Urteil des VG Düsseldorf vom 08.06.2004

VG Düsseldorf: lwg, öffentliche sicherheit, firma, umwelt, gefahr, verunreinigung, erdreich, grundwasser, erforschung, vwvg

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 K 8271/02
Datum:
08.06.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 8271/02
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2002 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom 24. Oktober 2002
werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid des Beklagten nach § 118
Landeswassergesetz (LWG) in Höhe von 30.860,93 Euro.
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Der Kläger betrieb eine inzwischen stillgelegte Galvanikanlage, die sich über zwei
Etagen erstreckte. Die alkalische Vorreinigung und das Vernickeln fanden im
Erdgeschoss statt, die Verchromerei und die Endreinigung im Untergeschoss. Es
handelte sich dabei um eine Anlage die gemäß § 6 der Verordnung über Anlagen zum
Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe einem
Gefährdungspotenzial der Stufe D einzuordnen war. Auf Grund der fehlenden
Entsorgungsnachweise über die geordnete Entsorgung der anfallenden
Galvanikabwässer führten Mitarbeiter des Stadtdienstes Natur und Umwelt des
Beklagten am 8. Mai 2001 eine Kontrolle durch. Dabei wurde zufällig festgestellt, dass
Chromsäure über den befestigten Hof des Galvanikbetriebes auf die unbefestigte
Fläche lief und offensichtlich mit Wasser weggespült wurde. Aus dem über den
Chromunfall gefertigten Aktenvermerk vom 30. Mai 2001 folgt, dass nach Aussagen der
Mitarbeiter das in der Galvanik befindliche Chrombecken entleert worden war, um eine
neue Innenwanne zu installieren. Der Schlamm auf dem Boden des Behälters habe mit
Haushaltseimern umgefüllt werden sollen. Dabei sei Schlamm daneben gefallen und
mit Wasser weggespült worden. Die Mitarbeiter des Stadtdienstes Natur und Umwelt
ordneten im Rahmen der sofortigen Vollziehung an, das mit Chromsäure kontaminierte
Erdreich auszukoffern, die Abwassergrube zu entleeren und die Abfälle fachgerecht zu
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entsorgen. Außerdem wurden Proben entnommen.
Diese am 8. Mai 2001 mündlich angeordneten Maßnahmen wurden mit
Ordnungsverfügung vom 15. Mai 2001 schriftlich bestätigt. Außerdem wurde dem Kläger
aufgegeben, mindestens drei Rammkernsondierungen zur Erforschung der Belastung
u.a. durch Chrom zu dulden. Zur Begründung wurde ausgeführt, diese Maßnahmen
seien zur Ermittlung der vorhandenen Gefahren auf Grund der festgestellten Belastung
von 11.500 mg pro kg Boden/Chrom gesamt in der Trockensubstanz und 148 mg /l
Chrom im Eluat bei der am 8. Mai 2001 entnommenen Bodenprobe notwendig.
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Mit Schreiben vom 17. Mai 2001 an den damaligen Prozessbevollmächtigten des
Klägers wurde mitgeteilt, dass das Ingenieurbüro N und Partner mit der Durchführung
von Bodenuntersuchungen am 8. Mai 2001 beauftragt sei. Am 18. Mai 2001 wurden
durch die Firma N und Partner Bohrungen zur Erkundung des Chromschadens in den
Bereichen neben der Chromwanne in der Galvanik, im Solenbereich des ausgekofferten
Erdreiches vom Unfall vom 8. Mai 2001, im Abstrombereich der Abwassergrube und im
Standbereich der KTC's im Außengelände durchgeführt. Die Firma N und Partner
Ingenieurgesellschaft mbH aus T1 legte im Juni 2001 das darüber erstellte Gutachten
vor. Es wurden demnach 6 Sondierungen im Bohrdurchmesser von 50 mm zur
Erfassung der Bodenverhältnisse abgetäuft. Auf Grund der chemischen Analyse wurden
in den Bodenproben im Bereich der Böschung überwiegend schwach erhöhte Gehalte
an Chrom, Kupfer und Nickel nachgewiesen. Die Vergleichswerte für eine Nutzung als
Wohngebiet seien dabei nicht überschritten worden. Im Bereich der Verchromerei wurde
eine erhebliche Chrombelastung des Untergrundes im Eluat festgestellt. Außerhalb der
Verchromerei an einem Chromsäuregebindelager wurden deutlich erhöhte
Chromgehalte im Eluat in 4 bis 5,2 m Tiefe nachgewiesen. Unterhalb des Gebäudes
wurde auch ein erhöhter Nickelgehalt im Eluat festgestellt. Die Gutachter führten aus,
aus ihrer Sicht müsse es im Bereich der Verchromerei durch die Undichtigkeit in der
Bodenplatte oder Leckagen eines Abwassersystems zu einer Verunreinigung des
Bodens mit Chrom in wasserlöslicher Form gekommen sein. Als weitere Maßnahme
wurde empfohlen, die Chrom- bzw. Nickelverunreinigung in der Verchromerei durch
zusätzliche Sondierungen einzugrenzen. Gegebenenfalls könne dadurch auch der
Eintragsherd für Chrom in den Untergrund ermittelt werden. Außerdem sei die
Chromverunreinigung unterhalb der ehemaligen Abwasseranlage in der Böschung
durch weitere Sondierungen und Analysen detaillierter zu untersuchen. Zur
abschließenden Beurteilung der Grundwassergefährdung sei eine
Grundwasseruntersuchung im Abstrom der Verchromerei durchzuführen. Hierzu seien
mindestens eine Grundwassermessstelle einzurichten.
