Urteil des VG Düsseldorf vom 06.09.2006

VG Düsseldorf: satzung, rückvergütung, höchstpersönliche rechte, materielle rechtskraft, anwartschaft, treu und glauben, eröffnung des verfahrens, auszahlung, kapitalleistung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 K 776/05
Datum:
06.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 776/05
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des
Versorgungswerks der Beklagten vom 20.12.2004 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.01.2005 verpflichtet, auf den Antrag
des Klägers vom 25.11.04 die Rückvergütung aus der Kapitalversorgung
in satzungsgemäßer Höhe an den Kläger auszuzahlen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers
tragen die Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte. Im Übrigen trägt
jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, einen Anspruch auf
Rückvergütung der Kapitalversorgung gegenüber dem Versorgungswerk der Beklagten
geltend zu machen.
2
Der am 11.06.49 geborene Beigeladene ist verheiratet und hat zwei Kinder, die am
00.00.83 bzw. am 00.00.92 geboren sind. Die Ehefrau des Beigeladenen ist Ärztin und
betreibt in E eine Gelbfieberimpfstelle. Der Beigeladene war beruflich als Zahnarzt tätig
und ist Mitglied im Versorgungswerk der Beklagten. Durch Beschluss des Amtsgerichts
E vom 19.03.01 - 503 IN 37/01 - wurde über das Vermögen des Beigeladenen wegen
Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der
Kläger ernannt.
3
Nachdem der Beigeladene multiple Hirninfarkte erlitten hatte, stellte er im Oktober 2003
Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente, die ihm vom Versorgungswerk der Beklagten durch
Bescheid vom 11.12.03 bewilligt wurde. Durch Beschluss vom 25.02.04 erklärte der
Zulassungsausschuss der Zahnärztekammer O die vertragszahnärztliche Zulassung
des Beigeladenen für beendet, nachdem der Beigeladene auf weitere
4
vertragszahnärztliche Tätigkeit verzichtet hatte.
Wegen des Insolvenzverfahrens wandte sich das Versorgungswerk der Beklagten (die
Beklagte) an den Beigeladenen und an den Kläger zwecks Prüfung, an wen welche
Leistung zu erbringen sei. Die Beklagte führte hierzu aus, dass sich die satzungsmäßige
Berufsunfähigkeitsrente aus der Rente der Dynamischen Rentenversorgung und der
Rente aus der Kapitalversorgung zusammensetze. Gleichzeitig würden bei Beginn der
Berufsunfähigkeitsrente die Gewinne aus der Kapitalversorgung gezahlt. Die
Leistungen aus der Kapitalversorgung seien allerdings an die B-bank (B-Bank)
abgetreten.
5
Gegenüber der B-Bank, an die der Beigeladene im Jahre 1988 auf Standardformularen
Leistungen aus der Kapitalversorgung abgetreten hatte, bezifferte die Beklagte die
Ansprüche des Beigeladenen auf Berufsunfähigkeitsrente aus der Kapitalversorgung
mit 330,47 EUR monatlich. Ferner erklärte die Beklagte, dass per 31.12.02 die Gewinne
aus der Kapitalversorgung in Höhe von 25.160,07 EUR fällig würden. Die Leistung aus
der Kapitalversorgung ohne Berücksichtigung der Gewinne belief sich im
Versorgungsfall, d.h. bei vorzeitigem Tode oder im Regelfall mit Vollendung des 62.
Lebensjahres, nach Angaben der Beklagten gegenüber dem Beigeladenen auf
49.569,75 EUR. Nachdem die B-Bank mitgeteilt hatte, dass sie die Rechte aus der
Abtretung aufrecht erhalten wolle, wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 16.12.03
an die Beklagte und führte darin sinngemäß aus: Er könne die Abtretungserklärung des
Beigeladenen zugunsten der B-Bank nicht anerkennen, weil diese infolge der
Verwendung nicht auf den Fall zugeschnittener Standardformulare nicht hinreichend
bestimmt und auch nicht bestimmbar sei. Unabhängig von der Frage, ob der B-Bank ein
Absonderungsrecht aufgrund der Abtretungserklärung zustehe, müssten allerdings
sämtliche Leistungen aus der Kapitalversorgung an ihn in seiner Eigenschaft als
Insolvenzverwalter ausgezahlt werden. Dies ergebe sich aus § 166 Abs. 2 InsO. Die
Rente aus der dynamischen Rentenversorgung stehe in Höhe des pfändungsfreien
Betrages dem Beigeladenen zu. Bei der Berechnung sei von zwei
unterhaltsberechtigten Kindern auszugehen, die Ehefrau hingegen bleibe außer
Betracht, weil sie über eigenes Einkommen verfüge. Hingegen könnten pfändbare
Rentenanteile, die Gewinne aus der Kapitalversorgung und die erst später fällig
werdende Kapitalleistung mit befreiender Wirkung nur auf sein Anderkonto geleistet
werden.
6
Durch Schreiben vom 05.02.04 erklärte die B-Bank, dass sie nach Prüfung ihrer
Rechtsabteilung die Auffassung des Klägers teile. Eine Kopie dieses Schreibens leitete
sie der Beklagten zu.
7
Durch Beschluss des Amtsgerichts E vom 05.02.04 - 503 IN 37/01 - wurde festgestellt,
dass dem Beigeladenen die von der Beklagten zu zahlenden monatlichen laufenden
Rentenzahlungen ab dem 01.01.04 vollumfänglich zu verbleiben hätten, da ansonsten
der notwendige Bedarf des Beigeladenen und der diesem gegenüber
unterhaltsberechtigten Personen nicht gedeckt sei.
