Urteil des VG Düsseldorf vom 11.10.2010

VG Düsseldorf (gerichtshof der europäischen gemeinschaften, kläger, ausweisung, anwendung des rechts, öffentliches recht, erworbene rechte, verhältnis zu, emrk, ehefrau, arbeitslosigkeit)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 K 5674/10
Datum:
11.10.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
24 K 5674/10
Normen:
Art 6,7 ARB, 24 GRC; §§ 53, 56 AufenthG
Leitsätze:
Verlust von Art 6 ARB bei Arbeitslosigkeit
kein Art 7 Satz 1 ARB ohne ohne Arbeitnehmereigenschaft des
Stammberechtigten
Kinderrechte aus Art 24 GG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund des
Gerichtsbescheides vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % der jeweils vollstreckbaren Kosten leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger wurde 00. Oktober 1968 in Yozgat geboren und türkischer
Staatsangehöriger. Er reiste im November 1991 im Rahmen der
Familienzusammenführung ins Bundesgebiet ein und erhielt zunächst befristete
Aufenthaltserlaubnisse; die ihm im Februar 1997 erteilte unbefristete
Aufenthaltserlaubnis galt als Niederlassungserlaubnis fort.
2
Aus der Ehe des Klägers mit einer Landsmännin gingen 1992, 1995 und 1998 drei
Kinder hervor, die wie die Mutter inzwischen deutsche Staatsangehörige sind.
3
Der Kläger stand in den ersten Jahren des Aufenthaltes in ordnungsgemäßen
Beschäftigungsverhältnissen; seit 2001 war er arbeitslos und erhielt öffentliche
Leistungen. Im April 2004 wurde er vorläufig festgenommen und verbüßt inzwischen
eine Freiheitsstrafe.
4
Der Kläger hat sich in der Zeit zwischen Mitte 1993 und September 2004 wiederholt
strafbar gemacht, neben Verkehrsdelikten fällt eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe
von 1 Jahr und 6 Monaten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus dem April
1998 auf, deren Vollstreckung seinerzeit zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im
September 2004 verhängte das Landgericht Dortmund sodann eine Freiheitsstrafe von
11 Jahren und 6 Monaten wegen schweren Raubes, versuchten schweren Raubes und
der Verabredung zu einem schweren Raub, die der Kläger inzwischen im Bezirk der
Beklagten verbüßt.
5
Dies nahm die Beklagte zum Anlass der hier angefochtenen Ordnungsverfügung vom
25. Juni 2007, mit der sie den Kläger auswies und ihm die Abschiebung in die Türkei
nach Ablauf der auf einen Monat ab Zustellung festgesetzten Ausreisefrist androhte. Die
Ausweisung stütze die Beklagte auf § 53 Nr. 1 AufenthG, billigte dem Kläger mit Blick
auf die Niederlassungserlaubnis und die familiäre Lebensgemeinschaft mit deutschen
Staatsangehörigen besonderen Ausweisungsschutz zu und ging des weiteren davon
aus, er sei assoziationsrechtlich begünstigt durch die Art 6 und 7 ARB, so dass sie ihre
Entscheidung nach Ermessen fällte. In die dazu angestellten Erwägungen fanden
neben der von dem Kläger ausgehenden individuellen Wiederholungsgefahr auch Art 6
GG, 8 EMRK und das ENA Eingang.
6
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung E mit – dem
Prozessbevollmächtigten am 3. August 2010 zugestelltem - Widerspruchsbescheid vom
29. Juli 2010 als unbegründet zurück. Die Widerspruchsbehörde stütze sich rechtlich im
Ausgangspunkt auf § 53 Nr. 1 AufenthG, nahm ebenfalls besonderen
Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG, was die Schwelle nach §
56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit anhebe,
die wegen der Verwirklichung eines Ist-Ausweisungsgrundes nach § 56 Abs. 1 Satz 3
AufenthG freilich in der Regel gegeben seien; der für ein Abweichen von der so
eröffneten Regel-Ausweisung erforderliche atypische Sachverhalt sei nicht gegeben.
Insoweit würdigt der Widerspruchsbescheid neben der persönlichen Vorgeschichte des
Klägers, insbesondere seiner Spielsucht, auch dessen familiäre Verhältnisse, sieht aber
eine gemessen am Schutzgut zu große individuelle Wiederholungsgefahr, um von der
Ausweisung absehen zu können. Entgegen der Annahme der Ausländerbehörde sei der
Kläger auch nicht assoziationsrechtlich begünstigt: seine qua eigener
ordnungsgemäßer Beschäftigung erworbenen Rechte aus Art 6 ARB habe der Kläger
durch die mehr als zwei Jahre währende Arbeitslosigkeit vor der Inhaftierung verloren.
