Urteil des VG Düsseldorf vom 30.11.2009
VG Düsseldorf (kläger, grundstück, damm, gebäude, der rat, wirkung, gegenstand des verfahrens, gebiet, vorbescheid, umgebung)
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 2876/09
Datum:
30.11.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 2876/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2).
Der Beigeladene zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Tatbestand:
1
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks G1, Pstraße 2 in E-C, welches mit einem
von ihnen selbst bewohnten freistehenden Einfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück
grenzt seitlich südöstlich an die T Straße an. Die Bebauung südöstlich der T Straße
besteht insgesamt aus entsprechender Einfamilienhaus-Wohnbebauung.
2
Das Grundstück auf der dem Grundstück der Kläger gegenüberliegenden Seite der T
Straße, G2 mit einer Fläche von 7.275 qm, dessen Bebauung streitig ist, war zuvor eine
Wiesenfläche. Es reicht südwestlich bis zum B Damm. Der B Damm bildet etwa 80 m
nordwestlich der Einmündung der T Straße eine große Kreuzung mit der T1er Allee –
diese verläuft parallel zur T Straße – und der E1 Landstraße. Die E1 Landstraße ist
Ortsdurchfahrt der Bundesstraße X, führt in südwestlicher Richtung in die südlichen Eer
Stadtteile und nach E1, in nördlicher Richtung in die Eer Innenstadt. Über die T1er Allee
verläuft der Verkehr u.a. zur Autobahnauffahrt E-C der BAB X1, über den B Damm in
den Stadtteil E-H und zur Autobahnauffahrt E-H der BAB X1. An das G2 grenzt
nordwestlich im Kreuzungsbereich das fünfgeschossige Hotel T1 an. Neben dem Hotel
steht an der T1er Allee ein neungeschossiges Wohnhaus mit Läden im Erdgeschoss
und Arztpraxen im ersten Obergeschoss. Ferner findet sich hier Gastronomienutzung
sowie eine Spielhalle. An dieses Wohnhaus schließen sich entlang der T1er Allee
dreigeschossige städtische Gebäude an – Stadtbücherei und Bezirksamt Süd. Es folgt
ein Kirchengebäude mit Kindergarten. Hinter dem Hotelgrundstück und dem Hochhaus
sind derzeit im Bau die Errichtung einer Erweiterung des Hotels sowie die Errichtung
3
eines Q-Marktes. Auf der gegenüberliegenden Seite der T1er Allee befindet sich u.a. der
Betrieb eines großen Fahrradhändlers mit Werkstatt. Auf der nordwestlichen Seite der
Straßenkreuzung befindet sich u.a. das viergeschossige Bürogebäude der
Kindernothilfe, ferner mehrgeschossige Wohnbebauung mit einer Polizeiwache im
Erdgeschoss. An der südwestlichen Seite des B Damms steht gegenüber der
Einmündung der T Straße ein bis zu dreigeschossiges Alten- und Pflegeheim. Im
Kreuzungsbereich verläuft in Tieflage die Bahntrasse der Straßenbahnlinie U x (E-E1),
die hier die Haltestelle "T1er Allee" hat. Zwischen E1er Landstraße und
Straßenbahntrasse befindet sich sodann neben einigen Wohnhäusern das
Betriebsgrundstück eines großflächigen Pflanzenmarktes; die Bebauung dieses
Grundstücks mit einem M-Markt war Gegenstand des Verfahrens 25 K 4087/08 = 10 A
933/09 OVG NRW.
Ein Bebauungsplan für das in Rede stehende Gebiet besteht nicht. Die Fläche
zwischen der T1er Allee und der T Straße einschließlich des Vorhabengrundstücks ist
im Flächennutzungsplan der Stadt E als Kerngebiet, im Gebietsentwicklungsplan als
Gebietsentwicklungsschwerpunkt dargestellt. Der Rat der Stadt E hat am 27. Juni 2005
die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 1074 für dieses Gebiet beschlossen mit dem
Ziel der Festsetzung kerngebietstypischer Nutzung. Das Planverfahren hat nicht den
Stand des § 33 BauGB erreicht.
4
Für das streitige Vorhaben der Beigeladenen zu 2) – Errichtung eines
Gesundheitszentrums – ist am 23. November 2007 ein planungsrechtlicher Vorbescheid
erteilt worden; dieser ist den Klägern nicht bekannt gegeben worden.
5
Die Beigeladene zu 2) hat das Grundstück sodann mit notariellem Vertrag im Januar
2009 von der Stadt E erworben, wobei der Vertrag die Verpflichtung der Beigeladenen
zu 2) zur Bebauung des Grundstücks mit einem Gesundheitszentrum regelt.
6
Der Beigeladene zu 1) beantragte unter dem 25. November 2008 die Erteilung eines
Bauvorbescheides zur "Erweiterung eines Fachärztezentrums mit medizinisch
fachbezogenem Einzelhandel und Bank im EG sowie Arztpraxen mit teilstationärer
Nutzung und Büroflächen in den Obergeschossen und im Staffelgeschoss"; beantragt
wurde die Prüfung von Art und Maß der Nutzung des dargestellten Baukörpers.
Dargestellt ist ein viergeschossiges Gebäude mit Staffelgeschoss nordöstlich der
Einmündung der Pstraße in die T Straße.
7
In der verwaltungsinternen Prüfung lehnte die Bezirksvertretung Süd mit Beschluss vom
29. Januar 2009 das Bauvorhaben ab wegen verkehrlicher Bedenken. Der Rat der Stadt
E hob mit Beschluss vom 9. März 2009 den Beschluss der Bezirksvertretung auf und
stimmte "dem gemäß § 34 BauGB planungsrechtlich zulässigen Vorhaben" zu.