8
Mit Bescheid vom 11.02.04 setzte die Beklagte die Versorgungsansprüche des
Beigeladenen wie folgt fest: Dynamische Rentenversorgung (§ 11 der Satzung):
2.764,66 EUR p.m., Kapitalversorgung (§ 30 IV der Satzung) 330,47 EUR p.m. Zugleich
wies die Beklagte darauf hin, dass die Rente aus der Dynamischen Rentenversorgung
mit Vollendung des 62. Lebensjahres in gleicher Höhe als Altersrente lebenslang
9
gezahlt werde und dass die Rente aus der Kapitalversorgung bis zur Vollendung des
62. Lebensjahres gezahlt werde. Mit Vollendung des 62. Lebensjahres werde die
Kapitalleistung fällig. Die laufende Rente werde auf das Konto der Ehefrau des
Beigeladenen gezahlt. Hingegen werde der Gewinn aus der Kapitalversorgung in Höhe
von 25.160,07 EUR bis zur endgültigen Klärung des Empfangsberechtigten
einbehalten.
Mit Schreiben vom 26.02.04 forderte der Kläger die Beklagte zur Auszahlung des
einbehaltenen Gewinns auf.
10
Mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 01.03.04 forderte der
Beigeladene seinerseits die Beklagte zur Zahlung der Gewinnanteile an ihn auf. Zur
Begründung führte er aus, seit seiner schweren Erkrankung seien ihm durch den Kläger
die vom Amtsgericht freigelassenen monatlichen Unterhaltsbeiträge von 3.223,40 EUR
mit Ausnahme einer Zahlung von 1.000,00 EUR nicht ausgezahlt worden. Weiterhin
habe er mit seiner Familie aus seinem Haus in E ausziehen müssen, weil er die teure
Miete nicht mehr habe tragen können. Dadurch seien erhebliche Kosten entstanden.
11
Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, dass sie sich hinsichtlich der
Gewinne aus Kapitalversorgung nicht in der Lage sehe, den berechtigten Drittgläubiger
zu ermitteln und wegen der unklaren Sachlage angekündigt hatte, zunächst den
streitigen Betrag einzubehalten, wandte sich der Kläger unter dem 09.03.04 erneut an
die Beklagte und wies darauf hin, dass nach seiner Auffassung Zahlungen mit
schuldbefreiender Wirkung nur an ihn als Insolvenzverwalter erfolgen könnten. Eine
Hinterlegung des Betrages von 25.160,07 EUR komme nicht in Betracht. Er sei bereit,
die Beklagte von Ansprüchen des Beigeladenen freizuhalten.
12
Daraufhin kehrte die Beklagte die Gewinne an den Kläger aus.
13
Im Hinblick auf das Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes zum 01.01.05 beschloss
die Kammerversammlung der Beklagten am 28.09.04 eine Satzungsänderung, durch
die den Mitgliedern des Versorgungswerks, die das 57. Lebensjahr bis dahin noch nicht
vollendet hatten, zum 30.11.04 eine Rückvergütung der Kapitalversorgung beantragen
konnten. Mit Schreiben vom 25.11.04 beantragte der Kläger in seiner Eigenschaft als
Insolvenzverwalter gemäß des durch Änderungsbeschluss vom 28.09.04 eingefügten §
30a der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten die Rückvergütung der
Kapitalversorgung zuzüglich der gutgeschriebenen Gewinne. Rechte Dritter - machte
der Kläger geltend - bestünden nicht. Insbesondere könne der Beigeladene keine
Rechte an der Kapitalversorgung geltend machen, weil der Beschluss des Amtsgerichts
E nur die monatlichen laufenden Zahlungen in jeweils fälliger Höhe erfasse, nicht aber
die Kapitalleistung selbst.
14
Durch Beschluss vom 29.11.04 - 503 IN 37/01 - ergänzte das Amtsgericht E seinen
Beschluss vom 05.02.04 klarstellend dahingehend, dass sich die dortigen
Feststelllungen nur auf laufende Ratenzahlungen, nicht jedoch auf das Deckungskapital
bzw. die Kapitalleistung selbst beziehen würden, aus welchen ein Teil der laufenden
Rentenzahlungen generiert werde. Soweit eine Auszahlung des Kapitalstocks zu einer
Verminderung der laufenden Rentenzahlungen führe, stehe dies dem Beschluss vom
05.02.04 nicht entgegen. Insbesondere könne der frühere Beschluss eine
Leistungspflicht der Beklagen gegenüber dem Beigeladenen zu laufenden
Rentenzahlungen nicht begründen.
15
Mit Schreiben vom 30.11.04 und 01.12.04 widersprach die inzwischen zur Betreuerin
bestellte Ehefrau des Beigeladenen dem Antrag des Klägers und teilte mit, dass der
Beigeladene von seinem Wahlrecht Gebrauch mache, die Gelder aus der
Kapitalversorgung weiterhin verrenten zu lassen.
16
Unter dem 08.12.04 legten die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen Rechtsmittel
gegen den Ergänzungsbeschluss des Amtsgerichts E vom 29.11.04 ein. Mit Antrag vom
14.12.04 beantragten sie ferner, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Beklagte
anzuweisen, vorläufig einer Auszahlung der durch den Kläger geltend gemachten
Rückvergütung aus dem Kapitalversorgungsanteil nicht zuzustimmen. Nachdem das
Amtsgericht E durch Verfügung vom 20.12.04 darauf hingewiesen hatte, dass seiner
Auffassung nach eine Klärung der Frage, ob der Insolvenzverwalter zur Beantragung
der Rückvergütung aus der Kapitalversorgung berechtigt sei, durch das Insolvenzgericht
mangels Rechtsgrundlage für eine solche Entscheidung nicht möglich sei, betrieb der
Beigeladene dieses Verfahren nicht weiter.
17
Mit Bescheid vom 20.12.04 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die
Rückvergütung der Kapitalversorgung nach § 30a der Satzung ab und stützte die
Entscheidung darauf, dass der Beigeladene der Rückvergütung widersprochen habe.
18
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 20.01.05 - dem Kläger zugestellt am 24.01.05 - zurück.
19
Der Kläger hat am 21.02.05 Klage erhoben.
20
Er trägt vor: Die Satzung des Versorgungswerks in der Fassung vom 16.11.96 habe in §
30 vorgesehen, dass die Kapitalleistung spätestens mit Vollendung des 62.
