Urteil des VG Düsseldorf vom 19.10.2009

VG Düsseldorf (kläger, bundesrepublik deutschland, kamerun, bundesamt, wiedereinsetzung in den vorigen stand, verfolgung, polizei, ladung, deutschland, zeitung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 23 K 2473/07.A
Datum:
19.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 K 2473/07.A
Schlagworte:
Klagefrist Kamerun journalistische Tätigkeit Journalist La Voix du
Paysan SAILD Le Terroir Recosaf Ingenierie Forestiere Frank Biya
Inhaftierung Gewahrsam Misshandlung Ladung Vorladung Suchbefehl
Normen:
GG Art 16 a AufenthG § 60 Abs 1 AufenthG § 60 Abs 2 bis 7 AsylVfG §
74
Leitsätze:
Einzelfall einer vom Gericht nicht festgestellten Vorverfolgung in
Kamerun durch Polizeibehörden wegen journalistischer Tätigkeit und
Recherchen im Zusammenhang mit einer dem Sohn des
Staatspräsidenten zugeordneten holzwirtschaftlichen Gesellschaft
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig voll-
streckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-tung
in Höhe des beizutreibenden Betrages abwen¬den, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der im Jahre 1959 in C (Kamerun) geborene verheiratete Kläger ist kamerunischer
Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Bamileke an und ist katholischer Christ. Er
absolvierte Teile seiner akademischen Lehrerausbildung in Deutschland und verbrachte auch
nachfolgend Studienaufenthalte in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist Lehrer für die
Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch und war als solcher in Kamerun tätig. In diesem
Zusammenhang erhielt er im Jahre 2006 ein Stipendium des H-Instituts zur Teilnahme an einem
Fortbildungsseminar des H-Instituts in C1 in der Zeit vom 2. bis 15. Juli 2006. Zur Teilnahme an
diesem Seminar erteilte ihm die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jaunde (Kamerun)
am 27. Juni 2006 ein sog. Schengen-Visum. Der Kläger verließ sein Heimatland auf dem Luftweg
zum Zwecke der Teilnahme an dem Seminar in C1 am 1. Juli 2006. Er flog vom internationalen
Flughafen Jaunde mit Swiss International Air Lines über Zürich (Schweiz) nach C1, wo er am
2. Juli 2006 ankam.
2
Nachdem der Kläger nach seinen Angaben Mitte Juli 2006 nach Belgien ausgereist war, wurde er 3
von den belgischen Behörden am 21. November 2006 von Belgien mit einem belgischen Laissez-
passer in die Bundesrepublik Deutschland über den Grenzübergang Raeren/Aachen-Süd
rücküberstellt. Sodann stellte er ausweislich der Niederschrift vom 24. November 2006 einen
Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am
30. November 2006 trug der Kläger zur Begründung seines Asylbegehrens im Wesentlichen vor:
Er sei schon im Rahmen seiner Lehrerausbildung von Oktober 1983 bis November 1984 in
Deutschland gewesen und habe auch nachfolgend von Juli bis September 1992 im Rahmen
einer Fortbildung am H-Institut einen Aufenthalt in C2 verbracht. Er sei in Kamerun zunächst zehn
Jahre als Sprachlehrer für Deutsch, Französisch und Englisch tätig gewesen und habe ab 1996
als Journalist gearbeitet. Mit seiner 1964 geborenen Ehefrau habe er drei 1996, 1998 und 2001
geborene Kinder. Bis zu seiner Ausreise hätten sie in der Stadt E im Viertel C3, P, gewohnt. Das
Visum für den Aufenthalt in C1 im Juli 2006 sei vom 1. bis 29. Juli 2006 gültig gewesen, wobei er
zunächst für zwei Wochen an dem Seminar "Projektunterricht im Internet" teilnehmen und bei
einer Familie in C1 wohnen sollte. Anschließend habe er noch zwei Wochen bei einer anderen
Familie wohnen sollen. Noch in der Zeit des Seminars, während dessen er bei einem Deutschen
namens T gewohnt habe, habe er bei einem Telefonat mit seiner Ehefrau in Kamerun erfahren,
dass eine ihn betreffende Ladung von der Polizei gekommen sei. Weiterhin sei die Polizei bei ihm
zu Hause erschienen, hätte das Haus durchsucht, den Computer mitgenommen und sämtliche
Dokumente ebenfalls. Wegen dieses Berichts seiner Ehefrau habe er sich einem afrikanischen
Bekannten namens C4 anvertraut, den er zwei Tage vorher in C1 getroffen hätte. Dieser Bekannte
habe gesagt, er würde sehen, was er für ihn tun könne, woraufhin sie einen Termin am nächsten
Tag, dem 14. Juli, verabredet hätten. Die Nachricht von seiner Frau habe er am 12. Juli erhalten.
Durch Vermittlung seines Bekannten namens C4 habe er einen Marokkaner kennen gelernt, der
ihm Hilfe in Belgien angeboten habe. Mit diesem sei er am 30. Juli über Hannover, Amsterdam
und Antwerpen nach C10 in Belgien mit dem Auto gefahren, wo sie spät in der Nacht
angekommen seien. Von Belgien aus, wo er einen Asylantrag gestellt habe, sei er im Rahmen
eines Übernahmeersuchens nach Deutschland überstellt worden. Hintergrund seiner Furcht im
Zusammenhang mit dem Bericht seiner Ehefrau über die zweite Ladung der Polizei sei gewesen,
dass er, als er sich noch in Kamerun aufgehalten hatte, am 9. Juni für den 10. Juni eine Ladung
erhalten habe. Diese habe im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit gestanden:
Von Oktober 1998 bis März 2001 sei er Chefredakteur der Zeitung "M" gewesen, welche von
einer NGO-Organisation mit Namen T1 herausgegeben werde. Ende 1999/Anfang 2000 hätten
sie bei der Redaktion eine Serie von Artikeln vorbereitet, die sich mit der Schließung von
staatlichen Gesellschaften/Firmen befasst habe. Der Anlass seiner Vorladung von der Polizei sei
gewesen, dass er dabei gewesen sei, Untersuchungen vorzunehmen, da er an einem Artikel
gearbeitet habe. Dieser habe sich mit einer landwirtschaftlichen Firma beschäftigt, die dem Sohn
des Staatspräsidenten gehöre. Daneben seien auch andere landwirtschaftliche Firmen
Gegenstand der Artikel gewesen. Als er sich am 10. Juni beim Kommissariat auf Grund der
Ladung vorgestellt und die Ladung vorgelegt habe, sei er ohne ein Wort mit Gewalt behandelt
worden. Sie hätten ihn geschlagen und geschubst, woraufhin er sich in einer Dusche
wiedergefunden habe. Sie hätten ihn zusammengeschlagen, ohne mit ihm zu sprechen oder
Fragen zu stellen. Nachdem man ihn beschimpft und geschlagen habe, habe der Chef gesagt:
"Wage es, Dich nochmals um diese Firma zu kümmern. Du wirst es schon sehen." Daraufhin sei
er vom 10. bis 14. Juni von der Polizei festgehalten worden. Danach habe er bis zu seiner
Ausreise keinen Kontakt mehr mit der Polizei gehabt. Erschienen sei der Artikel über dieses
Thema bisher nicht, er habe jedoch Vorbereitungen getroffen. Bei der Durchsuchung der Polizei
in seiner Wohnung während seiner Abwesenheit wegen des Seminars am H-Institut hätte die
Polizei seinen Computer und Unterlagen im Zusammenhang mit dem vorbereiteten Artikel
mitgenommen. Die Zeitung, für die er gearbeitet habe, sei im Internet vertreten unter: www.m.org
sowie www.T1.org. Die Brisanz seines geplanten Berichts über die Firma des Sohnes des
Präsidenten, C5, liege darin, dass diese Firma namens "J" eine noch nicht genehmigte zollfreie
4
Zone benutze, um Holz und weitere Produkte zu importieren bzw. zu exportieren, was zu
Zollverlust und zu Verlust von Steuereinnahmen führe. Weiter missbrauche diese Firma die
Forschung einer geschützten Holzsorte Akatio. Er habe seine Informationen von dem Buchhalter
der Firma erhalten, der die rechte Hand des Direktors sei. Er habe diese Geschichte mit dem
Artikel aufdecken wollen, weil seit Mitte 2005 die "öffentlichen Dienste" eine Säuberung der
öffentlichen Finanzstelle gestartet hätten, und während dieser Aktionen viele einflussreiche
Persönlichkeiten festgenommen worden seien, u.a. Minister und Direktoren. Ihm sei es wichtig
gewesen, dass diese Sache bis zur Quelle verfolgt werde. Als Journalist habe er damit einen
Knüller erreichen wollen. Auch wenn dies das einzige Mal gewesen sei, dass er als Journalist mit
der kamerunischen Polizei in Konflikt geraten sei, hätte er aber auch politische Probleme gehabt.