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Die Ingenieurgesellschaft N und Partner führte mit Schreiben vom 5. Juli 2001 an den
Stadtdienst Natur und Umwelt aus, dass die vorgesehene Grundwasseruntersuchung im
Bereich der Firma G folgende Fragen klären solle:
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- ob auf dem Betriebsgrundstück im Abstrombereich der Verchromerei eine
Verunreinigung des Grundwassers vorliege,
7
- ob eine mögliche Grundwasserbelastung auf den Betrieb der Galvanik zurückzuführen
sei bzw. wie hoch die Schadstoffbelastung des anströmenden Grundwassers sei,
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- ob eine mögliche Grundwasserbelastung im Zusammenhang mit den bekannten
erhöhten Chrom VI-Gehalten im Quellwasser unterhalb des Betriebsgeländes
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zusammenhänge und ob das Grundwasser oberhalb der Quelle durch eine
Altablagerung (Deponie I) verunreinigt sei.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2001 teilte der Stadtdienst Natur und Umwelt dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass er ein Gutachten zur Gefahrenabwehr
auf dem Betriebsgelände der Firma G übersende. Dieses Gutachten sei auf Grund des
Betriebsunfalls auf dem oben genannten Grundstück am 8. Mai 2001 in Auftrag gegeben
worden. Am 23. Juli 2001 beauftrage der Beklagte die Firma N und Partner mit
Grundwasseruntersuchungen.
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Am 18. Februar 2002 erstellte die Firma N und Partner das Gutachten über die
Grundwasseruntersuchung.
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Mit Schreiben vom 25. Februar 2002 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten
Geltendmachung der Kosten für die Errichtung von Grundwassermessstellen nach §
118 Landeswassergesetz (LWG) an. Dabei führte der Beklagte aus, dass auf Grund des
Chromsäurevorfalls vom 8. Mai 2001 und des daraufhin durchgeführten
Bodengutachtens eine Chromverunreinigung des Betriebsgeländes festgestellt worden
sei. Die auffälligsten Chromkonzentrationen seien im Bereich der Verchromerei im
Bodeneluat nachgewiesen worden. Zur Erforschung von Art und Ausmaß einer
eventuellen Grundwasserbelastung seien fünf Grundwassermessstellen erforderlich
gewesen. Nach § 118 LWG könnten demjenigen die Kosten der Maßnahmen im
Rahmen der Gewässeraufsicht auferlegt werden. Dazu gehörten auch die Ermittlung zur
Abschätzung vermuteter bzw. durch gewisse Verdachtsmomente belegte Gefährdung
für ein Gewässer, die die Grundlage für Entscheidungen über eventuelle
Sanierungsmaßnahmen bildeten. Danach sei die Errichtung von
Grundwassermessstellen grundsätzlich eine Maßnahme der Gewässeraufsicht.
