Urteil des VG Düsseldorf vom 05.09.2005

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, parkhaus, lärm, unzumutbarkeit, grundstück, ausnahme, interessenabwägung, baustelle, zahl, bestandteil

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 9 L 1535/05
Datum:
05.09.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 1535/05
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 7.
Juli 2005 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom
24. Mai 2005 wird angeordnet.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Bauarbeiten zur Ausführung
des genehmigten Vorhabens mit Ausnahme von Arbeiten zur Sicherung
der Baustelle gegen Witterungseinflüsse unverzüglich durch eine für
sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Hauptsacheverfahrens stillzulegen.
Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen die Kosten des
Verfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 7. Juli 2005 gegen die dem
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 24. Mai 2005 anzuordnen,
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ist zulässig und begründet.
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Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Nachbarwiderspruchs gemäß §§
80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO kommt entgegen der in § 212 a Abs. 1 BauGB getroffenen
gesetzlichen Grundentscheidung dann in Betracht, wenn das Interesse des Nachbarn
an der Suspendierung der angegriffenen Baugenehmigung gegenüber dem öffentlichen
Interesse oder dem Interesse des Bauherrn an deren Vollziehung überwiegt. Das ist in
der Regel dann der Fall, wenn die Baugenehmigung offensichtlich gegen
Rechtsvorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt
sind. Diese Voraussetzungen liegen bei der hier allein möglichen und gebotenen
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summarischen Prüfung vor.
I.
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1. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 24. Mai 2005 verletzt
offensichtlich nachbarschützende Vorschriften.
7
Ein Verstoß gegen Vorschriften des Bauplanungsrechts, die der Antragstellerin
Nachbarschutz vermitteln, liegt nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens vor.
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Da weder das Baugrundstück selbst noch die Grundstücke der Antragstellerin (Sstraße
Flurstücke 99, 101 und 103) im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, richtet
sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens des Beigeladenen nach §
34 BauGB. Danach ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten
Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise
und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren
Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 BauGB). Entspricht
die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der
Baunutzungsverordnung, handelt es sich also um ein so genanntes faktische Baugebiet,
beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach
der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2
BauGB).
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Bei der Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2
BauGB ist darauf abzustellen, inwieweit sich einerseits das Vorhaben auf die
Umgebung und andererseits die Umgebung auf das Baugrundstück prägend auswirken
kann.
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Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.
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Bei der Beurteilung dieser Frage kann auch die unterschiedliche Bebauung diesseits
und jenseits einer Straße eine Rolle spielen, wobei es wiederum auf die Art des
Unterschiedes ankommen kann.
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BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 28,83 -, BRS 42 Nr. 26; Beschluss vom 29. April
1997 - 4 B 67.97 -, BRS 59 Nr. 80; Beschluss vom 11. Februar 2000 - 4 B 1.00 -, BRS 63
Nr. 102.
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Die Einheitlichkeit einer Bebauung kann bewirken, dass eine angrenzende, etwa durch
einen Bahndamm und eine Straße getrennte, andersartige Bebauung nicht zur näheren
Umgebung i.S.d § 34 BauGB gehört.
14
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 1997, a.a.O..
15
Einzubeziehen ist die tatsächlich vorhandene Bebauung, ggfs. auch die in einem
angrenzenden Bebauungsplangebiet, wobei es auf die Festsetzungen des
Bebauungsplanes insoweit nicht ankommt.
16
Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand: 16. April 2005, § 34 Rn. 36 m.w.N.
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In Anwendung dieser Grundsätze wird die nähere Umgebung hier auf das südlich der
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T2straße, nördlich der Hstraße, östlich der Cstraße und westlich der Istraße verlaufende
Gebiet begrenzt. Die T2straße liegt ca. 300 m vom Bauvorhaben des Beigeladenen
entfernt. Auswirkungen auf weiter nördlich befindliche Grundstücke hat das Vorhaben
schon wegen dieser Entfernung nicht; dies gilt umgekehrt auch für Auswirkungen jenes
Bereichs auf das Vorhaben. Im Westen wird die maßgebliche Umgebung durch die
Cstraße abgegrenzt, weil die weiter westlich liegende Bebauung sich schon mangels
Wahrnehmbarkeit auf das Vorhaben nicht auswirkt. Im östlichen Bereich des
Straßengevierts wirkt die breit ausgebaute, in weiten Bereichen vierspurige Istraße als
Zäsur. Das trennende Element der Straße ergibt sich bereits daraus, dass die Straße
durch einen Grünstreifen unterbrochen wird, der die Bebauung auf beiden Seiten
optisch deutlich voneinander trennt, sowie daraus, dass die jenseits der Istraße
befindliche Bebauung durch den Abriegelungseffekt der ausgedehnten Justizgebäude
vom Grundstück des Beigeladenen aus nicht mehr wahrgenommen werden können.