8
Mit Bescheid vom 19. März 2009 erteilte der Beklagten dem Beigeladenen zu 1) den
beantragten Vorbescheid und führte aus, das Vorhaben füge sich nach der Art der
Nutzung in die vorhandene Umgebung ein, ebenso nach dem Maß der Nutzung; der
maßgebliche Rahmen werde durch ein- bis neungeschossige Bebauung geprägt. Der
Vorbescheid enthält ferner Ausführungen zur ebenfalls gegebenen Zulässigkeit
hinsichtlich der Bauweise, der überbaubaren Grundstücksfläche, der gesunden Wohn-
und Arbeitsverhältnisse, der nicht gegebenen Beeinträchtigung des Ortsbildes sowie
des nicht gegebenen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot.
9
Der Vorbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger unter dem
20. März 2009, eingegangen am 24. März 2009, bekanntgegeben.
10
Die Kläger haben insoweit am 24. April 2009 Klage erhoben – 25 K 2876/09 –.
11
Die Beigeladene zu 2) beantragte unter dem 21. April 2009 die Erteilung einer
Baugenehmigung zur Errichtung eines Gesundheitszentrums mit medizinisch
fachbezogenem Einzelhandel, Bank und Café im EG sowie Arztpraxen, Büroflächen
und Physiotherapie mit Reha und Wellness in den OGs und im Staffelgeschoss,
einschließlich Bau eines Gebäudes für Gaswärmepumpen. Vorgesehen ist ein
viergeschossiges Gebäude mit Staffelgeschoss mit einer Länge von 52,57 m längs der
T Straße und 29,77 m längs des B Damms. Die nordöstliche Ecke dieses Gebäudes
liegt gegenüber dem Haus der Kläger, der Abstand der Gebäude beträgt ca. 28 m. Das
Staffelgeschoss springt von der T Straße aus etwa 3 m zurück. Im Erdgeschoss sind
vorgesehen Volksbank, eine Cafeteria einer Bäckereikette, Apotheke, Friseur,
Sanitätshaus, Akustiker und Pflegedienst, im ersten Obergeschoss Praxen und Büros
der Betriebsgesellschaft, im zweiten Obergeschoss Praxen, im dritten Obergeschoss
Praxen und Vita Fitness/Physio, im Staffelgeschoss Vita Wellness. Das Gebäude ist bis
zum dritten Obergeschoss 15,52 m, einschließlich des Staffelgeschosses 19,10 m hoch.
Vorgesehen sind 132 Stellplätze auf der nordöstlich angrenzenden Freifläche, im
wesentlichen auf der Fläche, die Gegenstand des Erweiterungsantrags der
Beigeladenen zu 2) ist. Die Zufahrt zu den Stellplätzen ist nordwestlich des Gebäudes
vom B Damm aus vorgesehen, so dass das Gebäude selbst zwischen der Zufahrt und
dem Haus der Kläger steht. Die Betriebsbeschreibung sieht Betriebszeiten von 7.00 Uhr
bis 23.00 Uhr vor. Vorgelegt wurde eine Schallimmissionsprognose der S GmbH vom 5.
Juni 2009, welche Immissionspunkte für sämtliche Häuser entlang der T Straße
überprüfte und für den Immissionspunkt am Haus der Kläger einen Wert von 43,4 dB(A)
tags und 32,3 dB(A) nachts ermittelte. Vorgelegt wurde ferner eine verkehrstechnische
Untersuchung zur Anbindung der geplanten Bauvorhaben an den B Damm der
Ingenieurgemeinschaft T2 von Mai 2009, die das Verkehrsaufkommen auf T Straße und
B Damm ermittelte. Das Verkehrsaufkommen des Gesundheitszentrums wurde mit 735
Kfz/Tag je Richtung ermittelt; einbezogen wurde das Verkehrsaufkommen der anderen
Nutzungen – Hotel und SB-Markt – mit dem Ergebnis einer Summe von 1.365 Kfz/Tag,
die sich wegen des Verbundeffekts zwischen Gesundheitszentrum und SB-Markt auf
1.325 Kfz/Tag verringere; die Verkehrsbelastungen an der Ein- und Ausfahrt zum B
Damm – dessen tägliche Gesamtverkehrsbelastung mit ca. 15.000 bis 16.000 Kfz/Tag
ermittelt worden war – stiegen somit um ca. 10 % an. Das Gutachten sieht vor, dass der
aus dem Parkplatz ausfahrende Verkehr nach rechts abbiegen muss und auch nicht in
der Kreuzung etwa zurück in den B Damm wenden darf.
12
Auf Antrag der Beigeladenen zu 2) erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Juli 2009
eine Teilbaugenehmigung für Erdbauarbeiten, Sohle sowie Kellergeschoss Rohbau –
Wände und Decken. Die verkehrstechnische Untersuchung und die
Schallimmissionsprognose wurden zum Bestandteil der Genehmigung gemacht und
seien bei der Ausführung zu beachten. Die von der Anlage einschließlich
Nebeneinrichtungen und dem der Anlage zuzurechnenden Fahrzeugverkehr
verursachten Geräusche dürften am Immissionspunkt des Hauses der Kläger (ebenso
an den anderen Punkten) 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts nicht überschreiten.
13
Die Teilbaugenehmigung wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 28. Juli
2009 zugestellt. Hiergegen haben die Kläger am 26. August 2009 Klage erhoben –
14
25 K 5543/09 – und am 4. September 2009 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
beantragt – 25 L 1364/09 –.
Mit Bescheid vom 10. September 2009 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 2) die
endgültige Baugenehmigung; die verkehrstechnische Untersuchung und die
Schallimmissionsprognose wurden wiederum zum zu beachtenden Bestandteil der
Baugenehmigung gemacht, ferner wurden dieselben einzuhaltenden Lärmgrenzwerte
wie in der Teilbaugenehmigung festgelegt.