Zudem gebiete auch Art 8 EMRK nicht etwa, über die Ausweisung nur nach Ermessen
zu entscheiden.
7
Der Kläger hat am 30. August 2010 die vorliegende Klage erhoben und ist der Ansicht,
der Widerspruchsbescheid sei rechtlich nicht haltbar; er sei assoziationsrechtlich
Begünstigter zum einen, weil die von ihm selbst durch ordnungsgemäße Beschäftigung
als türkischer Arbeitnehmer erworbene Rechtsstellung aus Art 6 ARB durch seine
Arbeitslosigkeit zwischen Mitte 2001 und seiner Inhaftierung nicht untergegangen sei;
insoweit gebe es keine feste zeitliche Grenze, bei Ausrichtung an den nationalen
Bestimmungen über die Arbeitslosenhilfe wären die 2 Jahre und 4 Monate
Arbeitslosigkeit unschädlich; selbst wenn man von einem Untergang der Rechte aus Art
6 ARB ausgehe, stehe er unter dem Schutz des Art 7 Satz 1 ARB, weil seine Ehefrau zu
Zeiten ihrer türkischen Staatsangehörigkeit als Kind eines selbst qua Erwerbstätigkeit in
den Art 6 ARB gewachsenen Vaters ihrerseits den Schutz des Art 7 Satz 2 ARB erlangt
habe und diesen an den Kläger in dessen Eigenschaft als ihr Familienangehöriger
8
vermittle. Schließlich bedenke die Ordnungsverfügung nicht die Rechte der deutschen
Kinder des Klägers, die diesen aus Art 24 Abs. 3 GRC erwachsen, wonach ihnen nicht
zugemutet werden könne, ihr Recht auch persönlichen Umgang mit dem Vater durch
Besuche in der Türkei wahrzunehmen.
Der Kläger beantragt,
9
die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 25. Juni 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 29. Juli 2010 aufzuheben.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Die Beteiligten sind zu der Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung durch Gerichtsbescheid mit Verfügung des Gerichts vom 1. September
2010 angehört worden.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
Das Gericht kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch
Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten
tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten
zu der Möglichkeit einer solchen Entscheidung gehört worden sind.
16
Die zulässige Klage ist unbegründet; die Ordnungsverfügung ist in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
17
Die Ausweisung ist rechtmäßig.
18
Die Widerspruchsbehörde ist zu Recht davon ausgegangen, der Kläger sei nicht
assoziationsrechtlich begünstigt.
19
Der Kläger kann sich in Anbetracht der Dauer seiner Arbeitslosigkeit bis zu seiner
Inhaftierung nicht mehr auf zuvor erworbene Rechte aus Art 6 ARB berufen. Denn
angesichts offenkundiger Erfolglosigkeit etwaiger –nicht nachgewiesener –
Bemühungen, wieder eine Beschäftigung zu finden, gehörte er zu diesem Zeitpunkt dem
regulären Arbeitsmarkt nicht mehr an.
20
Dabei bedarf es hier keiner generellen Festlegung, welcher Zeitraum einem türkischen
Arbeitnehmer für die Arbeitsuche zuzubilligen ist;
21
diskutiert wurden insoweit zunächst 3 Monate: Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften, Urteil vom 26. Februar 1991 - Rs C 292/89 - Antonissen -; mittlerweile
werden 6 Monate als allgemeine Richtschnur betrachtet: Bundesverwaltungsgericht,
22
Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 14.97 -; OVG Koblenz, Beschluss vom 10. März
1997 - 10 B 10011/97 -.
Das Gericht ist bislang davon ausgegangen, dass ein ehemaliger türkischer
Arbeitnehmer im Ergebnis zu behandeln ist wie ein dauernd Arbeitsunfähiger, wenn es
ihm über einen Zeitraum von nahezu eineinhalb Jahren nicht gelingt, einen neuen
Arbeitsplatz zu finden;
23
Beschlüsse des Gerichts vom 7. März 2003 - 24 L 4067/02 -; vom 28. Mai 2003 - 24 L
559/03 -.
24
Mit deutlich mehr als 2 Jahren liegt der Kläger jenseits aller bisher diskutierten
Annahmen.
25
Angesichts fortdauernder Verbüßung der Freiheitsstrafe bieten sich auch keine
Anhaltspunkte dafür, der Kläger stehe unmittelbar vor dem Abschluss eines neuen
Arbeitsvertrages, so dass eine allzu strikte Handhabung gesetzlich nicht definierter
Grenzen unverhältnismäßig sein könnte;
26
Vgl. zu diesen Ansatz: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 23.
