Urteil des VG Düsseldorf vom 08.10.2002

VG Düsseldorf: gebäude, offene bauweise, grundstück, gewerbe, öffentlich, vollstreckung, verkehr, bebauungsplan, nutzungsänderung, halle

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 3778/99
Datum:
08.10.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 3778/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Jstraße 15 bis 23. Sie sind straßennah mit
einem zum Teil ein- und zum Teil zweigeschossigen Backsteingebäude bebaut. Daran
schließt sich im hinteren Bereich eine große Halle an, die weit in den rückwärtigen Teil
des Grundstücks hereinreicht und mit einem zum Grundstück des Beigeladenen
grenzständigen Anbau versehen ist. Die Gebäude sind derzeit unter anderem an einen
Getränkegroßhandel, eine Kabelfirma und einen alevitischen Kulturverein vermietet; die
Halle wird von einem Baumarkt genutzt. Im Obergeschoss der Gebäude Jstraße 15 und
17 befinden sich zwei Wohnungen. Auf dem rückwärtigen Teil der Grundstücke befindet
sich ein großer Parkplatz.
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Der Beigeladene ist Eigentümer des sich in östlicher Richtung anschließenden
Grundstücks Jstraße 25, Gemarkung G1, Flurstücke 49, 50 und 51, das mit mehreren
Lager- und Industriehallen bebaut ist.
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Die Jstraße, die als Sackgasse auf dem Fabrikgelände einer Sägenfabrik endet, ist
überwiegend mit Fabrik- und Lagerhallen bebaut. Auf der nördlichen Seite der Jstraße
ist ein Parkstreifen angelegt. Die Bebauung an der südlichen Seite weist mehrere
Lücken auf, die den Blick auf die Rückfront der an der nördlichen Seite der Hstraße
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gelegenen mehrstöckigen Wohnhäuser freigeben. Zu Beginn der Jstraße finden sich auf
beiden Seiten einige Wohnhäuser. Von dem Ende der Jstraße zweigt in südwestlicher
Richtung die Fstraße ab, die eine Privatstraße ist und in die Hstraße mündet. In
Richtung Hstraße ist sie mit mehreren mehrstöckigen Wohnhäusern bebaut. Die
Hstraße ist ebenfalls überwiegend in geschlossener Bauweise mit mehrstöckigen
Wohnhäusern bebaut. Im Erdgeschoss der Gebäude sind zum Teil gewerbliche
Betriebe untergebracht. Die Hstraße mündet südöstlich in die M Straße, die ihrerseits in
südwestlicher Richtung auf der Cstraße endet. Von dieser zweigt in nordwestlicher
Richtung die Jstraße ab. Wegen der weiteren Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf das
Protokoll des Ortstermins vom 2. Juli 2002 und den Auszug aus der deutschen
Grundkarte, Blatt 68 der Gerichtsakte verwiesen.
Ein Bebauungsplan existiert für diesen Bereich nicht.
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Von 1982 bis 1996 hatte der Beigeladene die derzeit als Werkswohnung genutzten
Räume in dem Gebäude des Klägers Jstasse 15 gemietet und dort für seine
Vereinstätigkeit einen Gebetsraum, einen Saal und einen Vorstandsraum eingerichtet.
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Nachdem der Beigeladene im Jahr 1996 das Gebäude Jstraße 25 erworben hatte,
beantragte er bei dem Beklagten am 2. Januar 1997 eine Baugenehmigung zur
Nutzungsänderung einer auf dem Grundstück befindlichen Industriehalle mit
Büroräumen in eine kulturelle Versammlungsstätte mit Gebetsraum und dazugehörigen
Büroräumen. In der Betriebsbeschreibung heißt es u.a., in dem Jugendraum fänden
gesellige Veranstaltungen von Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren mit einer
Gesamtzahl von 148 Personen statt. Während der Gebetszeiten werde der Raum
maximal von einem Drittel der Personen genutzt. Der Gebetsraum werde lediglich in
Zeiten des Ramadans von maximal 132 Personen besucht. Lediglich in dieser Zeit
würden auch Frauen den Raum nutzen. In den übrigen Zeiten würden lediglich ca. 80
Männer diesen Raum zu Gebeten von ca. 20 Minuten Dauer nutzen.
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Unter dem 30. Juni 1997 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die begehrte
Baugenehmigung.