Er stamme aus einer Volksgruppe, die im Visier der Sicherheitskräfte liege, weshalb sie ihm auch
vorgeworfen hätten, der SDF anzugehören. Deshalb sei er im Jahre 1994 auch wegen seiner
Tätigkeit für die SDF geladen worden, wobei nur allgemein über die SDF gesprochen worden sei.
Heutzutage sei er in Bezug auf die SDF nur noch Sympathisant und mache keine Politik. In
Bezug auf eine Rückkehr nach Kamerun habe er Angst, weil in seinem Herkunftsland diese
Probleme nicht von der Justiz behandelt würden sondern von Hinrichtungskommandos. Man
könne plötzlich auf der Straße überfallen und hingerichtet werden. Es seien oft Journalisten auf
diese Weise hingerichtet worden. Er habe deshalb seine Familie zum eigenen Schutz ins Dorf
geschickt. Seine Familienmitglieder seien verbal und körperlich angegriffen worden. Wegen eines
gegen ihn erlassenen Suchbefehls werde er sofort festgenommen. Hinsichtlich seiner Motivation,
den genannten Artikel zu veröffentlichen, sei zu berücksichtigen, dass er damals im öffentlichen
Dienst gearbeitet habe, ihm aber grundlos – vorgeblich aus wirtschaftlichen Gründen – gekündigt
worden sei. Eine Entschädigung in Höhe von 8 Mio. CFA sei nicht ausgezahlt worden. Der
Anwalt, der ihn seinerzeit vertreten habe, sei in C6 ungefähr Ende 2000 erschossen worden. Das
seien die Jahre gewesen, als er in der SDF aktiv gewesen sei.
Der Kläger legte im Verwaltungsverfahren beim Bundesamt vor:
5
Kopie einer an ihn gerichteten ersten Ladung der Délégation Générale à la Sûrete
Nationale, datierend vom 6. Juni 2006, für den 8. Juni 2006;
Kopie einer an ihn gerichteten zweiten Ladung derselben Behörde, datierend vom 9. Juli
2006, für den 10. Juli 2006;
Kopie eines auf seine Person bezogenen Suchbefehls ("Avis de recherches") vom 25. Juli
2006;
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7
seinen kamerunischen Führerschein, Nr. 0000000;
seinen abgelaufenen kamerunischen Reisepass, Nr. 000000;
seine kamerunische nationale Identitätskarte, Nr. S 00/00000/00;
seinen Presseausweis, Nr. 00/000000, ausgestellt von M.
8
9
Unter dem 1. Dezember 2006 übersandte der Kläger dem Bundesamt eine Sammlung von
48 Exemplaren der Zeitschrift M in gebundener Form nebst einer Auflistung dort enthaltener von
ihm verfasster Artikel.
10
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 wies die Bezirksregierung Arnsberg den Kläger der Stadt
E1 zu.
11
Mit Bescheid vom 16. März 2007 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unbegründet ab und
stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Zugleich forderte es den
Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Kamerun auf, die Bundesrepublik Deutschland
innerhalb eines Monats nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Die auf
diesen Bescheid bezogene Postzustellungsurkunde weist aus, dass am 23. März 2007 ein
erfolgloser Zustellversuch unternommen wurde, da der Adressat unter der angegebenen Anschrift
C7straße 49 in E1 nicht zu ermitteln war. Der Kläger war der Asylbewerberunterkunft C7straße 49
in E1 zugewiesen worden, nachdem er aus einer Aufnahmeeinrichtung entlassen worden war.
Seine neue Anschrift hatte er dem Bundesamt mit Schreiben vom 7. Februar 2007, beim
Bundesamt eingegangen am 13. Februar 2007, schriftlich mitgeteilt. Nach Rücklauf der
Postzustellungsurkunde vom 23. März 2007, beim Bundesamt eingegangen am 26. März 2007 ist
dort im Hinblick auf eine Bekanntgabe oder Zustellung des Ablehnungsbescheides vom
16. März 2007 nichts weiter unternommen worden. Am 29. Mai 2007 erfuhr der Kläger bei einer
Vorsprache bei der Ausländerbehörde E1, dass sein Asylverfahren seit dem 4. April 2007
bestandskräftig negativ abgeschlossen sei. Eine Kopie des Ablehnungsbescheides vom
16. März 2007 wurde ihm ausgehändigt.
12
Der Kläger hat am 11. Juni 2007 Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom
16. März 2007 erhoben und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die
Klagefrist beantragt. Mit der Klage macht er sein Anerkennungsbegehren weiter geltend. Zur
Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Zunächst sei im Hinblick auf die Klagefrist davon
auszugehen, dass der Ablehnungsbescheid nicht wirksam zugestellt und insbesondere auch
keine zulässige Ersatzzustellung vorgenommen worden sei. Jedenfalls habe er die Klagefrist
aber unverschuldet versäumt. Zu seinem Asylbegehren und dem Ablehnungsbescheid vom
16. März 2007 trägt er im Wesentlichen vor: Die Unterstellung der Beklagten, er habe mit seiner
Asylantragstellung in Belgien über seine legale Ausreise nach und seinen legalen Aufenthalt in
Deutschland täuschen wollen, sei unzutreffend, da er unmittelbar bei der Asylbeantragung bei
den belgischen Behörden angegeben habe, dass er mit einem Visum in das Bundesgebiet
eingereist war und sich bereits im Bundesgebiet aufgehalten habe. Deshalb sei es gar nicht erst
zu einer inhaltlich vertieften Anhörung des Klägers seitens der belgischen Behörden gekommen.
Hintergrund seines Asylantrages in Belgien sei gewesen, dass ihm nicht bekannt gewesen sei,
dass auch weniger prominent Verfolgte ein Recht auf Asylantragstellung hätten. Deshalb sei er
nicht auf den Gedanken gekommen, unmittelbar im Bundesgebiet einen Asylantrag zu stellen.
