Urteil des VG Düsseldorf vom 09.05.2005

VG Düsseldorf: serbien und montenegro, bundesamt für migration, abschiebung, kosovo, ausreise, anerkennung, rechtsschutz, asylverfahren, gerichtsakte, staat

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Normen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 733/05
09.05.2005
Verwaltungsgericht Düsseldorf
24. Kammer
Beschluss
24 L 733/05
Abschiebungsschutz, Abschiebungsandrohung, Ausreise
==§ 71 Abs. 5 AsylVfG, § 71 Abs. 6 AsylVfG, § 59 AufenthG
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind serbisch-montenegrinische Staatsangehörige und Volkszugehörige
der Albaner aus dem Kosovo.
Der 1992 in das Bundesgebiet eingereiste Antragsteller zu 1. beendete sein asylrechtliches
Erstverfahren durch Antragsrücknahme vom 30. September 1993, das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
nachfolgend Bundesamt genannt) stellte das Verfahren mit Bescheid vom 18. Oktober 1993
ein und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Einen
am 11. November 1993 gestellten Asylfolgeantrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid
vom 1. Februar 1994 ab, die dagegen erhobene Klage wies das Gericht mit Urteil vom 20.
Dezember 1994 – 15 K 1886/94.A – ab. Auch einen erneuten Folgeantrag vom 30. April
1997 lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 11. Juli 1997 ab und drohte dem
Antragsteller zu 1. die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien an. Die
Abschiebungsandrohung wurde am 19. August 1997 vollziehbar, die gegen den Bescheid
erhobene Klage nahm der Antragsteller zu 1. zurück. Am 1. August 2002 und am
9. März 2004 gestellte Anträge auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich etwaiger
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lehnte das Bundesamt mit Bescheiden vom
3. September 2002 und vom 24. März 2004 ab.
Einen Asylantrag der Antragstellerin zu 2. vom 11. November 1993 lehnte das Bundesamt
mit Bescheid vom 23. November 1993 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen der § 51
Abs. 1 und § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte der Antragstellerin zu 2. die Abschiebung
nach (Rest-)Jugoslawien an. Die hiergegen erhobene Klage wies das Gericht mit Urteil
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vom 5. November 1997 – 7 K 1411/94.A – ab. Mit Bescheid vom 29. Mai 1998 lehnte das
Bundesamt einen Antrag der Antragstellerin zu 2. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens
bezüglich etwaiger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG ab.
Mit Ordnungsverfügung vom 22. Mai 2003 drohte die Antragsgegnerin den 1995 bzw. 1999
in Deutschland geborenen Antragstellern zu 3. und zu 4. die Abschiebung nach Serbien
und Montenegro an. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 17. Juni 2003 wies die
Landrätin des Kreises X mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2004 zurück. Zwei
Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes – 24 L 795/03 – und 24 L 796/04 –
blieben ohne Erfolg bzw. wurden zurückgenommen, die erhobene Klage, mit der u.a.
hinsichtlich der Antragsteller zu 3. und zu 4. psychische Erkrankungen geltend gemacht
wurden, wies das Gericht durch Urteil vom 14. Oktober 2004 ab.
Die Antragsteller zu 3. und zu 4. beantragten mit Schreiben vom 11. August 2003 ihre
Anerkennung als Asylberechtigte. Das Bundesamt lehnte die Anträge mit Bescheid vom
17. Dezember 2003 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorliegen,
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte den Antragstellern
zu 3. und 4. die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an. Den hiergegen erhobenen
Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Gericht mit Beschluss vom 5. Januar
2004 – 1 L 4720/03.A – ab, das Klageverfahren – 1 K 9158/03.A – wurde mit Beschluss
vom 14. Oktober 2004 wegen Nichtbetreibens nach § 81 AsylVfG eingestellt.
Ihrer für den 19. August 2004 geplanten Abschiebung entzogen sich die Antragsteller durch
Untertauchen.
Mit Bescheid vom 31. März 2005 lehnte das Bundesamt eine am 4. März 2005 von den
Antragstellern zu 2. bis 4. beantragte Abänderung der Bescheide vom 23. Januar 1993
bzw. vom 17. Dezember 2003 hinsichtlich Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG
bzw. Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ab. Es bestehe keine
beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erheblichen konkreten Gefahr für deren Leib oder
Leben. Die Antragsteller zu 2. bis 4. hatten Schriftstücke vorgelegt, bei denen es sich um im
August 2004 im Kosovo ausgestellte ärztliche und amtliche Bescheinigungen handeln soll,
sowie eine ärztliche Bescheinigung vom 22. Dezember 2004 und eine psychiatrische
Stellungnahme vom 31. Januar 2005, jeweils ausgestellt durch den Facharzt für Kinder-
und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie T aus E. Danach leidet der Antragsteller zu 3.
unter einer Anpassungsstörung mit schwerer kindlicher Depression, einer emotionalen
Störung mit Überängstlichkeit und Verunsicherung, Angstträumen und einer Störung des
Sozialverhaltens mit depressiver Störung; zusammenfassend sei von einer manifesten
Traumatisierung mit suizidaler Gefährdung der Antragsteller zu 1. und zu 3. auszugehen.
