Urteil des VG Düsseldorf vom 25.04.2001

VG Düsseldorf: geburt, verfügung, zubehör, beihilfe, deckung, stiftung, existenzminimum, eltern, lebenserfahrung, familie

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 607/01
25.04.2001
Verwaltungsgericht Düsseldorf
13. Kammer
Beschluss
13 L 607/01
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, dem Antragsteller eine Babyerstausstattung sowie einen
Kinderwagen nebst Zubehör zu bewilligen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
Der am 8. März 2001 sinngemäß gestellte Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem
Antragsteller eine Babyerstausstattung und einen Kinderwagen nebst Zubehör zu
bewilligen,
ist begründet.
Das Gericht hat das Rubrum von Amts wegen berichtigt, da der Anspruch auf die begehrten
Leistungen nicht den Eltern, sondern dem Kind selbst zusteht.
Die Kammer versteht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dahingehend,
dass er sich nur noch auf die Erstausstattung und den Kinderwagen nebst Zubehör bezieht.
Im angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 2001 ist ausgeführt, dass das am 6. Februar
2001 beim Antragsgegner darüber hinaus beantragte Kinderbett mit Matratze und Bettzeug
dem Antragsteller als Sachleistung durch die Hausverwaltung des Übergangswohnheimes
bereits zur Verfügung gestellt wurde. Dies hat der Antragsteller weder im
Widerspruchsverfahren noch im vorliegenden Verfahren in Abrede gestellt.
Der Antragsteller hat sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanpruchs (Anspruch auf die
begehrte Leistung) als auch eines Anordnungsgrundes (Dringlichkeit der gerichtlichen
Entscheidung) glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Der Anspruch des minderjährigen Antragstellers, dessen Eltern vollziehbar
ausreisepflichtig sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) ergibt sich aus §§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 6
AsylbLG. Nach § 6 AsylbLG können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden,
wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit
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unerlässlich, zur Deckung der besonderen Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur
Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen
sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu
gewähren. Babyerstausstattung und Kinderwagen sind wegen der Sachnähe zu den in § 3
Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erwähnten Bedarfsbereichen ​Gebrauchsgüter des Haushalts",
Kleidung" und ​Körperpflege" der ersten Fallgruppe (Sicherung des Lebensunterhalts)
zuzurechnen, können zum Großteil aber auch der dritten Fallgruppe (zur Deckung der
besonderen Bedürfnisse von Kindern) zugeordnet werden. Liegen wie hier die engen
tatbestandlichen Voraussetzungen - ​unerlässlich" bzw. ​geboten" - vor, ist das Ermessen in
der Regel auf Null reduziert, sodass ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht,
vgl. GK-AsylbLG, Loseblattsammlung, Stand: Dezember 2000, § 6 Rn. 12 und 52.
Der Anspruch des Antragstellers wird entgegen der Auffassung des Antragsgegners im
angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 2001 nicht dadurch ausgeschlossen, dass seine
Mutter finanzielle Mittel aus der Bundesstiftung ​Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen
Lebens" erhalten hat.
Nach § 7 AsylbLG sind grundsätzlich Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden
kann, von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben
Haushalt leben, vor Eintritt der Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen.
Nach den im Verwaltungsverfahren und im vorliegenden Verfahren vorgelegten
Bescheinigungen des xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 7. Februar 2001 und 6.
April 2001 hat die Mutter des Antragstellers ausschließlich vor der Geburt des
Antragstellers (xxxxxxxxxx 2001) im November 2000 eine einmalige Beihilfe in Höhe von
400,-- DM erhalten. Abgesehen davon, dass diese Beihilfe ausschließlich zu dem
Verwendungszweck ​ergänzende Hilfe für Schwangerschaftskleidung und
Krankenhausbedarf" gewährt wurde, muss nach aller Lebenserfahrung schon im Hinblick
darauf, dass die der Familie xxxx gewährten laufenden Leistungen nach § 3 AsylbLG nur
das Existenzminimum abdecken, davon ausgegangen werden, dass dieser Geldbetrag
zeitnah aufgebraucht wurde.
