Urteil des VG Düsseldorf vom 18.06.2004

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 6685/02
Datum:
18.06.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26 Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 6685/02
Tenor:
Die an die Klägerin und an ihren verstorbenen Ehemann gerichteten
Gebührenbescheide des Beklagten vom 29. Juli 2002, 30. Juli 2002 und
31. Juli 2002 sowie der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23.
August 2002 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 50,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Zum 1. Januar 2000 wurde das Gebührensystem der Stadt O die
Abwasserbeseitigungsgebühr betreffend von der modifizierten Einheitsgebühr auf die
Trenngebühr umgestellt, d.h. ab diesem Zeitpunkt wurde die
Abwasserbeseitigungsgebühr differenziert nach Schmutzwasser einerseits und
Niederschlagswasser andererseits abgerechnet. Nachdem sich für das Jahr 2002
bezogen auf das Vorjahr für die Niederschlagswasserbeseitigungsgebühr eine
Erhöhung um 25,44 % und für die Schmutzwasserbeseitigungsgebühr eine solche in
Höhe von 18,82 % ergeben hatte, wandten sich die Klägerin und ihr verstorbener
Ehemann (im Folgenden: Eheleute L) erstmals mit Schreiben vom 31. Mai 2002 unter
Bezugnahme auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW an den Beklagten und baten um
Erteilung bestimmter Auskünfte, die ihnen sodann auch gebührenfrei erteilt wurden.
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Mit Schreiben vom 23. Mai 2002, 10. Juni 2002 sowie 13. Juni 2002 erbaten die
Eheleute L sodann die Beantwortung im Einzelnen aufgelisteter Fragen im
Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung und der Berechnung der
Abwasserbeseitigungsgebühren im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Unter dem
25. Juni 2002 bestätigte der Beklagte, dass „nunmehr ... auch Ihr Schreiben vom 13.
Juni 2002 hier eingegangen" ist; desweiteren führte er aus: „Die von Ihnen
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aufgeworfenen Fragen sind ähnlicher Art wie bereits in Ihren vorangegangenen
Schreiben vom 23. Mai und 10. Juni 2002. Um eine vollständige und richtige
Beantwortung meinerseits zu gewährleisten, sind auch hier wieder umfangreiche
Ermittlungen, auch bei anderen Dienststellen, notwendig".
Das Schreiben der Eheleute L vom 23. Mai 2002 beantwortete der Beklagte sodann mit
Schreiben seines Steueramtes vom 9. Juli 2002.
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Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 - bei dem Beklagten eingegangen am selben Tage -
teilten die Eheleute L dem Beklagten mit, dass sie nicht bereit seien, für derartig nichts
sagende und in wesentlichen Teilen falsche Auskünfte wie die ihnen bereits erteilten
Geld zu bezahlen. Auf Grund der bereits eingereichten Klage werde der Beklagte alle
Fragen zum Thema Entwässerung umfassend beantworten und die Unterlagen vor dem
Verwaltungsgericht offen legen müssen. Es bleibe dem Beklagten an Heim gestellt,
vorab die von ihnen erbetenen Kopien gegen Berechnung der Kopierkosten zur
Verfügung zu stellen.
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Mit weiteren Schreiben vom 30. Juli 2002 und 31. Juli 2002 beantwortete der Beklagte
sodann die Schreiben der Kläger vom 10. Juni 2002 bzw. 13. Juni 2002.
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Für die Antwort vom 9. Juli 2002 erhob der Beklagte mit Gebührenbescheid vom 29. Juli
2002 eine Verwaltungsgebühr nach der Verwaltungsgebührenordnung zum
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen für die Erteilung einer schriftlichen
Auskunft mit erheblichem Vorbereitungsaufwand in Höhe von 250,00 Euro. Für seine
Antwort vom 30. Juli 2002 erhob er mit Gebührenbescheid vom 30. Juli 2002 eine
Verwaltungsgebühr in Höhe von 100,00 Euro und für seine Antwort vom 31. Juli 2002
mit Gebührenbescheid vom selben Tage eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 200,00
Euro. Gegen diese Gebührenbescheide legten die Eheleute L unter dem 14. August
2002 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. August
2002 als unbegründet zurückwies.
