Urteil des VG Düsseldorf vom 27.09.2006

VG Düsseldorf: dolmetscher, persönliche eignung, streichung, vereidigung, öffentliche gewalt, beeidigung, rechtsgrundlage, merkblatt, verfügung, ermächtigung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 K 5477/05
Datum:
27.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 5477/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und wurde am 08.10.1979 als Dolmetscher
für die Sprache Urdu, am 07.09.82 als Dolmetscher für die Sprachen Hindi und Punjabi
und am 11.10.82 als Dolmetscher für die englische Sprache vor dem Präsidenten des
Landgerichts E allgemein vereidigt. Er war seitdem als Dolmetscher für die Sprachen
Englisch, Hindi, Punjabi und Urdu in dem von der Beklagten geführten Verzeichnis der
Dolmetscherinnen und Dolmetscher und der Übersetzer und Übersetzerinnen
eingetragen.
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Durch ein Schreiben des Klägers vom 20.09.93 stellte die Beklagte fest, dass sich der
Kläger in dem von ihm verwendeten Briefbogen auch als „ermächtigter Übersetzer" bzw.
„Authorised Translator" bezeichnete. Daraufhin untersagte die Beklagte dem Kläger mit
Schreiben vom 11.10.93 die Verwendung dieser Bezeichnung und forderte ihn auf, ihr
von dem geänderten Briefkopf ein Belegexemplar zu übersenden. In der Folgezeit
beantragte der Kläger seine Ermächtigung zur Bescheinigung der Richtigkeit und
Vollständigkeit der von ihm gefertigten Übersetzungen. Mit Schreiben vom 07.04.94
teilte die Beklagte mit, dass es nicht möglich sei, dem Antrag zu entsprechen, weil der
Kläger den hierfür erforderlichen Qualifikationsnachweis nicht erbracht habe. Auch
Stellungnahmen von Mitarbeitern des Hauses ließen nicht auf die erforderliche
besondere Qualifikation schließen. Zugleich wurde der Kläger nochmals gebeten,
zukünftig die Bezeichnung „ermächtigter Übersetzer" nicht weiter zu verwenden.
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In seinen Schreiben vom 17.04.97, vom 02.08.04 und vom 05.08.04, in denen er der
Beklagten Anschriftänderungen mitteilte, verwendete der Kläger weiter den o.g.
Briefbogen, wobei im Schreiben vom 02.08.04 die Angaben „Ermächtigter Übersetzer"
und „Authorised Translator" handschriftlich gestrichen waren. Ferner enthielt der
Briefkopf den Hinweis „Generalstaatsanwaltschaft und Oberlandesgericht Bezirke E und
I sowie „Landesgericht L1", jeweils nebst Übersetzung in die Englische Sprache.
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Mit Schreiben vom 05.08.04 bat die Beklagte den Kläger insoweit um Erläuterung.
Daraufhin äußerte sich der Kläger wie folgt: Er bekomme häufig Unterlagen von
indischen und pakistanischen Behörden zwecks Übersetzung und
Eheschließungsunterlagen zur Vorlage bei der Beklagten. Er wäre zu Dank verpflichtet,
wenn ihm ausnahmsweise die Übersetzungszustimmung erteilt würde, wenigstens für
die Eheschließungsunterlagen. Er sei bereit, seinen Briefkopf überarbeiten zu lassen
und die Texte „ermächtigter Übersetzer" und „OLG I" sowie „OLG L" zu entfernen.
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Mit Schreiben vom 01.10.04 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihn wegen der - offenbar
über Jahre hinweg - fortgesetzten Verwendung der Bezeichnung „ermächtigter
Übersetzer" aus dem Dolmetscherverzeichnis streichen zu wollen. Daraufhin erklärte
der Kläger, den alten Briefbogen „nur ganz wenig" verwendet zu haben.
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Hierauf äußerte sich der Kläger - unter Verwendung eines geänderten Briefkopfs - im
Kern wie folgt: Es sei richtig, dass er auch nicht von anderen Behörden als Übersetzer
ermächtigt worden sei. Er gebe zu, dass er seinen Briefkopf zu Unrecht weiter benutzt
habe, aber nur ganz wenig. Durch die Bezeichnung auf dem Briefkopf habe er
niemandem Nachteile verursacht. Er erkläre hiermit eidesstattlich, dass er die Vordrucke
nun völlig vernichtet habe. Die Übersetzungen habe er ausschließlich auf Blankopapier
gefertigt und mit einem Stempel versehen, auf dem ausschließlich „Dolmetscher" stehe.
An diesem Stempel habe jedermann erkennen könne, dass nur die Bezeichnung
„Dolmetscher" gültig sei. Er habe sich keine unberechtigten Titel zulegen wollen und er
bitte, sein Fehlverhalten zu entschuldigen.
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Mit Bescheid vom 12.11.04 strich die Beklagte die Eintragung des Klägers als
Dolmetscher für die Sprachen Englisch Hindi, Punjabi und Urdu in ihrem
Dolmetscherverzeichnis. Zugleich sprach sie dem Kläger das Recht ab, sich auf die
allgemeinen Eide zu berufen, die er in der Vergangenheit vor dem Präsidenten des
Landgerichts E geleistet hatte. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Bescheinige ein
von der Justizverwaltung dazu ermächtigter Übersetzer die Richtigkeit und
Vollständigkeit einer Übersetzung, so begründe dies gemäß § 2 der Verordnung zur
Vereinfachung des Verfahrens auf dem Beurkundungsrecht in Verfahren vor deutschen
Gerichten die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung. Mit Blick
auf die weitreichende Rechtsfolge sei die Erteilung einer Übersetzungsermächtigung
grundsätzlich nur möglich, wenn der daran interessierte Übersetzer seine erheblich
überdurchschnittliche Befähigung nachweise. Über diese Besonderheiten sei der
Kläger mehrfach informiert worden und man habe ihn ausdrücklich gebeten, sich
deshalb nicht mehr als ermächtigter Übersetzer zu bezeichnen.