Eine Reiseunfähigkeit wird in den Bescheinigungen nicht festgestellt.
Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller zu 1. ausweislich einer Niederschrift am
7. April 2005 darauf hin, dass die Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig seien und dass
ihnen nach Ablauf einer Frist von 14 Tagen die Abschiebung drohe. Die Antragsteller
werden von der Antragsgegnerin gegenwärtig – bis zum 11. Mai 2005 befristet – geduldet.
Die Antragsteller haben am 15. April 2005 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Zur Begründung verweisen sie darauf, dass die gegen sie erlassenen
Abschiebungsandrohungen wegen ihres Aufenthaltes im Kosovo zwischen August und
Dezember 2004 erloschen und keine neuen Abschiebungsandrohungen erlassen worden
seien.
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Sie beantragen sinngemäß,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die
Antragsteller abzuschieben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur getroffen werden,
wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123
Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO voraus, dass das Bestehen eines
zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit
(Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden.
Nach diesen Grundsätzen haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch, nämlich
das Fehlen von Voraussetzungen einer rechtmäßigen Abschiebung, nicht glaubhaft
gemacht.
a) Die Antragsteller sind aufgrund der erfolglosen Asylverfahren und des Ablaufs der
gesetzten Ausreisefristen vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 58
Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Da sie nach ihrem eigenen Vortrag im Dezember 2004 (unerlaubt)
wieder in das Bundesgebiet eingereist sind und die ihnen am 7. April 2005 eingeräumte
zweiwöchige Ausreisefrist abgelaufen ist, sind sie auch nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig,
vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. September 2001 – 11 S 2099/01 –,
AuAS 2002, 104.
b) Es bestehen auch im Falle eines unterstellten Aufenthalts der Antragsteller im Kosovo
zwischen August und Dezember 2004 diesen gegenüber noch wirksame
Abschiebungsandrohungen. Eine solche wurde gegenüber dem Antragsteller zu 1. am
11. Juli 1997 erlassen, gegenüber der Antragstellerin zu 2. am 23. November 1993 und
gegenüber den Antragstellern zu 3. und zu 4. am 17. Dezember 2003.
Diese Androhungen sind nicht auf Grund der mutmaßlichen Abwesenheit der Antragsteller
aus dem Bundesgebiet zwischen August und Dezember 2004 erloschen. Unabhängig von
der Frage, ob es sich hierbei überhaupt um eine Ausreise im rechtlichen Sinne handelte,
da diese anscheinend ohne notwendige Ausweispapiere erfolgte und nicht dokumentiert
ist, sondern wohl nur der Abwendung der angekündigten Abschiebung diente,
vgl. Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, § 59 Rn. 149, 152 m.w.N.,
erlischt eine – wie hier – im Rahmen des Asylverfahrensverfahrens ergangene
Abschiebungsandrohung nach § 71 Abs. 5 und 6 AsylVfG ohnehin nicht durch eine
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zwischenzeitliche (freiwillige) Ausreise,
vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. September 2001 – 11 S 2099/01 –,
a.a.O.; Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, § 59 Rn. 150, 152 m.w.N..
Diese Abschiebungsandrohungen sind vollziehbar, die bestimmten Ausreisefristen sind
abgelaufen und in ihnen ist mit der "Bundesrepublik Jugoslawien" bzw.
"(Rest)Jugoslawien" bzw. "Serbien-Montenegro" der Zielstaat der Abschiebung, Serbien
und Montenegro, hinreichend klar benannt. Die Antragsteller sind zudem darauf
hingewiesen worden, dass sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden können,
in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Übernahme verpflichtet ist, § 59 Abs. 2
AufenthG.
c) Mangels einer vorangegangenen mehr als einjährigen Duldung gilt die Monatsfrist des
§ 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG für die Ankündigung der Abschiebung nicht.
d) Die Antragsteller sind zwar noch im Besitz von Duldungen. Deren zeitliche Wirksamkeit
ist aber auf den 11. Mai 2005 befristet und es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass
die angedrohte Abschiebung vor Ablauf dieses Tages erfolgen soll.
Ein Anspruch der Antragsteller auf Verlängerung dieser Duldungen ist nicht erkennbar.
Soweit sie sich auf etwaige zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7
AufenthG beziehen, hat das Bundesamt durch den Bescheid vom 31. März 2005 das
Bestehen solcher Verbote mit Bindungswirkung für die Antragsgegnerin und die Kammer
(vgl. § 42 Satz 1 AsylVfG) verneint.
Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist
den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen entgegen dem gegenüber der
Antragsgegnerin erfolgten Vortrag der Antragsteller eine Reiseunfähigkeit des
Antragstellers zu 3. nicht zu entnehmen, weder explizit noch konkludent.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ist nach
den § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 GKG erfolgt.