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Am 13. September 2002 haben die Eheleute L die vorliegende Klage erhoben, zu deren
Begründung sie im Wesentlichen geltend gemacht haben: Der Beklagte werde in der
Mehrzahl der von ihm erteilten Antworten der ihm obliegenden Amtspflicht, die
gestellten Fragen wahrheitsgemäß, umfassend und nicht irreführend zu beantworten,
nicht gerecht. Der von ihm angegebene Zeitaufwand von 67 Stunden für die Ermittlung
der Daten zur Beantwortung der gestellten Fragen werde bestritten. Im Übrigen handele
es sich, soweit konkrete Aussagen gemacht worden seien, in allen Punkten um die
bloße Abschrift von Zahlen, die ohne jeden zusätzlichen Ermittlungsaufwand jederzeit
vorliegen müssten. Wenn der Beklagte einen erheblichen Zeitaufwand investiert haben
sollte, um diese Zahlen zu ermitteln, so sei dies auf eine fehlerhafte Organisation
zurückzuführen. Desweiteren hätten sie mit ihrem Brief vom 29. Juli 2002, dessen
Eingang noch am selben Tage vom Beklagten bestätigt worden sei, eindeutig erklärt,
auf die weitere Beantwortung der Fragen zu verzichten. Schließlich handele es sich bei
den mit Schreiben vom 23. Mai, 10. Juni und 13. Juni 2002 gestellten Fragen um einen
einheitlichen Vorgang.
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Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2002 teilte die Klägerin mit, dass ihr Ehemann am 12.
Oktober 2002 verstorben sei und sie das Verfahren fortsetzen werde.
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Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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die Gebührenbescheide des Beklagten vom 29. Juli 2002, 30. Juli 2002 und 31. Juli
2002 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. August 2002
aufzuheben.
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Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Für die Erstellung der den
angefochtenen Gebührenbescheiden vorausgegangenen Antwortschreiben auf die
entsprechenden Anfragen der Eheleute L sei in drei Verwaltungsbereichen (Kämmerer,
Stadtentwässerung und Steueramt) ein Zeitaufwand von insgesamt 67 Stunden
geleistet worden. Der Vorwurf, unvollständige, irreführende und falsche Auskünfte erteilt
zu haben, sei auf das Schärfste zurückzuweisen. Darauf, ob die Klägerin mit den
Antworten in allen Fällen etwas habe anfangen können, komme es im Rahmen des
Informationsfreiheitsgesetzes nicht an. Als das Fax der Eheleute L vom 29. Juli 2002
beim Beklagten eingegangen sei, seien im Übrigen die Antworschreiben vom 30. und
31. Juli 2002 bereits fertiggestellt und im Postlauf zur Unterschrift beim zuständigen
Dezernenten gewesen. Damit sei der nach der Verwaltungsgebührenordnung zum
Informationsfreiheitsgesetz NRW abzugeltende Verwaltungsaufwand mithin bereits
entstanden gewesen. Außerdem sei der Vorbereitungsaufwand nach Nr. 1.2 des
Gebührentarifs der Verwaltungsgebührenordnung zum Informationsfreiheitsgesetz NRW
Teil der gebührenpflichtigen Amtshandlung. Schließlich sei er auch berechtigt gewesen,
die Anfragen der Eheleute L getrennt zu beantworten und dementsprechend auch für
jede Antwort eine eigenständige Verwaltungsgebühr zu erheben. Dies gelte um so
mehr, als sich die Anfragen nicht zu einem identischen Fragenkomplex verhalten hätten.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2004 haben die
Verfahrensbeteiligten zunächst auf Vorschlag des Gerichtes zur Verfahrensbeendigung
einen Vergleich geschlossen, der unter dem Vorbehalt des Widerrufes bis zum 11. Juni
2004 stand. Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte haben von der vorbehaltenen
Möglichkeit des Widerrufes rechtzeitig Gebrauch gemacht.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten und des Sachverhaltes im
Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagen (Beiakte Heft 1 des vorliegenden Verfahrens sowie
Beiakte Heft 2 des Verfahrens VG Düsseldorf 5 K 4179/02) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Die an die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann gerichteten Gebührenbescheide
des Beklagten vom 29. Juli 2002, 30. Juli 2002 und 31. Juli 2002 sind rechtswidrig und
verletzen die Klägerin (zugleich in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin ihres
verstorbenen Ehemannes) in ihren Rechten. Sie waren daher ebenso wie der
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. August 2002 aufzuheben (§ 113 Abs. 1
