Urteil des VG Düsseldorf vom 18.01.2007

VG Düsseldorf: wirkung ex nunc, grundwasser, rechtshängigkeit, rechtswidrigkeit, drucksache, bewässerung, sondervorteil, erlass, trinkwasserversorgung, ausnahme

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 K 1464/05
Datum:
18.01.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 1464/05
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass der Vorauszahlungsbescheid des
Landesumweltamtes NRW vom 15. September 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 8. März 2005 rechtswidrig war.
2. Der Festsetzungsbescheid des Landesumweltamtes NRW vom 19.
Juli 2006 wird aufgehoben, soweit darin ein Wasserentnahmeentgelt in
Höhe von 478.299,02 Euro festgesetzt worden ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 478.299,02 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu
zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit bis zum 31. Juli 2006 auf
30.558,90 Euro zu zahlen.
5. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
6. Das Urteil ist hinsichtlich der Zahlungsansprüche unter 3. und 4. und
hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
7. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eine GmbH, die u.a. auf den Gebieten der Förderung von Grundwasser
und der Trink- und Betriebswasserversorgung tätig wird. Sie wendet sich gegen die
Heranziehung zur Zahlung eines Wasserentnahmeentgelts für das Veranlagungsjahr
2004.
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Die Beklagte erteilte der Klägerin und der M (M) mit Bescheid vom 23. November 2000
die Bewilligung zum Zutagefördern von Grundwasser im C Feld zum Zweck der
Flurabstandsregulierung, das nach Aufbereitung der Trinkwasserversorgung sowie der
Versorgung mit Betriebswasser im Versorgungsgebiet der Klägerin und der
Bewässerung von Gräben, Teichen und Baggerseen dient, sowie die Erlaubnis zum
Einleiten des geförderten und nicht anderweitig genutzten Grundwassers über die
Abschlagsbauwerke C1 und X sowie den Auslass Lohkanal in den Rhein.
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Mit Bescheid vom 15. September 2004 setzte das Landesumweltamt NRW für das
Veranlagungsjahr 2004 gemäß § 6 Abs. 1 WasEG eine Vorauszahlung auf die
Entnahme von Wasser in Höhe von 508.657,92 Euro fest. Hiergegen erhob die Klägerin
Widerspruch und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die
Grundwasserförderung auf der Grundlage des Bewilligungs- und Erlaubnisbescheides
der Beklagten vom 23. November 2000 sei gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 8 2. Alternative
WasEG entgeltfrei, da sie primär der dauerhaften Grundwasserabsenkung und
Flurabstandsregulierung im Fördergebiet diene und damit im Gemeinwohlinteresse
liege. Die teilweise weitere Nutzung zur Trink- und Betriebswasserversorgung und
Bewässerung sei nebenrangig, was auch in Nr. 1.3 Sätze 5 und 6 des Bescheides zum
Ausdruck komme. Danach sei die Grundwasserförderung innerhalb der ausgewiesenen
Höchstmengen nämlich stets auf die zur Polderung erforderlichen Mengen beschränkt. §
1 Abs. 2 Nr. 8 WasEG knüpfe die Entgeltbefreiung an den primären Förderungszweck
an; nachfolgende Sekundärnutzungen begründeten nicht wieder die Entgeltpflicht. Dies
ergebe sich schon aus dem Wortlaut. Er setzte nämlich nicht voraus, dass das
geförderte Wasser keiner weiteren Nutzung zugeführt werde. Entgeltpflicht wie
Entgeltbefreiung stellten auf den Zeitpunkt der Entnahme ab. Spätere Nutzungen
begründeten keine Entgeltpflicht, da es an der Entnahmehandlung fehle. Auch aus der
Systematik ergebe sich die Entgeltfreiheit der Nachfolgenutzung. Denn die Befreiung in
§ 1 Abs. 2 Nr. 8 WasEG stelle anders als in Nr. 9 der Vorschrift nicht darauf ab, dass das
entnommene Grundwasser nicht anderweitig genutzt werde. Sinn und Zweck des
Wasserentnahmeentgeltsgesetzes stünden dieser Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 8
WasEG nicht entgegen. Ziel des Gesetzes sei neben der Finanzierungs- vor allem die
Lenkungsfunktion mit dem Ziel einer Verminderung der Wasserentnahmemengen. Dem
widerspreche aber nicht die Entgeltfreiheit einer weiteren Nutzung des zur Polderung
geförderten Grundwassers, da diese Wasserentnahme zur dauerhaften
Flurabstandsregulierung in jedem Fall erforderlich sei unabhängig von Folgenutzungen
und nicht vermieden werden könne. Eine Entgeltpflicht für Mehrfachnutzung sei nicht
gesetzlich geregelt. Für eine Abgabeerhebung sei aber eine ausdrückliche Regelung
erforderlich (Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit). Der Abgabentatbestand und die
Bemessung der Abgabe müssten klar und berechenbar geregelt sein.