Seitens des ihm von einem Landsmann vermittelten Arabers namens B sei ihm zunächst nur
erklärt worden, er könne ihm behilflich sein, allerdings nur in Belgien. Dieser habe ihn dann
lediglich zum "Office des F" begleitet. Hätte er die belgischen Behörden über seinen
Voraufenthalt täuschen wollen, hätte er wohl kaum angegeben, mit einem Visum in das
Bundesgebiet eingereist zu sein. Das Bundesamt liege weiterhin insofern falsch, als es die legale
Einreise des Klägers nach Deutschland auf dem Luftweg als Anhaltspunkt dafür heranzieht, er
habe sein Heimatland unverfolgt verlassen. Vielmehr sei es so gewesen, dass am Tag der
Ausreise am 1. Juli 2006 der Suchbefehl (Avis de Recherches) noch nicht an den Kläger versandt
worden sei. Der ersten Vorladung vom 6. Juni 2006 für den 8. Juni 2006 sei er am 10. Juni 2006
gefolgt. Die zweite Vorladung vom 9. Juli 2006 für den 10. Juli 2006 sei ausgestellt worden, als er
sich bereits in Deutschland befunden habe. Da er zu diesem Termin nicht erschienen sei, sei ein
Suchbefehl, datiert auf den 25. Juli 2006, erlassen worden. Erst mit dessen Ausstellung werde ein
allgemeines Fahndungsverfahren eingeleitet, woraus folge, dass der Kläger nach der ersten
Vorladung noch nicht allgemein zur Fahndung ausgeschrieben war. Aus diesem Grund habe er
Kamerun unbehelligt auf dem Luftweg verlassen können. Zur journalistischen Tätigkeit ergänzt
13
und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren: Nachdem er von 1996 bis
2001 für die Zeitung M gearbeitet habe, habe er seit 2001 als Freelancer gearbeitet und zugleich
mit einem anderen Journalisten die Zeitung der Nichtregierungsorganisation "S" (www.s.org)
herausgegeben. Der Name der Zeitung laute "U". Als Freiberufler veröffentliche er zudem
insbesondere in den Zeitungen "N" und der Oppositionszeitung "N1" Artikel, u.a. über Streiks der
Rechtsanwälte und der Taxifahrer. Seinen Lebensunterhalt habe er sich in erster Linie mit seiner
Tätigkeit für die Organisation S verdient. Es sei insofern nicht zutreffend, wenn das Bundesamt
davon ausgehe, er habe nach 2001 nicht mehr als Journalist gearbeitet, sondern anderweitig
seinen Lebensunterhalt bestritten. Zu dem Vorhalt des Bundesamtes, er habe lediglich alte
Ausweisdokumente vorgelegt: Die Gültigkeit eines kamerunischen Presseausweises laufe nicht
ab, weshalb der Ausweis auch kein Datum zu dessen Ablauf beinhalte. Der vorgelegte
Führerschein sei zum Zeitpunkt der Vorlage beim Bundesamt nach wie vor gültig gewesen. Sein
aktueller Pass und seine aktuelle Carte Nationale d’Identité seien leider bei jenem Marokkaner
verblieben, der ihn nach Belgien verbracht habe. Eine aktuelle Passkopie befinde sich jedoch
beim Verwaltungsvorgang, welche im Rahmen des Visumverfahrens angefertigt worden sei. In
seinem Fall liege keine Einreise aus einem sicheren Drittstaat vor, weil er sich in Zürich nur im
Transitbereich aufgehalten habe und zudem mit einem Visum eingereist sei, weshalb ihm die
Drittstaatenregelung schon nach § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AsylVfG nicht entgegen gehalten
werden könne. Zur Brisanz des Artikels, den er habe veröffentlichen wollen: Er habe von dem
Buchhalter der Firma J zwei Dokumente erhalten. Dem einen hätten sich Transaktionen in der
noch nicht genehmigten zollfreien Zone entnehmen lassen, die von der Firma des Sohnes des
Präsidenten zum Export von Holz und weiteren Produkten benutzt worden sei, was zu
Zolleinnahmeverlusten und daher zum Verlust von Steuereinnahmen geführt habe. Das zweite
Dokument habe zwei weitere Missbräuche belegt: Einerseits habe die Firma des Sohnes des
Präsidenten die geschützte Holzsorte "Akatio" ausgebeutet. Andererseits sei in dem Dokument
von einem Transithandel mit Holz die Rede gewesen, welcher durch eine weitere Firma namens
T2 abgewickelt würde. Damit habe die Firma des Sohnes des Präsidenten den Umstand
kaschiert, dass sie mit ihrem Holzeinschlag weit über die zulässige Ausbeutungsquote hinaus
gegangen seien. Die kamerunischen Sicherheitskräfte hätten im Rahmen der Durchsuchung
seines Hauses wohl diese Dokumente gefunden, was wohl ebenfalls zum Erlass der
Fahndungsanzeige vom 25. Juli 2006 geführt habe. Weiter habe er mit seinem kamerunischen
Anwalt Kontakt aufgenommen und diesen gebeten, eine Anfrage an die kamerunischen
Sicherheitsbehörden zu richten, ob ihm nach wie vor Verfolgungsmaßnahmen drohen würden.
Der im Klageverfahren eingereichten Antwort des Anwalts sei zu entnehmen, dass die gegen ihn
gerichtete Fahndungsanzeige noch nicht aufgehoben sei. Insgesamt sei festzustellen, dass er
Kamerun vorverfolgt verlassen habe und ihm im Fall einer Rückkehr weitere asylrelevante
Verfolgungsmaßnahmen seitens der kamerunischen Sicherheitsbehörden drohen würden. In
Kamerun existiere keine Rechtsstaatlichkeit. Wie sich aus den Berichten verschiedener
Menschenrechtsorganisationen ergebe, komme es dort immer wieder zu willkürlichen
Festnahmen von Personen, die ihre Kritik an den Verhältnissen und der Regierung in Kamerun
öffentlich äußern (vgl. Jahresberichte von amnesty international, Gutachten der SFH-
Länderanalyse vom 19. September 2006 zu Kamerun und Berichte des US-State Departements).
Zu der Personengruppe, die den staatlichen Verfolgungsmaßnahmen am meisten ausgesetzt sei,
gehörten neben Aktivisten oppositioneller Parteien oder Aktivisten von Gewerkschaften die
Journalisten. Zwar existiere mittlerweile in Kamerun eine große Zahl von verschiedensten
Zeitungen und auch privaten Radiosendern, doch sobald die darin geäußerte Kritik an
Maßnahmen der Regierung oder an einzelnen Regierungsmitgliedern ein gewisses Maß
überschreite, komme es zu gegen die entsprechenden Journalisten oder Betreiber gerichteten
Drangsalierungen, Festnahmen ohne konkrete Anklageerhebung oder auch massiven
Misshandlungen. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Recherchen des Klägers den Sohn
des Präsidenten betroffen hätten, worauf das Regime naturgemäß besonders empfindlich
reagiere. Insgesamt sei somit festzustellen, dass der Kläger als Asylberechtigter gemäß Art.
16 a GG anzuerkennen sei und für ihn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorlägen.
Des Weiteren lägen Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vor. Es
sei damit zu rechnen dass der Kläger nach einer Rückkehr nach Kamerun erneut festgenommen,
inhaftiert und misshandelt werde. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die
Haftbedingungen in Kamerun nach wie vor unmenschlich seien und in vielen Fällen bereits zum
Tod der Inhaftierten geführt hätten. Daher drohe dem Kläger im Falle einer Rückkehr die konkrete
Gefahr von Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, somit Gefahren für Leib
und Leben.
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung ausführlich zu seinen Asylgründen angehört
worden. Wegen seines Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
14
Der Kläger beantragt,
15
1.
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge vom 16. März 2007 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten gemäß
Art. 16 a GG anzuerkennen,
2.
festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hilfsweise
§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen,
3.
seine gemäß Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge angeordnete Abschiebung aufzuheben.
