Urteil des VG Düsseldorf vom 22.03.2006

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, vollziehung, öffentliches interesse, verfügung, verwaltungsakt, behinderung, behinderter, ausbildung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 L 339/06
Datum:
22.03.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 339/06
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom
31. Januar 2006 gegen den Bescheid des Landrats als
Kreispolizeibehörde X vom 17. Januar 2006 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der dem vorstehenden Entscheidungssatz entsprechende Aussetzungsantrag des
Antragstellers vom 23. Februar 2006 ist zulässig und begründet.
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Dieser Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft. Der Antragsgegner hat nach § 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung seines Bescheides vom 17. Januar
2006 „hinsichtlich der Feststellung (der) Polizeidienstunfähigkeit (des Antragstellers)
gemäß § 194 LBG NRW" angeordnet. Wie sich aus den dieser Anordnung
vorangehenden Ausführungen ergibt, besteht die für sofort vollziehbar erklärte
Entscheidung aus zwei Teilen, nämlich zum einen aus der Feststellung der
Polizeidienstunfähigkeit im Sinne des § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 des Beamtengesetzes für
das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz - LBG) und zum anderen aus der
Entscheidung, dass der Antragsteller auch nicht nach § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG im
Polizeivollzugsdienst verbleiben kann. Nach nunmehriger Ansicht der beschließenden
Kammer handelt es sich hierbei um einen einheitlichen Verwaltungsakt im Sinne des §
80 Abs. 1 VwGO. Mit den Feststellungen, dass der Antragsteller polizeidienstunfähig (im
Sinne des § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG) ist und für ihn auf Dauer auch keine Funktion
im Polizeivollzugsdienst verfügbar ist, welche die (volle) Polizeidienstfähigkeit nicht
voraussetzt (Halbsatz 2), hat der Antragsgegner eine abschließende Entscheidung
darüber getroffen, dass der Antragsteller aus dem Polizeivollzugsdienst ausscheidet.
Hierbei handelt es sich um eine Verfügung, welche die persönliche Rechtsstellung des
Antragstellers mit unmittelbarer Außenwirkung verbindlich (belastend) regelt. Die
Kammer hält nicht mehr an ihrer früheren Auffassung fest, wonach die Feststellung nach
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§ 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG - für sich gesehen - einen derartigen Verwaltungsakt
beinhalte, während die Entscheidung nach Halbsatz 2, den Beamten nicht weiter im
Polizeivollzugsdienst zu beschäftigen, keinen Verwaltungsaktcharakter habe.
Vgl. hierzu Beschlüsse der Kammer vom 24. Juni 2005 - 2 L 371/05 - und vom 29. Juni
2005 - 2 L 928/05 -; zweifelnd insoweit auch OVG NRW, vom 25. August 2005 - 6 B
1187/05 -.
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Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
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Widerspruch und Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt haben gemäß § 80
Abs. 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt unter anderem dann,
wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden
Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt
erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird (§
80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Dabei ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das
besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu
begründen. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung
ganz oder teilweise wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Fehlt es, wie etwa im
Falle einer unzulänglichen Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, bereits
an einer ordnungsgemäßen Vollziehungsanordnung, kann einstweiliger Rechtsschutz
auch in der Weise gewährt werden, dass die Vollziehungsanordnung durch das Gericht
aufgehoben wird.
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Zwar genügt vorliegend die Anordnung der sofortigen Vollziehung den formellen
Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Aus ihrer Begründung wird hinreichend
deutlich, dass der Antragsgegner die Interessen des Antragstellers an der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und das öffentliche Interesse an einer
sofortigen Vollziehung abgewogen hat und aus welchen Gründen er die Anordnung der
sofortigen Vollziehung als notwendig erachtet. Er hat ausgeführt, dass die durch den
Antragsteller besetzte haushaltsrechtliche Planstelle eines Polizeivollzugsbeamten
ansonsten bis zum Ende des Widerspruchs- und eines evtl. sich anschließenden
langandauernden Klageverfahrens besetzt wäre, ohne dass der Antragsteller
polizeidienstfähig sei und tatsächlich umfänglich zur Dienstverrichtung zur Verfügung
stehe. Diese Ausführungen genügen dem formalen Begründungserfordernis nach § 80
Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ob sich die Erwägungen in der Sache als tragfähig erweisen, ist
im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgebend.