Eine ähnliche Abriegelungswirkung entfaltet die geschlossene Bebauung auf der
Nordseite der Hstraße (Hausnrn. 50-60) sowie das ebenfalls als Justizgebäude genutzte
Haus Ecke H-/Istraße.
Nach dem Eindruck, den die Berichterstatterin auf Grund der Ortsbesichtigung
gewonnen und den sie der Kammer vermittelt hat, ist dieses Gebiet durch eine
Gemengelage gekennzeichnet: Mit Ausnahme der dem Justizbereich zugehörigen
Gebäude werden die Grundstücke in dem beschriebenen Straßengeviert überwiegend
zu Wohnzwecken genutzt. Mehrere Gebäude werden allerdings ausschließlich von
freiberuflich Tätigen genutzt, beispielsweise von Rechtsanwaltskanzleien,
Unternehmensberatungen oder Arztpraxen; das sind die Grundstücke Sstraße 30-32
und (nach Fertigstellung) 36-38, Cstraße 24-24 a, Istraße 181 und das Grundstück Ecke
T3straße/Istraße. In einigen Häusern befinden sich Wohnungen und Büros. Damit
entspricht die Eigenart der insbesondere durch Wohnbebauung, Verwaltungs-, Justiz-
und Bürogebäude gekennzeichneten Umgebung auch mit Blick auf § 13 BauNVO
keinem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung (§ 34 Abs. 2 BauGB), so dass sich
das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt.
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Diese Bestimmung gewährt Nachbarschutz nur nach Maßgabe des Gebots der
Rücksichtnahme, das in dem Begriff des Einfügens enthalten ist. Dabei kann im
vorliegenden Eilverfahren offen bleiben, ob sich das Vorhaben nach seiner Art (vgl. § 12
Abs. 1 BauNVO) und seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise und
überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt oder
nicht. Unabhängig davon kann sich die Antragstellerin nämlich auf ihr nachbarliches
Abwehrrecht berufen, weil das Bauvorhaben nach derzeitigen Erkenntnissen ihr
gegenüber rücksichtslos ist.
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Welche Anforderungen an das Rücksichtnahmegebot zu stellen sind, hängt von den
Umständen des Einzelfalls ab. Danach kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangt
werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die
Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht
derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je
verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit seinem Vorhaben verfolgten
Interessen sind. Die hierbei vorzunehmende Interessenabwägung hat sich an den
Kriterien der Zumutbarkeit auszurichten, und zwar in dem Sinne, dass abzuwägen ist,
ob dem Betroffenen die nachteiligen Einwirkungen eines streitigen Vorhabens
billigerweise zugemutet werden können oder nicht.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 - 4 B 215.96 -, BRS 58 Nr. 164; OVG
NRW, Beschluss vom 8. Januar 2003 - 10 B 1611/01 -.
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Ausgehend hiervon fällt die in diesem Zusammenhang vorzunehmende
Interessenabwägung zu Lasten des Antragsgegners und des Beigeladenen aus. Die
Grundstücke der Antragstellerin waren bislang einem Parkplatz mit einer
Größenordnung von mehr als 200 Stellplätzen in ihrer näheren Umgebung nicht
ausgesetzt. Die Antragstellerin musste auch nicht damit rechnen, nachdem sich auf dem
Baugrundstück seit dem Abriss des früheren Rollsportstadions nunmehr seit
Jahrzehnten eine Grünfläche mit Baumbestand befand. Zwar durfte sie nicht erwarten,
dass das Grundstück dauerhaft unbebaut bleiben würde; die bauliche Situation auf dem
Baugrundstück und seiner Umgebung ist aber nicht derart vorgeprägt, dass inmitten der
oben beschriebenen Gemengelage aus Wohnbebauung, Büronutzung und
Justizgebäude mit der Errichtung eines Parkhauses der genehmigten Größe zu rechnen
war. Für die vorhandenen Wohnhäuser besteht nach dem gegenwärtigen
Erkenntnisstand kein oder kaum Bedarf für weiteren Parkraum, weil sie über Garagen
und/oder Stellplätze verfügen; für die in jüngerer Zeit errichteten Wohngebäude gilt dies
wegen der Stellplatzerrichtungspflicht ohnehin. Soweit im Ortstermin erkennbar, waren
Garagen bzw. Stellplätze auch auf den Grundstücken vorhanden, die freiberuflich
genutzt wurden; jedenfalls ist Gegenteiliges weder vom Antragsgegner noch vom
Beigeladenen vorgetragen worden. Diese haben auch im übrigen den Parkraumbedarf
nicht substantiiert dargelegt. Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich lediglich, dass
in der Umgebung des Bauvorhabens Parkplätze benötigt werden und das Parkhaus
insbesondere Besuchern der Gerichte und der Justizvollzugsanstalt zur Verfügung
stehen soll. Im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsgegner auf den Stellplatzbedarf
der Richter- und Anwaltschaft sowie der rechtsuchenden Bevölkerung verwiesen, ohne
diesen allerdings in irgendeiner Weise zu spezifizieren. Dass ein Parkhaus einer
derartigen Größenordnung in der Umgebung dringend benötigt wird, drängt sich auch
nach dem Eindruck aus dem Ortstermin nicht auf. Es war erkennbar, dass die von der
Justiz genutzten Grundstücke über eine nicht unerhebliche Zahl an Stellplätzen
verfügen. Mit Ausnahme der Istraße war das Verkehrsaufkommen auf den Straßen
während der Begehung des Gevierts gering. Wenn auch die öffentlichen Parkbuchten
vielfach belegt waren, waren in der Umgebung der Gerichtsgebäude durchaus noch
Parkplätze vorhanden. Anhaltspunkte dafür, dass ein Parkhaus mit 214 Stellplätzen
(davon 144 für Kurzparker) benötigt würde, haben sich nicht ergeben.