Lebensjahres fällig und sodann in einer Summe ausgezahlt werde. Jedes Mitglied habe
jedoch mit einer Frist von drei Monaten beantragen können, dass das Deckungskapital
bereits nach Vollendung des 57. Lebensjahres ausgezahlt werde. Aus Anlass des
Inkrafttretens des Alterseinkünftegesetzes zum 01.01.05 und der damit verbundenen
anderen Besteuerung habe die Kammerversammlung eine vom Finanzministerium
genehmigte Satzungsänderung vorgenommen und in § 30a eine vom 01.10.04 bis zum
31.12.04 geltende Sonderregelung geschaffen. Hiernach hätten Mitglieder des
Versorgungswerks, die das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, zum 30.11.04
eine Rückvergütung der Kapitalversorgung beantragen können. Die Möglichkeit der
vorzeitigen Rückvergütung sei den Mitgliedern durch Rundschreiben mitgeteilt worden.
Es lägen auch sämtliche Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts nach § 30a der
Satzung durch ihn - den Kläger - vor. Ansprüche Dritter an der Kapitalversorgung
bestünden nicht. Die B-Bank habe die Unwirksamkeit der Abtretungserklärung des
Beigeladenen bestätigt. Entsprechend seien auch schon die Gewinne aus der
Kapitalversorgung an den Kläger ausgezahlt worden. Er - der Kläger - sei auch
antragsberechtigt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe das Recht des
Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu
verfügen, auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO über. Bei den Rechten
aus der Kapitalversorgung handele es sich um zur Insolvenzmasse gehörendes
Vermögen gemäß § 35 InsO. Die Möglichkeit zur Rückvergütung stelle eine einmalige
Kapitalleistung dar, welche pfändbar sei und somit der Zwangsvollstreckung unterliege.
Die Kapitalversorgung, welche von der Beklagten gewährt werde, sei mit einer
Kapitallebensversicherung vergleichbar. Es handele sich um einen Sparvertrag, der das
21
Risiko des Todes mit absichere. Die Kapitalversicherung diene weniger der
Altersvorsorge, sondern eher der Vermögensbildung. Die laufende Altersvorsorge sei
bereits durch die Dynamische Rentenversicherung abgedeckt. § 80 InsO führe dazu,
dass sämtliche Rechtshandlungen, die der Insolvenzverwalter innerhalb seines
gesetzlichen Aufgabenkreises vornehme, für und gegen den Schuldner wirken würden.
Erklärungen des Insolvenzverwalters würden daher den Schuldner unmittelbar binden.
§ 80 Abs. 1 InsO weise dem Insolvenzverwalter mit der Verfahrenseröffnung in die
vermögensrechtlichen Rechtspositionen des Schuldners ein. Daraus folge im
Gegenzug, dass gemäß § 81 Abs. 1 InsO Verfügungen des Schuldners nach
Verfahrenseröffnung absolut unwirksam seien. Der Beigeladene habe demnach einen
Antrag auf Rückvergütung gar nicht stellen dürfen. Einziger Antragsberechtigter sei er -
der Kläger - gewesen. Insoweit gehe die Auffassung der Beklagten fehl, die
Kapitalversorgung werde erst durch den Antrag des Mitglieds zu verwertbarem
Vermögen. Unter den Begriff des Vermögens fielen insbesondere die Rechte des
Schuldners, so auch Pensionsansprüche und Ansprüche auf Versicherungsleistungen.
Diese seien vom Insolvenzverwalter geltend zu machen, nicht hingegen vom Schuldner
selbst. Nichts anderes folge aus § 25 Abs. 3 der Satzung. Diese Vorschrift bewirke nicht,
dass der Beigeladene nicht mehr an der Kapitalversorgung teilnehme. Es ende nicht die
Mitgliedschaft, sondern lediglich die Beitragspflicht. Dass die Kapitalversorgung weder
einem Abtretungs- noch einem Pfändungsverbot unterliege, habe der Beigeladene
durch die - aus anderen Gründen unwirksame - Abtretung der Forderung an die B-Bank
aufgezeigt. Zu diesem Verhalten setze er sich in Widerspruch, wenn er sich nunmehr
auf mangelnde Abtretbarkeit oder Pfändbarkeit berufe. Im übrigen gehe es nicht darum,
dem Beigeladenen sämtliche Rentenzahlungen zu entziehen. Streitgegenständlich sei
allein die Rente aus Kapitalversorgung von monatlich 330,47 EUR.
Der Kläger beantragt,
22
den Ablehnungsbescheid des Versorgungswerks der Beklagten vom 20.12.2004 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, auf den Antrag des Klägers vom 25.11.04 die Rückvergütung aus der
Kapitalversorgung in satzungsgemäßer Höhe an den Kläger auszuzahlen.
23
Die Beklagte beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Sie macht geltend: Die Kapitalversorgung könne erst durch den Antrag des Mitglieds zu
verwertbarem Vermögen werden, an einem solchen Antrag fehle es hier jedoch. Ein
solcher Antrag sei für den Beigeladenen auch gar nicht möglich gewesen, weil
hinsichtlich der Kapitalversorgung durch den Kläger Rechte Dritter geltend gemacht
worden seien. Auch der Kläger sei nicht zur Beantragung der Rückvergütung berechtigt
gewesen. § 30a der Satzung begründe offensichtlich kein Forderungsrecht, sondern ein
Gestaltungsrecht. Dieses Gestaltungsrecht sei höchstpersönlicher Natur und an die
Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Beklagten gebunden. Es handele sich um ein
persönliches Mitgliedschaftsrecht. Der Kläger sei nicht Mitglied des Versorgungswerks
der Beklagten. Die Ausübung des Gestaltungsrechts stehe ihm deshalb nicht zu. Die
hier in Rede stehenden Ansprüche seien nicht mit dem Fall einer
Kapitallebensversicherung vergleichbar. Die Mitgliedschaft im Versorgungswerk beruhe
auf Gesetz, nämlich auf § 6 Abs. 1 Nr. 10 des Heilberufsgesetzes für das Land NRW,
und nicht auf privater Vereinbarung. Jedes Mitglied der Beklagten sei Pflichtmitglied
26
dieser Versorgung. Vergleichbar sei der vorliegende Fall mit der Berechtigung des
Schuldners, eine Erbschaft auszuschlagen. Der Beigeladene habe beantragt, die
Rückvergütung zum satzungsrechtlich bestimmten, spätesten Zeitpunkt auszuzahlen.