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Vgl. Beschlüsse der Kammer vom 29. Juni 2005 - 2 L 928/05 - und vom 14. Oktober
2005 - 2 L 1560/05 -.
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Die demnach dem Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO obliegende Prüfung, ob das
Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen
Verfügung überwiegt, geht aber zu Ungunsten des Antragsgegners aus. Im Rahmen
dieser Interessenabwägung ist zunächst zu prüfen, ob die angegriffene
Verwaltungsentscheidung offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist.
Denn an der sofortigen Vollziehung offensichtlich rechtmäßiger Entscheidungen besteht
regelmäßig, an der sofortigen Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Entscheidungen
hingegen niemals ein öffentliches Interesse. Zwar lässt sich vorliegend eine
Offensichtlichkeit in diesem Sinne nicht feststellen. Nach derzeitigem Sachstand spricht
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aber einiges dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners vom 17. Januar 2006
einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten wird. Der
Antragsgegner dürfte zwar zutreffend die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers im
Sinne des § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG festgestellt haben; seine Entscheidung über
den nach § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG gleichwohl möglichen Verbleib des
Antragstellers im Polizeivollzugsdienst erweist sich aber jedenfalls bei derzeitigem
Erkenntnisstand nicht als rechtsfehlerfrei.
Gemäß § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG ist der Polizeivollzugsbeamte dienstunfähig, wenn
er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht
mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit
innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt. Die Polizeidienstfähigkeit setzt voraus, dass
der Polizeibeamte zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt
entsprechenden Stellung einsetzbar ist (vgl. BTDrucks 3/1425 S. 11 zu § 4 BPolG).
Dieser Definition ist die Rechtsprechung gefolgt. Auch nach der Änderung des Abs. 1
durch Art. I Nr. 27 des Achten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom
10. Februar 1998 (GV NRW 1998 S. 134) kann diese Rechtsprechung für die
Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit im engeren Sinne (§ 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG)
herangezogen werden.
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Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C § 194 Rdn. 18 f.;
BVerwG, Urteil vom 3. März 2005 - 2 C 4.04 -, IÖD 2005, 206; OVG NRW, Urteil vom 1.
August 2003 - 6 A 1579/02 -, IÖD 2003, 247.
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Hierbei orientiert sich die Polizeidienstfähigkeit an den besonderen gesundheitlichen
Anforderungen für sämtliche Ämter der Laufbahn „Polizeivollzugsdienst". Zu prüfen ist
daher, ob der Beamte in der Lage ist, zu jeder Zeit und an jedem Ort Tätigkeiten zu
verrichten, die zu den Aufgaben seines abstrakt-funktionalen Amtes gehören.
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BVerwG, Urteil vom 3. März 2005, a.a.O.
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Der so bestimmte Begriff der Polizeidienstfähigkeit wird nicht durch § 194 Abs. 1
Halbsatz 2 LBG („es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf
Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr
uneingeschränkt") modifiziert, welcher durch das Gesetz vom 10. Februar 1998 in § 194
Abs. 1 LBG eingefügt worden ist. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber war hiermit
der Vorgabe in § 101 BRRG gefolgt, der durch Art. 1 Nr. 19 des Reformgesetzes vom
24. Februar 1997 (BGBl I S. 322) um einen mit § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG
gleichlautenden Halbsatz ergänzt worden war. Dass § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG keine
Tatbestandseinschränkung normiert, sondern lediglich eine Rechtsfolgenbeschränkung,
folgt aus Sinn und Zweck sowie der Systematik der Regelung.
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BVerwG, Urteil vom 3. März 2005, a.a.O; OVG NRW, Urteil vom 1. August 2003, a.a.O.