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Mit Schreiben vom 11. März 1998 legte der Kläger dagegen mit der Begründung
Widerspruch ein, das Vorhaben füge sich nicht nach § 34 BauGB in die nähere
Umgebung ein, da der maßgebliche Rahmen der näheren Umgebung durch industrielle
und gewerbliche Nutzung geprägt sei. Die von dem Vorhaben ausgehende zusätzliche
Verkehrsbelastung sei nicht hinzunehmen. Die erst in 300 m Luftlinie zu findende
Wohnbebauung an der Hstraße könne wegen der topographischen Verhältnisse den
Rahmen nicht mitbestimmen, denn sie befände sich auf einem deutlich ansteigendem
Hang und sei daher von der Bebauung an der Jstraße deutlich abgesetzt. Bezöge man
aber die Wohnbebauung an der Hstraße mit ein, so entstünde eine unzulässige
Gemengelage, die städtebaulich unerwünscht sei und deswegen nicht realisiert werden
dürfe. Das geplante Vorhaben verstoße gegen das Ordnungsbild der BauNVO, das ein
Nebeneinander von wesentlich störenden Gewerbebetrieben und Anlagen einerseits
und kirchlichen Versammlungsstätten andererseits verbiete. Auch gegen das
Trennungsprinzip werde verstoßen, wonach Wohngebiete und ihrem Wesen nach
umgebungsbelastende Gewerbe- und Industriegebiete nicht nebeneinander liegen
dürften. Weiter entstünde eine negative Vorbildfunktion für weitere Vorhaben. Außerdem
sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, weil nicht auszuschließen sei, dass die
Nachbarbebauung mit nachträglichen immissionsrechtlichen Auflagen rechnen müsse.
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So fehle auch ein entsprechendes Vorbild für das geplante Vorhaben. Schließlich halte
das geplante Vorhaben auch die erforderlichen Grenzabstände nicht ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 1999, zugestellt am 4. Mai 1999, wies die
Bezirksregierung E den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
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Am 3. Juni 1999 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er seine
Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend weist
er darauf hin, dass das Vorhaben nach der Art der Nutzung schon sowohl in einem
Gewerbegebiet als auch in einem Industriegebiet nur ausnahmsweise zulässig sei und
zwar beschränkt auf die Bedürfnisse der Bewohner dieses Gebietes. Sei die Art der
geplanten Nutzung in dem Gebiet, das sowohl Merkmale eines Gewerbe- als auch
eines Industriegebietes aufweise, unzulässig, sei auch das Gebot der Rücksichtnahme
verletzt. Außerdem würden die Besucher der kirchlichen Versammlungsstätte mit ihren
Pkws die Parkfläche des auf seinem Grundstück angesiedelten Baumarktes nutzen.
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Der Kläger beantragt,
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die Baugenehmigung des Beklagten vom 30. Juni 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 27. April 1999 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.
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Der Beigeladene beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus, die ihm erteilte Baugenehmigung sei rechtmäßig.
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Gemäß Beweisbeschluss vom 15. Mai 2001 hat die Berichterstatterin die Örtlichkeit in
Augenschein genommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll über die Ortsbesichtigung vom 2. Juli 2002 verwiesen.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der
Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Hefte 2 und 3)
und der ebenfalls beigezogenen Widerspruchsakte der Bezirksregierung E (Beiakte Heft
1) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
22
Die Klage hat keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob die Klage schon deshalb
erfolglos ist, weil der Kläger sich mit ihr treuwidrig in Widerspruch zu seinem
vorangegangenen Verhalten setzt, nachdem er selbst zuvor von 1982 bis 1996 eigene
Räume dem Beigeladenen für dessen Vereinstätigkeit vermietet hatte und auch derzeit
noch Räume an den alevitischen Kulturverein vermietet und damit ersichtlich zum
Ausdruck gebracht hat und bringt, dass er sich durch diese Nutzungen in seinen
Nachbarrechten nicht tangiert fühlt, mit der Folge, dass er sich insoweit nicht - mehr - auf
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möglicherweise bestehende Verstöße gegen ihn schützende öffentlich-rechtliche
Vorschriften berufen kann.
Die Klage ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil die angefochtene Baugenehmigung
des Beklagten vom 30. Juni 1997 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung
E vom 27. April 1999 den Kläger nicht in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten
verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen gerade auch den Kläger schützende
öffentlich-rechtliche Vorschriften.