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Ungeachtet dieser Hinweise habe er sich dennoch über die Jahre hinweg als
ermächtigter Übersetzer bezeichnet. Auch mit den Hinweisen auf die Allgemeine
Beeidigung als Dolmetscher gehe der Kläger über die tatsächlichen Gegebenheiten
hinaus: Trotz des Schreibens, in dem ausdrücklich betont worden sei, dass der Kläger
lediglich hinsichtlich der Sprache Urdu für die Gerichte des Oberlandesgerichtsbezirks
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E allgemein beeidigt sei und hinsichtlich der Sprachen Englisch, Hindi und Punjabi für
die Gerichte des Landgerichtsbezirks E, bezeichne sich der Kläger auch für die
letztgenannten Sprachen und für die Sprache Pakistanisch als für den
Oberlandesgerichtsbezirk E gerichtlich beeidigter Dolmetscher. Ein solches Verhalten
zeuge eindeutig von mangelnder persönlicher Eignung. Die Erklärung, die Vordrucke
nunmehr völlig vernichtet zu haben, könnten diesen Eindruck nicht mehr beeinflussen.
Damit sei aber die Eintragung in dem genannten Verzeichnis zu streichen und dem
Kläger das Recht abzusprechen, sich als Dolmetscher auf die allgemein geleisteten
Eide zu berufen. Den Kläger nun „ausnahmsweise" zu ermächtigen, komme in dieser
Situation nicht in Betracht. Zum näheren Verständnis sei noch darauf hingewiesen, dass
die Übersetzerermächtigung keine Voraussetzung für eine freiberufliche
Übersetzertätigkeit sei, insbesondere sei sie keine Zulassung. Als selbständiger und
von den Justizbehörden unabhängiger Übersetzer dürfe er weiterhin Übersetzungen
fertigen, dies aber ohne die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzungen zu
bescheinigen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger - vertreten durch seine
Prozessbevollmächtigten - mit Schreiben vom 03.02.05 Widerspruch „bzw. das
zulässige Rechtsmittel".
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Mit Bescheid vom 02.08.05 erklärte die Beklagte, dass die mit Bescheid vom 12.11.04
getroffenen Entscheidungen aufrechterhalten blieben. Zur Begründung führte sie aus,
dass sie nach Abschnitt I Nr. 1 S. 1 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums
vom 08.04.1998 (AV d. JM) für den Dienstgebrauch ein Verzeichnis der Dolmetscher
und Übersetzer führe, die verpflichtet oder bereit seien, für die Justizbehörden tätig zu
werden und gegen deren Eignung in fachlicher und persönlicher Hinsicht Bedenken
nicht bestünden. In Abschnitt I Nr. 4 (AV d. JM) sei dargestellt, dass Personen, die sich
als - fachlich oder persönlich - nicht geeignet erwiesen hätten, aus diesem Verzeichnis
zu streichen seien. Auch § 8 der Allgemeinen Verfügung vom 05.02.1900 über die
Allgemeine Beeidigung von Sachverständigen für gerichtliche Angelegenheiten, der
über § 10 dieser Allgemeinen Verfügung für allgemein beeidigte Dolmetscher
entsprechende Anwendung finde, sehe Maßnahmen vor, u.a. wenn sich der
Dolmetscher als unzuverlässig erweise. Neben der fachlichen Eignung sei mithin auch
die persönliche Eignung für die Eintragung in das Verzeichnis der Dolmetscher und
Übersetzer und die Anerkennung als allgemein vereidigter Dolmetscher unerlässlich.
Darauf habe sie auch in Abschnitt V des Merkblattes für Dolmetscher ausdrücklich
hingewiesen. Ob die persönliche Eignung zu bejahen oder insoweit ein Mangel
festzustellen sei, beantworte sich im Einzelfall nicht allein dadurch, ob das
Führungszeugnis Eintragungen aufweise oder nicht. Auch bestimmtes Verhalten, wie es
zum Beispiel dem Kläger vorgehalten werde, gebe im Einzelnen hinreichenden
Aufschluss. Der Kläger habe sich als persönlich ungeeignet erwiesen, weil er beständig
Hinweise und Weisungen der Beklagten missachtet habe. Über die Besonderheiten der
Ermächtigung eines Übersetzers, die Richtigkeit und Vollständigkeit von Übersetzungen
zu bescheinigen, sei der Kläger mehrfach informiert worden. Ungeachtet aller Hinweise
habe er sich dennoch über Jahre hinweg als ermächtigter Übersetzer bzw. „authorised
translator" bezeichnet. Auch mit seinen Hinweisen auf seine allgemeine Beeidigung als
Dolmetscher sei der Kläger über die tatsächlichen Gegebenheiten hinaus gegangen.
Die Eintragung eines Dolmetschers in die bei der Justizverwaltung geführte Liste sei
keine Regelung zur Berufsausübung; sie stelle insbesondere keine Zulassung zur
Berufsausübung dar. Dementsprechend sei auch das Vorenthalten dieser Maßnahme -
zum Beispiel durch Zurückweisung eines Antrags oder Streichung eines Eintrags aus
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dem Verzeichnis - nicht geeignet, die Berufsausübung zu regeln. Weil der Eintrag in
dem Verzeichnis keine Zulassung darstelle, dürfe der Kläger als selbständiger und von
den Justizbehörden unabhängiger Dolmetscher ohne weiteres Aufträge von den
Justizbehörden übernehmen. Mit Blick auf die fehlende persönliche Eignung würden
seine Dienste aber nicht noch in Form eines Eintrags in dem Verzeichnis der
Dolmetscherinnen und Dolmetscher und der Übersetzerinnen und Übersetzer
empfohlen.