Demgemäß werde ihm nach § 30 Abs. 3 der Satzung aufgrund seiner Berufsunfähigkeit
bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres bzw. bis zum Tode eine Jahresrente, zahlbar
in Monatsbeiträgen, gewährt.
Der Beigeladene beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Zur Begründung führt er aus: Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, eine Erklärung
zur Erlangung der Rückvergütung nach § 30a der Satzung der Beklagten abzugeben.
Gemäß § 25 Abs. 3 der Satzung sei nämlich die Teilnahme an der Kapitalversorgung für
Kammermitglieder, die eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhielten, ausgeschlossen.
Der Insolvenzverwalter könne aber nicht ein Recht beantragen, an dem der Schuldner
nicht mehr teilnehme. Im Übrigen könnten weder die Versorgungsanwartschaften
abgetreten werden, noch Optionsrechte von Dritten geltend gemacht werden. Bei den
Anwartschaften handele es sich um höchstpersönliche Rechte, die nur der
Gemeinschuldner ausüben könne und die gegen seinen Willen nicht verfolgt werden
könnten. Zumindest ergebe sich aus § 242 BGB, dass die Ansprüche auf
Kapitalversorgung nicht verwertet werden dürften, zumal der Insolvenzverwalter
gehalten sei, den Lebensbedarf des Gemeinschuldners mitzusichern. Im Übrigen
verstoße die Geltendmachung der Rückvergütung gegen ein Veräußerungs- bzw.
Verfügungsverbot und sei deshalb gemäß § 80 Abs. 2 InsO nicht möglich. Zudem
stünde ein etwaiger Anspruch aus der Kapitalversorgung nicht dem Insolvenzverwalter,
sondern aufgrund der vorrangigen Abtretung der B-Bank zu. Schließlich sei auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verweisen, wonach bei der Prüfung
der Zulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG
niedergelegte Wertentscheidung des Grundgesetzes zu berücksichtigen sei.
Entsprechendes gelte im Insolvenzrecht. Vorliegend sei der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn das Begehren des Klägers akzeptiert würde. Denn
der Beigeladene sei schwer krank und pflegebedürftig. Sein notwendiger Bedarf und der
seiner Familienmitglieder sei nur durch den derzeitigen Rentenbezug gewährleistet.
Könnte der Kläger das Recht nach § 30a der Satzung ausüben, würden dem
Beigeladenen und seiner Familie dringend benötigte Mittel entzogen. Auch würde die
Altersversorgung der Ehefrau des Beigeladenen beeinträchtigt. Eine Kürzung der
Anwartschaft des Beigeladenen habe im Falle der Scheidung wegen des zu treffenden
Versorgungsausgleichs auch Auswirkungen auf die Versorgung der Ehefrau.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
ergänzend Bezug genommen.
30
Entscheidungsgründe:
31
Die Klage ist zulässig.
32
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, denn bei der
zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf
Auszahlung der Rückvergütung aus der Kapitalversorgung hat, handelt es sich um eine
33
öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, die nicht durch
Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Dass der Kläger
vorliegend seine Berechtigung zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs
maßgeblich aus § 80 InsO herleitet, macht die Streitigkeit nicht zu einer zivilrechtlichen,
denn die Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs findet ihren Ursprung in der
aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 10 des
Heilberufsgesetzes für das Land NRW) erlassenen Satzung des Versorgungswerks der
Beklagten und mithin in einer Vorschrift, durch die eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts in Bezug auf ihre Versorgungseinrichtung (§ 1 Abs. 3 S. 1 der Satzung des
Versorgungswerks der Beklagten) berechtigt und verpflichtet wird. Der
Auszahlungsanspruch beruht zudem nicht etwa auf einem mit dem Berechtigten
abgeschlossenen Vertrag und damit auf Gleichordnungsebene, sondern auf einer
öffentlich-rechtlichen Zwangsmitgliedschaft und mithin in einem Über-
Unterordnungsverhältnis.
Die Streitigkeit ist nicht etwa durch § 2 Abs. 1 InsO dem Insolvenzgericht zugewiesen.
Hiernach ist für das Insolvenzverfahren das Amtsgericht als Insolvenzgericht zuständig.
Bei der Frage, ob eine Forderung oder ein Recht zur Insolvenzmasse gehört, besteht
allerdings ein enger Sachzusammenhang mit dem Insolvenzverfahren. Der Begriff des
Insolvenzverfahrens ist zwar weit auszulegen, jedoch hat der Gesetzgeber eine
Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs mit der Insolvenzordnung nicht eingeführt,
34
vgl. FK-InsO, § 2 Rdnr 5, 6a.
35
Das Insolvenzgericht ist hinsichtlich der Frage, ob unpfändbare Gegenstände zur
Insolvenzmasse gehören, nur für bestimmte Entscheidungen zuständig. Dies folgt aus §
36 Abs. 4 S. 1 InsO. Nach dieser Vorschrift ist das Insolvenzgericht für Entscheidungen
zuständig, ob ein Gegenstand nach den in Abs. 1 S. 2 genannten Vorschriften, d.h. nach
den §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g bis 850i ZPO, der
Zwangsvollstreckung unterliegt. Um eine solche Entscheidung geht es hier nicht, denn
in Frage steht nicht die Einhaltung bestimmter Pfändungsfreigrenzen.
36
Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage, und nicht etwa eine unmittelbar auf
Zahlung gerichtete allgemeine Leistungsklage. Vor Auszahlung der Rückvergütung
bedarf es nämlich zunächst der Ermittlung und Festsetzung der Leistungshöhe durch
die Beklagte. Auch § 51 der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten vom
27.11.04 geht davon aus, dass die Maßnahmen des Versorgungswerks anfechtbare
Verwaltungsakte darstellen.
