Urteil des VG Düsseldorf vom 03.06.2008

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, freizügigkeit der arbeitnehmer, eugh, wirtschaftliche tätigkeit, vorläufiger rechtsschutz, aufenthaltserlaubnis, einreise, arbeitsmarkt, arbeitnehmereigenschaft

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 L 2190/07
Datum:
03.06.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 2190/07
Schlagworte:
Student Türkei Teilzeitbeschäftigung Aufenthaltsrecht ordnungsgemäße
Beschäftigung
Normen:
ARB 1/80 Art 6 Abs 1 AufenthG § 4 Abs 5 AufenthG § 16 Abs 3 Satz 1
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird ab-gelehnt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 6260/07 gegen die Ord-
nungsverfügung des Antragsgegners vom 18. Dezember 2007 wird
angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500, Euro festge-setzt.
Gründe:
1
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil der
Antragsteller entgegen seiner Ankündigung die zwingend vorgeschriebene (vgl. §§ 166
VwGO, 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ZPO) Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachgereicht hat.
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 6260/07 gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 18. Dezember 2007
anzuordnen,
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ist zulässig und begründet.
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Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Der Klage, die sich mit dem
Verpflichtungsbegehren nur gegen die Versagung der Ausstellung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG für Berechtigte nach dem
Assoziationsabkommen EWG/Türkei richtet, kommt insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung zu. Der
Ausschluss des Suspensiveffekts nach letztgenannter Vorschrift gilt auch für die
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Ablehnung des Antrags eines türkischen Staatsangehörigen auf Ausstellung der
deklaratorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG. In einem derartigen
Fall ist vorläufiger Rechtsschutz im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. April 2008 - 18 B 291/08 -, juris.
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Von der Befugnis, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung
der Klage anzuordnen, macht das Gericht Gebrauch, wenn eine Interessenabwägung
ergibt, dass das private Interesse des Betroffenen, von Vollziehungsmaßnahmen vorerst
verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen
Durchsetzung der getroffenen Maßnahmen überwiegt.
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Dies ist hier der Fall. Das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt
das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der angegriffenen Versagungsentscheidung bestehen. Der Ausgang
des Hauptsacheverfahrens ist derzeit zumindest offen. Gründe, die dessen ungeachtet
eine umgehende Durchsetzung der getroffenen Maßnahme gebieten würden, sind nicht
erkennbar. Bei dieser Sachlage muss das öffentliche Interesse am Sofortvollzug
gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, sich zunächst weiter im
Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, zurückstehen.
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Bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur möglichen summarischen Prüfung der
Sach- und Rechtslage spricht vieles dafür, dass der Antragsteller, ein im Juli 2000 zu
Studienzwecken in das Bundesgebiet eingereister türkischer Staatsangehöriger, auf der
Grundlage des § 4 Abs. 5 AufenthG einen Anspruch auf Ausstellung einer
Aufenthaltserlaubnis hat, weil ihm ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 erster
Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die
Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zusteht.
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Nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 hat ein türkischer Arbeitnehmer, der
dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, vorbehaltlich der
Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur
Beschäftigung in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer
Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen
Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt. Sind die Voraussetzungen dieser
Vorschrift erfüllt, steht dem türkischen Staatsangehörigen neben dem
beschäftigungsrechtlichen Anspruch unmittelbar auch ein Aufenthaltsrecht in dem
Mitgliedstaat zu, weil sonst das Recht auf Ausübung der Beschäftigung praktisch
wirkungslos wäre.
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Vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1992 - C-237/91 - (Kus), NVwZ
1993, 258 ff.; seitdem std. Rspr.
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Es sprechen gewichtige Gründe für die Annahme, dass der Antragsteller sich auf Art. 6
Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 berufen kann.
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Er dürfte als Arbeitnehmer im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen sein. Der im
ARB 1/80 nicht definierte Begriff des Arbeitnehmers hat eine gemeinschaftsrechtliche
Bedeutung und ist nicht eng auszulegen. Er ist anhand objektiver Kriterien zu definieren,
die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen
Personen kennzeichnen. Arbeitnehmer ist danach jeder, der eine tatsächliche und echte
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Tätigkeit ausübt, wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die wegen ihres
geringen Umfangs völlig untergeordnet und unwesentlich sind. Die wesentlichen
Merkmale des Arbeitsverhältnisses bestehen darin, dass jemand während einer
bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er
als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Vgl. EuGH, Urteil vom 26. November 1998 - C-1/97 - (Birden), InfAuslR 1999, 6 ff. (Rz.