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Die Grundstücke der Antragstellerin waren ungeachtet ihrer Nähe zu den
Gerichtsgebäuden und der Justizvollzugsanstalt nach derzeitigem Erkenntnisstand auch
sonst nicht in der Weise vorbelastet, dass ihr das Vorhaben des Beigeladenen
zuzumuten wäre. Die Grundstücke befinden sich im westlichsten Teil der Sstraße, die
dort in nördliche Richtung abzweigt und in den verengten, vor Einrichtung der Baustelle
als Einbahnstraße ausgestalteten Bereich übergeht. Öffentliche Parkbuchten befanden
sich in diesem Bereich kaum. Schon von daher spricht vieles für die Richtigkeit des
Vortrages der Antragstellerin, dass es sich um eine verhältnismäßig ruhige Wohnstraße
gehandelt hat. Verkehrszählungen, die Gegenteiliges belegten, hat der Antragsgegner
bisher offenbar nicht durchgeführt. Eine nennenswerte Vorbelastung der Grundstücke
hat der Antragsgegner auch sonst nicht dargelegt; sie ist bei der allein möglichen
summarischen Prüfung auch nicht erkennbar. Demgegenüber würde von dem
genehmigten Parkhaus selbst und dem damit verbundenen Zu- und Abfahrtsverkehr
eine erhebliche Lärmbelastung der Nachbargrundstücke ausgehen, und zwar in einer
Größenordnung, die von der Antragstellerin nicht hingenommen werden muss.
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Antragsgegner und Beigeladener rechnen selbst mit (maximal) 1400 Pkw-Bewegungen
zum bzw. vom Parkhaus (vgl. S. 13 des Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen
Gutachtens des TÜV vom 16. März 2005). Diese Zahl ist in jenem Gutachten (S. 13)
dahin konkretisiert worden, dass von 140 Fahrzeugbewegungen durch Dauerparker und
1000 Pkw-Bewegungen durch Kurzparker, insgesamt also 1140 Bewegungen,
ausgegangen wird. Daraus ist augenscheinlich die Annahme von 87 bis 88 Pkw-
Bewegungen pro Stunde bei einer Öffnungszeit des Parkhauses von 13 Stunden
entstanden (vgl. S. 13 des Gutachtens). Bei Zugrundelegung dieser - allerdings nicht
weiter begründeten - Zahlen muss die Antragstellerin infolge der in der Nähe ihrer
Grundstücke geplanten Ein- und Ausfahrt des Parkhauses mit mehr als 1000
zusätzlichen Fahrzeugbewegungen täglich rechnen. Es spricht nach vorläufigen
Erkenntnissen einiges dafür, dass schon die deutliche Zunahme des Verkehrs für die
Antragstellerin nicht zumutbar ist, jedenfalls nicht ohne nähere Feststellungen der
verkehrlichen Vorbelastung in dem ihre Grundstücke erschließenden Bereich der
Rheinbahnstraße. Die Mutmaßung des Gutachters, derartige Bewegungen vermischten
sich mit dem übrigen Verkehr auf der Straße und brächten keine nennenswerte
Pegelerhöhung mit sich, ist jedenfalls nicht näher belegt. Abgesehen davon müsste die
Antragstellerin nicht nur ein gestiegenes Verkehrsaufkommen auf der Sstraße, sondern
auch und vor allem erhebliche Emissionen aus dem Parkhaus selbst hinnehmen.