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Mit Bescheid vom 8. März 2005 wies das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen den
Widerspruch zurück und führte im Wesentlichen aus: Die Tatbestände für eine
Entgeltbefreiung seien in § 1 Abs. 2 WasEG abschließend geregelt. Die Privilegierung
greife aber nur ein, wenn keine weitere über den Ausnahmetatbestand hinausgehende
Nutzung erfolge. Das ergebe sich aus der Systematik des
Wasserentnahmeentgeltgesetzes. Grundsätzlich sei jede Entnahme mit nachfolgender
Nutzung entgeltpflichtig. Die Entgeltpflicht lebe wieder auf, wenn über den
Privilegierungstatbestand hinaus eine nicht-privilegierte Nutzung erfolge. Aus einem
Vergleich mit § 1 Abs. 2 Nr. 9 WasEG könne nichts anderes gefolgert werden; soweit
hierin auf eine anderweitige Nutzung abgestellt werde, diene dies lediglich der
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Klarstellung. Die Entgeltpflichtigkeit einer weiteren Nutzung ergebe sich auch aus der
Gesetzesbegründung. Danach solle der wirtschaftliche Vorteil der Wasserentnahme und
der Wassernutzung abgeschöpft werden.
Am 31. März 2005 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen
wiederholt und vertieft. Ergänzend führt sie im Wesentlichen aus: Dem Gesetzgeber sei
aufgrund des Gutachtens des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der
Universität zu Köln (FiFo), das im Gesetzgebungsverfahren eingeholt worden sei,
bekannt, dass in anderen Bundesländern Befreiungstatbestände und sogenannte
Rückausnahmen ausdrücklich geregelt seien. Er selbst habe solche Rückausnahmen in
§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 6 und 9 WasEG ebenfalls ausdrücklich vorgesehen. Das dies in Nr. 8
der Vorschrift nicht geschehen sei, sei also kein Versehen, sondern gewollt. Der
Gesetzeszweck der Vorteilsabschöpfung stehe hier nicht entgegen, da gerade dieser
Zweck bei Befreiungstatbeständen keine Rolle spiele. Sinn der Ausnahmetatbestände
sei es gerade, in bestimmten Fällen auf Vorteilsabschöpfung zu verzichten. Nicht jeder
Sondervorteil solle abgeschöpft werden, sondern nur solche, die eine vermeidbare
Belastung für den Wasserhaushalt darstellten, ohne dass ein Entnahmeerfordernis
bestünde.
