Urteil des VG Düsseldorf vom 25.02.2004

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, unterricht, ausschluss, öffentliches interesse, körperliche integrität, lehrerkonferenz, schule, schüler, verfügung, vollziehung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 L 539/04
Datum:
25.02.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18 Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 L 539/04
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung
vom 13. Februar 2004 wird insoweit wiederhergestellt, als der Sohn
Marvin der Antragsteller über den 1. März 2004 hinaus vom Unterricht
ausgeschlossen wurde. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsteller tragen zwei Drittel, die Antragsgegnerin ein Drittel der
Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 13. Februar
2004 hinsichtlich des Unterrichtsausschlusses wiederherzustellen,
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ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet.
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Der Antrag hat nicht schon wegen Fehlens der nach § 80 Abs. 3 VwGO erforderlichen
Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung Erfolg. Aus der Begründung der
Ordnungsmaßnahme ergibt sich, dass die Lehrerkonferenz die Schwere des Vorwurfes
sowie die mangelnde Einsicht des Fehlverhaltens zum Anlass nahm, die sofortige
Vollziehung anzuordnen. Die im Übrigen gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende
Interessenabwägung zwischen dem Suspensivinteresse der Antragsteller und dem
Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin geht zu Lasten der Antragsteller aus, soweit
ihr Sohn N bis zum 1. März 2004 vom Schulbesuch ausgeschlossen wird. Insoweit ist
die angefochtene Ordnungsmaßnahme weder offensichtlich rechtswidrig noch
überwiegt das Interesse der Antragsteller gegenüber dem öffentlichen
Vollziehungsinteresse aus sonstigen Gründen. Die Maßnahme kann auf §§ 26a Abs. 5
Nr. 3 SchVG, 18 ASchO gestützt werden. Danach entscheidet über den
vorübergehenden Ausschluss vom Unterricht von einem Tag bis zu zwei Wochen ein
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Ausschuss der Klassenkonferenz. Hier hat zwar die Lehrerkonferenz über die
Maßnahme befunden. Dies ist jedoch insoweit unschädlich, als die Lehrerkonferenz für
die zugleich ausgesprochene Androhung der Entlassung zuständig ist und sie in
diesem Fall auch über mildere Maßnahmen wie den vorübergehenden Ausschluss vom
Unterricht entscheiden kann, vgl. § 15 Abs. 5 ASchO. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen für eine Ordnungsmaßnahme gemäß § 18 ASchO lagen ersichtlich
vor. Zwar lässt sich anhand der vorgelegten Verwaltungsvorgänge nicht feststellen,
dass dem Antragsteller Sachbeschädigung vorgeworfen werden kann. Indessen finden
sich hinreichende Anhaltspunkte für die vorgeworfene Beleidigung, verbale Bedrohung
und körperliche Gewalt gegenüber einem Mitschüler. Nach den Feststellungen der
Antragsgegnerin hat der Sohn der Antragsteller auf dem Schulweg mehrfach diesen
Mitschüler gehänselt, provoziert und tätlich angegriffen. Er bezeichnete ihn als
„Scheißkind" und „Du Spasti", hänselte ihn wegen seiner Brille und eines Sehfehlers mit
den Worten „Du hast einen Knick in der Optik", „Du siehst behindert aus", stieß ihn und
schlug ihn mit der Faust auf den Kopf.
Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, es gebe keinen Zusammenhang
zwischen dem Geschehen im Bus und dem Verhalten N im Unterricht. Zum einen hat
der Sohn der Antragsteller ein vergleichbares Verhalten auch innerhalb der Schule an
den Tag gelegt. Zum anderen können Pflichtverletzungen nach § 26a Abs. 1 Satz 2
SchVG nicht nur in Form von Störungen des Unterrichts oder nur auf dem Schulgelände
begangen werden. Vielmehr ist ein hinreichender Bezug zum Schulverhältnis und damit
ein Anhaltspunkt für die Ordnungsgewalt der Schule auch dann noch gegeben, wenn
sich die Schüler auf dem gemeinsamen Schulweg befinden. Die Auffassung der
Antragsteller, die Beurteilung der Situation sei „völlig überzogen und nicht
angemessen", weil ansonsten bei jedem Schulhofstreit und bei jeder Rangelei ein
Ausschluss vom Unterricht erfolgen müsste, geht fehl. Das bisherige Verhalten des
Sohnes der Antragsteller in der Schule spricht vielmehr dafür, dass er grundsätzlich die
körperliche Integrität seiner Mitschüler nicht achtet. So musste bereits am 10. April 2003
ein Ausschluss vom Unterricht wegen Bedrohungen und Anwendung körperlicher
Gewalt ausgesprochen werden. Der Sohn der Antragsteller hatte mit einem Feuerzeug
einen Plastikstift erhitzt, um ihn dann einem anderen Klassenkameraden an den Hals zu
pressen; er hatte Mitschüler mehrfach geschlagen, bedroht und getreten. In einem Fall
hatte er eine Mitschülerin an den Füßen vom Stuhl gezogen, wodurch diese mit dem
Hinterkopf an die Stuhllehne geschlagen war. Der Umstand, dass der Sohn der
Antragsteller an einer „hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens" leidet, führt nicht
dazu, dass Ordnungsmaßnahmen ausgeschlossen wären. Weder kann eine solche
Störung dazu führen, dass Mitschüler folgenlos bedroht und geschlagen werden
können, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Sohn der Antragsteller
durch Ordnungsmaßnahmen nicht zu einem anderen Verhalten gebracht werden
könnte. Angesichts der erfolglosen Versuche, auf den Sohn der Antragsteller durch
Verweis und einwöchigen Unterrichtsausschluss zu einer nachhaltigen
Verhaltensänderung zu kommen, bestehen auch gegen die Verhängung eines
zweiwöchigen Unterrichtsverbots keine Bedenken. Die von den Antragstellern
erwogene Überweisung in eine parallele Klasse würde voraussetzen, dass durch das
Verhalten oder die Stellung des Schülers in der bisherigen Klasse der Unterricht oder
die Erziehung der anderen Schüler erheblich beeinträchtigt wurden, § 17 Abs. 2 ASchO.
Unabhängig von der Frage, ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist angesichts
seines bisherigen Verhaltens nicht ersichtlich, dass eine solche Maßnahme ausreicht,
um den Sohn der Antragsteller zu einer dauerhaften Verhaltensänderung zu bewegen.
Gleiches gilt für einen Ausschluss von der Busbeförderung, die im Übrigen nicht zu den
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der Antragsgegnerin zur Verfügung stehenden Mitteln zählt.
Eine ersatzweise schulische Betreuung wird den Antragstellern nicht auferlegt. Der
insoweit geltend gemachten psychischen Beeinträchtigung wegen eines Todesfalls im
Freundeskreis kommt somit keine ausschlaggebende Rolle zu.
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Allerdings fehlt es an einer Grundlage für den Ausschluss vom Unterricht, soweit dieser
über den 1. März 2004 hinaus geht. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin
ermächtigt § 26a Abs. 5 Nr. 3 SchVG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Satz 1 ASchO nicht
zu einem Ausschluss vom Unterricht für vierzehn Unterrichtstage. Vielmehr sehen beide
Regelungen einen vorübergehenden Ausschluss vom Unterricht „von einem Tag bis zu
zwei Wochen" vor. Schon der Wortlaut lässt nur eine kalenderbezogene Berechnung zu.
Dies entspricht auch der Systematik des Gesetzes. Will der Gesetzgeber auf einen
konkreten Unterrichtsumfang abstellen, so nimmt er etwa in § 26a Abs. 6 SchVG auf
Unterrichtsstunden oder in § 26 Abs. 3 Nr. 1 SchVG auf Unterrichtstage Bezug.
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Das Gericht ist durch den Umstand, dass schulrechtliche Ordnungsmaßnahmen
Ermessensentscheidungen sind, nicht an einer teilweisen Aufrechterhaltung der
Ordnungsmaßnahme gehindert. Die Antragsgegnerin hat hier klar gemacht, dass sie die
ihr zustehende Möglichkeit des vorübergehenden Ausschlusses vom Unterricht
ausschöpfen wollte. Diese Entscheidung bleibt unberührt, wenn das Gericht die
Ordnungsmaßnahme auf den höchstmöglichen Umfang reduziert. Insoweit besteht ein
erhebliches öffentliches Interesse an der alsbaldigen Vollziehung der
Ordnungsmaßnahme, weil bei einem Schüler der Klasse 7 der pädagogische Erfolg der
Maßnahme gefährdet wäre, wenn keine zeitnahe Umsetzung der Ordnungsmaßnahme
erfolgen würde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
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