März 2004 - C-138/02 (Collins) -.
27
Die seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregte Orientierung an den
deutschen Regelungen hinsichtlich der Arbeitslosenversicherung ist so frei geschöpft
wie ungeeignet, weil diese nationalrechtlichen Bestimmungen ohne Bezugnahme des
Gesetzgebers auf etwaige europarechtliche Vorgaben oder Kriterien gesetzt worden
sind und deshalb als Auslegungshilfe europarechtlicher Normen nicht herangezogen
werden können.
28
Der Kläger kann auch keine assoziationsrechtliche Begünstigung aus seiner familiären
Stellung über Art 7 ARB herleiten. Es mag dahin gestellt bleiben, ob die eigenem
Bekunden des Klägers nach selbst zu keiner Zeit als türkische Arbeitnehmerin
ordnungsgemäß beschäftigte Ehefrau ihrerseits Rechte aus Art 7 ARB erworben hat
über dessen Satz 2 und die – behauptete und hier als gegeben unterstellbare -
ordnungsgemäße Beschäftigung ihres eigenen Vaters; ebenso kann auf sich beruhen,
wie sich diese Elemente vor dem Hintergrund der zwischenzeitigen Einbürgerung der
Ehefrau in zeitlicher Hinsicht zueinander verhalten müssten. Denn eine Vermittlung
einer etwaigen eigenen Rechtsstellung aus Art 7 Satz 2 ARB der Ehefrau könnte an den
Kläger allenfalls erfolgen über den Satz 1 dieser Norm. Der verlangt jedoch, dass der
Stammberechtigte – hier also die Ehefrau des Klägers– jedenfalls zu irgendeinem
Zeitpunkt einmal selbst die dort genannte Eigenschaft eines ordnungsgemäß
beschäftigten türkischen Arbeitnehmers innegehabt haben muss. Das ist jedoch nicht
der Fall. Über diesen eindeutigen Wortlaut der Norm gelangt nach den bekannten
Regeln der juristischen Methodenlehre auch nicht mit einer kreativen Verknüpfung der
Interpretationen verschiedener Judikate des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften hinaus.
29
Auch der Umstand, dass die Widerspruchsbehörde die seitens des
Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten Rechte aus der GRC nicht
ausdrücklich erwähnt, macht die Ordnungsverfügung der Beklagten in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides nicht rechtswidrig. Denn alle etwa durch die GRC etwa
30
gewährten Schutzstandards sind gewahrt und könnten die spezialpräventive
Ausweisung des Klägers nicht verhindern. Dabei kann hier dahinstehen, ob sich die
GRC über ihren Art 51 Abs. 1 Satz 1 direkt an die Beklagte richtet, auch wenn sie nur
nationales Recht anwendet.
Vgl. zur Geltungsbeschränkung auf die Anwendung des Rechts der Union:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. März 2010 – 1 C 8.09 -. Dazu, dass die
deutschen Behörden bei der Anwendung nationalen Rechts an die GRC nicht
gebunden sind, vgl: OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Juli 2010 – 8 LA 151/10 -.
31
Es kann offenbleiben, ob sich aus Art 24 GRC im Verhältnis zu dem berücksichtigten Art
8 EMRK etwas substantiell Neues ergäbe trotz der generellen Limitierung der GRC auf
die Reichweite der EMRK in Art 52 Ab. 3 Satz 1 GRC.
32
Vgl. zum Verhältnis von GRC und EMRK am Beispiel des Art 24 Abs. 2 GRC: OVG
Lüneburg, Beschluss vom 12. Juli 2010 – 8 LA 151/10 -.
33
Nicht geklärt zu werden braucht des Weiteren, ob sich der Kläger überhaupt auf den
ausdrücklich als Recht des Kindes ausgestalteten Art 24 Abs. 3 GRC berufen könnte;
nach nationalem Verständnis dürfte es sich bei Art 24 GRC um ein subjektiv-öffentliches
Recht des Kindes handeln. Zudem ist hier nicht dargetan, dass eines der
minderjährigen Kinder des Klägers den ihm durch Art 24 Abs. 3 GRC zugestandenen
direkten persönlichen Kontakt mit dem Kläger überhaupt sucht, und ob bejahendenfalls
dessen Wahrnehmung nicht der einschränkende Vorbehalt des letzten Halbsatzes in Art
24 Abs. 3 GRC entgegenstünde. Denn selbst wenn sich der Kläger auf das Recht seiner
Kinder zum persönlichen direkten Umgang mit ihm berufen könnte und die Kinder dies
auch wollten, könnte daraus allenfalls ein vorübergehendes inlandsbezogenes
Vollstreckungshindernis erwachsen; dem könnte man mit einer Duldung des
tatsächlichen Aufenthaltes des Kläger bis zum Eintritt der Volljährigkeit des jüngsten
Kindes begegnen. Das alles wäre jedoch kein Grund, deswegen von der sich durch
dem Kläger innewohnende individuelle Wiederholungsgefahr hinsichtlich der
öffentlichen Sicherheit rechtfertigenden Ausweisung im Sinne einer Kappung der
Legalität seines Aufenthaltes abzusehen.