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Am 21. Mai 2002 erging der im Verfahren angefochtene Kostenbescheid nach § 118
LWG über 30.860,93 Euro. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass am 8. Mai
2001 durch Mitarbeiter des Stadtdienstes Natur und Umwelt eine Kontrolle im Rahmen
der Gewässeraufsicht stattgefunden habe. Dabei sei festgestellt worden, dass
Chromsäure ausgelaufen sei. Zur Feststellung der Ausbreitung der Gefahr durch die
weggespülte Chromsäure seien im Rahmen der Gefahrenabwehr einer unmittelbaren
Gefahr die mit bestandskräftigen Verfügungen vom 8. und 15. Mai 2001 erforderlichen
Sofortmaßnahmen durchgeführt und zwischenzeitlich mit bestandskräftigen
Leistungsbescheiden in Rechnung gestellt worden. Nach den Ergebnissen des durch
die Firma N und Partner erstellten Bodengutachtens vom Juni 2001 sei auf Grund der
erheblichen Überschreitung des Prüfwertes des Parameters Chrom VI im Erdreich,
oberflächennah eine Grundwassergefährdung nicht auszuschließen gewesen. Zur
Feststellung des Ausmaßes einer eventuellen Grundwassergefährdung sei eine
Grundwasseruntersuchung durch die Errichtung von Grundwassermessstellen
notwendig geworden. Dabei sei die Grundwassermessstelle 1 unmittelbar vor dem
durch Rammkernsondierung 106 ermittelten Schadenszentrums der Verchromerei, die
Grundwassermessstelle 2 im Abstrom zur Verchromerei errichtet worden. Mit der
Grundwassermessstelle 3 habe abgeklärt werden sollen, inwieweit durch das
Abwassersystem unter Berücksichtigung der Chrombelastung der
Mehrkammerklärgrube des Betriebs eine Grundwasserverunreinigung verursacht
worden sei und die Grundwassermessstellen 4 und 5 hätten zum Ausschluss von
eventuellen Verunreinigungen durch Altablagerung aus der Deponie auf Grundwasser
und Quelle gedient.
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Der Bescheid wurde dem Kläger am 25. Mai 2002 zugestellt. Dagegen legte er am 14.
Juni 2002 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom
24. Oktober 2002 zurückgewiesen wurde.
14
Der Kläger hat am 25. November 2002 die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Begründung führt der Kläger aus, dass die unter Ziffer 1. und 4. Kostenbescheides
aufgeführten Kosten auf nicht der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Überlegungen
beruhten. Es sei keineswegs zwingend anzunehmen gewesen, dass auf Grund der
Feststellung vor Ort eine Grundwasserverunreinigung zu besorgen gewesen sei. Auch
aus dem Schreiben des Beklagten vom 30. September 2002 an die Bezirksregierung E
ergebe sich, das seinerzeit nur die Errichtung von mindestens einer
Grundwassermesstelle für erforderlich gehalten worden sei. Tatsächlich seien fünf
Grundwassermessstellen errichtet worden. Der Umfang der durchgeführten Maßnahmen
habe nicht mehr dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen. Aus diesem
Grunde sei die Höhe der verlangten Beträge nicht gerechtfertigt.
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Der Kläger beantragt,
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den Kostenbescheid des Beklagen vom 21. Mai 2002 und den Widerspruchsbescheid
der Bezirksregierung E vom 24. Oktober 2002 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der angefochtenen Kostenbescheid zu
Recht auf § 118 LWG gestützt worden sei. Das am 8. Mai 2001 festgestellte Verschütten
des Schlammes stelle ein unbefugtes Handeln im Sinne des § 118 LWG dar. Da
vorliegend offenbar eine Gefahr für das Grundwasser bestanden habe, habe der
Beklagte in seiner Eigenschaft als Gewässeraufsicht sofort die erforderlichen
Maßnahmen veranlasst. Im Rahmen der sofortigen Vollziehung sei das mit Chromsäure
kontaminierte Erdreich ausgekoffert und weitere Sanierungsmaßnahmen durchgeführt
worden. Die Kosten für so genannte Gefahrerforschungsmaßnahmen wie z.B.
Bodenproben und Grundwassermessungen könnten demjenigen, der zu
entsprechenden Maßnahmen der Gewässseraufsicht Anlass gegeben habe, in
Rechnung gestellt werden, selbst wenn sich später herausstellen sollte, dass tatsächlich
keine akute Gefahr bestehe. Auch seien die Kosten für die Anlegung und den Betrieb
der fünf Grundwassermessstellen sowohl erforderlich als auch verhältnismäßig
gewesen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung E Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
23
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 24. Oktober 2002 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Der Beklagte kann seinen Kostenerstattungsbescheid nicht auf § 118 LWG stützen.
Nach § 118 LWG können demjenigen, der zu Maßnahmen der Gewässeraufsicht
dadurch Anlass gibt, dass er unbefugt handelt oder Auflagen nicht erfüllt, die Kosten der
Maßnahme auferlegt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Die Einrichtung der Grundwassermesstellen war keine Maßnahme der
Gewässeraufsicht i.S. des § 118 LWG.