37
Das hiernach erforderliche Vorverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt und die
Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO eingehalten worden.
38
Die Klage ist auch begründet. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Auszahlung der Rückvergütung aus der
Kapitalversorgung des Beigeladenen gegen die Beklagte.
39
Dem Kläger fehlt nicht die erforderliche Aktivlegitimation. Vielmehr folgt seine
Berechtigung, die geltend gemachte Leistung gegenüber der Beklagten zu verlangen,
aus § 80 Abs. 1 InsO. Nach dieser Vorschrift geht durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende
40
Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.
Gemäß § 35 InsO zählt zur Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem
Schuldner bei Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens
erwirbt. Alle Rechtspositionen, die Geldwert haben, stellen Vermögen dar,
41
vgl. FK-InsO, § 35 Rdnr. 5
42
Künftige Forderungen unterfallen damit dem Insolvenzbeschlag erst im Moment ihrer
Entstehung. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörte dem Beigeladenen, also
dem Schuldner, der Anspruch auf Rückvergütung allerdings nicht, weil nach der bis
30.09.04 geltenden Fassung der Satzung nur eine Auszahlung des Deckungskapitals
der Kapitalversorgung nach Vollendung des 57. Lebensjahres begehrt werden konnte.
43
Der Anspruch auf Rückvergütung der Kapitalversorgung ist auch nicht durch die zum
01.10.04 in Kraft getretene Satzungsänderung vom 28.09.04 Gegenstand der
Insolvenzmasse geworden. Zwar erfasst das Insolvenzverfahren nach § 35 InsO auch
das Vermögen, welches der Schuldner (erst) während des Verfahrens erlangt. Der
Beigeladene hat aber den Rückvergütungsanspruch nicht infolge der
Satzungsänderung erlangt. Denn durch die Satzung wurde lediglich das Recht
geschaffen, die Rückvergütung schriftlich zu beantragen, auch wenn die Altersgrenze
von 57 Jahren noch nicht erreicht war. Der Auszahlungsanspruch bzgl. der
Rückvergütung stand demnach noch unter der Bedingung der (rechtzeitigen)
Beantragung.
44
Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand allerdings eine Anwartschaft auf
Kapitalleistung (Versorgungsanwartschaft). Unter einer Anwartschaft versteht man eine
Aussicht auf den zukünftigen Erwerb eines Rechts. Anwartschaften sind - z.B. durch
Beitragszahlung - erworbene Werte, die zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung zum
Anspruch werden. Bei einer Anwartschaft kann ein juristischer Anspruch erst nach
Erfüllen einer Bedingung geltend gemacht werden.
45
Diese Anwartschaft ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit
Insolvenzbeschlag belegt worden. Dem steht § 36 InsO nicht entgegen.
46
Gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung
unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. Hier ist nicht zu prüfen, ob Pfändungsverbote
nach §§ 850- 850i ZPO gegeben sind, denn hierfür ist - wie schon oben ausgeführt -
gemäß § 36 Abs. 4 InsO das Insolvenzgericht zuständig. Zur Prüfung im vorliegenden
Verfahren stehen allein die §§ 851 ff ZPO.
47
Nach § 851 ZPO ist eine Forderung der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie
übertragbar ist (Abs. 1). Eine nach § 399 BGB nicht übertragbare Forderung kann
insoweit gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden, als der geschuldete
Gegenstand der Pfändung unterworfen ist (Abs. 2). Gepfändet werden können auch
künftige Forderungen, soweit sie hinreichend bestimmt sind. Dem Insolvenzbeschlag
unterfallen sie aber gemäß § 35 InsO erst mit dem Erwerb durch den Schuldner.
48
Die dem Beigeladenen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehende Anwartschaft
an der Kapitalversorgung war übertragbar und damit pfändbar.
49
§ 22 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten vom 16.11.96 (Satzung
a. F.) steht dem nicht entgegen, denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf
Anwartschaften aus der Rentenversicherung und nicht auf Anwartschaften aus der
Kapitalversorgung. Auch die Formulierung in § 30a der Satzung in der Fassung des
Änderungsbeschlusses vom 28.09.04 („...sofern Beitragsrückstände und Rechte Dritter
an der Kapitalversorgung nicht bestehen...") spricht für eine von der Beklagten gewollte,
zumindest aber für möglich gehaltene Abtretbarkeit der Anwartschaft.
50
Es gibt auch keine anderen durchgreifenden Gründe, die Anwartschaft auf einmalige
Kapitalleistung für unpfändbar zu erklären.
51
Für die betriebliche Ruhegeldzusage ist allerdings höchstrichterlich entschieden, dass
die Anwartschaft selbst unpfändbar ist, obwohl die Ruhegeldanwartschaft aus einer
betrieblichen Altersversorgung schon vor Eintritt des Versorgungsfalles einen
Vermögenswert für den Berechtigten hat. Gleichwohl ist sie deshalb noch kein
Haftungsobjekt für die Gläubiger; vielmehr ist bei betrieblichen Ruhegeldzusagen
zwischen dem Rentenstammrecht, das mit dem Eintritt des Versorgungsfalles entsteht,
und den einzelnen hieraus erwachsenden Ruhegeldraten zu unterscheiden. Das
Stammrecht als Quellrecht für nur zum Teil pfändbare, im Übrigen aber unpfändbare
Ansprüche ist, weil es sich nicht in einen pfändbaren und einen unpfändbaren Teil
ausrechnen lässt, im ganzen unpfändbar und daher nicht insolvenzbeschlagfähig. Was
für das Stammrecht gilt, gilt auch für das Anwartschaftsstadium dieses Rechts,
52
vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1988 - 9 ZR 210/87 - NJW-RR 1989, 286-291 und auch
Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur InsO, 3. Auflage 2001.