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Hiernach ist der Antragsteller als polizeidienstunfähig im Sinne des § 194 Abs. 1
Halbsatz 1 LBG anzusehen. Oberregierungsmedizinalrat Dr. med. M. T1 vom
Polizeiärztlichen Dienst (PÄD) des Polizeipräsidiums F hat in seinen Gutachten vom 22.
Februar 2002 und 28. September 2005 folgende Feststellung getroffen: Bei dem
Antragsteller bestehe ein degeneratives Wirbelsäulenleiden. Eine Beschwerdefreiheit
habe trotz einer neurochirurgischen Operation im Dezember 1999, der Durchführung
einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu Beginn des Jahres 2001, einer im
16
Dezember 2001 durchlaufenen Verhaltensschulung sowie trotz ambulanter
Physiotherapie nicht erzielt werden können. Die Gesundheitsstörung schränke das
Leistungsvermögen des Antragstellers so weit ein, dass ein körperlicher Einsatz gegen
Rechtsbrecher und die Anwendung unmittelbaren Zwangs nur eingeschränkt möglich
seien. Ebenso seien Tätigkeiten mit einseitiger Belastung, in Zwangshaltung, langes
Stehen sowie Heben und Tragen schwerer Lasten nicht zumutbar. Insofern besitze der
Antragsteller nicht mehr die uneingeschränkte, seinem Lebensalter entsprechende
Verwendungsfähigkeit für den Polizeivollzugsdienst. Das gelte insbesondere für die
Funktion des Wachdienstbeamten. Es sei auch nicht zu erwarten, dass im Verlauf der
nächsten zwei Jahre die uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit wiedererlangt werde.
Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Solche werden auch vom
Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht. Ausgehend hiervon ist die objektive
Leistungsfähigkeit des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst in einigen
Funktionen nicht mehr gegeben. Da der Antragsteller demnach nicht mehr zu jeder Zeit,
an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung
einsetzbar ist, genügt er nicht mehr den besonderen gesundheitlichen Anforderungen
des Polizeivollzugsdienstes.
Demgegenüber erweist sich die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller
auch nicht gemäß § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG im Polizeivollzugsdienst weiter zu
beschäftigen, aus derzeitiger Sicht als nicht frei von Rechtsfehlern. Zweck der
Ergänzung des § 194 Abs. 1 LBG um den Halbsatz 2 war es, die bis dahin begrenzten
Möglichkeiten zu erweitern, von der Versetzung polizeidienstunfähig gewordener
Polizeivollzugsbeamter in den Ruhestand abzusehen. Wenn die Gesetzesänderung,
wie es in der amtlichen Begründung heißt, „es ermöglicht, nicht mehr voll
polizeidiensttaugliche Beamte mit Funktionen zu betrauen, in denen die allgemeine
Dienstfähigkeit ausreicht", besagt dies, dass der Dienstherr einen polizeidienstunfähig
gewordenen Beamten für eine Verwendung auf Dienstposten ohne besondere
gesundheitliche Anforderungen vorsehen kann, mit der Folge, dass der Betreffende im
Polizeivollzugsdienst verbleibt. In diesem Sinne war der Antragsgegner auch im Falle
des Antragstellers verfahren, nachdem der Polizeiärztliche Dienst im Februar 2002 die
Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers festgestellt hatte. Der Antragsteller wurde -
ausweislich der dienstlichen Beurteilungen vom 24. März 2003 und 25. November 2005
- als Sachbearbeiter mit Innendienstaufgaben u.a. im Bereich Kfz- und
Geräteverwaltung, Mitwirkung bei der Hausverwaltung, Verwaltung von Bürobedarf,
Unterstützung bei der Asservatenverwaltung sowie Erstellung und Aktualisierung von