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Dem Kläger steht ein Abwehrrecht gegen das streitige Vorhaben nicht unter dem
Gesichtspunkt des Gebietsgewährleistungsanspruchs zu. Zwar kommt der Festsetzung
von Baugebieten durch Bebauungspläne kraft Bundesrechts grundsätzlich eine
nachbarschützende Funktion zu mit der Folge, dass ein Nachbar generell einen
Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart geltend machen kann und ein
Abwehranspruch bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung
unvereinbaren Vorhabens ausgelöst wird. Gleiches gilt im nicht beplanten Innenbereich,
wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete nach der
Baunutzungsverordnung entspricht,
26
vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110.
27
Ein Anspruch auf Wahrung der Gebietsart steht dem Kläger aber schon deshalb nicht
zu, weil die nähere Umgebung des Vorhabens, für die kein Bebauungsplan existiert,
nicht einem der in der Baunutzungsverordnung definierten Baugebiete entspricht.
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Die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen und die umgebende Bebauung im
näheren und weiteren Umkreis liegen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten
Ortsteils, sodass für die planungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens des
Beigeladenen grundsätzlich § 34 BauGB maßgebend ist. Der als nähere Umgebung für
das sich Einfügen und damit auch für die Bestimmung des Gebietscharakters
maßgebliche Bereich wirkt soweit, wie sich die Ausführung des Vorhabens auf sie
auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des
Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Dabei muss zwar die Betrachtung auf das
Wesentliche zurückgeführt werden, und es muss alles außer Acht gelassen werden,
was die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint; es darf doch
nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der
unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die
Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücke insoweit berücksichtigt werden, als
auch sie noch „prägend" auf dieselbe einwirkt,
29
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 ff (380).
30
Das danach maßgebende Gebiet wird nach dem im Ortstermin von der Berichterstatterin
gewonnenen und der Kammer vermittelten Eindruck begrenzt von den Bahngleisen im
Norden bzw. Nordosten, der M Straße im Osten und der Cstraße im Westen, weil
insoweit das Vorhaben des Beigeladenen sich auswirken kann und umgekehrt diese
Umgebung den bodenrechtlichen Charakter des Grundstücks des Beigeladenen prägt
oder jedenfalls beeinflusst. Ob die Hstraße das Gebiet im Süden begrenzt oder die
Grenze erst an der M Straße und Cstraße zu ziehen ist, kann letztlich offen bleiben, weil
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sich an der maßgeblichen Beurteilung des Gebietscharakters insoweit nichts ändert.
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich die Baugebietsgrenze südlich nicht
entlang der Jstraße selbst oder an der Hinterkante der an der südlichen Seite der
Jstraße gelegenen Gebäude ziehen. Die Industriestraße selbst scheidet als
Baugebietsgrenze schon deshalb aus, weil sie im Wesentlichen nur der Erschließung
der an ihren beiden Seiten gelegenen Gewerbe- und Industriebetriebe sowie
Wohnhäuser dient und als Sackgasse auf dem Gelände der Sägenfabrik endet. Auch
die Gebäudehinterkante der an der südlichen Seite der Jstraße gelegenen Bebauung
scheidet als Grenze des Baugebietes aus, weil diese Bebauung nicht geschlossen ist,
sondern die Lücken zwischen den einzelnen sehr unterschiedlich hohen und zum Teil
von der Straße zurückversetzten Gebäuden immer wieder den Blick auf die an der
nördlichen Seite der Hstraße gelegenen Wohnhäuser freigeben und diese dadurch den
Charakter der Grundstücke an der Jstraße mitprägen oder jedenfalls beeinflussen.
Zudem ist die an der südlichen Seite der Jstraße gelegene Bebauung mit überwiegend
gewerblicher Nutzung mit der an der Hstraße gelegenen Bebauung derart verzahnt,
dass auch deshalb aus tatsächlichen Gründen eine Grenzziehung an der
Gebäudehinterkante nicht möglich ist. Letztlich wird die Einheitlichkeit des
Baukomplexes auch dadurch belegt, dass das Gebäude der Firma Z sowohl von der
Jstraße als auch von der Hstraße angefahren werden kann. Dabei kann dahinstehen, ob
sich in dem zu der Hstraße ausgerichteten Gebäudeteil lediglich die Verwaltung des
Unternehmens befindet, da dies an der vorgenannten einheitlichen baulichen Situation
nichts ändert.