53
Unpfändbar sind auch die gesetzlichen Rentenanwartschaften als Stammrecht,
54
vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2002 - 9 ZB 85/02 - NJW 2003, 1457; OLG Frankfurt,
Beschluss vom 01.12.2003 - 1 UF 170/03 - FamRZ 2004, 1043; vgl. ferner Eingabe R 12
des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. zum Positionspapier des BMJ zum
Pfändungsschutz für Kapitallebensversicherungen u.a. Kapitalversicherungen zur
Altersvorsorge.
55
Indessen ist die Anwartschaft auf Kapitalversorgung mit der Rentenanwartschaft oder
der Anwartschaft auf betriebliches Ruhegeld nicht vergleichbar.
56
Die Unpfändbarkeit des Stammrechts beruht auf dem Gedanken, dass eine Aufteilung in
(künftige) pfändbare und unpfändbare Einzelansprüche nicht möglich ist. Die laufenden
Renten- oder Ruhegeldzahlungen sind nämlich gemäß § 54 Abs. 4 SGB I bzw. § 850
Abs. 2 ZPO pfändbar wie Arbeitseinkommen, d.h. es gelten die Pfändungsschutzregeln
der §§ 850 ff, insbesondere die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO. Eine monatliche
Rentenrate kann deshalb zum Teil unpfändbar sein.
57
Dieser Gedanke trifft auf die Kapitalversorgung nach der Satzung des
Versorgungswerks der Beklagten nicht zu. Die Pflichtkapitalversorgung in den §§ 25 ff
der Satzung ist zwar Teil der auf drei verschiedene Säulen gestellten
Gesamtpflichtversorgung der Zahnärzte und stellt eine Ergänzung der dynamischen
Rentenversorgung dar,
58
vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.09.1991 - 5 A 2267/88 - OVGE MüLü 42, 125.
59
Indessen wurde sie nach der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten vom
16.11.96 grundsätzlich als Einmalleistung ausgezahlt. Der Berechtigte hatte (im
Versorgungsfall) lediglich gemäß § 31 der Satzung a. F. ein Optionsrecht auf Zahlung
als Rente (Rentenoption). Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte der
Beigeladene diese Option jedoch nicht ausgeübt.
60
Mithin gehörte die Anwartschaft auf Kapitalversorgung mit Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse. Rechte Dritter bestanden nicht, insbesondere
hatte die B-Bank mit ihrem Schreiben vom 05.02.04, von dem sie der Beklagten eine
Kopie übersandte, sinngemäß den Verzicht auf die Geltendmachung etwaiger Rechte
aus der Abtretung erklärt. Im Übrigen ist festzuhalten, dass eine Abtretung nur zu einem
Absonderungsrecht der B-Bank nach §§ 50 Abs. 1, 51 Nr. 1 InsO hätte führen können,
welches aber nicht die Beklagte gegenüber dem Kläger als Einrede gegen den
Zahlungsanspruch hätte geltend machen können.
61
Gehört hiernach die Anwartschaft auf Kapitalversorgung zur Insolvenzmasse, so ist
damit aber noch nicht die Frage geklärt, ob dem Kläger das Recht auf vorzeitige
Rückvergütung der Kapitalversorgung zusteht. Der Anspruch auf Rückvergütung der
Kapitalversorgung setzt nämlich neben dem Bestehen einer Versorgungsanwartschaft
einen Antrag (des Mitglieds) voraus. Einen solchen Antrag hat der Beigeladene nicht
gestellt.
62
Dem Kläger stand aber als Konkursverwalter das Recht zu, anstelle des Beigeladenen
die Auszahlung der Rückvergütung nach § 30a der Satzung in der Fassung des
Änderungsbeschlusses vom 28.09.04 zu beantragen und mithin die Anwartschaft auf
Kapitalversorgung in einen Anspruch auf Rückvergütung zu verwandeln. Das Recht,
das Vermögen zu verwalten oder darüber zu verfügen, geht mit Eröffnung des
Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Spiegelbildlich dazu erklärt § 81
InsO Verfügungen des Schuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse für
unwirksam.
63
Das Antragsrecht nach § 30a der Satzung in der Fassung des Änderungsbeschlusses
vom 28.09.04 unterfällt zwar nicht dem Verwaltungsrecht. Es unterfällt jedoch dem
Verfügungsrecht des Klägers. Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, durch das auf ein
Recht unmittelbar eingewirkt wird, indem es übertragen, aufgehoben, belastet oder in
seinem Inhalt verändert wird. Als Verfügungen im Sinne der Insolvenzordnung sind
auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen mit verfügendem Charakter anzusehen (z. B.
die Mahnung). In der Beantragung der vorzeitigen Rückvergütung liegt eine solche
Verfügung. Durch die - gemäß § 30a der Satzung in der Fassung des
Änderungsbeschlusses vom 28.09.04 nicht zurücknehmbare - Beantragung der
Rückvergütung wird auf die Versorgungsanwartschaft unmittelbar eingewirkt, denn
hierdurch tritt anstelle des Anwartschaftsrechts auf Versorgung ein
Rückvergütungsanspruch. Mit Auszahlung der Rückvergütung erlöschen alle Rechte
aus der Kapitalversorgung.
64
Die Antragsbefugnis des Klägers als Insolvenzverwalter ist nicht etwa deshalb
ausgeschlossen, weil es sich bei dem Antragsrecht um ein höchstpersönliches Recht
handeln würde, das nur vom Berechtigten selbst ausgeübt werden könnte. Ansprüche
gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger sind im Allgemeinen nicht
höchstpersönlicher Natur,
65
vgl. BGH, Beschluss vom 25.08.04 - 9a ZB 271/03 - BGHZ 160, 197.
66
Für die Höchstpersönlichkeit des Rechts spricht auch nicht die Verwendung des Begriffs
„Mitglied" in § 30a der Satzung in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom
28.09.04. Durch diese Formulierung wird nur der Kreis der potentiell
Anspruchsberechtigten begrenzt, nicht hingegen die Höchstpersönlichkeit dieses
Rechts begründet oder hervorgehoben. Der Begriff „Mitglied" wird vom Satzungsgeber
nicht maßgeblich in Bezug auf höchstpersönliche Rechte oder Befugnisse verwendet.