Dessen Außenwand soll im Bereich der Südfassade lediglich in den unteren Ebenen
1.1, 1.2, 2.1 und 2.2 verschlossen werden, während die oberen Parkebenen nur mit
geräuschdurchlässigen Gittern versehen werden sollen. Das führte zu praktisch
ungefilterten Immissionsbelastungen auf die Grundstücke der Antragstellerin. Findet
eine Abschirmung der oberen Ebenen des Parkhauses kaum statt, so wären jene
Grundstücke zudem Abgasen und sonstigen Immissionen wie etwa Türenschlagen und
Scheinwerfern ausgesetzt. Ohne jegliche Ermittlung des Umfangs solcher Immissionen
muss die Antragstellerin sie nicht hinnehmen.
Angesichts dieser Situation kommt es auf Details der Berechnungen des TÜV zu den
Geräuschimmissionen nicht an. Da abschließende normative Vorgaben für die
Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen, die durch eine Steigerung des
Verkehrsaufkommens durch den Zu- und Abgangsverkehr eines Vorhabens
hervorgerufen werden, sowie von Abgas- und anderen Belästigungen nicht bestehen,
sind ohnehin nicht die auf der Grundlage der TA Lärm oder anderen technischen
Regelwerken rechnerisch ermittelten Immissionswerte, sondern die Umstände des
Einzelfalles ausschlaggebend.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83; OVG NRW, Urteil
vom 16. Oktober 1997 - 11a D 116/96.NE -, BRS 59 Nr. 255; Urteil vom 25. November
2004 - 7a D 11/04.NE -.
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Ob diese Regelwerke als Orientierungshilfe herangezogen werden können, ist ebenfalls
der Bewertung des Einzelfalles vorbehalten.
27
BVerwG, a.a.O.
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Weil diese Bewertung nach den vorstehenden Ausführungen bereits zu einer
Unzumutbarkeit des Vorhabens des Beigeladenen für die Antragstellerin führt, kann
offen bleiben, ob das Gutachten überhaupt den Anforderungen hinreichender
Bestimmtheit genügt und ob der Prognose, die Richtwerte der TA Lärm seien
eingehalten, gefolgt werden kann. Denn abgesehen von den oben dargelegten eher
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spekulativen Annahmen des Gutachters sind die Berechnungen zur Einhaltung der
Immissionsrichtwerte nicht widerspruchsfrei. Während nämlich im Gutachten vom 25.
Oktober 2004 von tagsüber höchstens 700 Pkw-Bewegungen ausgegangen wird, liegt
dem (genehmigten) Gutachten vom 16. März 2005 die Annahme von tagsüber
höchstens 1400 Fahrzeugbewegungen zugrunde. Gleichwohl führen die Berechnungen
in beiden Gutachten zu identischen Immissionswerten. Dies hält einer
Plausibilitätsprüfung nicht stand; die Widersprüche sind auch im vorliegenden Verfahren
nicht aufgelöst worden.
Wegen des Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot bedarf es keiner Entscheidung,
ob weitere planungsrechtliche Vorschriften verletzt sind.
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2. Auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes verletzt die
Baugenehmigung vom 24. Mai 2005 ebenfalls offensichtlich bauordnungsrechtliche
Vorschriften, die auch dem Schutz der Antragstellerin dienen.
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Das genehmigte Vorhaben verstößt gegen § 51 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW. Danach
müssen Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre
Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und Lärm oder Gerüche das Arbeiten und
Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß
hinaus stören.
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Das Kriterium der Unzumutbarkeit ist nicht im enteignungsrechtlichen Sinne zu
verstehen, sondern meint unterhalb dieser Schwelle Belästigungen durch Lärm oder
Gerüche, die der Umgebung, insbesondere der Nachbarschaft, billigerweise nicht
zugemutet werden können. Die Frage, wann die Benutzung von Stellplätzen die
Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen
Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an,
in der sich die Belästigungen auswirken. Technisch-rechnerisch ermittelte
Emissionswerte - seien es Einzelwerte, Wirk- oder Beurteilungspegel - sind auch
insoweit für die Beurteilung nicht ausschlaggebend.
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Für eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne sprechen die Gesichtspunkte, die bereits
unter 1. angeführt worden sind.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Nach dem
Streitwertkatalog der Bausenate des OVG NRW (NWVBl. 2003, Heft 11, S. III) ist der
Streitwert für Nachbarklagen mit einem Betrag zwischen 1.500,-- und 15.000,-- Euro zu
bemessen. Angesichts der von der Antragstellerin geltend gemachten
Beeinträchtigungen wäre es gerechtfertigt, im Hauptsacheverfahren unter Ausschöpfung
dieses Rahmens einen Streitwert von 15.000,-- Euro je Wohngrundstück, also 30.000,--
Euro, anzusetzen. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ermäßigt sich dieser auf die
Hälfte.
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