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Die Klägerin, die zunächst Klage mit dem Ziel der Aufhebung des
Vorauszahlungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides erhoben hat,
beantragt nunmehr, nachdem das Landesumweltamt NRW mit Bescheid vom 19. Juli
2006 das Wasserentnahmenentgelt für das Veranlagungsjahr 2004 auf 478.299,02 Euro
festgesetzt hat,
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1. festzustellen, dass der Vorauszahlungsbescheid des Landesumweltamtes NRW vom
15. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2005
rechtswidrig war,
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2. den Festsetzungsbescheid des Landesumweltamtes NRW vom 19. Juli 2006
aufzuheben, soweit darin ein Wasserentnahmeentgelt von 478.299,02 Euro festgesetzt
worden ist,
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3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 478.299,02 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
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4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 % über dem
Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit bis zum 31. Juli 2006 auf 30.358,90 Euro zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und führt
ergänzend aus: Das Wasserentnahmeentgeltgesetz verfolge primär den Zweck,
Sondervorteile abzuschöpfen; die Lenkungsfunktion träte dahinter zurück. Ein
Sondervorteil könne auch bei einer Folgenutzung abgeschöpft werden.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage ist zulässig.
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Die beklagte Bezirksregierung E ist passiv legitimiert, nachdem gemäß Art. 1 § 2 Abs. 1
Satz 2 des Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein- Westfalen vom
12. Dezember 2006 das Landesumweltamt mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar
2007 aufgelöst und gemäß Art. 3 dieses Gesetzes die Bezirksregierung E an seine
Stelle getreten ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Erhebung eines Entgelts für
die Entnahme von Wasser aus Gewässern (Wasserentnahmeentgeltgesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen - WasEG - vom 27. Januar 2004 in der Fassung des Gesetzes zur
Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 12. Dezember 2006).
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Die mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Fortsetzungsfeststellungsklage ist gemäß § 113
Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Mit Erlass des Festsetzungsbescheides vom 19. Juli 2006
hat sich der Vorauszahlungsbescheid vom 15. September 2004, der zunächst in der Ge-
stalt des Widerspruchsbescheides alleiniger Klagegegenstand gewesen war, erledigt.
Der Festsetzungsbescheid bestimmt abschließend unter Anrechnung der geleisteten
Vorauszahlungen die Höhe des Wasserentnahmeentgelts für den
Veranlagungszeitraum (§ 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WasEG).
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Vgl. zur vergleichbaren Situation im Kommunalabgabenrecht Driehaus,
Kommunalabgabenrecht, Kommentar, § 8 Rdn. 147 m.w.N.
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Der Klägerin steht auch, wie sie mit Schriftsatz vom 23. August 2006 zutreffend
ausgeführt hat, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite. Dies ergibt sich zum
einen aus dem mit den Klageanträgen zu 3. und 4. geltend gemachten Anspruch auf
Prozesszinsen, die der Klägerin nur bei Feststellung der Rechtswidrigkeit des
Vorauszahlungsbescheides schon ab Rechtshängigkeit zustehen; denn der
Festsetzungsbescheid ersetzt den Vorauszahlungsbescheid lediglich mit Wirkung ex
nunc. Das Feststsellungsinteresse ist außerdem gegeben, weil die geltend gemachten
Gründe für die Rechtswidrigkeit des Vorauszahlungsbescheides auch die
Rechtswidrigkeit des endgültigen Festsetzungsbescheides zur Folge haben.
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Vgl. hierzu Driehaus a.a.O.; Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2004, §
113 Rdn. 32 m.w.N.
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Die in der Umstellung des Begehrens auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage
(Klageantrag zu 1.) und der Einbeziehung des Festsetzungsbescheides in dieses
Verfahren (Klageantrag zu 2.) liegende Klageänderung ist zulässig, weil sie
sachdienlich ist und die Beklagte eingewilligt hat (§ 91 Abs. 1 VwGO).
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Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 2. auch ohne Durchführung eines
Vorverfahrens zulässig.
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Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Juni 1969 - VIII C 36.69 -,
BVerwGE 32, 243, 247; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 79 Rdn. 3 a m.w.N.
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Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist bereits durch die auf den Widerspruch gegen
den Vorauszahlungsbescheid ergangene Entscheidung des Landesumweltamtes vom
8. März 2005 Genüge getan, da der Festsetzungsbescheid keinen neuen Gegenstand
regelt, sondern lediglich die Entgelthöhe für das streitige Veranlagungsjahr endgültig
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bestimmt.