16
17
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
18
die Klage abzuweisen,
19
und bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
20
Die vom Kläger in gebundener Form eingereichten 48 Ausgaben der Zeitschrift M konnten vom
Gericht trotz intensiver Bemühungen nicht beschafft werden, da diese weder beim Bundesamt
noch bei der Ausländerbehörde der Stadt E1 auffindbar waren. Der Kläger hat jedoch – neben
einer Bestätigung der Swiss International Airlines vom 23. Juli 2008 über seine Flugreise von
Jaunde über Zürich nach C1 am 1./2. Juli 2006 sowie dem Schreiben des Rechtsanwaltes B1
vom 13. März 2008 – Ausgaben dieser Zeitschrift aus den Monaten Januar, Februar, April und
Oktober 1999 eingereicht, in welchen er die von ihm verfassten Artikel markiert hat.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der
Ausländerbehörde sowie auf die Auskünfte und sonstigen Erkenntnisse Bezug genommen, die
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
22
Entscheidungsgründe:
23
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
24
Die Klage ist zulässig, da der Kläger insbesondere nicht die Klagefrist versäumt hat. Gemäß § 74
des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) muss die Klage gegen Entscheidungen nach diesem
Gesetz innerhalb von zwei Wochen erhoben werden; in den Fällen, in denen der Antrag nach
25
§ 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) innerhalb einer Woche zu stellen ist (§ 36
Abs. 3 Satz 1 AsylVfG), ist auch die Klage innerhalb einer Woche zu erheben. Dies gilt für die in
§ 36 Abs. 1 AsylVfG geregelten Fälle der Unbeachtlichkeit bzw. der offensichtlichen
Unbegründetheit eines Asylantrages. Da der Asylantrag des Klägers mit dem Bescheid vom
16. März 2007 als (einfach) unbegründet abgelehnt worden ist, beträgt die Klagefrist zwei
Wochen. Diese Frist hat der Kläger mit der Klageerhebung am 11. Juni 2007 gewahrt. Der
Ablehnungsbescheid ist ihm nicht vor dem 29. Mai zugestellt worden. Der Zustellungsversuch in
der Unterkunft C7straße 49 in E1 am 23. März 2007 schlug fehl. Eine Ersatzzustellung fand nicht
statt. Weitere Zustellversuche sind nicht ersichtlich. Mit der Aushändigung einer Kopie des
Ablehnungsbescheids bei der Ausländerbehörde am 29. Mai 2007 ist frühestens eine (fiktive)
Zustellung gemäß § 8 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) erfolgt. Durch die
Klageerhebung am 11. Juni 2007 ist die 2-Wochen-Frist gewahrt. Dies hat auch das Bundesamt
im Klageverfahren erkannt und deshalb mit Schreiben vom 21. November 2007 gegenüber der
Ausländerbehörde E1 eine bereits erfolgte sog. Bestandskraftmitteilung aufgehoben.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamts vom 16. März
2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a des
Grundgesetzes (GG).
27
Auch wenn der Einzelrichter entgegen dem Ablehnungsbescheid vom 16. März 2007 keinen
ernsthaften Zweifel daran hat, dass der Kläger wie von ihm vorgetragen mit einem gültigen
Schengen-Visum auf dem Luftweg mit Swiss International Airlines von Jaunde (Kamerun) über
Malabo (Äquatorial-Guinea) und Zürich (Schweiz) nach C1 eingereist ist – und damit nicht bereits
Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG seiner Anerkennung entgegenstehen –, besteht ein Anspruch
auf Anerkennung als Asylberechtigter deshalb nicht, weil der Kläger nicht politisch Verfolgter im
Sinne der asylrechtlichen Vorschriften ist.
28
Ein Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter besteht nach Art. 16 a GG, wenn der
Asylbewerber die auf Tatsachen gegründete Furcht hegen muss, in dem Land, dessen
Staatsangehörigkeit er besitzt, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse
Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen,
gezielten Rechtsverletzungen ausgesetzt zu sein, die ihn ihrer Intensität nach aus der
übergreifenden staatlichen Einheit ausgrenzen.
29
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 u.a. –,
BVerfGE 83, 216 (230 ff), und vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u.a. –, DVBl. 1990, 101.
30
Da das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asylgrundrecht grundsätzlich den
Kausalzusammenhang "Verfolgung - Flucht – Asyl" voraussetzt, muss sich die Ausreise bei
objektiver Betrachtung nach ihrem Erscheinungsbild als eine unter dem Druck erlittener oder
drohender Verfolgung stattfindende Flucht darstellen,
31
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 23. Juli 1991 – 9 C 154.90 –, DVBl. 1991,
1090; BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1992 – 2 BvR 633/91 –, NVwZ 1992, 659.
32
Daher können nach Sinn und Zweck des durch den Zufluchtsgedanken geprägten
Asylgrundrechts vom Asylbewerber nach Verlassen seines Heimatstaates aus eigenem
Entschluss geschaffene, so genannte subjektive Nachfluchtgründe in der Regel nur dann zur
Asylanerkennung führen, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des
Aufenthaltes im Heimatland vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung
darstellen. Entsprechendes gilt, wenn sich der Ausländer bei Verlassen seines Heimatlandes in
33
einer latenten Gefährdungslage befunden hat.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1988, BVerfGE 74, 51; BVerwG, Urteile vom
6. April 1992 – 9 C 143.90 –, BVerwGE 90, 127, und vom 17. Januar 1989 – 9 C 56.88 –,
BVerwGE 81, 170.
34
Begründete Furcht vor politischer Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylbewerber bei
verständiger, nämlich objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles nicht
zuzumuten ist, in seinem Heimatland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Einem
Asylbewerber, der sein Heimatland auf der Flucht vor erlittener oder drohender Verfolgung
verlassen hat, ist danach Asyl zu gewähren, wenn er vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend
sicher sein kann (herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab). Ist der Asylsuchende dagegen
unverfolgt ausgereist, kommt seine Anerkennung nur in Betracht, wenn ihm auf Grund von
asylrelevanten Nachfluchtgründen politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
droht.
35
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1998, DVBl. 1990, 101 (105), vom 26. November 1986
– 2 BvR 1058/85 –, BVerfGE 74, 51 (64 ff.), und vom 15. März 1990 – 2 BvR 1196/89 –,
InfAuslR 1990, 197.
36
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für drohende staatliche Verfolgungsmaßnahmen kann nur
angenommen werden, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände bei qualifizierender
Betrachtungsweise ein größeres Gewicht als die gegen eine Verfolgung sprechenden Tatsachen
besitzen und deshalb für den Ausländer nach den Gesamtumständen des Falles die reale
Möglichkeit einer politischen Verfolgung bei Rückkehr in sein Heimatland besteht,
37
vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 – 9 C 118.90 –, BVerwGE 89, 162 (169 f.).
38
Die Anerkennung als Asylberechtigter setzt grundsätzlich voraus, dass die asylbegründenden
Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen sind. Da sich der Asylbewerber insoweit
häufig in einem sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt für den Nachweis derjenigen
Fluchtgründe, die ihren Ursprung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland – insbesondere im
Heimatland des Asylbewerbers – haben, in der Regel die Glaubhaftmachung; ein voller Beweis
ist insoweit nicht zu fordern.
39
Vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, NVwZ 1990, 171.
40
Dabei kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Zur
Anerkennung kann schon allein der Tatsachenvortrag des Asylsuchenden führen, sofern seine
Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinn glaubhaft sind, dass
sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Der Asylbewerber ist gehalten, seine
Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten
vorzutragen.
41
Vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 12. November 1985 – 9 C 27.85 –, InfAuslR 1986, S. 79.
42
Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann einem Asylsuchenden
nur geglaubt werden, wenn die Unstimmigkeiten überzeugend aufgelöst werden.
43
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, NVwZ 1990, 171.
44
Diese Voraussetzungen für eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter sind nicht erfüllt.
Er hat sein Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft gemacht.