Der Kläger hat am 05.09.05 Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim
Oberlandesgericht in E gestellt.
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Durch Beschluss vom 02.12.05 - I-3 VA 10/05 - hat das Oberlandesgericht E den
beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das
Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen.
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Der Kläger trägt vor: Die Streichung aus dem Dolmetscherverzeichnis stelle einen
Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG NRW dar und bedürfe deshalb einer
gesetzlichen Rechtsgrundlage, welche vorliegend jedoch nicht ersichtlich sei. Die von
der Beklagten herangezogene Vorschrift in Abschnitt I Nr. 4 AV d. JM stelle keine
Rechtsgrundlage dar, die zum Erlass eines belastenden und grundrechtsrelevanten
Verwaltungsakts ermächtigen würde. Bei dieser Verordnung handele es sich weder um
ein Parlamentsgesetz noch um eine Rechtsverordnung. Wegen der grundrechtlichen
Bedeutung der Streichung aus der Liste dürfe ein einfaches Gesetz als
Rechtsgrundlage nicht ausreichen. Zudem sei eine Streichung aus der Dolmetscherliste
vom Wortlaut des Abschnitts I Nr. 4 S. 2 AV d. JM nicht umfasst. Dort sei lediglich
bestimmt, dass Änderungen der Verzeichnisse angeregt werden könnten. Auch sei dem
Text nicht zu entnehmen, dass es bei den in der Liste geführten Personen sowohl auf
die fachliche als auch auf die persönliche Zuverlässigkeit ankäme. Mit Ausnahme etwa
anhängiger Straf- oder Ermittlungsverfahren bzw. Eintragungen in das polizeiliche
Führungszeugnis seien sonstige außerhalb der fachlichen Eignung liegende
Gesichtspunkte nicht zu berücksichtigen. Zudem verkenne die Beklagte, dass sich das
dem Kläger vorgeworfene Verhalten nicht auf den Bereich beziehe, in dem er allgemein
vereidigt sei und für den er in die Liste eingetragen sei. Es handele sich allenfalls um
Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, die eine so schwere Würdigung, wie von der
Beklagten vorgenommen, nicht zuließen. Durch die Maßnahme werde rechtswidrig in
den Schutzbereich des Art. 12 GG eingegriffen. Es handele sich um eine
Berufsausübungsregelung, da ein nicht unerheblicher Teil von Dolmetschern mit der
Übersetzung für Behörden und Gerichte beschäftigt sei. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts gehöre in das Spektrum relevanter
Grundrechtsbeeinträchtigungen bei Art. 12 GG auch ein faktischer Eingriff, wobei
entscheidend sei, ob die entsprechenden Vorschriften eine berufsregelnde Tendenz
hätten. Im Übrigen sei die Beklagte für die Streichung aus der Liste nicht zuständig
gewesen. Allein § 10 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 der Allgemeinen Verfügung vom
05.02.1900 über die allgemeine Vereidigung von Sachverständigen für gerichtliche
Angelegenheiten verhalte sich zur Frage der Zuständigkeit. Hiernach sei allerdings der
entsprechende Landgerichtspräsident für die Streichung zuständig. Auch sei der Kläger
vor Streichung aus der Liste und Rücknahme der Beeidigung nicht angehört worden.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
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vom 02.08.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht geltend: Mit den angefochtenen Bescheiden werde der Bedeutung und
Tragweite des Rechts aus Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung getragen. Eine Verletzung des
Grundrechts sei nicht erkennbar. Die Eintragung eines Dolmetschers in die bei der
Justizverwaltung geführte Liste stelle keine Regelung zur Berufsausübung dar. Sie
diene lediglich zur Verfahrensvereinfachung vor den Gerichten, da die Vereidigung für
die konkrete Sache im jeweiligen Einzelfall entfalle und es hiernach genüge, dass sich
der Dolmetscher auf den allgemeinen Eid berufe. Dementsprechend sei auch die
spätere Streichung aus der Liste keine Regelung der Berufsausübung. Die Liste sei
eine unverbindliche Empfehlung für den Dienstgebrauch. Im Bedarfsfall sei es zwar
möglich, einer Behörde einen Abdruck des Verzeichnisses zu überlassen. Anträge von
Privatpersonen auf Überlassung von Abdrucken habe sie jedoch grundsätzlich
abzulehnen. Auch dürfe der Kläger nach Streichung der Liste weiterhin Aufträge von
Justizbehörden annehmen. Aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebe sich allenfalls ein Anspruch
des Bewerbers darauf, eine faire Chance auf Zugang zu dem Beruf des Dolmetschers
und Übersetzers zu erhalten. Dieser werde durch die Streichung aus der geführten Liste
nicht tangiert. Die Tätigkeit des Dolmetschers werde - anders als bei der Bestellung
eines Sachverständigen oder eines Insolvenzverwalters - weder erst nach der
allgemeinen Vereidigung möglich, noch sei damit zwingend eine Bevorzugung bei der
Auftragsverteilung verbunden. Vielmehr spielten der konkrete Bekanntheitsgrad bei den
jeweiligen Gerichten und Behörden und die Anzahl der konkurrierenden Dolmetscher
für die jeweilige Sprache eine entscheidende Rolle. Selbst wenn das Fehlen in dem
Verzeichnis für den Kläger Auftragsnachteile mit sich bringen sollte, wäre dies allenfalls
eine mittelbare Folge der Streichung. Die Streichung aus der Liste sei auch nicht
willkürlich erfolgt, sondern aufgrund der Tatsache, dass sich der Kläger durch sein
Verhalten als unzuverlässig und damit persönlich ungeeignet im Sinne von Abschnitt I
Nr. 4 AV d. JM erwiesen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig.