II.
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Die Klage ist auch begründet.
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Sowohl der Vorauszahlungsbescheid des Landesumweltamtes NRW vom 15.
September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2005 als auch
der Festsetzungsbescheid des Landesumweltamtes NRW vom 19. Juli 2006 sind
rechtswidrig, soweit ein Wasserentnahmeentgelt erhoben wird, und verletzen die
Klägerin deshalb in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Beklagte ist zwar gemäß § 1 Abs. 1 WasEG grundsätzlich befugt, ein
Wasserentnahmeentgelt zu erheben. Nach dieser Vorschrift erhebt das Land u.a. für das
Zutagefördern von Grundwasser (Nr. 1) ein Wasserentnahmeentgelt, sofern das
entnommene Wasser einer Nutzung zugeführt wird. Gemäß § 1 Abs. 2 WasEG wird das
Entgelt u.a. nicht erhoben für dauerhafte Grundwasserabsenkungen im
Gemeinwohlinteresse (Nr. 8 2. Alternative). Diesen Regelungen lässt sich jedoch eine
Abgabepflicht der Klägerin nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen (Grundsatz der
Tatbestandbestimmtheit),
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vgl. zum Steuerrecht: Drüen in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, Stand:
November 2006, § 3 Rdn. 33 ff..
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Es kann dahinstehen, ob überhaupt die Voraussetzungen des Entgelttatbestandes in §
1 Abs. 1 WasEG gegeben sind. Zwar fördert die Klägerin aufgrund des Bewilligungs-
und Erlaubnisbescheides der Beklagten vom 23. November 2000 Grundwasser zum
Zwecke der Flurabstandsregulierung zutage, das anschließend zumindest teilweise
nach Aufbereitung der Trinkwasserversorgung und der Versorgung mit Betriebswasser
im Versorgungsgebiet der Klägerin sowie der Bewässerung von Gräben, Teichen und
Baggerseen zugeführt wird (Ziff. 1.1 des Bescheides). Diese Grundwasserförderung
dient in erster Linie dem aufgrund der durch den umgehenden Steinkohlenbergbau
eingetretenen Bergsenkungen notwendigen Polderungserfordernis im C Feld (Ziffer
13.2 Abs. 1 Satz 1 des Bescheides). Infolge dessen dürfen die bewilligten und im
einzelnen aufgeführten Höchstfördermengen stets nur in dem Maße entnommen
werden, wie es zur Flurabstandsregulierung notwendig ist (Ziffer 1.3 Satz 5 und 6 des
Bescheides). Vor diesem Hintergrund ist es nicht von vornherein von der Hand zu
weisen, dass eine Entgeltpflicht der Klägerin deshalb nicht besteht, weil das
entnommene Wasser dem primären Förderzweck entsprechend keiner Nutzung
zugeführt wird.
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Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 12. Dezember 2006 - 11 K 2693/05 - für den Fall einer
Wasserentnahme, die ausschließlich zum Zwecke der Grundwasserabsenkung erfolgt.
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Auch bei einer Gesamtbetrachtung des mit Bescheid der Beklagten vom 23. November
2000 genehmigten Vorgangs verbleiben durchgreifende Zweifel an der
Entgeltpflichtigkeit der Klägerin, die zu Lasten der die Abgabe fordernden Beklagten
gehen. Denn in diesem Fall erfüllt die Klägerin zwar den Entgelttatbestand des § 1 Nr. 1
WasEG, indem sie Grundwasser zutage fördert, das zumindest teilweise einer Nutzung
zugeführt wird. Es spricht aber Überwiegendes dafür, dass das Entgelt nach § 1 Abs. 2
Nr. 8 2. Alternative WasEG nicht erhoben wird. Dieser Befreiungstatbestand macht
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nämlich deutlich, dass die Erhebung eines Wasserentnahmeentgeltes für dauerhafte
Grundwasserabsenkungen im Gemeinwohlinteresse, wozu Sümpfungsmaßnahmen
gehören, nicht gewollt ist und lässt anders als die Befreiungstatbestände in § 1 Abs. 2
Nr. 4 und 9 WasEG eine weitere Nutzung des entnommenen Wassers unberücksichtigt.