Beispielsweise ist die Berufsunfähigkeitsrente jedem Mitglied bei Vorliegen der
Voraussetzungen zu gewähren (§ 11 der Satzung), auch wird die Altersrente den
Mitgliedern gewährt (§ 10). Dennoch besteht kein Zweifel und wird auch von der
Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass die Berufsunfähigkeitsrente und die Altersrente,
soweit sie pfändbar sind, dem Insolvenzbeschlag unterfallen.
67
Soweit in der Rechtsprechung das Rentenantragsrecht,
68
vgl. SG Frankfurt, Urteil vom 16.03.2001 - S 6 RA 4234/96 - NJW-RR 2002, 1213,
69
und das Recht, die Beitragserstattung zu beantragen,
70
BSG, Urteil vom 06.02.2001 - 13/5 RJ 18/89 - NZA 1992, 92 zum Antrag auf
Beitragserstattung.
71
für unveräußerlich und daher unpfändbar erklärt worden sind, finden diese
Entscheidungen ihre maßgebliche Grundlage in den Besonderheiten des
Sozialrechtsverhältnisses.
72
Vgl. demgegenüber OLG Brandenburg, Urteil vom 18.07.2002 - 8 U 124/01 - WM 2003,
1643 zum Recht des Insolvenzverwalters, eine Kapitallebensversicherung zu kündigen
und den Rückkaufwert einzuziehen.
73
Auch § 25 Abs. 3 der Satzung a.F. stand der Ausübung des Antragsrechts nicht
entgegen. Nach dieser Vorschrift sind von der Teilnahme an der Kapitalversorgung u.a.
ausgeschlossen diejenigen Kammermitglieder, an die vom Versorgungswerk eine
Rente wegen Berufsunfähigkeit gezahlt wird. Durch die Gewährung der beantragten
Berufsunfähigkeitsrente ist der Beigeladene nicht aus der Kapitalversorgung
ausgeschieden. Das Ende der Mitgliedschaft in der Kapitalversorgung regelte § 33 der
Satzung a.F. Hiernach endete die Mitgliedschaft mit dem Tod des Mitglieds oder bei
dauernder Beitragsbefreiung nach § 26 der Satzung a.F. Keiner dieser Fälle war hier
gegeben. Der Regelungsgehalt der Vorschrift des § 25 Abs. 3 der Satzung a.F. bestand
demnach allein daran, Mitglieder bei Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente von der
Möglichkeit, weitere Beitragsleistungen zu erbringen, auszuschließen. Demgegenüber
bestand bei Ende der Mitgliedschaft gemäß § 33 Abs. 3 der Satzung a.F. ein Anspruch
auf Rückvergütung in Höhe von 60 v.H. bzw. ein Leistungsanspruch nach
versicherungsmathematischen Grundsätzen. Weder der Beigeladene noch die Beklagte
sind aber dieser durch die Satzung angeordneten Rechtsfolge nachgekommen, was
dafür spricht, dass auch sie nicht von einer Beendigung der Mitgliedschaft ausgegangen
sind.
74
Der Ausübung des Antragsrechts nach § 30a der Satzung in der Fassung des
75
Änderungsbeschlusses vom 28.09.04 stand entgegen der in der mündlichen
Verhandlung von Beklagten- und Beigeladenenseite geäußerten Ansicht auch nicht der
Beschluss des Amtsgerichts E vom 05.02.04 - 503 IN 37/01 - entgegen.
Zum einen ist dieser Beschluss durch den nachfolgenden Beschluss vom 29.11.04
dahingehend klarstellend ergänzt worden, dass sich die Feststellungen im
vorangegangenen Beschluss nur auf laufende Rentenzahlungen, nicht jedoch auf das
Deckungskapital bzw. die Kapitalleistung selbst beziehen, aus welchem ein Teil der
laufenden Rentenzahlungen generiert wird. Soweit die Beklagte und der Beigeladene
der Ansicht sind, das Amtsgericht sei aufgrund der eingetretenen Rechtskraft zu einer
Änderung des Beschlusses vom 05.02.04 nicht befugt gewesen, verkennen sie, dass
ungeachtet der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 29.11.04 auch
dieser Beschluss materielle Rechtskraft entfaltet, weil das ursprünglich dagegen
eingelegte Rechtsmittel offenbar nicht weiter verfolgt wurde.
76
Zum anderen kann die materielle Rechtskraft eines Beschlusses in entsprechender
Anwendung von § 322 Abs. 1 ZPO nicht weiter gehen, als über den geltend gemachten
Anspruch entschieden wurde. Durch den hier in Rede stehenden Beschluss vom
05.02.04 ist aber lediglich eine Entscheidung hinsichtlich der „von der Drittschuldnerin
zu zahlenden laufenden Rentenzahlungen" an den Beigeladenen ergangen. Sie setzt
damit eine Leistungspflicht der Drittschuldnerin zu laufenden Rentenzahlungen voraus,
begründet sie aber nicht. Hingegen trifft der Beschluss keine Regelung für den Fall,
dass die Rentenzahlungen an den Schuldner - aus welchen Gründen auch immer - nicht
mehr erfolgen. Ist der Anspruch auf laufende Rentenzahlungen erloschen - etwa durch
Erlöschen aller Rechte aus der Kapitalversorgung - und erfolgen keine laufenden
Rentenzahlungen mehr, so geht der Beschluss vom 05.02.04 in seiner Wirkung ins
Leere.
77
Der Kläger war auch nicht gemäß § 242 BGB gehindert, von seiner Verfügungsbefugnis
Gebrauch zu machen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters
berechtigt ihn der Gläubigergemeinschaft gegenüber zu allen Maßnahmen, die dem
Insolvenzzweck, der größtmöglichen und gleichmäßigen Befriedigung der
Insolvenzgläubiger, dienen oder sich sonst auf die Masse beziehen. Das sind
insbesondere Erfassung und Verwertung der Masse nach §§ 148 ff InsO.
78
Vgl. FK-InsO § 80 Rdnr 10.