45
Der Kläger konnte das Gericht schon nicht davon überzeugen, unter dem Druck erlittener oder
drohender Verfolgung nicht nach Kamerun zurückgekehrt zu sein. Insofern kann es im Grundsatz
keinen Unterschied machen, ob ein Asylbewerber aufgrund erlittener oder unmittelbar drohender
politischer Verfolgung ausreist, oder ob er – wie hier – bei verfolgungsunabhängiger zeitlich
befristeter Ausreise die ursprünglich bestehende Rückkehrabsicht wegen erlittener oder
drohender Verfolgung aufgibt. Jedoch erweist sich der Vortrag des Klägers zu den Gründen für
seine nicht erfolgte Rückkehr nach Kamerun in wesentlichen Teilen als unglaubhaft.
46
Dabei hat der Einzelrichter zu weiten Teilen seines Vorbringens keinen Anlass zu Zweifeln: Es ist
davon auszugehen, dass seine Angaben zu seinen Familienverhältnissen zutreffen, dass er
tatsächlich Lehrer für Englisch, Französisch und Deutsch ist und als solcher nach seiner –
teilweise auch in der Bundesrepublik Deutschland verbrachten – Ausbildung in Kamerun tätig
war. Ob der Kläger tatsächlich wegen seiner tatsächlichen oder (aufgrund seiner Zugehörigkeit
zum Stamm der Bamileke) vermuteten Nähe zur Partei Social Democratic Front (SDF) aus dem
öffentlichen Schuldienst entlassen wurde, lässt das Gericht offen, da der Kläger sich hierauf zur
Begründung seines Asylbegehrens überhaupt nicht berufen hat. Hierzu hat er auch nicht
substantiiert vorgetragen. Jedenfalls ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger (wohl) ab Mitte der
1990er Jahre als Journalist tätig war. Seine Tätigkeit bei der an die Landbevölkerung gerichteten
und landwirtschaftliche Themen behandelnden Zeitung M (www.m.org), welche der
Nichtregierungsorganisation T1, www.t1.org) zuzurechnen ist, steht außer Zweifel. Insbesondere
ist durch die von ihm vorgelegten Ausgaben dieser Zeitung aus dem Jahr 1999 (Nr. 84 von
Januar, Nr. 85 von Februar, Nr. 87 von April und Nr. 93 von Oktober 1999), in denen sich jeweils
auch den Kläger als Autor oder Co-Autor ausweisende Beiträge finden, belegt, dass er zu diesem
Zeitpunkt Chefredakteur dieser Zeitung war. Ob der Kläger nach 2002 tatsächlich für die von der
Nichtregierungsorganisation S, www.s.org) herausgegebene Zeitung U tätig war, ist nicht
nachvollziehbar, kann aber offen bleiben, da es für das vorgetragene Verfolgungsschicksal ohne
Bedeutung ist. Weiterhin sind auch die allgemeinen Angaben des Klägers zu der im Bereich der
Holzgewinnung, -weiterverabeitung und –vermarktung tätigen Gesellschaft J soweit ersichtlich
zutreffend: Diese existiert, wird dem Sohn des Staatspräsidenten, C5, zugeordnet, und steht im
Verdacht rechtswidriger Geschäftspraktiken und Verhaltensweisen, insbesondere im
Zusammenwirken mit der ebenfalls im Holzbereich tätigen Gesellschaft T3 des libanesischen
Konsuls in Kamerun D,
47
siehe Greenpeace International von März 2002, Forest crime file: logging profile: Hazim:
plundering Cameroon’s ancient forests,
www.greenpeace.org/raw/content/international/press/reports/hazim-plundering-cameroon-82.pdf;
Global witness: Forest law enforcement in Cameroon, 2nd Summary Report of the Independent
Observer December 2001 – June 2003, vom 14. Oktober 2003,
www.globalwitness.org/media_library_detail.php/111/en/cameroon_ifm_second_summary_report.
48
Auch die von ihm genannte im Holzgeschäft tätige Gesellschaft T2 existiert und steht im
Zusammenhang mit dem genannten D,
49
siehe Greenpeace International von März 2002, a. a. O.
50
Aus diesen glaubhaften Umständen folgt jedoch nicht das Verfolgungsschicksal des Klägers.
Sein Verfolgungsschicksal kann der Einzelrichter bei einer Gesamtwürdigung des Akteninhalts,
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde, der der
Kammer vorliegenden Auskünfte und Erkenntnisse in Bezug auf Kamerun sowie der Aussage des
Klägers in der mündlichen Verhandlung auch ansonsten nicht feststellen.
51
Der Einzelrichter kann offen lassen, ob der Kläger tatsächlich in der Zeit vor seiner Ausreise nach 52
C1 Anfang Juli 2006 zugleich für die Zeitung U der Nichtregierungsorganisation S sowie als
Freelancer für die Zeitungen N1 und N tätig war und ob er einen Artikel über die C5 zugeordnete
Gesellschaft J vorbereitete und in diesem Zusammenhang Recherchen unternahm. Denn allein
aus diesen Umständen folgt nicht, dass es ihm unzumutbar wäre, nach Kamerun zurückzukehren.
Zwar ist nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen nicht auszuschließen, dass
Journalisten dort durch staatliche Stellen behindert oder durch Polizeikräfte im Zusammenhang
mit ihrer Tätigkeit unter Druck gesetzt werden. Es kommt in Einzelfällen vor, dass Machtmittel von
der Regierung nahe stehenden, einflussreichen Persönlichkeiten für die Wahrung und
Durchsetzung persönlicher Interessen gegen die Presse eingesetzt werden. Zum Teil werden
Strafverfahren, z. B. wegen des Vorwurfs von Geheimnisverrat oder Diffamierung,
instrumentalisiert, um kritische Journalisten zum Schweigen zu bringen bzw. unter Druck zu
setzen. Nicht auszuschließen sind vereinzelte Fälle missbräuchlicher Anwendung hoheitlicher
Gewalt, um Journalisten zum Schweigen zu bringen. Einschüchterungsversuche sind schwer
einer Person oder Institution zuzuordnen, werden von den Betroffenen aber häufig im Umfeld der
Partei des Staatspräsidenten C8 (S1) verortet oder können dem Präsidialamt zugeordnet werden.
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23. Oktober 2006 (Stand: September 2006;
Lagebericht 2006), Ziff. II.1.2, S. 8 f.; Lagebericht vom 19. Dezember 2007 (Stand: Oktober 2007;
Lagebericht 2007), Ziff. II.1.2, S. 8 f.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23. Januar 2009
(Stand: Januar 2009; Lagebericht 2009), Ziff. II.1.2., S. 8 f.
53
Die Tätigkeit des Klägers allein führt nach dem anwendbaren Maßstab der beachtlichen
Wahrscheinlichkeit jedoch nicht zu einer Feststellung von dem Kläger mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Nachteilen bei einer Rückkehr in sein Heimatland.
54
Die vom Kläger geltend gemachte Vorverfolgung, die zur Anwendung des abgesenkten
Wahrscheinlichkeitsmaßstabs führen würde, kann ihm hingegen nicht geglaubt werden.