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Weiter existiert entgegen der Auffassung des Klägers auch keine natürliche
topographische Grenze zur Wohnbebauung an der Hstraße. Zwar steigt das Gelände in
Richtung Hstraße leicht an. Dies führt nach dem in dem Ortstermin von der
Berichterstatterin gewonnenen und der Kammer vermittelten Eindruck aber lediglich
dazu, dass sich sowohl die Auswirkungen des Vorhabens auf die Wohnbebauung an
der Hstraße verstärken, als auch umgekehrt die Wohnbebauung den maßgeblichen
Bereich mit beeinflussen kann.
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Die Bebauung in dem danach maßgebenden Gebiet ist - ohne dass dabei entschieden
werden muss, ob die Grenze im Süden enger oder weiter zu ziehen ist - geprägt durch
gewerbliche und industrielle Hallen in der Jstraße und der ebenfalls in der Fstraße und
der Hstraße anzutreffenden gewerblichen Nutzung von Gebäuden, dem Fernmeldeamt
auf der Ecke Fstraße/ Hstraße und der Wohnbebauung an der F- , der Hstraße und zu
Beginn der Jstraße sowie den anzutreffenden Nutzungen durch religiöse Vereine wie
etwa den Beigeladenen und den alevitischen Kulturverein in der Jstraße selbst. Diese
innerhalb eines Gebietes anzutreffenden unterschiedlichen Nutzungen entsprechen
keinem der in der Baunutzungsverordnung bestimmten Baugebiete, insbesondere
scheidet die von dem Kläger vertretene Auffassung, es handele sich bei dem fraglichen
Bereich um ein Gewerbe- bzw. Industriegebiet, angesichts der intensiven Wohnnutzung
an der F- und der Hstraße aus.
34
Entspricht das Gebiet mit den unterschiedlichsten Nutzungen keinem Baugebiet der
BauNVO, so scheidet ein Anspruch des Klägers auf Wahrung der Gebietsart von
vornherein aus.
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Der Kläger kann auch keine Verletzung des in dem Gebot des sich Einfügens
enthaltenen Gebotes der Rücksichtnahme geltend machen.
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Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den
jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist,
denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr
kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit
dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das
Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für
eine sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung
zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits
dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Berechtigte
Belange muss der Bauwillige nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu
schonen.
37
BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122 (126).
38
In Anwendung dieser Grundsätze stellt sich das Vorhaben des Beigeladenen nicht als
rücksichtslos gegenüber dem Kläger dar. Es fügt sich in den aus der Umgebung
abzuleitenden Rahmen ein, denn es hat zahlreiche Vorbilder in unmittelbarer und
weiterer Nachbarschaft. Zieht man den maßgeblichen Rahmen in südlicher Richtung
bereits an der Hstraße, so hat das Vorhaben ein Vorbild in der Nutzung durch den
alevitischen Kulturverein in der Jstraße 23. Auch die von 1982 bis 1996 von dem
Beigeladenen erfolgte Nutzung der Räume Jstraße 15 für seine Vereinstätigkeit wirkt
noch prägend weiter, da diese im Jahr 1996 nicht endgültig aufgegeben, sondern
lediglich in die Räume des Gebäudes Jstraße 25 verlagert wurde.
39
vgl. zur sog nachwirkenden Prägung vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 - 4
C 75.71 -, BVerwGE 47, 126; Urteil vom 19. September 1986 4 C 15.84 -, BRS 46 Nr.
62.
40
Zieht man die Grenze dagegen erst an der M- und Cstraße so existieren noch weitere
Vorbilder in der Jstraße 4 durch den türkischen Kulturverein mit Moschee, das
Gotteshaus der Zeugen Jehovas in der M Straße und die marokkanische Moschee in
der Cstraße 19.
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Dass die Kapazität der Jstraße nicht ausreicht, den durch das Vorhaben des
Beigeladenen aufkommenden zusätzlichen Verkehr aufzunehmen, ist schon vor dem
Hintergrund nicht ersichtlich, dass der Beigeladene zuvor schon seit 1982 in der Jstraße
seiner Vereinstätigkeit nachgegangen war und zwar in den zuvor von dem Kläger
gemieteten Räumen, ohne dass vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass es
deswegen zu verkehrlichen Problemen auf der Jstraße selbst gekommen wäre.