15
Die Baugenehmigung wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben
vom 14. September 2009, zugestellt am 18. September 2009, bekanntgegeben.
Hiergegen haben die Kläger am 19. Oktober 2009, einem Montag, Klage erhoben – 25
K 6752/09 –.
16
Die Kläger machen zur Begründung geltend, das der Beigeladenen zu 2) genehmigte
Vorhaben füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Diese sei durch
die ein- bzw. eineinhalbgeschossige Bebauung an der T Straße geprägt. Bautiefe,
Breite und Grundfläche des Vorhabens überschritten das in der Umgebung übliche
Maß. Auch die überbaubare Grundstücksfläche werde überschritten. Durch seine
Massivität wirke das Vorhaben als Fremdkörper in der Umgebungsbebauung. Hierdurch
sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt.
17
Die Kläger beantragen,
18
den dem Beigeladenen zu 1) erteilten Vorbescheid des Beklagten vom 19.
März 2009 aufzuheben, sowie
19
die der Beigeladenen zu 2) erteilte Teilbaugenehmigung des Beklagten vom
21. Juli 2009 und die der Beigeladenen zu 2) erteilte Baugenehmigung des
Beklagten vom 10. September 2009 aufzuheben.
20
Der Beklagte hält seine Bescheide für rechtmäßig und beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
22
Der Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.
23
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
24
die gegen die ihr erteilte Teilbaugenehmigung und Baugenehmigung
erhobene Klage abzuweisen.
25
Sie legt im Einzelnen die Entstehungsgeschichte des Vorhabens dar und führt ihre
Auffassung aus, dass das Vorhaben sich in die Eigenart der näheren Umgebung
einfüge und insbesondere gegenüber den Klägern nicht rücksichtslos sei. Das
Vorhaben schließe eine Lücke zwischen der Kerngebietsbebauung und der
Wohnbebauung. Das Gebiet sei vorbelastet; mit Blick auf die frühere Nutzung des
Grundstücks auch als wilde Parkfläche und einen von ihr an der Grundstücksgrenze
geplanten zu bepflanzenden Erdwall werde sich die Geräuschbelastung eher
verbessern.
26
Am 11. November 2009 hat der Vorsitzende eine Ortsbesichtigung vorgenommen; auf
die Niederschrift wird Bezug genommen.
27
In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer die Verfahren 25 K 2876/09,
25 K 5543/09 und 25 K 6752/09 zur gemeinsamen Entscheidung unter dem
Aktenzeichen 25 K 2876/09 verbunden.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
29
Entscheidungsgründe:
30
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der dem Beigeladenen zu 1) erteilte
Bauvorbescheid sowie die der Beigeladenen zu 2) erteilten Genehmigungen
(Teilbaugenehmigung und endgültige Baugenehmigung) verstoßen nicht gegen
öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zugleich den Interessen der Kläger als Nachbarn
zu dienen bestimmt sind, und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO.
31
Beide Vorhaben sind zunächst bauordnungsrechtlich mit Blick auf § 6 BauO NRW nicht
zu beanstanden. Bei den der Beigeladenen zu 2) erteilten Genehmigungen für das
derzeit im Bau befindliche Gesundheitszentrum ist die Abstandfläche zur T Straße
zutreffend nach dem Maß von 0,4 H gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 BauO NRW ermittelt
worden, ausgehend von der gesamten Höhe des Gebäudes einschließlich
Staffelgeschoss und ohne Berücksichtigung dessen Rücksprungs; schon die so
ermittelte Abstandfläche erreicht bei weitem noch nicht die Mitte der T Straße, § 6 Abs. 2
Satz 2 BauO NRW. Das Erweiterungsgebäude, für dessen Errichtung dem
Beigeladenen zu 1) der angefochtene Vorbescheid erteilt worden ist, liegt bereits in
Richtung zur T Straße nicht gegenüber dem Grundstück der Kläger. Die Abstandfläche
in Richtung T Straße ist hier zudem mit dem Maß von 0,8 H im Lageplan dargestellt und
erreicht schon so nur den Rand der T Straße; unter Ansatz des Maßes von 0,4 H liegt
die Abstandfläche bei diesem Vorhaben vollständig auf dem eigenen Grundstück.
32
Nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts sind gleichfalls nicht verletzt.
Die Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sind nach § 34 Abs. 1 BauGB, wonach
innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile – um ein solches Gebiet handelt es
sich hier, was näherer Begründung nicht bedarf, insbesondere war die frühere
Freifläche zu klein, um als "Außenbereich im Innenbereich" bewertet werden zu können
– ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der
Bauweise und der zu überbauenden Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren
Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist; die Anforderungen an gesunde
Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben und das Ortsbild darf nicht
beeinträchtigt werden.
33
Der für die Beurteilung der Zulässigkeit maßgebliche Rahmen wird nach ständiger
obergerichtlicher Rechtsprechung dadurch bestimmt, dass in zwei Richtungen geprüft
wird, nämlich zum einen dahingehend, wie weit das Vorhaben sich auf seine
Umgebung auswirkt, und zum anderen dahingehend, wie weit das Vorhabengrundstück
von der Umgebungsbebauung geprägt wird. In Anwendung dieser Kriterien ergibt sich,
34
dass der maßgebliche Rahmen entgegen der Auffassung der Kläger
(Antragsbegründung vom 4. September 2009 im Verfahren 25 L 1364/09) nicht lediglich
durch die Einfamilienhausbebauung auf ihrer Seite der T Straße geprägt wird.