55
Zunächst konnte der Kläger den Einzelrichter nicht davon überzeugen, dass er wegen seiner J
betreffenden Recherchen in der Zeit vom 10. bis 14. Juni 2006 beim im Stadtteil C9 in E
ansässigen Sonderkommissariat (Commissariat Spécial) der Polizei für den vierten Stadtbezirk
(Arrondissement) von E inhaftiert, befragt und misshandelt worden ist. Schon der Umstand, dass
er von der Polizei ("Délégation Général à la Sûreté Nationale", DGSN) mit einer Ladung vom
6. Juni 2006 für den 8. Juni 2006 um 9.00 Uhr zum Sonderkommissariat für den 4. Stadtbezirk
vorgeladen wurde, steht nicht fest. Dies lässt sich insbesondere nicht der in Kopie vorgelegten
Ladung (Beiakte 2 sowie Beiakte 1, Bl. 39) entnehmen. Deren Echtheit und inhaltliche Richtigkeit
steht derzeit nicht fest. Bei kamerunischen Dokumenten ist äußerstes Misstrauen angebracht. Es
gibt in Kamerun für jede Art von Dokument professionelle Fälschungen. Von den Behörden wird
oft wenig Sorgfalt auf die formal korrekte Ausstellung von Urkunden und Dokumenten verwandt. In
manchen Fällen existieren keine genauen, schriftlich fixierten Regelungen. Die Fälschung von
Dokumenten wird von großen Teilen der Bevölkerung als Kavaliersdelikt und nicht als krimineller
Akt empfunden. Gefälschte Dokumente werden an Marktständen auf offener Straße verkauft,
wobei das jeweilige Angebot auf Wäscheleinen zur Schau gestellt wird. Einfache Fälschungen
werden direkt vor Ort am Verkaufsstand vorgenommen, bei komplizierten Angelegenheiten
werden Bestellungen entgegengenommen. Selbst bei echten Dokumenten kann man nicht von
der inhaltlichen Richtigkeit ausgehen. Gefälligkeitsbescheinigungen sind an der Tagesordnung.
In der Praxis können Dokumente auch von offiziellen Stellen gekauft werden. "Transparency
International" stuft Kamerun als eines der von Korruption am meisten betroffenen Länder der Welt
ein.
56
Vgl. Lagebericht 2006, Ziff. V.1., S. 15; Lagebericht 2007, Ziff. V.1., S. 15; Lagebericht 2009,
Ziff. V.1.1. und 1.2., S. 15.
57
Hinzu kommt, dass es schon ungewöhnlich ist, dass der Kläger mittels einer schriftlichen Ladung
um Vorsprache bei der Polizei gebeten wurde. Im Regelfall werden Personen, die befragt,
vernommen oder verhaftet werden sollen, von den Polizeibehörden ohne vorherige Ladung direkt
abgeholt.
58
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Dezember 2005 an das Oberverwaltungsgericht für
das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) im Verfahren 11 A 568/05.A.
59
Das Gericht sieht davon ab, weitere Ermittlungen zur Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit der
Ladung vom 6. Juni 2008 vorzunehmen, da unabhängig davon, ob der Kläger tatsächlich eine
Ladung für den 8. Juni 2006 erhalten hat, der Einzelrichter keine Überzeugung davon gewinnen
konnte, dass der Kläger beim Sonderkommissariat in C9 vom 10. bis 14. Juni 2006 festgehalten,
befragt und misshandelt worden ist. Die Angaben des Klägers hierzu in seiner Anhörung beim
Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung sind schon für sich betrachtet nicht glaubhaft.
Seine diesbezüglichen Angaben vermitteln nicht den Eindruck einer Schilderung von selbst
Erlebtem. Insofern ist schon die Kürze seiner hierzu gemachten Angaben in der Anhörung beim
Bundesamt auffällig. Bei einem beredten und eloquenten Akademiker, als der sich der Kläger in
der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, wäre zu erwarten gewesen, dass hierzu ausführlicher,
detailgenauer und lebensnäher berichtet worden wäre. Es springt schon in der Anhörung beim
Bundesamt ins Auge, dass der Kläger ausführlicher von seinen vorgetragenen Recherchen über
die "staatlichen Landwirtschaftsgesellschaften" und den entsprechenden Zeitungsartikeln bei M
bzw. seinen Recherchen in Bezug auf J in der jüngeren Zeit berichtet als von der fünftägigen
Inhaftierung beim Sonderkommissariat in C9. Dies mutet insbesondere deshalb seltsam an, weil
die Inhaftierung und die im Rahmen dessen angeblich erfolgten Misshandlungen und
Befragungen nach dem vom Kläger geschilderten bisherigen Verlauf seines Lebens eine
einschneidende, einzigartige und insgesamt traumatische Erfahrung darstellen dürfte. Bei einer
solchen Erfahrung ist regelmäßig zu erwarten, dass der Betroffene – vorbehaltlich kultureller
Besonderheiten oder im Einzelfall vorliegender psychischer Mechanismen wie Verdrängung etc.
– über diese von sich aus ausführlich, detailliert und lebensnah berichtet bzw. berichten kann. Es
ist insofern nicht nur mit tatsächlichen Details und eventuell für den Außenstehenden
unbedeutenden Nebensächlichkeiten sondern insbesondere auch mit Schilderungen über das
emotionale Erleben, Gefühlsäußerungen und ähnlichem zu rechnen. All dies ist schon bei der
Anhörung beim Bundesamt zu vermissen. In der Befragung des Klägers in der mündlichen
Verhandlung stellt es sich im Wesentlichen ähnlich dar: Der Kläger berichtet über vieles andere
auf Frage ausführlich und im Zusammenhang. Beim Kernpunkt seines Verfolgungsschicksals –
der Inhaftierung beim Sonderkommissariat in C9 vom 10. bis 14. Juni 2006 – wurde er hingegen
recht wortkarg, gab nur kurze Antworten und wiederholte zunächst im Wesentlichen – teils auch in
ähnlicher Formulierung – seine Angaben aus der Anhörung beim Bundesamt. Da diese
Erlebnisse den Einzelrichter naturgemäß besonders interessieren mussten, hat dieser eingehend
nachgefragt und dem Kläger vielfältige Ansätze für weitergehende Darstellung dieser Inhaftierung
gegeben. Was der Kläger hierzu, zu der an eine Dusche erinnernden Zelle, in der er
untergebracht war, zu den Misshandlungen, die er erlebte, und zu den von den Zivilpolizisten
durchgeführten Befragungen sowie seinen Gefühlen während dieser Zeit berichtete, vermittelte
nicht den Eindruck eigenen (traumatischen!) Erlebens. Der Kläger wirkte eher unbeteiligt, blieb
oberflächlich, detailarm, in der Schilderung eher blass. Gelegentlich hatte der Einzelrichter den
Eindruck, als schmunzele der Kläger bei seinen Antworten, bzw. als liege ein unterdrücktes
Lachen unter seiner Stimme. Dies vermittelte nicht den Eindruck emotionaler Betroffenheit durch
ein einzigartiges, demütigendes und verstörendes Erlebnis, das einen Grund darstellt, nicht zur
Ehefrau und den drei ehelichen Kindern zurückzukehren. Seine Körpersprache bei diesen
Ausführungen passte ebenfalls nicht zu dem Inhalt der Aussage. Ein kulturell oder durch
psychische Mechanismen bedingter Grund für diesen Befund ist nicht ersichtlich. Bei der Aussage
des Klägers zu seiner Inhaftierung beim Sonderkommissariat in C9 war für den Einzelrichter
zudem ein Unterschied in der Struktur der Aussage des Klägers und seinem Aussageverhalten
60
bemerkbar. Der ansonsten ausführlich und detailliert antwortende Kläger war hier eher
zurückhaltend, ausweichend und wortkarg. Insofern ist auch zu bemerken, dass der Kläger in der
Klagebegründung vom 4. Dezember 2008 sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren in
verschiedenster Hinsicht ergänzt und vertieft hat, eine Vertiefung seiner Angaben zu seiner Haft
vom 10. bis 14. Juni 2006 darin jedoch nicht erfolgt ist. Dies passt zum Vorstehenden.