34
Mithin sind die rechtlichen Annahmen der Widerspruchsbehörde nicht zu beanstanden.
Sie hat die einschlägigen rechtlichen Grundlagen erkannt und durchweg inhaltlich
überzeugende Ausführungen zu deren Subsumtion gemacht, die alle bei der
Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu
beachtenden rechtlichen Wertungen insbesondere durch die Art 6 GG und 8 EMRK auf
vollständiger Tatsachengrundlage nachvollziehbar einbezieht. Deshalb folgt das Gericht
insoweit der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides und sieht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
35
Auch die Abschiebungsregelung ist rechtmäßig.
36
Es kann hier dahinstehen, ob die Abschiebungsandrohung unter Belassung einer Frist
zur freiwilligen Ausreise, wie sie die Ausländerbehörde ausdrücklich verfügt und die
Widerspruchsbehörde gebilligt hat, hier die richtige Maßnahme war, obwohl der Kläger
sich zu dieser und auch derzeit in Strafhaft befand und befindet. Wegen der §§ 58 Abs. 3
Nr. 1, 59 Abs. 5 Satz 1 AufenthG dürfte nämlich statt der Abschiebungsandrohung eine
37
Abschiebungsanordnung die gebotene Maßnahme gewesen sein. Das kann jedoch auf
sich beruhen, weil der Kläger insoweit nicht beschwert ist. Denn dürfte die Beklagte ihm
nach den vorerwähnten Bestimmungen gar keine Ausreisefrist belassen, hat sie ihn
jedenfalls durch deren Einräumung nicht belastet und mithin nicht in seinen Rechten
verletzt.
Die Abschiebungsandrohung als solche ist rechtmäßig.
38
Der Kläger ist dem durch die Ausweisung bewirkten Wegfall seiner
Niederlassungserlaubnis mangels erforderlicher Aufenthaltsgenehmigung
ausreisepflichtig; § 50 Abs. 1 AufenthG. Wegen § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG war diese
Wirkung bereits mit Erlass der Ausweisung und ungehindert der im Übrigen
aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage eingetreten.
39
Da die Widerspruchsbehörde die seitens der Beklagten zunächst angeordnete, dann
aber aufgehobene Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht erneut ausgesprochen
hat, ist die Ausreisepflicht auch nicht über § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sofort vollziehbar
geworden. Gleichwohl war nach der Rechtsprechung des Gerichts die Beklagte
berechtigt, schon die Abschiebung anzudrohen. Denn wie das Gericht
40
im seinem Urteil vom 23. Oktober 1997 - 24 K 3110/96 -; in den Gerichtsbescheiden vom
16. Februar 1998 - 24 K 2663/96 - (Ausweisung); vom 22. März 1999 - 24 K 8288/98 -
(Rückbefristung); vom 2. August 1999 - 24 K 4535/98 - (Rücknahme); vom 27. August
2009 – 24 K 9015/08 – (Ausweisung) vom 2. September 2009 – 24 K 4323/09 –
(Rückbefristung), und im Beschluss vom 1. Oktober 2002 - 24 L 1600/02 -
41
entschieden hat, setzt auch die Abschiebungsandrohung als spezialgesetzlich
geregelte Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung nicht voraus, dass die zu
vollziehende Ausreisepflicht schon bei Ausspruch der darauf gerichteten Androhung
vollziehbar sein muss, wenn die Ausländerbehörde in zulässiger Weise Ausweisung
und Abschiebungsandrohung in einer Ordnungsverfügung verbindet.
42
So nun auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
20. Februar 2009 – 18 A 2620/08 -.
43
Schädlich ist es nur, wenn sich die Behörde bei Erlass der Abschiebungsandrohung
einer Befugnis zur zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht für den Zeitpunkt
des Ablaufs der Ausreisefrist berühmt, obwohl bereits bei Erlass der
Abschiebungsandrohung eindeutig erkennbar ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt diese
Befugnis aus Rechtsgründen nicht haben wird.
44
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
45