25).
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Diese Merkmale sind hier erfüllt. Der Antragsteller ist seit dem 1. Juni 2006 bis heute
ununterbrochen als Aushilfe bei der F GmbH mit Sitz in X (vormals C) beschäftigt.
Ausweislich der übersandten Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum Juni 2006 bis
Juli 2007 erzielt er dort ein Monatseinkommen von 391,20 Euro netto bei einer
Arbeitszeit von 60 Stunden pro Monat; in der Arbeitgeberbescheinigung vom 7. August
2007 heißt es, er arbeite ca. zehn halbe Tage pro Monat. In zeitlicher Hinsicht und nach
der Höhe des erzielten Entgelts ist diese Tätigkeit nicht als völlig untergeordnet und
unwesentlich anzusehen. Zwar handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung im
Sinne des Sozialversicherungsrechts (sog. 400,-- Euro-Job). Es spricht aber vieles
dafür, dass für die aus einer Tätigkeit mindestens zu erzielende Vergütung, unterhalb
derer nicht mehr von einem Arbeitnehmerstatus im Sinne des ARB 1/80 auszugehen ist,
nicht die während der Beschäftigung jeweils geltende Geringfügigkeitsgrenze in der
Sozialversicherung (bis 1. April 2003: 325,-- Euro, seitdem 400,-- Euro) maßgeblich sein
kann.
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So jedoch die Allgemeinen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des
Innern zum Be- schluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (AAH-ARB 1/80) -
Fassung 2002 - vom 2. Mai 2002, Rdnr. 2.2.2; ferner Dienelt, eBooks
Migrationsrecht.net, Die Rechtsstellung türki- scher Staatsangehöriger nach Art. 6 und
7 ARB 1/80 unter Berücksichtigung der aktuellen Recht- sprechung des EuGH, 1.
Aufl. Stand: August 2006, S. 25.
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Anderenfalls hätte es der Mitgliedstaat durch Änderung der einschlägigen
sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen in der Hand, den türkischen
Wanderarbeitnehmern, denen er die Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates
gestattet hat und die dort ununterbrochen während eines Jahres eine ordnungsgemäße
wirtschaftliche Tätigkeit verrichtet haben, die Rechte vorzuenthalten, die diese
unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 herleiten können. Ob ein türkischer
Staatsangehöriger den Status eines Arbeitnehmers hat, dürfte daher nicht nach
innerstaatlichem, sondern nach europäischem Recht zu beurteilen sein,
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vgl. EuGH, Urteil vom 26. November 1998 - C-1/97 - (Birden), InfAuslR 1999, 6 ff.
(Rz. 24); OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. März 1993 - 4 L 1175/92 -, InfAuslR
1993, 164 ff. (165),
19
und zwar nach den Vorschriften, die, wie namentlich Art. 39 EGV, die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft betreffen. Diese verlangen jedoch weder eine
bestimmte Mindestdauer der Arbeitszeit noch ein Mindesteinkommen. Prinzipiell
genügen Teilzeittätigkeiten ebenso wie bloße Nebenbeschäftigungen. Auch eine
sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigung ist geeignet, die
Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu vermitteln.
20
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 1998 - 18 B 2762/97 -, InfAuslR 1999,
101 f.; ferner OVG Berlin, Beschluss vom 25. September 1996 - OVG 8 S 35.96 -,
InfAuslR 1997, 189; Benassi, Die aufenthaltsrechtliche Bedeutung des
Assoziationsratsbeschlusses 1/80 im Lichte der neuen Rechtsprechung, InfAuslR
1995, 89 ff. (91).
21
Der Umstand, dass dem Antragsteller die Einreise nur zu Studienzwecken erlaubt
worden ist, steht der Arbeitnehmereigenschaft ebenfalls nicht entgegen. Für sie kommt
es nicht darauf an, ob der türkische Staatsangehörige bereits als Arbeitnehmer in die
Gemeinschaft eingereist ist oder diesen Status erst nach der Einreise erreicht hat. Der
Zweck, zu dem die Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates gestattet wurde,
spielt bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft keine Rolle. Daher kann auch ein
türkischer Student, der zur Finanzierung des Studiums einer Nebenbeschäftigung
nachgeht, Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sein.