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§ 118 LWG knüpft an die den Wasserbehörden durch § 116 LWG zugewiesenen
Aufgaben der Gewässeraufsicht an. Die Beschreibung der behördlichen Aufgabe mit
dem Begriff „Überwachung" übernimmt den Wortlaut des § 21 Wasserhaushaltsgesetz
(WHG). Eine Überwachung im Sinne dieser Vorschrift besteht in gezielten Maßnahmen
zur Erlangung von Kenntnissen von bestimmten Gegebenheiten; die Ermächtigung der
Wasserbehörden zum repressiven Einschreiten auf der Grundlage der gewonnenen
Erkenntnisse unterliegt der Regelung durch Landesrecht. Dementsprechend zählen zur
Überwachung im Sinne des § 116 LWG insbesondere auch Ermittlungen zur
Abschätzung vermuteter oder durch gewisse Verdachtsmomente belegter
Gefährdungen für ein Gewässer, die die Grundlage für Entscheidungen über etwa
erforderliche zusätzliche Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung oder zur Sanierung
bilden sollen. Allerdings führt das nicht dazu, dass die als Folge der Überprüfung
erforderlich werdenden Maßnahmen auch unter § 116 LWG fallen. Ergeben die als
durch die Überprüfung erlangten Feststellungen zum Sachverhalt einen dem
Zuständigkeitsbereich der Wasserbehörden unterfallenden Missstand, haben die
Behörden schon wegen ihres Charakters als Sonderordnungsbehörden die Aufgabe, in
ihrem Bereich Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Dafür
stehen ihnen die Eingriffsbefugnisse nach allgemeinem Ordnungsrecht zur Verfügung,
27
so OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 20 B 3405/93 -, NWVBl. 1996, 27 und
Urteil vom 21. August 1997 - 20 A 6979/95 -.
28
Aus dem Wortlaut der Vorschrift, der im Präsens gefasst ist, folgt zudem, dass die
Maßnahmen der Gewässeraufsicht eine zeitnahe Reaktion auf ein unbefugtes Handeln
sein müssen. Mit dem Begriff „Anlass" knüpft die Kostenerstattungspflicht daran an, dass
durch ein rechtswidriges Verhalten ein Bedarf an Aufklärung durch behördliche
Ermittlungstätigkeit ausgelöst worden sein muss. § 118 LWG stellt eine Ausprägung des
umweltrechtlichen Verursachungsprinzips dar. Derjenige, der die Maßnahme der
Gewässeraufsicht durch rechtswidriges Tun oder Unterlassen veranlasst, soll auch mit
den hierdurch anfallenden Kosten belastet werden können,
29
vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 1998 - 20 A 5446/96 -.
30
Das OVG NRW geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Kosten der
Maßnahmen, die zur Feststellung des unbefugten Handelns führen oder die
Feststellung bestätigen oder gutachterlich belegen sollen, von vornherein nicht nach §
118 LWG erstattungsfähig sind,
31
vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 1998 - 20 A 5446/96 -.
32
Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagten seinen Kostenerstattunganspruch nicht
aus § 118 LWG herleiten.
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Hier hatte der Kläger zunächst am 8. Mai 2001 verschiedene Maßnahmen des
Beklagten dadurch veranlasst, dass seine Mitarbeiter nicht sachgemäß mit dem
Umfüllen von chromsäurehaltigen Schlamm umgingen. Das dekontaminierte Erdreich
wurde sofort entsorgt, die Abwassergrube entleert und die Abfälle fachgerecht entsorgt.
Damit waren die unmittelbaren Folgen des Handelns des Klägers beseitigt worden.
Außerdem gab der Beklagte ein Gutachten in Auftrag. Aus dem von der N und Partner
GmbH erstellten Gutachten aus Juni 2001 folgt, dass nach den Ergebnissen der
Feldarbeiten und der chemischen Analytik im Bereich der Auskofferungsmaßnahmen
keine Überschreitungen der Chromgehalte im Feststoff und Eluat festgestellt worden
sind. Gleiches gelte für die zwei Sondierungsmaßnahmen, die in der vermuteten
Abstromrichtung der Auskofferung angesetzt worden seien. Die Sofortmaßnahme sei
daher aus gutachterlicher Sicht als erfolgreich einzustufen. Im Bereich der Verchromerei
liege eine erhebliche Chrombelastung des Untergrundes im Eluat vor. Aus
gutachterlicher Sicht müsse es im Bereich der Verchromerei durch Undichtigkeiten in
der Bodenplatte und Leckagen einer Abwassersystems zu einer Verunreinigung des
Bodens mit Chrom in wasserlöslicher Form gekommen sein.
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Damit war eine zeitnahe Überprüfung des Chromunfalls vom 8. Mai 2001 erfolgt und
dabei Kenntnisse über den Unfall und seine Folgen erlangt worden. Die durchgeführten
Maßnahmen könnten dabei auch durch § 118 LWG gedeckt gewesen sein, was hier
aber offen bleiben kann, da es darauf nicht ankommt.