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Die Entscheidung der Beklagten, den Kläger aus der Liste der Dolmetscherinnen und
Übersetzerinnen zu streichen, ist einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.
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Art. 19 Abs. 4 GG gewährt demjenigen Rechtsschutz, der durch die öffentliche Gewalt in
seinen Rechten verletzt ist. Als öffentliche Gewalt im Verständnis des Art. 19 Abs. 4 GG
werden auch die Gerichte eingeordnet, wenn sie außerhalb ihrer rechtsprechenden
Tätigkeit auf Grund eines ausdrücklich normierten Richtervorbehalts tätig werden. In
diesen Fällen handeln die Gerichte zwar in voller richterlicher Unabhängigkeit, aber
nicht in ihrer typischen Funktion als neutrale Instanzen der Streitentscheidung. Derartige
Entscheidungen sind nicht Teil der rechtsprechenden Tätigkeit, gegen die Art. 19 Abs. 4
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GG den Rechtsweg nicht eröffnet,
BVerfG, Beschluss vom 23.05.2006 - 12 BvR 2530/04 - ZIP 2006, 1355.
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Im vorliegenden Fall ist nicht der Bereich der rechtsprechenden Gewalt im Sinne von
Art. 92 GG betroffen. Die Eintragung in das Dolmetscherverzeichnis oder die Löschung
hieraus sowie die Versagung des Rechts, sich auf den allgemein geleisteten Eid zu
berufen, sind keine Rechtsprechungsakte. Kennzeichen der rechtsprechenden Tätigkeit
ist typischerweise die letztverbindliche Klärung der Rechtslage im Rahmen besonders
geregelter Verfahren.
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Dass der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VWGO eröffnet ist, hat das
Oberlandesgericht E durch seinen Verweisungsbeschluss vom 2. Dezember 2005 - I-3
VA 10/05 - für das erkennende Gericht bereits bindend festgestellt.
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Ob die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen (1. Löschung aus der
Dolmetscherliste und 2. Versagung des Rechts, sich auf den allgemein geleisteten Eid
zu berufen) Verwaltungsakte im Sinne von § 35 VwVfG NRW darstellen und deshalb
Rechtsschutz in Form der Anfechtungsklage zu gewähren ist oder ob es sich mangels
Regelungscharakter bzw. mangels unmittelbarer Außenwirkung um bloße „Realakte"
handelt und deshalb die allgemeine Leistungsklage oder auch eine Feststellungsklage
statthaft ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.
28
Denn auch die weitergehenden, besonderen Sachurteilsvoraussetzungen einer
Anfechtungsklage, insbesondere die Durchführung eines ordnungsgemäßen
Widerspruchsverfahrens gemäß §§ 68 ff VwGO, sind erfüllt. Zwar ist der Bescheid der
Beklagten vom 02.08.05 nicht als Widerspruchsbescheid bezeichnet. Das ist aber auch
nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Überprüfung der Recht- und
Zweckmäßigkeit der Ausgangsentscheidung in einem gesonderten Verfahren
stattgefunden hat. Es fehlt auch nicht an der Einlegung des Widerspruchs. Denn der
Kläger hat mit Schreiben vom 03.02.05 „Widerspruch bzw. das zulässige Rechtsmittel"
eingelegt. Dies war angesichts dessen, dass der Ausgangsbescheid keine
Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ausreichend. Der Kläger hat eindeutig zu erkennen
gegeben, dass er eine nochmalige Überprüfung der Entscheidung in einem
gesonderten Verfahren begehrte.
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Die Beklagte war auch für die Entscheidung über den Widerspruch nach § 73 Abs. 1 Nr.
2 VwGO zuständig, weil es sich bei der nächsthöheren Behörde um eine oberste
Landesbehörde, nämlich das Justizministerium handelt.
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Der Kläger ist schließlich auch klagebefugt, weil er schlüssig geltend macht, in seinen
Rechten, namentlich den in Art. 3 und 12 GG verankerten Grundrechten verletzt zu sein,
und eine solche Rechtsverletzung nicht von vornherein und nach jeder denkbaren
Sichtweise ausgeschlossen werden kann.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten
sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Dies gilt zunächst, soweit die Beklagte dem Kläger das Recht abgesprochen hat, sich
auf den allgemein geleisteten Eid zu berufen.
33
Als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für diese Maßnahme kommt allerdings nicht §
49 Abs. 2 VwVfG NRW in Betracht. Auf diese Vorschrift hat sich die Beklagte nämlich
gar nicht berufen. Sie ist vielmehr der Ansicht, dass ihr Vorgehen keiner ausdrücklichen
gesetzlichen Ermächtigung bedarf, sondern dass die AV d. JM eine ausreichende
Regelung darstellt. Da § 49 Abs. 2 VwVfG NRW eine Ermessensvorschrift ist, kann sie
nicht zur Anwendung gelangen, wenn die Behörde ihre Maßnahme hierauf nicht stützt.
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Der Widerruf des Rechts, sich auf die Allgemeine Beeidigung zu berufen, lässt sich aber
auch nicht auf die Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 08.04.88 stützen.
Diese enthält nämlich gar keine Regelung oder Aussage hierüber. Wohl ist in Ziff. V
Abs. 3 S. 1 des von der Beklagten herausgegebenen Merkblatts für Dolmetscherinnen
und Dolmetscher und Übersetzerinnen und Übersetzer, die für Justiz- und
Polizeibehörden tätig werden wollen, bestimmt, dass das Recht, sich auf die Allgemeine
Beeidigung oder die Ermächtigung zu berufen, zu widerrufen ist, wenn sich herausstellt,
dass die Voraussetzungen dafür tatsächlich nicht vorgelegen haben oder nicht mehr
vorliegen. Indessen ist dieses Merkblatt, wie der Name schon sagt, ein „Merkblatt'", eben
ein Hinweis auf eine beabsichtigte oder tatsächlich ausgeübte Verwaltungspraxis, aber
keine Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in die Rechte von Betroffenen.