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Aus dem gleichen Grund ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger nachträgliche
Auflagen zum Schutz der Vereinstätigkeit des Beigeladenen zu befürchten hat.
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Ob die nachgewiesene Anzahl von Stellplätzen ausreicht, kann dahinstehen, weil ein
möglicher Verstoß gegen § 47 Abs. 1 BauO NW keine Verletzung öffentlich- rechtlicher
Nachbarrechte des Klägers darstellt. Diese Vorschrift vermittelt keinen Nachbarschutz,
sondern sie soll ausschließlich im öffentlichen Interesse den ruhenden Verkehr von den
öffentlichen Straßen und Plätzen fern halten,
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vgl. OVG NW, Beschluss vom 21. Juli 1994 - 11 B 1511/94 -, BRS 56 Nr. 159.
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Mögliche Falschparker auf dem Grundstück des Klägers sind - ebenso wie sonstige
ordnungswidrige Nutzungen des öffentlichen Straßenraumes - nicht vorhabenbezogen
und können daher einen nachbarlichen Abwehranspruch ebenfalls nicht begründen; sie
sind mit den Mitteln des Verkehrsrechts zu bekämpfen,
46
OVG NW, Beschluss vom 21. Juli 1994 - 11 B 1511/94 -, a.a.O.; Beschluss vom 17.
September 1991 - 7 B 2249/91 -, Beschluss vom 7. August 1989 - 7 B 1805/89 - und
Beschluss vom 18. November 1988 - 10 B 2730/88 -.
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Aber selbst wenn der Annahme des Klägers folgend die Bebauung lediglich an der
Jstraße selbst in den Blick zu nehmen wäre, ließe sich ein Verstoß des Vorhabens
gegen diese faktische Gebietsart nicht feststellen. Auch dabei kann letztlich
dahinstehen, ob von einen Gewerbe- oder einem Industriegebiet auszugehen ist, da
Anlagen für kirchliche Zwecke, worunter das beabsichtigte Vorhaben des Beigeladenen
zu fassen ist, in den genannten Gebieten nicht generell unzulässig sind, sondern
ausnahmsweise zugelassen werden können,
48
vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 14. März 1996 - 7 A 3703/92 -.
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Der Kläger wäre daher auch in dem Fall auf die Geltendmachung eines Verstoßes
gegen das Gebot der Rücksichtnahme beschränkt, welches sich in diesem Fall aus § 15
Abs. 1 BauNVO ableiten würde. Ein solcher Verstoß kann - wie sich aus obigen
Ausführungen ergibt - aber nicht festgestellt werden.
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Schließlich verstößt das Vorhaben auch nicht gegen bauordnungsrechtliche
Vorschriften. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Bebauung an der Jstraße
überhaupt um eine offene Bauweise handelt und dem entsprechend überhaupt
Grenzabstände einzuhalten sind, und der Frage, ob der Kläger, dessen Gebäudeanbau
zu dem Grundstück des Beigeladenen auf einer Länge von ca. 30 m den Grenzabstand
nicht einhält, sondern grenzständig errichtet worden ist, sich auf die Verletzung von
Abstandsflächen überhaupt berufen kann, sowie der Tatsache, dass nach § 6 Abs. 15
BauONW, dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen, eine geringere Tiefe der
Abstandsfläche gestattet werden kann, ist entgegen der pauschalen Behauptung des
Klägers ein Verstoß gegen Abstandsvorschriften nicht gegeben. Das Gebäude, dessen
Nutzungsänderung dem Beigeladenen mit der angegriffenen Baugenehmigung erlaubt
worden ist, hält nach einer von der Kammer anhand der in dem Genehmigungsvorgang
vorhandenen Lageplänen und Ansichtszeichnungen durchgeführten Messung und
Berechnung die erforderlichen Grenzabstände ein. Dass die dem Bauantrag des
Beigeladenen beigefügten Bauvorlagen unzureichend sind und die erforderliche
Abstandsflächenberechnung nicht enthalten, kann dem Kläger ebenfalls nicht zum
Erfolg seiner Klage verhelfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der
Billigkeit, die Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil er sich mit
einem Antrag einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hatte.
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Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708
Nr. 11, 711 ZPO.
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