Während gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 und 9 WasEG bei einer nachfolgenden Verwendung
des Wassers die Entgeltpflicht wieder auflebt, sieht § 1 Abs. 2 Nr. 8 WasEG eine solche
Ausnahme von der Ausnahme gerade nicht vor.
Vgl. hierzu auch Posser/Willbrandt, Das neue Wasserentnahmeentgeltgesetz NRW,
NWVBl 2005, 410 (415 f).
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Dieser sich vom Wortlaut der Regelung und der Systematik der Entgelt- und
Befreiungstatbestände aufdrängenden Auslegung steht der Gesetzeszweck nicht
entgegen. Ein wesentliches Ziel des Wasserentnahmeentgeltgesetzes, auf einen
gemeinwohlverträglichen und sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser
hinzuwirken - Wasserentnahmeentgelt als ökologischer Kostenfaktor - (LT- Drucksache
13/4528, S. 29), kann bei dauerhaften Grundwasserabsenkungen im
Gemeinwohlinteresse, die - wie hier - zur Flurabstandsregulierung in
Bergsenkungsgebieten unumgänglich sind, nicht greifen. Der weitere Gesetzeszweck,
durch das Wasserentnahmeentgelt den wirtschaftlichen Vorteil, den der Einzelne durch
die Inanspruchnahme seines Rechts auf Wasserentnahme erzielt, abzuschöpfen (LT-
Drucksache 13/4528, S. 29), kann durch eine Befreiung der Klägerin nicht erreicht
werden, macht aber das oben dargestellte Verständnis des § 1 Abs. 2 Nr. 8 WasEG
auch nicht schlechterdings sinnwidrig. Denn der Verzicht auf die Abschöpfung eines
Sondervorteils ist angesichts der unumgänglichen, im Gemeinwohl liegenden
Flurabstandsregulierung nachvollziehbar.
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Vgl. hierzu VGH Kassel, Beschluss vom 3. April 2003 - 5 TG 2223/01 -, NVwZ RR 2003,
776 . zur vergleichbaren Regelung im hessischen Grundwasserabgabengesetz.
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Eine dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit entsprechende Begründung der
Entgeltpflichtigkeit der Klägerin kann schließlich nicht daraus gefolgert werden, dass
das dem Gesetzentwurf der Landesregierung zugrunde liegende Gutachten des
Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität zu Köln vom Juni 2003
davon ausgeht, dass die Sümpfungswässer des Bergbaus unbelastet bleiben, „soweit
sie ohne Nutzung abgeleitet werden". Diese Vorstellung liegt zwar auch dem in § 1 Abs.
1 WasEG formulierten Entgelttatbestand zugrunde und fließt in die
Gesetzesbegründung (LT-Drucksache 13/4528, S. 30) mit dem lapidaren Satz ein:
„Entnommenes Wasser, das keiner Nutzung zugeführt wird, ist nicht entgeltpflichtig." Im
Gesetz selbst fehlt es jedoch - wie oben dargelegt - an einer hinreichend deutlichen
(Wieder-) Begründung der Entgeltpflicht bei Eingreifen des Befreiungstatbestandes des
§ 1 Abs. 2 Nr. 8 WasEG.
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Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat die Klägerin Anspruch auf die im Klageantrag zu
3. begehrte Zahlung der nach Erlass des Festsetzungsbescheides verbleibenden
478.299,02 Euro.
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Der Anspruch auf die mit den Klageanträgen zu 3. und 4. geltend gemachten
Prozesszinsen ergibt sich aus §§ 291, 289 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in
Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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