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Eine andere Rechtsgrundlage für die getroffene Maßnahme ist nicht ersichtlich. Einer
gesetzlichen Rechtsgrundlage bedurfte es jedoch nicht.
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Nach dem im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Grundsatz des
Gesetzesvorbehalts bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage, wenn Eingriffe der Exekutive den Bürger belasten, wenn also
in Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Im Bereich der Eingriffsverwaltung ergibt
sich der Gesetzesvorbehalt schon aus den Grundrechten selbst, die entweder einfache
oder qualifizierte Gesetzesvorbehalte enthalten.
37
Die von der Beklagten getroffene Maßnahme - Widerruf des Rechts, sich auf die
allgemeine Beeidigung zu berufen - greift nicht in Grundrechte des Klägers,
insbesondere nicht in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 GG im Sinne einer
Berufszulassungs- oder Berufsausübungsregelung ein.
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Nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG haben alle Deutschen - wie der Kläger - das Recht der
freien Berufswahl. Gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann die Berufsausübung durch oder
aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Es besteht Einigkeit darüber, dass dies auch
für die Berufswahl gilt.
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Beruf ist dabei jede auf Dauer angelegte und der Schaffung einer Lebensgrundlage
dienende (erlaubte) Tätigkeit,
40
BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377.
41
Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt jedenfalls dann vor, wenn die Maßnahme auf eine
Berufsregelung zielt (Finalität). Hiernach ist die Zielrichtung des Verwaltungshandelns
ein tragendes Kriterium für die Annahme eines Grundrechtseingriffs. Zur Auslösung der
Schutzwirkung genügen u.U. je nach Art und Ausmaß aber auch tatsächliche
Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen, vorausgesetzt, dass sie in engem
Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen und eine deutlich erkennbare objektiv
berufsregelnde Tendenz aufweisen,
42
BVerwG, Urteil vom 18.04.85 - 3 C 34/84 - BVerwGE 71, 183 und Urteil vom 06.11.86 - 3
C 72/84 - BVerwGE 75, 109.
43
Andererseits schützen die Grundrechte nicht schon vor jeder nachteiligen Betroffenheit
eines einzelnen. Wann und in welchem Ausmaß gewisse tatsächliche Einwirkungen
eine relevante Beeinträchtigung des Grundrechts darstellen, ist in Ermangelung
einheitlicher formaler Eingriffskriterien materiell nach Maßgabe des Schutzzwecks des
jeweiligen Grundrechts zu ermitteln.
44
Der Grundrechtsschutz des Art. 12 GG zielt einerseits auf eine berufliche und
wirtschaftliche Betätigung, die möglichst unreglementiert und frei auch von relevanten
tatsächlichen Beeinträchtigungen ist. Andererseits gibt es in der freien
Wettbewerbswirtschaft im Grundsatz kein subjektives verfassungskräftiges Recht auf
Erhaltung eines bestimmten Geschäftsumfanges und auf Sicherung weiterer
Erwerbsmöglichkeiten,
45
BVerwG, Urteil vom 18.04.85 a.a. O.
46
Gemessen an diesen Grundsätzen greift die vom Kläger beanstandete Maßnahme nicht
in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers ein.
47
Die allgemeine Vereidigung und das Recht, sich hierauf zu berufen, sind weder
Berufszulassungs- noch -ausübungsregelungen. Wenn ein Dolmetscher sich nicht mehr
auf den allgemein geleisteten Eid berufen darf, hat dies zur Folge, dass er bei der
Bestellung durch einen Richter zum Dolmetscher im Einzelfall zu vereidigen ist (vgl. §
189 Abs. 2 GVG, § 8 FGG, sowie § 145 Abs. 3 ZPO für den Übersetzer). Eine Tätigkeit
als Dolmetscher ist nicht erst nach der allgemeinen Vereidigung möglich. Den Beruf
eines allgemein vereidigten Dolmetschers gibt es nicht. Der Dolmetscher wird durch die
allgemeine Vereidigung nicht öffentlich bestellt, wie die AV und das Merkblatt auch
ausdrücklich hervorheben. Vielmehr dient die Allgemeine Beeidigung gemäß Ziff. II Abs.
1 S. 3 des Merkblatts allein der Verfahrensvereinfachung. Die allgemeine Vereidigung
bewirkt lediglich, dass es bei der Zuziehung durch ein Gericht oder einen Notar genügt,
wenn sich der Dolmetscher auf den allgemein geleisteten Eid beruft, vgl. § 189 Abs. 2
GVG. Es entfällt also im Einzelfall die Vereidigung für die konkrete Sache,
48
vgl. zum Vorstehenden auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.09.97 - 20 VA 1/97 -
Juris.
49
Über die allgemeine Vereidigung wird zwar eine Bescheinigung erteilt (vgl. Ziff. V Abs. 4
des Merkblatts), die allgemeine Vereidigung ist aber selbst weder Nachweis einer
besonderen Qualifikation, noch bedeutet sie eine Zulassung oder Anstellung (vgl. Ziff. II.
Abs. 1 S. 4 des Merkblatts). Zwar ist mit der allgemeinen Vereidigung auch ein gewisser
Vertrauenszuwachs verbunden und kann das Fehlen einer solchen Vereidigung unter
Umständen Auftragsnachteile mit sich bringen. Dies sind aber eher mittelbare Nachteile.