Bestandteil des maßgeblichen Rahmens ist vielmehr auch die vielgeschossige
Bebauung auf der anderen Seite des Vorhabens, nämlich insbesondere das
fünfgeschossige Hotelgebäude und das neungeschossige Hochhaus, die maßgeblich
prägenden Einfluss auf das in unmittelbarer Nähe liegende Vorhabengrundstück haben.
Zum maßgeblichen Rahmen gehört ferner jedenfalls auch die Bebauung auf der
gegenüberliegenden Seite des B Damms, insbesondere das Alten- und Pflegeheim.
Nicht alle Kriterien des § 34 BauGB vermitteln Nachbarschutz; bei der
Anfechtungsklage des Nachbarn gegen erteilte Genehmigungen prüft das Gericht nur
die Verletzung nachbarschützender Vorschriften. Nachbarschutz besteht nach ständiger
obergerichtlicher Rechtsprechung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. Insoweit
können sich die Kläger gegen beide Vorhaben zunächst nicht auf den in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten
Gebietsgewährleistungsanspruch stützen. Dieser gibt den Nachbarn innerhalb eines
Baugebietes, welches einem Baugebietstyp nach §§ 2 – 9 BauNVO entspricht,
unbeschadet einer tatsächlichen Beeinträchtigung das Recht, ein Vorhaben mit einer
gebietsartfremden Nutzung abzuwehren; der Anspruch richtet sich nur gegen Vorhaben
in demselben Gebiet. Die Voraussetzungen des Gebietsgewährleistungsanspruchs sind
hier nicht gegeben, denn das – reine oder allgemeine – Wohngebiet an der T Straße,
innerhalb dessen das Grundstück der Kläger liegt, ist von dem angrenzenden Gebiet
zwischen T Straße und T1er Allee, in welchem das Vorhabengrundstück liegt, deutlich
getrennt. Es handelt sich um verschiedenartige Gebiete. Das Gebiet des Grundstücks
der Kläger ist ein ein- bis eineinhalbgeschossig bebautes Wohngebiet, das benachbarte
Gebiet wird geprägt durch die höheren Gebäude des Hotels und des Hochhauses und
vom Wohngebiet völlig abweichende Nutzungen. Insoweit ist es auch rechtlich
unerheblich, ob der T Straße trennende Wirkung zukommt oder nicht, wie der
Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Bei
Annahme einer trennenden Wirkung handelt es sich um zwei verschiedene Gebiete,
und der Gebietsgewährleistungsanspruch entfällt. Geht man nicht von einer trennenden
Wirkung der T Straße aus, so handelt es sich um nur ein Gebiet mit unterschiedlichen
Nutzungen (Wohnen, Büro/Verwaltung, Hotel, gesundheitliche Zwecke (Arztpraxen),
Ladenlokale, Vergnügungsstätte (Spielhalle),Gastronomie), welches mit dieser
unterschiedlichen Nutzungsbreite keinem der Gebietstypen der §§ 2 – 9 BauNVO
zugeordnet werden kann; der Gebietsgewährleistungsanspruch entfällt dann ebenfalls.
35
Die weiteren von den Klägern im Schriftsatz vom 4. September 2009 betreffend das
Vorhaben der Beigeladenen zu 2) in den Vordergrund ihrer Einwände gestellten
Aspekte hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung (Geschossigkeit), der Bautiefe,
der Gebäudebreite längs der T Straße, der zu überbauenden Grundstücksfläche
betreffen sämtlich Kriterien, die nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht
nachbarschützend sind. Angemerkt sei, dass sich das Vorhaben der Beigeladenen zu 2)
insbesondere nach seiner von den Klägern beanstandeten Geschossigkeit und Höhe
innerhalb des maßgeblichen Rahmens hält, welcher von eingeschossiger bis zu
neungeschossiger Bebauung reicht, wobei sich die mehrgeschossige Bebauung an der
nordwestlichen Seite, die eingeschossige Bebauung an der südöstlichen Seite des
Rahmens findet. Das streitige fünfgeschossige Gebäude liegt in der Mitte und hält sich
damit innerhalb des aus der Umgebung hervorgehenden Rahmens. Gleiches gilt für die
vorgesehenen Nutzungen; Nutzung durch Arztpraxen und medizinischen Handel findet
36
sich in dem Hochhaus (Praxen und Apotheke), ferner gibt es dort Ladenlokale sowie
auch eine Sparkassenfiliale als Vorbild für die vorgesehene Volksbank. Ebenso findet
sich in der maßgeblichen Umgebung Büronutzung (städtische Verwaltungsgebäude),
schließlich auch weitere Nutzung zu gesundheitlichen Zwecken (Alten – und
Pflegeheim).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
37
z.B. das vom Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung
erwähnte Urteil vom 23. Mai 1986 – 4 C 34/85 –
38
fügt sich ein Vorhaben in der Regel in die Eigenart der näheren Umgebung dann ein,
wenn es sich innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält; es
fügt sich jedoch trotz Einhaltung des Rahmens dann nicht ein, wenn es an der
gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner
unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt. Das planungsrechtliche Gebot
der Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall nicht verletzt. Nach ständiger
Rechtsprechung des BVerwG kann aufgrund dieses Gebotes umso mehr an
Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung
dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt;
umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, umso weniger
Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit seinem
Vorhaben verfolgten Interessen sind. Die hierbei vorzunehmende Interessenabwägung
hat sich an dem Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten, und zwar in dem Sinne,
dass dem Betroffenen die nachteilige Wirkung des streitigen Bauvorhabens nicht mehr
zugemutet werden kann. Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt nachbarschützende
Wirkung zu, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige
Interessen eines erkennbar begrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Nach
diesen Kriterien ist zunächst das streitige Vorhaben der Beigeladenen zu 2) gegenüber
den Klägern nicht rücksichtslos.