Hinzu kommt, dass die Glaubwürdigkeit des Klägers auch durch seine Angaben im Hinblick auf
seinen Aufenthalt in Belgien und den Verbleib seines aktuellen kamerunischen Reisepasses
vermindert ist. Der Grund dafür, dass er mit dem Marokkaner, der ihm von seinem in C1
kennengelernten Landsmann C4 vermittelt worden war, nach Belgien reiste, um dann dort
(vergeblich) Asyl zu beantragen, ist nicht einsichtig. Dass der Marokkaner (dessen Namen er bei
der Anhörung beim Bundesamt nicht nannte, in der Klagebegründung mit "B" angab und welchen
er in der mündlichen Verhandlung dann wieder nicht mehr wusste) ihn nach Belgien mit dem
Versprechen mitnahm, ihm dort zu helfen, dies aber nur dort zu können, ist insofern
verwunderlich, als sich die Hilfe darin beschränkte, ihn beim "Office des F" abzusetzen und ihm
dem Rat zu geben, es sei besser, bei der Asylantragstellung nicht über einen Reisepass zu
verfügen. Dass der intelligente, selbstbewusste und gewandte Kläger sich hierauf eingelassen
haben soll, ist nicht verständlich. Auch die gesamte Darstellung des Klägers, wie es dazu kam,
dass er über seinen Reisepass nicht mehr verfügt, ist bei an der Lebenswirklichkeit orientierter
Betrachtungsweise nur schwer zu glauben. Angesichts dessen, dass für einen Ausländer in der
Fremde der Reisepass das einzige Legitimationsdokument ist, ist es nicht nachvollziehbar, dass
der Kläger mit seiner Lebenserfahrung und seinen geistigen Fähigkeiten sich darauf einließ,
seinen Reisepass allein gegen das Versprechen der Rückgabe bei dem ihm letztlich
unbekannten Marokkaner zu lassen, von dem er nur eine Telefonnummer und – wenn überhaupt
– einen Vornamen hatte. Wäre es nur darum gegangen, den Reisepass nicht mit in das Office des
F zu nehmen, so hätte er diesen überall verstecken, ihn an der Rezeption des Hotels, in dem er
die erste Nacht in C10 verbracht hatte, hinterlegen oder in einem Schließfach deponieren können.
Ihn einem Unbekannten, von dem er nur eine (Mobil-?) Telefonnummer hatte, zu überlassen, stellt
eine ziemlich unsichere Variante dar. Ebenso fragwürdig ist die Darstellung des Klägers zu den
Gründen, warum er den Pass nicht zurückerhalten hat, bzw. warum er nichts zu dessen
Rückerlangung unternehmen konnte bzw. nichts Zielführendes unternommen hat: Zunächst kann
er nach seiner Aussage von seinem in C1 erworbenen Prepaid-Mobiltelefon nicht eine belgische
Nummer anrufen, dann weiß er nicht, wie dies geht, sodann ist das Guthaben verbraucht und
zuletzt kann er es in Belgien nicht aufladen. Dies geht an der Lebenswirklichkeit vorbei und ist
insbesondere bei den speziellen Gegebenheiten des Klägers sehr fragwürdig. Ebenso verhält es
sich mit seinen Bemühungen um Kontaktaufnahme mit dem Marokkaner in C10: Zunächst kennt
er sich angeblich in C10 nicht aus, dann darf er nicht aus der Aufnahmeeinrichtung hinaus, als
nächstes darf er es doch, aber hat kein Geld, und zuletzt ist er in C10, sucht den Marokkaner in
einem Viertel, wo sich viele Afrikaner und insbesondere viele Marokkaner aufhalten und kann
plötzlich doch telefonieren, erhält jedoch die Ansage, dass die gewählte Nummer unvollständig
sei. All dies hat mit dem Vortrag des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal nichts zu tun, es ist
jedoch bis zuletzt unerklärlich, wieso der Kläger sich in dieser Weise – vermutlich unwahr –
einlässt und was er damit bezweckt. Es zeigt, dass er es nach der Einschätzung des
Einzelrichters in diesem Zusammenhang mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, was es nicht
leichter macht, seiner Aussage im Übrigen Glauben zu schenken.
61
Es ist auch nicht feststellbar, dass sich dem Kläger im Juli 2006 eine Situation darbot, aufgrund
der er wegen unmittelbar drohender staatlicher Verfolgung im Sinne von Art. 16 a GG den
Entschluss fasste, nicht nach Kamerun zurückzukehren, sondern in C1 zu bleiben. Zu der zweiten
Vorladung vom 9. Juli 2006 für den 10. Juli 2006 um 9.00 Uhr und dem Suchbefehl vom 25. Juli
2006 gilt zunächst das zur ersten Vorladung vom 6. Juni 2006 Gesagte: Es kann schon nicht von
der Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit dieser Dokumente ausgegangen werden. In Bezug auf
den Suchbefehl vom 25. Juli 2006 ist zudem ungeklärt, warum darin Anschuldigungen wegen
62
Vertrauensmissbrauchs ("abus de confiance"), Verleumdung ("diffamation") und Falschen
Angaben zulasten ("fausses déclarations au préjudice du...") eines Herrn O aus E erhoben
werden. Insofern könnte es sein, dass tatsächlich gegen den Kläger – warum auch immer –
Ermittlungen aufgenommen wurden, in deren Rahmen auch tatsächlich eine erste und zweite
Vorladung erfolgt sein mag. Andererseits kann es sich auch um eine Fälschung handeln, wofür
spricht, dass im Suchbefehl der Beruf des Klägers mit "Journalist bei der M" angegeben ist. Dies
passt nicht dazu, dass der Kläger nach seinen Angaben die Tätigkeit bei der Zeitung M jedenfalls
im Jahr 2002 aufgegeben hat und seitdem zum einen für die Zeitschrift U der S arbeitete, zum
anderen in Zeitungen wie N undN1 als Freiberufler Artikel veröffentlichte und zuletzt nebenher
noch als Lehrer an einer Privatschule arbeitete. Dass die Polizei und insbesondere die
Geheimpolizei ("Renseignements Généraux") zu seiner Beschäftigung nach einer bereits
erfolgten fünftägigen Inhaftierung immer noch diesen veralteten Stand haben sollte, ist nicht
wahrscheinlich. Dies passt besser dazu, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren sein
Verfolgungsschicksal vorrangig auf die journalistische Tätigkeit bei der Zeitung M gestützt hat.
