klägerin gewonnenen
Abbaumaterial um grundeigene Bodenschätze im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 1 des
Bundesberggesetzes (BBergG) handelt. Das Gericht hat deshalb davon abgesehen,
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dem Beweisantrag der Klägerin nachzugehen.
Aus denselben Gründen (vgl. Ziffer 2.2.) war auch dem Hilfsantrag der Erfolg zu
versagen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich des erledigten
Verfahrensteils ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Verfahrenskosten unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu
entscheiden. Dem entspricht es, die Entscheidung an den Grundsätzen des
Kostenrechts auszurichten. Nach dem Grundsatz des § 155 Abs. 2 VwGO, wonach
derjenige, der eine Klage zurücknimmt, die Kosten zu tragen hat, erschien es
angemessen, die Klägerin mit den Kosten zu belasten. Deren Erledigungserklärung
stellt sich nämlich bei Lichte besehen als verschleierte Klagerücknahme dar. Eine
Erledigung ist nämlich nicht deshalb eingetreten, weil auf Grund der Mitteilungen des
Bergamtes N vom 13. März 2006 nunmehr möglicherweise feststeht, dass die
Gewinnung der in Rede stehenden Bodenschätze in einem bergrechtlichen
Betriebsplanverfahren zugelassen werden kann. Denn dieser Grund kann nicht
nachträglich eingetreten sein, sondern nur von Anfang an bestanden haben. Die zum
Abbau vorgesehenen Sande und Kiese können die Eigenschaft eines grundeigenen
Bodenschatzes im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 1 BBergG nicht erst während des
Verfahrens (zum Beispiel aufgrund einer Änderung der für diese Einschätzung
maßgeblichen rechtlichen Vorschriften) erlangt, sondern nur von vornherein gehabt
haben. Die nunmehr erlangte Kenntnis von der rechtlichen Qualifizierung als
Bodenschatz - dies hier unterstellt - hat lediglich das Interesse der Klägerin an der
weiteren Verfolgung ihres ursprünglich gegenüber dem Beklagten gerichteten Begehren
entfallen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2006, 7 B 18.06). Damit stellt der
Ausstieg der Klägerin aus dem Prozess nichts anderes als eine in den Mantel der
Erledigungserklärung gekleidete Klagerücknahme dar, die es rechtfertigt, ihr nach dem
genannten Grundsatz die Kosten aufzuerlegen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO,
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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