35
Die weiteren Maßnahmen des Beklagten, die zu der in Streit stehenden
Kostenforderung führten, dienten jedoch nicht mehr der Erlangung von Erkenntnissen
von bestimmten Gegebenheiten, sondern waren Folge der aus den bereits erfolgten
Maßnahmen (Rammkernsondierungen, chemische Untersuchung von Bodenproben)
gewonnenen Erkenntnisse. Diese ergaben u.a., dass im Bereich der Verchromerei
Chrombelastungen gefunden wurden, die die Gutachter auf Undichtigkeiten der
Bodenplatte oder Leckagen im Abwassersystem zurückführten. Auch die von den
Gutachtern im Schreiben vom 5. Juli 2001 aufgeworfenen Fragen zeigen, dass einer
Verunreinigung des Grundstücks durch den Betrieb allgemein nachgegangen werden
sollte, und es nicht mehr vorrangig um die Prüfung der durch das Auslaufen der
Chromsäure am 8. Mai 2001 verursachten Schäden ging.
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Damit war die Einrichtung von Grundwassermessstellen zur Erforschung des Ausmaßes
der Chrombelastung keine Maßnahme mehr, die auf § 118 LWG gestützt werden
konnte. Vielmehr hatte der Beklagte auf Grund der bereits erfolgten Überprüfung
Kenntnis von einem Missstand erlangt, den er mit den Mitteln des Ordnungsrechts
abwehren konnte.
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Dabei war der Beklagte nicht ermächtigt, im Wege des Sofortvollzugs nach § 55 Abs. 2
Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) vorzugehen. Die Voraussetzungen des § 55
Abs. 2 VwVG lagen hier nicht vor, da es nicht mehr um die Abwehr einer gegenwärtigen
Gefahr ging, sondern darum, das Ausmaß der festgestellten Chrombelastung zu
erforschen. Die Regeln des Verwaltungsvollstreckungsrechts, insbesondere die
Anforderungen der Androhung und Festsetzung der Ersatzvornahme haben materielle
Schutzfunktionen zu Gunsten des Betroffenen,
38
vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. August 1997 - 20 A 6979/95 - (UA S. 11).
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Diese Regelungen dürfen daher nicht durch die Anwendung von § 118 LWG umgangen
werden. Dieser beinhaltet zwar eine Ausdehnung der Kostentragungspflicht über den
durch die allgemeinen Vorschriften vorgegebenen Rahmen hinaus, da die Tätigkeit der
Wasserbehörden grundsätzlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. § 118 LWG dient
aber nicht dazu, die nach allgemeinem Vollstreckungsrecht gegebenen
Erstattungsansprüche zu ersetzten (z.B. § 59 Abs. 2 , § 77 VwVG, § 11 Abs. 2 Nr. 7
KostO NW),
40
so ausdrücklich, OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 1995, s.o.
41
Eine andere rechtliche Würdigung ist auch nicht auf Grund des vom Beklagten
angeführten Urteils des OVG Schleswig,
42
vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 26. Mai 1999 - 2 L 231/96 -, NVwZ 2000, 1196
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geboten. Das Urteil verhält sich zum einen zum schleswig-holsteinischen Landesrecht,
das eine anders lautende Vorschrift als § 118 LWG enthält und deshalb nicht
unmittelbar vergleichbar ist. Außerdem war der Sachverhalt anders gelagert, da es
darum ging, im Rahmen eines landesweiten Untersuchungsprogramms zur Prüfung von
Altablagerungen u.a. auch alte Mülldeponien zu prüfen. Die in dem angegebenen Fall
überprüfte Mülldeponie war jedoch ohne die erforderlich wasserrechtliche Erlaubnis
betrieben worden, sodass das OVG Schleswig feststellte, dass das Tätigwerden der
Behörde durch ein wasserrechtswidriges Verhalten veranlasst worden war. Dieses
Verhalten unterfiel dem in § 85 Abs. 2 SchlHWassG ausdrücklich geregelten Tatbestand
(wasserrechtswidriges Verhalten), das § 118 LWG nicht vergleichbar geregelt hat. Im
vorliegenden Fall geht es zudem nicht um einen Betrieb, der als Anlage einer
wasserrechtlichen Genehmigung bedarf. Es handelt sich bei dem Betrieb des Kläger
auch nicht um eine Anlage nach § 116 Abs. 1 Nr. 7 LWG. Vor diesem Hintergrund sind
schon die zur Entscheidung gestellten Fälle nicht vergleichbar.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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