39
Die Kläger berufen sich insoweit in erster Linie auf eine von dem der Beigeladenen zu
2) genehmigten und derzeit im Bau befindlichen Vorhaben ausgehende erdrückende
Wirkung. Von einem Gebäude kann gegenüber einem Grundstück bzw. gegenüber
einem anderen Gebäude etwa dann eine erdrückende Wirkung ausgehen, wenn die
Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles –
und ggf. trotz Wahrung der erforderlichen Abstandsflächen – derart übermächtig ist, dass
das "erdrückte" Gebäude nur noch oder überwiegend wie eine von einem
"herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik
wahrgenommen wird. Ob eine solche Wirkung vorliegt oder nicht, kann nur unter
Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden.
Neben den Ausmaßen beider Baukörper in ihrem Verhältnis zueinander – Bauhöhe,
Ausdehnung und Gestaltung der Fassaden, Baumasse – kann die Lage der Gebäude
zueinander eine Rolle spielen. Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser
Bewertung ist ferner regelmäßig die Entfernung zwischen den Baukörpern bzw.
Grundstücksgrenzen,
40
OVG NRW, Urteil vom 29. August 2005 – 10 A 3138/02 –.
41
In Anwendung dieser Kriterien wirkt das Vorhaben der Beigeladenen zu 2) für das
Grundstück der Kläger nicht erdrückend. Die vorgenannte Entscheidung ist im
42
Ortstermin und in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert worden. Sie betraf die
Errichtung eines gewerblichen Lagergebäudes von über 60 m Länge und bis 27 m Höhe
mit einer schwarz verkleideten Fassade gegenüber den Häusern der dortigen Kläger,
bei denen es sich um 34 – 38 m entfernte kleine Einfamilienhäuser handelte. Die
Kammer hat in ihrem Urteil vom 28. Juni 2002 nach Ortsbesichtigung durch die gesamte
Kammer dieses Vorhaben als rücksichtslos bewertet unter den wesentlichen
Gesichtspunkten, dass das Vorhaben die kleinen Nachbargebäude wegen seiner Größe
und der dunklen Fassadengestaltung "erschlug"; Gärten und Wohnbereiche der Kläger
waren in Richtung auf dieses Gebäude ausgerichtet. Das OVG NRW hat dieses der
Klage stattgebende Urteil der Kammer aufgehoben und die Klage abgewiesen, da das
dortige Vorhaben nicht rücksichtslos sei. Es hat ausgeführt, die Höhe (27 m) bedeute
zwar eine optische Präsenz, diese bleibe aber deutlich unter der Schwelle einer
erdrückenden Wirkung. Hierbei wurde auf die Entfernung zwischen den Gebäuden
abgestellt, ein freier Blick werde nicht verstellt. Unter Würdigung dieser
obergerichtlichen Bewertung erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen zu 2) erst
recht nicht als rücksichtslos. Der genannten Entscheidung lag ein Verhältnis von
Abstand zu Höhe von 34 m zu 27 m zugrunde. Im hier zu entscheidenden Fall geht es
demgegenüber um ein Verhältnis von 28 m zu 15,5 m; das höhere Staffelgeschoss tritt,
da es um einige Meter zurückspringt, kaum weiter selbständig in Erscheinung. Der von
dem Vorhaben der Beigeladenen zu 2) verstellte Blickwinkel ist mithin deutlich kleiner
als derjenige, der noch vom OVG NRW als nicht rücksichtslos bewertet worden ist.
Hinzu kommt, dass – anders als im vorerwähnten Fall der schwarzen Fassade – das
streitige Vorhaben eine aufgelockerte, gegliederte, farblich gestaltete Fassade aufweist,
welche lebhaft und ansprechend wirkt. Schließlich ist auch die Nutzung im Haus der
Kläger nicht in Richtung auf das streitige Vorhaben angelegt; zur T Straße richtet sich
die Seite ihres Hauses, Wohnzimmerfenster etc. sind von ihrem Haus aus nach hinten –
parallel zur T Straße – angelegt. Ihr unter Straßenniveau liegender Garten ist zur T
Straße durch eine ca. 2 m hohe dichte Hecke abgetrennt, über der man bei seitlichem
Blick das Vorhaben nur mit seinen oberen Geschossen sieht. Das Vorhaben führt auch
nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Besonnung. Das Haus der Kläger ist
mit dem Wohnzimmerfenster nach Südwesten ausgerichtet. Noch am Nachmittag bei
Sonnenschein aus südwestlicher Richtung trifft der Schatten des Vorhabens nicht das
Grundstück der Kläger; dieses wird erst später bei tiefer stehender und am späteren
Nachmittag bzw. Abend aus westlicher Richtung scheinender Sonne betroffen. Nach
dem vorgenannten Urteil des OVG NRW besteht kein nachbarlicher Anspruch auf
ungehinderte Besonnung eines Grundstücks auch bei tiefstehender Sonne; die insoweit
betroffenen Belange sind durch die bauordnungsrechtlich zu wahrenden
Abstandflächen in vollem Umfang berücksichtigt.
Der vorstehend dargelegten Wertung entspricht auch die sonstige Rechtsprechung des
OVG NRW in vergleichbaren Fallgestaltungen. So hat das OVG NRW im
43
Beschluss vom 16. August 2004 – 7 A 3219/03 –
44
zu einer Nachbarklage gegen ein 70 m langes und 16,5 m hohes Vorhaben, welches
auf der gegenüberliegenden Straßenseite in 30 m Abstand vom Haus der Kläger
errichtet werden sollte, ausgeführt, bei dieser Situation könne von einer "erdrückenden"
und "regelrecht erschlagenden" Wirkung keine Rede sein, auch von einem
"Eingemauertsein" könne nicht ansatzweise gesprochen werden. Ebenso ist im
45
Beschluss vom 19. Mai 2005 – 7 B 17/05 –
46
eine erdrückende Wirkung eines 75 m langen, gegliederten Baukörpers mit einer
Firsthöhe von ca. 10 m, welcher die Abstandflächen deutlich einhielt, gegenüber dem
offensichtlich näher liegenden Haus der dortigen Antragsteller verneint worden.