Einsatzunterlagen verwendet. Nach den gutachterlichen Feststellungen des (selben)
Polizeiärztlichen Dienstes vom 28. September 2005 hat sich der Gesundheitszustand
des Antragstellers seit der letzten Begutachtung im Jahre 2002 nicht wesentlich
geändert. Der Polizeiärztliche Dienst hält den Antragsteller zwar nach wie vor für
polizeidienstunfähig im Sinne des § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG, bescheinigt ihm aber
zugleich, dass er nicht nur allgemein dienstfähig im Sinne des § 45 LBG sei, sondern
auch gesundheitlich geeignet sei für den Polizeivollzugsdienst in der zuletzt ausgeübten
Sachbearbeitertätigkeit im vollschichtigen Innendienst; gewährleistet sein müsse
lediglich ein Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen, und vermieden werden
müsse ein Heben schwerer Lasten. Vor diesem Hintergrund hat der Antragsgegner
bereits nicht schlüssig aufgezeigt, warum er sich gerade jetzt vom Antragsteller trennen
will. Zwar darf der Dienstvorgesetzte bei der ihm im Rahmen des § 194 Abs. 1 Halbsatz
2 LBG obliegenden Prognose, ob die von dem Beamten auszuübende Funktion dessen
Polizeidienstfähigkeit auf Dauer nicht mehr erfordert, weitreichende organisatorische
und personalpolitische Erwägungen einstellen. Hierbei kann er auch die Zahl der zur
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Verfügung stehenden vakanten Dienstposten in den Blick nehmen sowie bevorzugt
dienstältere Polizeibeamte berücksichtigen, weil deren Restdienstzeit kurz ist und die
Möglichkeiten, sie auf derartigen Dienstposten zu verwenden, überschaubar sind,
während es einem jüngeren polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamten eher
zuzumuten ist, sich auf eine andere Laufbahn einzustellen.
BVerwG, Urteil vom 3. März 2005, a.a.O., und OVG NRW, Urteil vom 1. August 2003,
a.a.O.
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Der Antragsgegner hat hierzu ausgeführt, dass die vom Antragsteller wahrgenommenen
Aufgaben keine vollzugspolizeiliche Ausbildung erforderten, die Zahl der für ihn in
Betracht kommenden Dienstposten „eng begrenzt" und die von ihm zu leistende
Restdienstzeit von rund 18 Jahren noch sehr lang sei. Während das erste Argument
schwerlich besonderes Gewicht erlangt, weil polizeidienstunfähige
Polizeivollzugsbeamte üblicherweise auf Dienstposten (im Innendienst) verwendet
werden müssen, die nicht typischer Weise auf eine Ausbildung als
Polizeivollzugsbeamter ausgerichtet sind, verzichtet das zweite Argument darauf, die
Stellensituation gerade bei der Kreispolizeibehörde X näher darzulegen. Zwar handelt
es sich bei dem Hinweis auf die - zweifelsohne - relativ lange Restdienstzeit des
Antragstellers um einen im Rahmen des Organisationsermessens des Antragsgegners
beachtlichen Gesichtspunkt. Diese Erwägung allein schöpft aber den
Ermessensrahmen nicht aus (vgl. § 114 VwGO).
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Insbesondere hat der Antragsgegner bei seiner Ermessensentscheidung dem Umstand
nicht die ihm zukommende Bedeutung beigemessen, dass dem Antragsteller durch
Bescheid vom 9. Juli 2001 ein Grad der Behinderung von 40 zuerkannt und dieser im
Hinblick hierauf durch Bescheid des Arbeitsamtes X vom 16. Oktober 2002 gemäß § 2
Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden ist. Nach Nr.
15.3 der Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter
Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen (Runderlass
des Innenministeriums vom 14. November 2003 (25 - 5.35.00 - 5/03), SMBl.NRW.