Selbst wenn dieser Geldbetrag derzeit noch zur Verfügung steht oder zumindest zum
Zeitpunkt der Geburt des Antragstellers und der Beantragung der Babyerstausstattung und
des Kinderwagens beim Antragsgegner am 6. Februar 2001 noch vorhanden gewesen sein
sollte, schließt § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung ​Mutter und Kind -
Schutz des ungeborenen Lebens" (MuKStiftG) in der Fassung der Bekanntmachung vom
19. März 1993 (BGBl. I, S. 406) als vorrangiges lex specialis die Anrechnung auf die hier
streitgegenständlichen Leistungen nach dem AsylbLG aus.
Nach dieser Vorschrift bleiben Leistungen nach dem MuKStiftG als Einkommen
unberücksichtigt, wenn bei Sozialleistungen aufgrund von Rechtsvorschriften die
Gewährung oder die Höhe dieser Leistungen von anderem Einkommen abhängig ist. Zwar
handelt es sich bei den vom xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx gewährten Leistungen nicht
um Einkommen, sondern um Vermögen, da nach der Rechtsprechung des BVerwG zum
Sozialhilferecht,
vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1999 - 5 C 35.97 - FEVS 51, 1 ff.
als Einkommen nur diejenigen Einkünfte anzusehen sind, die jemand im Bedarfszeitraum
dazuerhält. § 5 Abs. 2 MuKStiftG ist jedoch nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift
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sowie des MuKStiftG insgesamt dahingehend zu verstehen, dass auch die Anrechnung von
Vermögen ausgeschlossen sein soll. Nach § 2 des MuKStiftG ist es Zweck der Stiftung,
Mittel für ergänzende (Hervorhebung durch die Kammer) Hilfen zur Verfügung zu stellen,
die werdenden Müttern, die sich wegen einer Notlage an eine
Schwangerschaftsberatungsstelle wenden, gewährt oder für die Zeit nach der Geburt
zugesagt werden, um ihnen die Fortsetzung der Schwangerschaft zu erleichtern. Auch
diese Vorschrift verdeutlicht, dass die Leistungen nach dem MuKStiftG der werdenden
Mutter zusätzlich neben anderen Sozialleistungen wie denen nach dem BSHG oder dem
AsylbLG zustehen sollen und insbesondere auch keine Zweckidentität mit den Leistungen
nach dem AsylbLG besteht, die lediglich das Existenzminimum sicherstellen. Die
zweckbestimmten Leistungen nach dem MuKStiftG sind gerade nicht dazu gedacht,
ausschließlich den Mindestbedarf zu decken, sondern der Empfängerin die Befriedigung
von darüber hinaus gehenden Wünschen zu ermöglichen, z.B. einen neuen Kinderwagen
anstelle eines gebrauchten oder eine Mehrzahl von Bekleidungsgegenständen in
gehobener Qualität für Mutter und Kind etc. zu kaufen,
vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 9. November 1989 - 4 A 4120/89 -, info also 1990, 94.
Ist nach alledem durch § 5 Abs. 2 MuKStiftG eine Anrechnung der vom
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx gewährten Beihilfe ausgeschlossen, ist der
Antragsgegner zur Gewährung der Babyerstausstattung und des Kinderwagens nebst
Zubehör - nach den in der Stellungnahme des Fachamtes vom 13. März 2001 aufgeführten,
bei summarischer Prüfung nicht zu beanstandenden Richtlinien in Form eines
Wertgutscheines für die Babyerstausstattung in Höhe von 160,-- DM und der Übernahme
der tatsächlichen Kosten eines gebrauchten Kinderwagens in Höhe von ca. 50,-- bis 100,--
DM - verpflichtet.
Schließlich ist auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da die begehrten Leistungen
zeitnah nach der Geburt zur Verfügung stehen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.