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Die Kläger können demgegenüber nichts zu ihren Gunsten aus dem von ihrem
Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung erwähnten
48
Urteil des BVerwG vom 23. Mai 1986 – 4 C 34/85 –
49
herleiten. Diese Entscheidung betraf die Genehmigung von drei je 11,5 m hohen
Metallsilos mit 3 m Grenzabstand zum Grundstück der dortigen Klägerin und 6 m
Abstand zum Wohnhaus der Klägerin. Dies hat das BVerwG mit der Vorinstanz als das
nur 7 m breite Grundstück der dortigen Klägerin erdrückend und erschlagend bewertet
unter Hinweis darauf, die Silos wirkten wie eine riesenhafte metallische Mauer (von über
13 m Länge) und vermittelten den Eindruck, das Grundstück der Klägerin sei in eine
Industrieanlage einbezogen, ferner sei die Nutzung der zum Garten ausgerichteten
Wohnräume und des Garten- und Terrassenbereichs unzumutbar beeinträchtigt. Im hier
zu entscheidenden Fall ist die Situation demgegenüber deutlich anders. Im vom
BVerwG entschiedenen Fall belief sich das Verhältnis von Abstand zu Höhe auf 6 m zu
11,5 m, hier hingegen auf 28 m zu 15,5 m. Entscheidend ist der annähernd fünffach
größere Abstand, der das hier streitige Vorhaben nicht als erdrückend wirken lässt. Die
geringe Breite des Grundstücks hat das BVerwG nur in Verbindung mit den
wesentlichen anderen Kriterien bewertet. Auch dieser vom Prozessbevollmächtigten der
Kläger in der mündlichen Verhandlung betonte Aspekt trifft hier zudem tatsächlich nicht
zu, denn das Grundstück der Kläger ist nach den vorliegenden Lageplänen zur T Straße
etwa 32 m breit.
50
Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen zu 2) ergibt sich ferner nicht
aus dem von den Klägern herangezogenen Gesichtspunkt, dass ihr Grundstück zuvor
gegenüber einer unbebauten Wiese gelegen habe, dass ihnen ferner – zur Zeit ihres
Grundstückserwerbs – gesagt worden sei, dort sei nur mit Wohnbebauung zu rechnen.
Das Grundstück der Kläger liegt in einem umfänglich bebauten innerstädtischen Gebiet.
Jenseits der Wiese standen schon damals massive Baukörper (Hotel, Hochhaus,
Verwaltungsgebäude); mit Blick auf die innerstädtische Lage musste es sich jedenfalls
aufdrängen, dass auf dieser Freifläche auch etwas anderes als Wohnbebauung
realisiert werden könnte. Zudem würde sich auch bei einer fünfgeschossigen
Wohnbebauung für die Kläger mit Blick auf die "erdrückende Wirkung" nichts anderes
ergeben, als es bei dem streitigen Vorhaben der Fall ist. In dem vorgenannten
51
Beschluss vom 19. Mai 2005 – 7 B 17/05 –
52
betreffend den Nachbarantrag gegen ein 75 m langes Gebäude von 10 m Höhe hat das
OVG NRW entsprechend ausgeführt, dass es keinen Vertrauensschutz darauf gebe,
dass die dortige unbebaute Gemeinbedarfsfläche auf Dauer zu Parkplatzzwecken
genutzt werde und damit unbebaut bleibe. Ob den Klägern unzutreffende Auskünfte
gegeben worden sind, was der Beklagte jedenfalls bestreitet, ist für den Erfolg der
Nachbarklage rechtlich unerheblich. In einer solchen zentralen Lage müssen die Kläger
schließlich auch mit Einsichtmöglichkeiten von Nachbargrundstücken rechnen; dies ist
nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW die Normalität im innerstädtischen
Bereich, so dass sich auch insoweit keine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme
53
zu Lasten der Kläger ergibt,
vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2005 – 7 B 17/05 –.
54
Das Vorhaben der Beigeladenen zu 2) ist des weiteren nicht rücksichtslos gegenüber
den Klägern mit Blick auf von dem Vorhaben ausgehende Lärmimmissionen. Das zum
Bestandteil der Teilbau- und abschließenden Baugenehmigung gemachte
Lärmschutzgutachten der S GmbH, welches von den Klägern nicht angegriffen worden
ist, ermittelt für das Grundstück der Kläger vom Vorhaben ausgehende Immissionswerte
von tagsüber werktags 43,4 dB(A) und sonntags 35,6 dB(A), nachts 32,3 dB(A). Die
Teilbau- und die abschließende Baugenehmigung geben jeweils einzuhaltende
Grenzwerte von 55 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts vor. Angemerkt sei, dass sich
nach dem Gutachten die höchsten Immissionswerte an anderen Immissionspunkten –
gegenüber der Parkplatzzufahrt und der Einmündung der T Straße in den B Damm – mit
50,3 dB(A) tagsüber und 35,2 dB(A) nachts ergeben. Demgegenüber hat das Gutachten
für den Immissionspunkt am Haus der Kläger eine Vorbelastung aus dem erheblichen
Straßenverkehr mit Werten von 62,7 dB(A) tagsüber und 50,2 dB(A) nachts festgestellt.