Sie stellen sich als bloßer Reflex der staatlichen Maßnahme dar und erscheinen zudem
nicht derart gewichtig, dass sie die Berufsausübung beeinträchtigen würden. Denn
letztlich wird für die Heranziehung des Klägers bei Gerichten entscheidend sein, welche
tatsächlichen Erfahrungen die einzelnen Richter mit dem Kläger und seiner
Dolmetschertätigkeit gemacht haben. Es ist fernliegend zu glauben, der Kläger würde
nicht mehr als Dolmetscher herangezogen, weil er für jedes Verfahren einzeln beeidigt
50
werden müsste.
Die von der Beklagten betroffenen Maßnahme verstößt auch nicht gegen den
Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
51
Die auf der AV d. JM beruhende Verwaltungspraxis der Beklagten ist in dem „Merkblatt
für Dolmetscherinnen und Dolmetscher und für Übersetzerinnen und Übersetzer, die für
Justiz- und Polizeibehörden tätig werden wollen", niedergelegt,
52
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16.07.99 - 15 K 7417/96 -.
53
Hiernach ist das Recht, sich auf die Allgemeine Beeidigung oder die Ermächtigung zu
berufen, zu widerrufen, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen dafür
tatsächlich nicht vorgelegen haben oder nicht mehr vorliegen. Als Voraussetzungen
nennt das Merkblatt den Nachweis der persönlichen und fachlichen Eignung (vgl. Ziff. II
Nr. 1 des Merkblatts) und knüpft hierbei ersichtlich an Ziff. I Nr. 1 AV d. JM an, in der
bestimmt ist, dass ein Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer geführt wird, die
verpflichtet oder bereit sind für die Justizbehörden tätig zu werden und gegen deren
Eignung in fachlicher und persönlicher Hinsicht Bedenken nicht bestehen.
54
Insoweit kommt es nicht darauf an, dass in der AV d. JM selbst Regelungen fehlen, nach
denen die fachliche und persönliche Eignung Voraussetzung für eine allgemeine
Beeidigung wäre. Entscheidend ist vielmehr, welche Verwaltungspraxis der Beklagten
sich tatsächlich ausgebildet und entwickelt hat. Allein hieran hat mit Blick auf Art. 3 GG
die Beklagte sich und ihr Verhalten messen zu lassen.
55
Es entspricht aber offenbar ständiger Verwaltungspraxis der Beklagten, nur bei
Vorliegen der fachlichen und persönlichen Eignung den Dolmetschern das Recht
zuzusprechen, sich auf eine allgemeine Beeidigung zu berufen. Diese Vorgehensweise
erscheint auch nicht sachwidrig oder willkürlich. Dass sich der Begriff der
Ungeeignetheit als Verhandlungsdolmetscher nicht auf das Fehlen der fachlichen
Eignung reduzieren lässt, liegt auf der Hand. Der Begriff der Eignung umfasst eine
Gesamtwürdigung der Person des Dolmetschers. Wenn an die persönliche Eignung
angeknüpft wird, findet dies seinen sachlichen Grund darin, dass bei Mängeln in der
Persönlichkeit die Gewissenhaftigkeit der mündlichen Übersetzung nicht mehr
gewährleistet scheint, aber auch darin, dass die am gerichtlichen Verfahren Beteiligten
beim Einsatz eines (allgemein beeidigten) Dolmetschers ohne besondere feierliche
Bekräftigung sicher sein sollen, dass dieser persönlich integer ist und nicht in einer
steuernden Weise Einfluss auf das Verfahren nimmt und hierdurch die Rechtsfindung
verhindert oder erschwert,
56
VG Sigmaringen, Urteil vom 04.02.2002 - 8 K 1846/00 - Juris.
57
Das Vertrauen der am gerichtlichen Verfahren Beteiligten beschränkt sich nämlich nicht
nur auf die fehlerfreie und richtige Übersetzung eines Dolmetschers, sondern erstreckt
sich eben auch auf die im Zusammenhang mit der gerichtlichen Tätigkeit erforderliche
Lauterkeit und Korrektheit des Dolmetschers,
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VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.06 - 9 S 360/06 - Juris, zu § 15 Abs. 5
S. 2 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des
Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen
59
Gerichtsbarkeit.
Diese Korrektheit der Person wird in Frage gestellt, wenn der Dolmetscher auf seinem
Briefbogen (beharrlich) mit Angaben wirbt, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ein
solches Verhalten lässt den Schluss zu, dass er sich mit unlauterem Verhalten
Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern verschaffen möchte. Hierdurch wird das
Vertrauen in seine Korrektheit und Zuverlässigkeit erheblich erschüttert. Der Kläger hat
offensichtlich - wie er selbst einräumt - ganz bewusst den Briefkopf mit falschen
Zusatzangaben verwendet.
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Dass in der landesrechtlichen Regelung von Baden-Württemberg ein Widerruf offenbar
nur bei weitaus schwereren Vergehen vorgesehen ist, nämlich bei Verhängung einer
Strafe, also einem strafbewehrten Vergehen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der
Maßnahme der Beklagten. Denn diese muss sich nicht an den Regelungen oder der
Verwaltungspraxis anderer Länder messen lassen. Maßgeblich ist ihre eigene
Verwaltungspraxis.
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Insofern dürfte auch unerheblich sein, dass im Merkblatt für den Antrag auf allgemeine
Beeidigung als Nachweis der persönlichen Eignung zwar die Vorlage eines
polizeilichen Führungszeugnisses, aber nicht etwa die Abgabe einer schriftlichen
Versicherung des Bewerbers gefordert wird, im Geschäftsverkehr nicht mit
unzutreffenden Tatsachen zu werben. Denn dies dürfte sich von selbst verstehen. Es
erscheint jedenfalls nicht sachwidrig oder willkürlich, in einem solchen Fall von
mangelnder persönlicher Eignung auszugehen.
62
Auch die Streichung aus der Dolmetscherliste ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten.