S. 1 VwGO).
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Zwar war der Beklagte grundsätzlich berechtigt, für die Beantwortung der Anfragen der
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Eheleute L vom 23. Mai 2002, 10. Juni 2002 und 13. Juni 2002 Verwaltungsgebühren zu
erheben. Denn gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 IFG NRW werden für Amtshandlungen, die auf
Grund dieses Gesetzes vorgenommen werden, Gebühren erhoben. Der maßgebliche
Gebührentarif ist der Anlage der auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 S. 1 IFG NRW
ergangenen Verwaltungsgebührenordnung zum Informationsfreiheitsgesetz NRW vom
19. Februar 2002 (SGV.NRW.2011) zu entnehmen. Die genannten Bestimmungen sind
vorliegend anwendbar, da die Eheleute L in ihren an den Beklagten gerichteten
Schreiben präzise formulierte und untergliederte Fragen an den Beklagten gerichtet und
- wie sie in ihrem Schreiben vom 23. Mai 2002 an dessen Ende selbst angeführt haben -
präzise Antworten (Informationen) erwartet haben. Die Klägerin kann daher nicht mit
dem Argument gehört werden, der Beklagte sei ohnehin im Rahmen des anhängigen
gegen den die Entwässerungsgebühren festsetzenden Bescheid gerichteten
Klageverfahrens verpflichtet, die begehrten Auskünfte zu erteilen. Denn weder im
Widerspruchs- noch im Klageverfahren besteht ein Anspruch des
Widerspruchsführers/Klägers darauf, dass der Beklagte die Argumente im Einzelnen
abhandelnde Stellungnahmen abgibt. Ebenso wenig kann die Klägerin mit Erfolg
geltend machen, die Antworten des Beklagten seien in der Mehrzahl weder
wahrheitsgemäß noch umfassend und zudem irreführend. Abgesehen davon, dass der
Akteninhalt für diese Behauptung keine greifbaren Anhaltspunkte liefert, ist gemäß § 5
Abs. 2 S. 2 IFG NRW die inhaltliche Richtigkeit der Information nicht zu überprüfen. Wie
die Klägerin selbst aber zu zahlreichen Antworten eingeräumt hat, hat der Beklagte in
seinen Antwortschreiben Daten aus vorhandenen Unterlagen lediglich herausgesucht
und mitgeteilt. Der Rechtmäßigkeit der Gebührenbescheide vom 30. und 31. Juli 2002
steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Beklagte im Anschluss an das
Schreiben der Eheleute L vom 29. Juli 2002 nicht mehr berechtigt gewesen wäre, seine
Antwortschreiben vom 30. und 31. Juli 2002 an die Eheleute L zu senden. Denn gemäß
§ 15 Abs. 2 des Gebührengesetzes NRW, dessen Bestimmungen gemäß § 11 Abs. 2 S.