Die Ermittlung der von dem Vorhaben ausgehenden Immissionen in dem
Lärmschutzgutachten ist plausibel; die Werte entsprechen den Erfahrungen der Kammer
aus vielen Verfahren betreffend Parkplätze von Discountern, bei denen ebenfalls
regelmäßig die Werte für WA-Gebiete eingehalten werden. Mehrere dort in die
Lärmwertermittlung einfließende Faktoren treten bei dem hier zu beurteilenden
Vorhaben nicht auf (z.B. Anlieferung durch große LKW, Fahrgeräusche von
Einkaufswagen). Die Zufahrt zum und zugleich Ausfahrt aus dem Parkplatz ist vom
Grundstück der Kläger durch den Baukörper des Gesundheitszentrums selbst
abgeschirmt. Hiernach sind die ermittelten Immissionswerte auch tatsächlich
einzuhalten und stellen sich die in den Baugenehmigungen als einzuhalten
vorgegebenen Lärmgrenzwerte nicht nur als zur Sicherung des Nachbarschutzes
ungeeignete bloße Zielvorgaben dar,
55
vgl. zu letzterem z.B. OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2009 – 7 A 975/08 –.
56
Hinzu kommt, dass der Beklagte die Werte von 55 bzw. 40 dB(A) vorgegeben hat, um
"auf der sicheren Seite" zu sein. Der Vorgabe dieser Werte hätte es nicht notwendig
bedurft, da hier unterschiedlich genutzte Gebiete mit unterschiedlichen
Schutzansprüchen hinsichtlich einzuhaltender Lärmgrenzwerte aneinanderstoßen. In
einem ähnlich gelagerten Fall betreffend Errichtung eines Schnellimbisses mit Drive-in
Restaurant und 42 Stellplätzen an einer Hauptverkehrsstraße im Eer Norden, welcher
rückwärtig unmittelbar an reine Wohnbebauung angrenzte, hatte der Beklagte ebenfalls
die Einhaltung der Lärmgrenzwerte für ein WA-Gebiet gefordert; das OVG NRW hat hier
im
57
Beschluss vom 28. Mai 2003 – 10 B 2537/02 –
58
im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eines Nachbarn ausgeführt, der Einhaltung dieser
Werte bedürfe es nicht, im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes erschienen
Lärmrichtwerte von 60 bzw. 45 dB(A) sachgerecht. Dem entspricht auch die ständige
Rechtsprechung des BVerwG, welches im Grenzbereich von benachbarten Gebieten
unterschiedlicher Schutzwürdigkeit die Bildung von Mittelwerten zulässt,
59
vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. März 1984 – 4 B 171/83 – und vom 29. Oktober 1984 – 7
60
B 149/84 –, letzterer Beschluss billigt z.B. für ein reines Wohngebiet einen Nachtwert
von 45 dB(A) als Mittelwert.
Die Kläger selbst wenden gegenüber dem Lärmschutzgutachten lediglich ein, dass dort
der Verkehr, der über die T Straße geführt werde, nicht berücksichtigt sei. Dieser
Einwand beruht wiederum auf der verkehrstechnischen Untersuchung der
Ingenieurgemeinschaft T2 (S.6), welche ausgeführt hat, dass bei der Ausfahrt aus dem
Parkplatz nicht nach links in den B Damm abgebogen werden dürfe, dass auch nicht
entsprechend in der Kreuzung B Damm/T1er Allee/Eer Landstraße gewendet werden
dürfe, und dass "der Verkehr in Richtung Süden andere Wege werde nehmen müssen",
z.B. "über T1er Allee und Astraße in das südlich angrenzende Wohngebiet". Dies
beträfe u.a. die T Straße; ein Autofahrer, der über den B Damm aus E-H gekommen ist
und zurück nach E-H fahren möchte, würde aus dem Parkplatz nach rechts abbiegen,
rechts in die T1er Allee einbiegen, rechts in die Astraße einbiegen, rechts in die T
Straße einbiegen und sodann nach links in den B Damm abbiegen. Ein auf diesem Weg
fahrender Autofahrer hat, wenn er das Grundstück der Kläger erreicht, bereits deutlich
mehr als 1 km auf den genannten öffentlichen Straßen zurückgelegt. Nach Nr. 7.4 Abs. 2
TA Lärm werden Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Straßen nur
unter eingeschränkten Voraussetzungen dem zu beurteilenden Vorhaben zugerechnet,
nämlich insbesondere soweit keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist.
Dies wäre hier aber der Fall. Im übrigen ist die Zahl dieser Autofahrer gering; es dürfte
sich um ortskundige Fahrer handeln, die bei der Rückfahrt über die T1er Allee und
Astraße dann nicht die schmale und durch Bäume in der Fahrbahn verengte T Straße
wählen würden, über die sie unter immer noch schwierigen Verhältnissen nach links in
den B Damm abbiegen würden; diese Fahrer dürften eher den Weg über die breitere
M1allee wählen, über die auch eine Buslinie geführt ist und von der aus das
Linksabbiegen in den B Damm leichter möglich ist. Selbst wenn man aber diesen
etwaigen Zusatzverkehr auf der T Straße dem Vorhaben noch zurechnen würde, führte
dies offensichtlich nicht zu einer Überschreitung der maßgeblichen Lärmgrenzwerte, da
hierfür die Spanne von tagsüber 43,4 dB(A) und nachts 32,3 dB(A) zu den zu
beachtenden Werten bei weitem zu groß ist; schon von einer Erhöhung des Pegels um
3 dB(A) – vgl. Nr. 7.4 Abs. 2 Satz 1, 1. Spiegelstrich TA Lärm – ist hier nicht
auszugehen.
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Schließlich ist das Vorhaben der Beigeladenen zu 2) gegenüber den Klägern nicht
rücksichtslos mit Blick auf die angespannte Verkehrssituation im Bereich B Damm / T1er
Allee / E1 Landstraße. Ob für das streitige Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB
die Erschließung gesichert ist, wozu die verkehrstechnische Untersuchung erstellt
worden ist, ist kein rechtlicher Gesichtspunkt, der den Klägern Nachbarschutz vermittelt.