63
Allerdings lässt sich auch die Streichung aus der Dolmetscherliste nicht unmittelbar auf
Ziff. 4 S. 2 AV d. JM stützen. In dieser Bestimmung heißt es: „Bei diesen (Anm:
zuständigen Behörden) sind auch gegebenenfalls Änderungen der Verzeichnisse
anzuregen, insbesondere die Änderung einer Anschrift, die Aufnahme weiterer
Dolmetscher oder Übersetzer in die Liste und die Streichung solcher Personen, die sich
als nicht geeignet erwiesen haben."
64
Damit betrifft die AV d. JM nach ihrem Wortlaut allein die Anregung von Änderungen der
Liste, d.h. des Verzeichnisses. Es handelt sich demnach um eine bloße
Verfahrensregelung, die das Führen des Verzeichnisses betrifft, nicht aber dazu gedacht
ist, als Rechtsgrundlage für Maßnahmen gegenüber außenstehenden Personen
herzuhalten und für diese oder in Bezug auf diese verbindliche Feststellungen oder
Regelungen zu treffen. Die AV wendet sich an die jeweiligen Gerichtspräsidenten oder
auch Gerichtsangehörigen (Ziff. 4 S. 1: „Besondere Erfahrungen mit einzelnen
Dolmetschern oder Übersetzern sind dem zuständigen Präsidenten des OLG oder
Generalstaatsanwaltschaft mitzuteilen"). Die Dolmetscher und Übersetzer sind damit
nicht Adressat der Verfügung. Für Regelungen ihnen gegenüber stellt deshalb die AV d.
JM keine geeignete Rechtsgrundlage dar.
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Eine andere Rechtsgrundlage für die getroffene Maßnahme ist nicht ersichtlich. § 49
Abs. 2 VwVfG NRW kann - ungeachtet der Frage, ob die Eintragung einen
Verwaltungsakt darstellt - hier schon deshalb nicht zur Anwendung gelangen, weil die
Beklagte ihre Maßnahme hierauf nicht gestützt hat.
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Die Beklagte war aber zur Streichung aus der Dolmetscherliste auch ohne
ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage berechtigt. Denn wie oben schon ausgeführt,
bedürfen Maßnahmen ohne Grundrechtsbezug keines materiellen Gesetzes als
Handlungsgrundlage.
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So liegt es hier: Die von der Beklagten getroffene Maßnahme - Streichung aus der
Dolmetscherliste - greift nicht in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 GG im
Sinne einer Berufszulassungs- oder Berufsausübungsregelung ein. Gemessen an den
oben aufgezeigten Maßstäben wird durch die Aufnahme in oder Streichung aus der
Liste für Dolmetscher nicht in die Berufsfreiheit eingegriffen und zwar weder im Sinne
einer Berufszulassungsregelung noch im Sinne einer Berufsausübungsregelung. Denn
eine Tätigkeit als Dolmetscher oder Übersetzer ist für den Kläger nicht erst und nur dann
möglich, wenn er in die bei der Beklagten geführte Liste eingetragen ist. Es gibt nicht
den Beruf eines „allgemein vereidigten Dolmetschers" oder den eines „Gerichts- und
Behördendolmetschers". Im Gegensatz zum Beruf des Insolvenzverwalters, der nur
ausgeübt werden kann, wenn die Bestellung durch einen Träger hoheitlicher Gewalt -
das Insolvenzgericht - erfolgt, ist einem Dolmetscher nicht jede Berufsausübung
versperrt, wenn er von Gerichten und Behörden nicht zur Dolmetschertätigkeit
herangezogen wird. Schon aus diesem Blickwinkel besitzt die Streichung von der
Dolmetscherliste eine andere Qualität als die Nichtberücksichtigung bei der Vorauswahl
von Insolvenzverwaltern,
68
vgl. zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes bei der Vorauswahl von
Insolvenzverwaltern: BVerfG, Beschluss vom 03.08.04 - 1 BvR 135/00 und 1086/01 -
NJW 2004, 2725; BVerfG, Beschluss vom 23.05.06 - 1 BvR 2530/04 - NJW 2006, 2613
69
Das Verzeichnis der Dolmetscher ist ferner ein rein behördeninternes Verzeichnis,
welches grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Dies unterscheidet die
Dolmetscherliste auch von Sachverständigenverzeichnissen, die gerade zur
Unterrichtung der Öffentlichkeit dienen, wie z. B. die Liste über „Sachverständige
Personen bzw. Stellen zur Durchführung von Wesensprüfungen und
Sachkundeprüfungen nach der Hessischen Hundeverordnung",
70
vgl. hierzu VG Gießen, Urteil vom 26.07.04 - 10 E 605/04 - Juris.
71
Zwar können Privatpersonen im Einzelfall Dolmetscher oder Übersetzer für eine
bestimmte Sprache benannt werden, sofern ein berechtigtes Interesse dargetan wird.
(Ziff. 3 S. 2 AV JM), jedoch sollen einer solchen Auskunft Hinweise auf die
Unverbindlichkeit beigegeben werden.
72
Darüber hinaus bewirkt die Eintragung eines Dolmetschers in eine bei Gericht geführte
Liste lediglich eine Vereinfachung seiner Einschaltung bei Verhandlungen vor
Gerichten und den Notaren, ist aber nicht Voraussetzung für die Dolmetschertätigkeit bei
Gericht. Bei der Auswahl eines Dolmetschers dürfte allerdings dem Umstand der
Eintragung gewichtige, wenn nicht sogar erstrangige Bedeutung zukommen,
73
vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.04.2005 - 1 VA 1/05 - Juris.