203030; nachfolgend: Richtlinie) genießen schwerbehinderte und diesen gleichgestellte
behinderte Menschen bei „Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses" einen
besonderen Schutz. Sofern der weitere Einsatz von schwerbehinderten Menschen am
bisherigen Arbeitsplatz aus organisatorischen, strukturellen oder betrieblichen Gründen
nicht möglich ist, ist dem schwerbehinderten Menschen hiernach ein anderer
angemessener und gleichwertiger Arbeitsplatz, und zwar „vorrangig an der bisherigen
Dienststelle bzw. am bisherigen Dienstort oder wunschgemäß", zu vermitteln. Diese
Bestimmung dürfte auch für den vorliegenden Fall einschlägig sein. Der Antragsteller ist
wegen seiner Polizeidienstunfähigkeit im Sinne des § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG aus
„betriebsbedingten Gründen" in vielen Bereichen des Polizeivollzugsdienstes nicht
mehr einsatzfähig. Zwar soll er nicht völlig aus dem Beamtenverhältnis „entlassen",
sondern nach Erwerb der Laufbahnbefähigung in die allgemeine Innere Verwaltung
versetzt werden. Aber auch für einen solchen Fall gebietet Nr. 15.3 der Richtlinie, bei
einer Entscheidung darüber, ob eine Verwendungsmöglichkeit auf einem anderen
angemessenen und gleichwertigen Arbeitsplatz innerhalb der bisherigen
Beschäftigungsbehörde besteht oder eingerichtet werden kann, schwerbehinderte
Menschen bevorzugt zu berücksichtigen. Es ist indes nicht ersichtlich, dass der
Antragsgegner diesem Gebot im Rahmen der von ihm nach § 194 Abs. 1 Halbsatz 2
LBG getroffenen Entscheidung überhaupt, jedenfalls mit dem gebotenen Gewicht,
Rechnung getragen hätte. Er war sich zwar der Behinderung des Antragstellers
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bewusst. So wurde der Arbeitsplatz des Antragstellers im Jahre 2003 mit Mitteln der
Ausgleichsabgabe behindertengerecht ausgestattet. Auch hat der Antragsgegner im
Vorfeld der streitigen Entscheidung die Behinderung des Antragstellers in
verfahrensmäßiger Hinsicht insoweit berücksichtigt, als er die
Schwerbehindertenvertretung beteiligt hat. Dass er bei seiner Entscheidung der
besonderen Schutzwürdigkeit des Antragstellers als Behinderter auch in der Sache
hinreichende Beachtung geschenkt hätte, erschließt sich dem Gericht aber nicht. So
geht der Antragsgegner auch auf die bereits anlässlich der erneuten Anordnung der
polizeiärztlichen Untersuchung des Antragstellers vorgebrachten inhaltlichen Einwände
der Schwerbehindertenvertretung nicht näher ein. Diese hatte sich in ihrer
Stellungnahme vom 21. Juni 2005 unter Hinweis darauf, dass dem Antragsteller auch
aufgrund der speziellen Arbeitsplatzausstattung eine uneingeschränkte Wahrnehmung
der ihm übertragenen Aufgaben möglich sei und die im Jahre 2004 verstärkt
aufgetretenen Fehlzeiten nicht mit derjenigen Erkrankung in Zusammenhang stünden,
welche zur eingeschränkten Verwendungsfähigkeit geführt habe, für einen weiteren
Verbleib des Antragstellers bei seiner Dienststelle ausgesprochen. Dem könnte vom
Antragsgegner auch schwerlich entgegen gehalten werden, der Antragsteller sei
fachlich nicht in der Lage, die ihm übertragenen Tätigkeiten zu erfüllen. Denn dessen
Leistung und Befähigung entsprachen ausweislich der letzten dienstlichen Beurteilung
vom 25. November 2005 immerhin „voll den Anforderungen".
Hiernach fällt auch die Interessenabwägung im Übrigen zu Gunsten des Antragstellers
aus. Dass das öffentlichen Interesse „an einem effektiven und personell optimal
ausgestatteten Polizeivollzugsdienst" es dringend erforderte, anstelle des Antragstellers
einen anderen Beamten einzustellen, ist nicht hinreichend konkret aufgezeigt, zumal die
dem Antragsteller übertragenen Aufgaben ohnehin tatsächlich anfallen und von diesem
jedenfalls zufriedenstellend erledigt werden. Deshalb sind schwerwiegende Nachteile
für den Dienstherrn nicht zu befürchten, wenn der Antragsteller für die Dauer des
Hauptsacheverfahrens im Polizeivollzugsdienst verbleibt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
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Das Gericht lässt die Streitwertbeschwerde nicht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zu,
weil es die gesetzlichen Voraussetzungen nicht als gegeben ansieht.
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