22
Vgl. EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - C-294/06 - (Payir), InfAuslR 2008, 149 ff.
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Die Beschäftigung des Antragstellers war auch ordnungsgemäß. Hierfür ist eine
gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt und damit das
Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts erforderlich. Außerdem muss die
Beschäftigung im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen und
arbeitserlaubnisrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates stehen.
24
Vgl. EuGH, Urteile vom 16. Dezember 1992 - C-237/91 - (Kus), NVwZ 1993, 258 ff.
und vom 6. Juni 1995 - C-434/93 - (Bozkurt), InfAuslR 1995, 261 ff.
25
Während der von Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 verlangten einjährigen
Beschäftigungszeit, die im Juni 2007 erreicht war, hielt der Antragsteller sich auf der
Grundlage eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet auf. Seine
Aufenthaltserlaubnis war zuletzt bis zum 3. August 2007 gültig. Der Umstand, dass der
Aufenthalt nur zu Studienzwecken ermöglicht worden war, rechtfertigt es nicht, die
Position auf dem Arbeitsmarkt als lediglich vorläufig anzusehen. Dies folgt ohne
Weiteres bereits aus der in § 16 Abs. 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden
gesetzgeberischen Grundentscheidung, erfolgreichen Studienabsolventen die
Perspektive eines Daueraufenthalts einzuräumen.
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Entgegen der Ansicht des Antragsgegners verstieß die Erwerbstätigkeit des
Antragstellers auch nicht gegen arbeitserlaubnisrechtliche Vorschriften. Die
Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken berechtigte gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1
AufenthG zur Ausübung einer Beschäftigung, die insgesamt 90 Tage oder 180 halbe
Tage im Jahr nicht überschreiten durfte. Ausgehend von den übersandten
Gehaltsabrechnungen hielt sich die Tätigkeit des Antragstellers in diesem Rahmen. Die
dort dokumentierten 60 Arbeitsstunden pro Monat ergeben (bei einer Halbtagstätigkeit
von vier Stunden) 15 halbe Tage pro Monat; im Jahr sind dies 180 halbe Tage. Soweit
der Antragsgegner unter Berufung auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung,
27
vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 6. März 2006 - 12 TG 786/06 -, InfAuslR 2006, 355 f;
VG Berlin, Beschluss vom 21. November 2000 - VG 31 A 374.00 -, InfAuslR 2001,
112 f.,
28
einwendet, die Tätigkeit könne nicht auf mehr als 180 Tage pro Jahr verteilt werden, um
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eine ununterbrochene Beschäftigung während eines Jahres zu erreichen,
so auch Gutmann, Anm. zum Urteil des EuGH vom 24. Januar 2008 - C-294/06 -
(Payir), InfAuslR 2008, 151, und in GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand
März 2008, IX-1 Art. 6 ARB Nr. 1/80 EWG/Türkei, Rz. 64,
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liegt dem offenbar die Vorstellung zu Grunde, wegen der Beschränkung auf 180 halbe
(bzw. 90 volle) Arbeitstage sei eine einjährige Beschäftigungsdauer nicht mehr im Sinne
des Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 ordnungsgemäß.
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Siehe die Begründung der angegriffenen Ordnungsverfügung auf Seite 5: "Sofern Sie
vortragen, ein ganzes Jahr beschäftigt gewesen zu sein, so gilt die Beschäftigung, die
über den 180sten Tag hinausgeht, nicht als ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs.