2 IFG NRW im Übrigen unberührt bleiben, ermäßigt sich im Falle der Zurücknahme
eines Antrages auf Vornahme einer Amtshandlung nach dem Beginn mit der sachlichen
Bearbeitung, jedoch vor der Beendigung der Amtshandlung, die vorgesehene Gebühr
um ein Viertel; sie kann bis zu einem Viertel der vorgesehenen Gebühr ermäßigt oder es
kann von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Vorliegend liegen bereits die Voraussetzungen für die Ermäßigung um ein Viertel nicht
vor, weil der Beklagte am 29. Juli 2002 die Antwortschreiben vom 30. und 31. Juli 2002
inhaltlich bereits fertig gestellt und damit die erbetene Amtshandlung abgeschlossen
hatte.
Die Gebührenbescheide des Beklagten vom 29. Juli 2002, 30. Juli 2002 und 31. Juli
2002 sind jedoch rechtswidrig (und verletzen die Klägerin deshalb auch in ihren
Rechten), weil der Beklagte nicht berechtigt war, für seine an die Eheleute L gerichteten
Antwortschreiben vom 9. Juli 2002, 30. Juli 2002 und 31. Juli 2002 getrennte
Gebührenbescheide zu erlassen. Denn die Anfragen der Eheleute L betrafen sämtlich
das Thema „Zustandekommen der im Gebiet der Stadt O erhobenen
Schmutzwasserbeseitigungsgebühren", wenn auch in den einzelnen Anfragen der
Eheleute L verschiedene Teilbereiche dieses Fragenkomplexes angesprochen wurden.
Hiervon ist im Übrigen auch der Beklagte ausgegangen, wie sich aus seiner im
Tatbestand angeführten Eingangsbestätigung vom 25. Juni 2002 zwanglos ergibt.
Darüberhinaus stehen die Anfragen der Eheleute L nicht nur in einem unmittelbaren
thematischen, sondern darüberhinaus auch in einem unmittelbaren zeitlichen
Zusammenhang, da sie in einem Zeitraum von lediglich drei Wochen bei dem Beklagten
eingegangen sind. Damit handelt es sich aber in der Sache um lediglich eine - wenn
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auch im Sinne des Gebührentarifs einen erheblichen Vorbereitungsaufwand
auslösende - Anfrage, die der Beklagte, für den stets sein Steueramt gehandelt hat,
zumindest in gebührenrechtlicher Hinsicht als eine Sache hätte behandeln müssen.
Dann hätte sich der Gebührenrahmen gemäß Ziffer 1.2 des Gebührentarifes zur
Verwaltungsgebührenordnung zum Informationsfreiheitsgesetz NRW aber in dem
Bereich von 10,00 Euro bis 500,00 Euro bewegt. Da der Beklagte ausgehend von der
gebotenen rechtlichen Betrachtung die Gesamtheit seiner Antworten in diesen
Gebührenrahmen einzuordnen hatte, waren alle vorliegend angefochtenen
Gebührenbescheide aufzuheben, da diesen die jeweiligen Antwortschreiben als jeweils
eigenständig in den Gebührenrahmen einzuordnende Amtshandlungen zu Grunde
liegen. Es ist nicht Sache des Gerichts, etwa die von dem Beklagten erteilten Auskünfte
einer eigenen Bewertung in dem Sinne zuzuführen, dass von den drei angefochtenen
Bescheiden einer oder gar zwei in einem Umfang aufgehoben werden, dass eine aus
Sicht des Gerichts zutreffende Gebührenschuld verbleibt. Der Beklagte ist vielmehr
gehalten, insoweit eine neue Gebührenfestsetzung zu treffen. Der Beklagte kann der
vorstehenden Betrachtung nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass diese einem
Missbrauch durch Informationssuchende gewissermaßen Tür und Tor öffne. Denn
sobald ein Auskunftsersuchen abschließend bearbeitet ist, handelt es sich bei einem
erneuten Auskunftsersuchen - auch wenn dieses das selbe Thema betrifft -
selbstverständlich um ein auch im Rechtssinne neues Ersuchen, dessen Bearbeitung
ggf. erneut eine Verwaltungsgebühr auslöst.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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