Die genannten Straßen sind stark belastet. Die Kläger wie auch weitere Anwohner aus
der Nachbarschaft fürchten durch den zusätzlichen Verkehr des Gesundheitszentrums
weitere Verkehrsstörungen; dies war auch der Grund für den Beschluss der
Bezirksvertretung vom 29. Januar 2009, den Vorbescheidsantrag des Beigeladenen zu
1) betreffend die Erweiterung des Gesundheitszentrums abzulehnen. Nach der
Rechtsprechung des OVG NRW
62
Beschluss vom 30. April 1999 – 10 A 901/97 –
63
sind Störungen im Verkehrsfluss, die durch den allgemeinen Ausbauzustand einer
Straße entstehen, und deren Auswirkungen auf den Verkehrslärm dem Verkehr auf der
Straße im allgemeinen zuzurechnen, nicht aber einem konkreten Vorhaben, dessen Zu-
64
und Abgangsverkehr sich mit dem allgemeinen Verkehr vermischt. Dies betrifft, bezogen
auf den Ausbauzustand des Ber Dammes und des Kreuzungsbereichs, ebenso sonstige
Auswirkungen des zusätzlichen Verkehrs. Die verkehrlichen Folgewirkungen eines im
unbeplanten Innenbereichs geplanten Vorhabens können (nur) von nachbarrechtlicher
Relevanz sein, wenn sie die Erreichbarkeit des nachbarlichen Grundstücks mit KFZ in
Frage stellen,
OVG NRW, Beschluss vom 10. August 2001 – 7 B 846/01 –.
65
Von derartigen Einschränkungen kann hier nicht die Rede sein; das Grundstück der
Kläger bleibt über die T Straße weiterhin erreichbar.
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Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung letztlich darauf verwiesen haben, von
der Verkehrssteigerung auf der T Straße seien auch eine Schule und ein Kindergarten
betroffen, sind dies keine Aspekte, die einer hier zu entscheidenden Nachbarklage zum
Erfolg verhelfen können. Diese kann, wie schon ausgeführt, ausschließlich auf die
Verletzung nachbarschützender Vorschriften gestützt werden; Aspekte der
Verkehrssicherheit, auch mit Blick auf den in der mündlichen Verhandlung erwähnten
Kindergarten, gehören dazu nicht.
67
Verstoßen hiernach die der Beigeladenen zu 2) erteilten Genehmigungen für die
Errichtung des derzeit im Bau befindlichen Gesundheitszentrums nicht gegen
nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, so gilt auch nichts anderes für
den Vorbescheid für die Erweiterung des Gesundheitszentrums, welcher dem
Beigeladenen zu 1) erteilt worden ist. Insoweit besteht, wie ausgeführt, ebenfalls kein
Gebietsgewährleistungsanspruch. Der Vorbescheid war ausdrücklich nur zu zwei
Fragen des Bauvorhabens, nämlich zur Zulässigkeit nach Art und Maß der baulichen
Nutzung, beantragt worden. Dieses Vorhaben ist mit diesen im Vorbescheid bejahten
Fragen auch gegenüber den Klägern nicht rücksichtslos. Von einer erdrückenden
Wirkung kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Erweiterung des
Gesundheitszentrums dem Haus der Kläger an der T Straße schon nicht mehr
gegenüberliegt, sondern in einem Abstand von etwa 26 m von Gebäudeecke zu
Gebäudeecke nördlich des Grundstücks der Kläger geplant ist. Aus Wohnzimmer und
Garten der Kläger wäre das Erweiterungsvorhaben schon gar nicht sichtbar. Auch aus
dem vom Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung
herangezogenen "Abriegelungseffekt" ergibt sich nichts zugunsten der Kläger. Das
derzeit entstehende Gesundheitszentrum – Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2) – und
dessen Erweiterung bestehen aus zwei voneinander getrennten Gebäuden, die vom
Grundstück der Kläger aus schon nicht gemeinsam in den Blick geraten. Tritt man dort
aus der Haustür, so würde man nur den Erweiterungsbau erblicken, während der Blick
aus dem Garten nur auf das derzeit entstehende Gebäude fällt. Die weiter in dem
angegriffenen Vorbescheid bejahte Zulässigkeit der Erweiterung hinsichtlich Bauweise,
überbaubarer Fläche etc. war schon nicht Gegenstand der Fragestellung; diese
Ausführungen betreffen zudem, wie ausgeführt, keine nachbarschützenden Vorschriften.
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Angemerkt sei, dass das Vorhaben der Erweiterung des Gesundheitszentrums
tatsächlich in der mit dem Vorbescheid genehmigten Form voraussichtlich nicht mehr
realisierbar sein dürfte, wenn das derzeit im Bau befindliche Vorhaben der
Beigeladenen zu 2) fertiggestellt und in Betrieb genommen ist. Denn die Erweiterung
des Gesundheitszentrums ist auf der Fläche vorgesehen, auf der die notwendigen
Stellplätze des im Bau befindlichen Objekts liegen. Sollte die Erweiterung realisiert
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werden – nach dem Schriftsatz der Beigeladenen zu 2) vom 22. September 2009 im
Verfahren 25 L 1364/09, S. 6, gebe es entsprechende Bauabsichten "zur Zeit" nicht –,
so wären zuvor die notwendigen Stellplätze an anderer Stelle nachzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es
entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) für
erstattungsfähig zu erklären, da diese selbst einen Sachantrag gestellt und ein
Kostenrisiko übernommen hat. Für den Beigeladenen zu 1) gilt dies mangels eigenen
Sachantrages nicht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus
§§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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