74
Da zudem ein allgemein vereidigter Dolmetscher ohne besonderen Antrag in das von
der Beklagten geführte Verzeichnis eingetragen wird, ist mit der Eintragung in das
75
Verzeichnis wie mit der allgemeinen Vereidigung auch ein gewisser
Vertrauenszuwachs verbunden. Umgekehrt kann das Fehlen in der Liste wie auch das
Fehlen einer allgemeinen Vereidigung Auftragsnachteile mit sich bringen. Dies ist aber
allenfalls mittelbare Folge der allgemeinen Vereidigung bzw. der Eintragung und nicht
das Ziel. Zwingend ist diese Fernwirkung nicht, vielmehr spielt auch der konkrete
Bekanntheitsgrad der Kenntnisse des einzelnen Dolmetschers bei den jeweiligen
Gerichten und Behörden eine Rolle,
vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.09.1997 - 20 VA 1/97 - Juris,
76
wobei es Neulinge auch bei Aufnahme in die Liste im Allgemeinen schwerer haben
dürften, Aufträge erteilt zu bekommen, als „bewährte Dolmetscher", auch wenn sie nicht
mehr in der Liste geführt werden.
77
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG zur öffentlichen
Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen, nach der die Bestimmungen des §
36 GewO bzw. die in Ausführung dieser Bestimmung ergangenen Normen als
Berufsausübungsregelungen einzustufen sind,
78
vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.03.92 - 1 BvR 298/86 - BVerfGE 86, 28.
79
Denn in jenen Fällen ist der Nachteil der abgelehnten Bewerber gerade darauf
zurückzuführen, dass der Gesetzgeber die staatliche Anerkennung einer bestimmten
Qualifikation geschaffen hat und den Gerichten in den Prozessordnungen ausdrücklich
vorgeschrieben wird, dass die Gutachten nach Möglichkeit bei öffentlich bestellten
Sachverständigen angefordert werden sollen (vgl. Z. B. § 404 Abs. 2 ZPO),
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.03.92 a.a.O.; auch VG Düsseldorf, Urteil vom 16.07.99 -
15 K 7417/96 -.
81
Darum geht es aber vorliegend nicht. Weder die AV d. JM noch die Verwaltungspraxis
der Beklagten regelt bzw. betrifft den Zugang zu einem bestimmten Beruf oder dessen
Ausübung. Die Liste dient vielmehr im öffentlichen Interesse der Vereinfachung der
Verfahrensabläufe. Mit der Eintragung in die Liste ist gerade keine amtliche Zulassung
oder öffentliche Bestellung verbunden. Insbesondere ist die von der Beklagten geführte
Dolmetscherliste keine "geschlossene Liste", bei der die Zahl der aufgenommenen
Bewerber begrenzt wäre und in die nur bei Ausscheiden einer bereits geführten Person
ein neuer Bewerber in den Kreis möglicher Verhandlungsdolmetscher aufgenommen
würde.
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Vgl. insoweit zur Vorauswahl bei der Bestellung zum Insolvenzverwalter: BVerfG, Urteil
vom 23.05.2006 - 1 BvR 2530/04 - NJW 2006, 2613.
83
Darüber hinaus kann der Kläger - auch wenn er nicht in das von der Beklagten geführte
Verzeichnis eingetragen ist - weiterhin von Gerichten und Behörden als Dolmetscher
oder Übersetzer herangezogen werden.
84
Liegt schon kein Eingriff in das Recht der Berufsfreiheit vor, so stellt sich auch nicht die
Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs. Ungeachtet dessen bleibt
festzuhalten, dass der Kläger durch die Entscheidung der Beklagten nicht daran
gehindert ist, jederzeit einen neuen Antrag auf Eintragung in die Dolmetscherliste zu
85
stellen, dem die Beklagte jedenfalls aus Gleichbehandlungsgrundsätzen dann Folge zu
leisten hätte, wenn die persönliche und fachliche Eignung des Klägers bei erneuter
Prüfung zu bejahen wären. Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn sich der Kläger
innerhalb einer bestimmten Zeitspanne weder in fachlicher noch in persönlicher
Hinsicht etwas hat zuschulden kommen lassen und sich mithin „bewährt" hat.
Die von der Beklagten verfügte Streichung aus der Dolmetscherliste verstößt auch nicht
gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
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Das Verbot einer willkürlichen Ungleichbehandlung begründet bei Einräumung von
Ermessen eine Verpflichtung zu dessen sachgerechter Ausübung. Jeder, der die
Aufnahme in das Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer beantragt, muss eine
faire Chance erhalten, entsprechend seiner Eignung berücksichtigt zu werden. Dem
trägt die Beklagte dadurch Rechnung, dass bei Vorliegen der von ihm gestellten
Anforderungen regelmäßig die Eintragung in das Verzeichnis erfolgt. Dies bedeutet
auch, dass der bereits eingetragene Dolmetscher oder Übersetzer nicht ohne
sachlichen Grund aus dem Verzeichnis gestrichen werden darf.
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Ein solcher sachlicher Grund liegt hier vor.
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Die auf der AV d. JM beruhende Verwaltungspraxis der Beklagten ist in dem „Merkblatt
für Dolmetscher und Übersetzer, die für Justiz- und Polizeibehörden tätig werden
wollen", niedergelegt,
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vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16.07.99 - 15 K 7417/96 -.
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Hiernach führt der Widerruf des Rechts, sich auf die allgemeinen Beeidigung zu
berufen, regelmäßig zur Streichung aus dem Dolmetscherverzeichnis. Dies ist insofern
nicht sachwidrig, weil umgekehrt die allgemeine Vereidigung ohne weiteren Antrag
automatisch zu einer Eintragung in das Verzeichnis führt, vgl. Ziff. 2 Nr. 1. des Merkblatts
der Beklagten.
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Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich an diese von ihr
festgeschriebene Verwaltungspraxis in der Vergangenheit nicht gehalten hätte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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