1 ARB 1/80."
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Diese Annahme dürfte auf einem unzutreffenden Verständnis der Begrifflichkeiten
beruhen. Die konkrete Arbeitszeit (nicht mehr als 90 volle oder 180 halbe Tage pro Jahr)
ist zu unterscheiden von der - für das Erreichen der ersten Verfestigungsstufe des Art. 6
Abs. 1 ARB 1/80 allein maßgeblichen - Dauer des Beschäftigung (von einem Jahr). Die
Beschäftigung des Antragstellers war ordnungsgemäß, weil er nicht mehr als 180 halbe
Tage im Jahr gearbeitet hat. In ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 ist der
Antragsteller hineingewachsen, weil das Beschäftigungsverhältnis (bei dem gleichen
Arbeitgeber), als die Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis ablief, ununterbrochen länger
als ein Jahr bestand. Das Erfordernis der einjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung
ist nicht erst dann erfüllt, wenn der türkische Arbeitnehmer ein ganzes Jahr - also
zwingend mehr als 90 volle Tage bzw. 180 halbe Tage - tatsächlich gearbeitet hat. Ein
abweichendes Verständnis wäre mit Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 nicht zu vereinbaren. Wenn
danach Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder
kurzer Krankheit den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt werden
(Satz 1), wogegen dies für Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Abwesenheit wegen
langer Krankheit nicht gilt (Satz 2 der Vorschrift), so liegt dem erkennbar die Vorstellung
des Normgebers zu Grunde, dass kürzere bzw. regelmäßig wiederkehrende
Abwesenheitszeiten, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses unberührt lassen, in die
Jahresfrist eingerechnet werden. Dies schließt es aus, im Rahmen des Art. 6 Abs. 1
ARB 1/80 (wie bei § 16 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) auf die konkret absolvierte Arbeitszeit
abzustellen. Ob der nationale Gesetzgeber, wie der Antragsgegner meint, mit § 16
Abs. 3 Satz 1 AufenthG gerade das Ziel verfolgte, ein Hineinwachsen türkischer
Studenten in assoziationsrechtliche Ansprüche zu verhindern,
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so auch Hess.VGH, Beschluss vom 6. März 2006 - 12 TG 786/06 -, a.a.O.,
34
kann dahinstehen. Die gesetzliche Begrenzung der arbeitserlaubnisfreien
Beschäftigung auf 90 Tage bzw. 180 halbe Tage pro Jahr wäre hierfür jedenfalls ein
ungeeignetes Mittel. Da die Neuregelung nach der amtlichen Begründung zu Art. 1 § 16
des Gesetzentwurfs,
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BT-Drucksache 15/420, S. 74
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es ausländischen Studenten ermöglichen soll, "
ganzjährig stundenweise
Semesterferien mit voller Arbeitszeit und im Semester entsprechend kürzer oder gar
nicht ihr Studium zu finanzieren" (Hervorhebung nicht im Original), es also ausdrücklich
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in das Belieben des Studenten stellt, die 90 Tage oder 180 halben Tage in den
Semesterferien im Block oder auf das ganze Jahr verteilt zu arbeiten, ist nicht erkennbar,
wie § 16 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Erreichen der ersten Verfestigungsstufe des Art. 6
Abs. 1 ARB 1/80 sollte verhindern können.
Konkrete, über bloße Vermutungen hinausgehende Anhaltspunkte für die Annahme,
dass der Antragsteller Studienabsichten lediglich vortäuschte, was einem
ordnungsgemäßen Aufenthalt entgegenstünde,
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vgl. EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - C-294/06 - (Payir), InfAuslR 2008, 149 ff., Rz.
40, 46; VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Januar 2007 - 7 L 1619/06 -,
39
sind weder vom Antragsgegner geltend gemacht noch sonst erkennbar. Nach Auskunft
der Hochschule Niederrhein vom 13. August 2007 hat der Antragsteller eine
Fachprüfung erfolgreich abgelegt und weitere Prüfungsversuche unternommen. Der
Umstand, dass seine Anstrengungen, einen Abschluss zu erzielen, insgesamt völlig
unzureichend waren, weshalb, wie der Antragsgegner zutreffend dargelegt hat, nicht
davon auszugehen ist, dass der Aufenthaltszweck in einem angemessenen Zeitraum
noch erreicht werden kann (§ 16 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AufenthG), erlaubt für sich
gesehen noch nicht die Schlussfolgerung, es handele sich um einen bloßen
"Scheinstudenten".
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Die aus obigen Gründen bestehenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Versagungsentscheidung haben zur Folge, dass auch hinsichtlich der gemäß § 80
Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 8 Satz 1 AG VwGO NRW sofort vollziehbaren
Abschiebungsandrohung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
Daher war insoweit ebenfalls die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 GKG in der Fassung des
Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) vom 5. Mai 2004. Das
Gericht bewertet das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung
der Versagungsentscheidung mit der Hälfte des Auffangwertes des § 52 Abs. 2 GKG.
Die Abschiebungsandrohung fällt daneben streitwertmäßig nicht ins Gewicht.
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