Die Organisation S und die Zeitung U sowie seine freiberufliche Tätigkeit für N oder N1 hat er dort
ebenso wenig erwähnt wie die wohl den Lebensunterhalt finanziell sicherstellende Tätigkeit als
Lehrer im Angestelltenverhältnis. Da er somit gegenüber dem Bundesamt sein Asylbegehren auf
seine Eigenschaft als "Journalist bei M" stützte, der einen Artikel über J und die Verwicklungen
von C5 vorbereitete, wirkt ein Suchbefehl, der den "journaliste à M" betrifft "wie bestellt". Dass
dieser Suchbefehl, den ein auf diese Weise landesweit zur Fahndung Ausgeschriebener nicht
erhält, sondern der nur an die Sicherheitsbehörden geht und der dem Betroffenen z. B. bei einer
Festnahme nur vorgezeigt, aber nicht ausgehändigt wird,
vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Gutachten der SFH-Länderanalyse vom
25. September 2008: Kamerun: Überprüfung der Echtheit eines Haftbefehls, S. 2,
63
über seinen alten Schulfreund, einen heutigen Kommandanten beim Militär, zu seiner Ehefrau
gelangt sein soll, wirkt recht konstruiert, zumal diese Information vom Kläger vor der mündlichen
Verhandlung zu keinem Zeitpunkt erwähnt wurde. Das Gericht hat von weiteren Ermittlungen zur
Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit dieser Urkunden abgesehen, weil die Schilderung des
Klägers zu der von ihm befürchteten unmittelbar drohenden staatlichen Verfolgung, der er sich
dadurch entzog, dass er entgegen seiner ursprünglichen Absicht nicht nach dem GI-Seminar
Ende Juli 2006 nach Kamerun zurückkehrte, nicht glaubhaft ist. Sein Vorbringen, dass er nach der
Inhaftierung vom 10. bis 14. Juni 2006 seine Recherchen zu J fortgesetzt und dabei insbesondere
bei der Verwaltung des Hafens von E Ermittlungen angestellt habe, die offiziellen Stellen zu
Ohren gekommen sein dürften, nimmt der Einzelrichter ihm nicht ab. Es ist nicht nachvollziehbar,
dass der Kläger, nachdem er bei der Inhaftierung vom 10. bis 14. Juni 2006 in Bezug auf den
Grad der angeblichen Misshandlungen noch für kamerunische Verhältnisse "mit einem blauen
Auge davongekommen" ist, zunächst seine für ihn nunmehr offensichtlich gefährlichen
Recherchen trotz der drohenden Gefahr von weiteren Maßnahmen der Polizei fortsetzt und dann
in dem Moment, als sich die von ihm sehenden Auges in Kauf genommene Gefahr in Gestalt der
zweiten Vorladung und der Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme von Computer und
Unterlagen realisiert, einen Entschluss fasst, in Deutschland zu bleiben und faktisch seine
Ehefrau und seine drei Kinder zu verlassen. Der vom 25. Juli 2006 datierende Suchbefehl kann
ihm zum Zeitpunkt seiner Entscheidung – angeblich kurz nach dem 14. Juli 2006, aber vor dem
30. Juli 2006 – kaum zur Kenntnis gelangt sein. Die vom Kläger hierzu gegebene Erklärung, man
könne nach einer solchen erniedrigenden Erfahrung durch Einschüchterung entweder das
machen, was die Polizei wolle – nämlich die Recherchen einstellen oder ansonsten sein
Verhalten ändern –, oder man könne weitermachen wie zuvor, weil man es jetzt erst recht
herausfinden wolle. Da der Kläger angegeben hat, er habe trotz Einschüchterung und
Erniedrigung gleichwohl weitermachen wollen, passt es nicht dazu, dass er jetzt aufgrund der
Tatsache der zweiten Vorladung und der erfolgten Durchsuchung und Beschlagnahme ohne
(z. B.) gegen ihn gerichtete körperliche Gewalt oder Inhaftierung seine Haltung grundlegend
64
ändert. Zugleich war der Kläger durch die Inhaftierung vom 10. bis 14. Juni 2006 vorgewarnt und
hatte die Aussage erhalten, man würde ihn im Auge behalten. Insofern musste er bei lebensnaher
Betrachtung Vorsicht walten lassen, um nicht ohne Not erneut in Gewahrsam genommen zu
werden. Wieso er dann seine Unterlagen und auch auf dem Computer befindliche Daten ohne
besondere Vorkehrungen (wie z. B. deren Verstecken, Vernichten etc.) zurückgelassen haben
will, ist nicht verständlich. Insbesondere als ihn seine Ehefrau von der zweiten Vorladung für den
10. Juli 2006 in Kenntnis setzte, hätte es sich aufdrängen müssen, gegebenenfalls seine Ehefrau
zu bitten, Maßnahmen in Bezug auf eine mögliche Durchsuchung der Polizei zu treffen. Dies ist
anscheinend nicht erfolgt.
Können dem Kläger von daher seine Angaben zu den Umständen nicht geglaubt werden,
aufgrund deren er im Juli 2006 den Entschluss fasste, nicht nach Kamerun wie geplant
zurückzukehren, muss davon ausgegangen werden, dass eine Vorverfolgung im asylrechtlichen
Sinne nicht vorliegt.
65
Spezielle Nachfluchtgründe, die geeignet wären, die beachtlich wahrscheinliche Gefahr einer
politischen Verfolgung im Falle der Rückkehr nach Kamerun auszulösen, hat der Kläger nicht
vorgetragen. Der bloße Umstand, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland einen
Asylantrag gestellt hat, stellt ebenfalls keinen Nachfluchtgrund dar.
66
Vgl. Lagebericht 2009, Ziff. IV.1. und 2., S. 14.
67
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach
Kamerun durch das familiäre Netzwerk seiner Familie und derjenigen seiner Ehefrau aufgefangen
werden wird.
68
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des
Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
69
Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder
seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
70
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebeverbotes im Sinne
dieser Vorschrift sind denjenigen für eine Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a GG
hinsichtlich der erforderlichen Verfolgungshandlung, des geschützten Rechtsgutes und des
politischen Charakters der Verfolgung deckungsgleich. Auch gelten für die Beurteilung der
Verfolgungsgefahr dieselben Prognosemaßstäbe wie für die Asylanerkennung.
71
Der Kläger hat daher aus den oben dargelegten Gründen auch keinen Anspruch auf die
Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
72
Schließlich ist auch die auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen
des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtete Klage nicht begründet. Abschiebeverbote bestehen
insoweit nicht.
73
Ein Ausländer darf gemäß § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG nicht in einen Staat abgeschoben
werden, in dem ihm Folter, Todesstrafe oder die Verletzung seiner Menschenrechte mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Ferner kann von einer Abschiebung abgesehen werden,
wenn dem Ausländer eine erhebliche (individuelle) Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht
(§ 60 Abs. 7 AufenthG).
74
Aus den vorstehenden Ausführungen zu § 60 Abs. 1 AufenthG folgt, dass Abschiebungsverbote
75
nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG nicht vorliegen.
Gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen
Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib,
Leben oder Freiheit besteht. Unter § 60 Abs. 7 AufenthG fallen – anders als in den Fällen des
Abs. 2, 3 und 5 – auch Gefahren, die nicht unmittelbar oder mittelbar vom Staat, seinen Organen
und Vertretern ausgehen.
76
Voraussetzung ist die Feststellung einer beachtlich wahrscheinlichen Gefahr, dass der einzelne
Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Heimatstaat in den genannten Rechtsgütern alsbald
wesentlich oder lebensbedrohlich beeinträchtigt würde.
77
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 – 9 C 15.95 –, NVwZ 1996, 476; Urteil vom
29. Juli 1999 – 9 C 2/99 –, dokumentiert in Juris.
78
Dabei sind allerdings Gefahren, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist, gemäß § 60
Abs. 7 Satz 3 AufenthG in der Regel nicht zu berücksichtigen. Nur dann, wenn
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG und dem Wortlaut des Abs. 7 Satz 1 nicht
bestehen, der Ausländer aber gleichwohl nicht ohne Verletzung höherrangigen
Verfassungsrechts abgeschoben werden kann, ist durch verfassungskonforme (erweiternde)
Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen allgemeiner Gefahren Abschiebungsschutz
zu gewähren. Dies setzt allerdings voraus, dass im Zielstaat eine extreme allgemeine
Gefahrenlage besteht, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam
sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde.
79
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 9 C 15.95 , a.a.O.
80
Bezüglich des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes der drohenden extremen Gefahren ist daher nicht
wie bei unmittelbarer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG der Prognosemaßstab der
beachtlichen Wahrscheinlichkeit, sondern ein erhöhter Maßstab anzuwenden.
81
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 1996, 1 C 6.95 , InfAuslR 1997, 193 (197).
82
Bei Anwendung dieser Grundsätze kann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG zu Gunsten des Klägers nicht festgestellt werden. Eine konkrete erhebliche individuelle
Gefahr besteht aus den oben dargelegten Gründen für den Kläger nicht. Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer extremen allgemeinen Gefahrenlage in dem oben dargestellten Sinn sind nicht
gegeben.
83
Die Androhung der Abschiebung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie entspricht den in §§ 34 Abs. 1
AsylVfG, 59 AufenthG getroffenen Regelungen.
84
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung (ZPO).
85
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
86