79
Dem Schuldner soll durch diese Regelung hingegen verwehrt sein, die der Befriedigung
der Gläubiger dienende Insolvenzmasse zu schmälern. Vor diesem Hintergrund ist nicht
erkennbar, aus welchen Gründen sich die Beantragung der Rückvergütung gegenüber
der Beklagten als Verstoß gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes oder als
rechtsmissbräuchlich darstellen sollte.
80
Aber auch aus in der Person des Beigeladenen liegenden Gründen war der Kläger nicht
an der wirksamen Ausübung des Antragsrechts gehindert. Soweit der Beigeladene
geltend macht, die Ausübung des Antragsrechts vernichte seinen Rentenanspruch und
habe zur Folge, dass er sozialhilfebedürftig werde, sodass sich die Beantragung der
Rückvergütung als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben darstelle, ist
dem nicht zu folgen. Es ist schon nicht erkennbar, warum eine Verfügung des
Insolvenzverwalters, die ersichtlich dem vorrangigen Ziel des Insolvenzverfahrens,
nämlich der (bestmöglichen) Befriedigung der Gläubiger (§ 1 InsO) dienen soll, wegen
81
eines vorgeblichen Verstoßes gegen Interessen des Schuldners absolut, d.h. jedem
gegenüber, unwirksam sein sollte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt die
Disposition über das Vermögen allein dem Insolvenzverwalter zu. Der
Insolvenzverwalter soll vom Gemeinschuldner gerade unabhängig sein. Wenn der
Gemeinschuldner im Rahmen seiner Insolvenz seine Verfügungsbefugnis verliert, ist
sein Eigentumsrecht insofern beschränkt, und es können aus diesem beschränkten
Eigentumsrecht keine prozessualen Rechte des Gemeinschuldners betreffend die
getroffenen oder zu treffenden Dispositionen des Insolvenzverwalters über das
Eigentum hergeleitet werden. Das Recht des Gemeinschuldners auf gerichtlichen
Schutz ist dadurch gewahrt, dass er sich gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
wehren kann. Wenn dem Gemeinschuldner ein Beschwerderecht im Hinblick auf die
einzelnen vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Maßnahmen verweigert wird, liegt
das nur in der Intention der gesetzlichen Regelung des Insolvenzverfahrens, nämlich
den Gemeinschuldner nach Insolvenzeröffnung von allen die Verwaltung betreffenden
Maßnahmen auszuschließen.
BVerfG, Beschluss vom 28.07.1992 - 1 BvR 859/92 - NJW 1993, 513.
82
So steht dem Schuldner auch für den Fall seiner Bedürftigkeit kein einklagbarer
Anspruch auf Unterhalt zu, sondern die Gläubigerversammlung - oder das
Insolvenzgericht - entscheidet nach freiem Ermessen,
83
vgl. FK-InsO § 100 Rdnr. 2 und 9.
84
Dem Schutzbedürfnis des Schuldners ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch
die Vorschrift des § 100 InsO Genüge getan.
85
Ungeachtet dessen ist auch nicht erkennbar, dass dem Beigeladenen durch die
Ausübung des Antragsrechts für den Lebensunterhalt notwendige Mittel entzogen
werden. Dem Beigeladenen verbleibt eine Rente von monatlich 2.764,66 EUR, die zur
Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhaltes und für den notwendigen
Lebensunterhalt der unterhaltsbedürftigen Kinder eingesetzt werden kann. Insoweit wird
zur Begründung auf den im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss der
Kammer vom 31.07.06 Bezug genommen.
86
Die Ausübung des Antragsrechts nach § 30a der Satzung in der Fassung des
Änderungsbeschlusses vom 28.09.04 steht dem Kläger unabhängig davon zu, ob es
sich bei diesem Recht um ein selbständiges vermögenswertes Gestaltungsrecht oder
um ein unselbständiges akzessorisches, d.h. um ein von der Anwartschaft auf
Kapitalversorgung abhängiges Nebenrecht handelt.
87
Wird in dem Recht, die Rückvergütung zu verlangen, ein selbständiges
vermögenswertes Gestaltungsrecht in Bezug auf die Kapitalleistung gesehen, so ist es
als vermögenswertes pfändbares Recht im Moment seiner Entstehung - hier durch
Inkrafttreten von § 30a der Satzung in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom
28.09.04 - mit Insolvenzbeschlag belegt worden. Selbständige Gestaltungsrechte sind
nämlich in der Regel ohne weiteres übertragbar und daher pfändbar,
88
vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20.02.2003 - 9 ZR 102/02 - NJW 2003, 1858; Thomas/Putzo,
27. Aufl. 2005, § 851 Rdnr. 3.
89
Aber auch, wenn es sich bei dem Antragsrecht um ein unselbständiges
(akzessorisches) Nebenrecht handeln sollte, wäre der Kläger nicht daran gehindert,
dieses Recht auszuüben. Dass ein solches Recht nach überwiegender Meinung nicht
selbständig übertragbar und daher auch nicht gesondert pfändbar sein soll,
90
vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2003 a.a.O., m.w.N.,
91
steht dem nicht entgegen. Die fehlende Pfändungsmöglichkeit findet ihren Grund darin,
dass das akzessorische Recht nicht vom Hauptrecht getrennt werden kann und soll. Der
Pfändungsgläubiger erwirbt diese Rechte mit der Pfändung und Überweisung des
Hauptrechts. Ist mithin - wie hier - das Hauptrecht mit Insolvenzbeschlag belegt, so wird
hiervon auch das unselbständige Nebenrecht erfasst.
92
Nach alledem lässt sich keine Rechtsvorschrift erkennen, die den Kläger als
Insolvenzverwalter an der Ausübung des Antragsrechts nach § 30a der Satzung hindern
würde. Hat der Kläger das Antragsrecht aber wirksam ausgeübt, so hat er auch gemäß §
80 Abs. 1 InsO i.V.m. § 30a der Satzung einen Anspruch auf Auszahlung der
Rückvergütung gegen die Beklagte.
93
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
94
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709
S. 1 und 2 ZPO.
95
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO
genannten Gründe vorliegt.
96
97