Urteil des VG Düsseldorf vom 23.08.2005

VG Düsseldorf: mehrarbeit, verbot der diskriminierung, vertrag über die europäische union, eugh, besoldung, recht der europäischen union, genehmigung, beamtenverhältnis, teilzeitbeschäftigung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 249/05
Datum:
23.08.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 249/05
Tenor:
Das beklagte Land wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung E vom 30. September 2004 und des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 16. Dezember 2004
verpflichtet, der Klägerin für vier in der Zeit von Dezember 2003 bis April
2004 geleistete zusätzliche Unterrichtsstunden eine
Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 98,96 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Land zu 14 Prozent, die
Klägerin zu 86 Prozent.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und
das beklagte Land dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin steht als Oberstudienrätin (A 14) im Dienst des beklagten Landes. Sie
versieht ihren Dienst als teilzeitbeschäftigte Lehrerin am Gymnasium I in L. Die
regelmäßige Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Gymnasiallehrer von 25,5
Unterrichtsstunden pro Woche war für die Klägerin im für die Entscheidung
maßgeblichen Zeitraum auf 18 Stunden ermäßigt.
2
Mit Schreiben vom 20. Juli 2004 beantragte die Klägerin bei der Bezirksregierung E
unter Hinweis auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW) vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 - die Zahlung einer zeitanteiligen Besoldung
3
aus der Besoldungsgruppe A 14 für 19 von ihr in den Monaten Dezember 2003 bis April
2004 zusätzlich zu ihrer individuellen Pflichtstundenzahl geleisteter Unterrichtsstunden.
Dabei habe sie ausweislich der dem Antrag beigefügten Änderungsmitteilung der
Schulleitung an das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen
(LBV) im Dezember 2003 zwei, im Januar 2004 eine, im Februar 2004 vier, im März
2004 zehn und im April 2004 zwei zusätzliche Unterrichtsstunden abgehalten.
Mit Schreiben vom 17. September 2004 teilte die Schulleitung des Gymnasiums I der
Bezirksregierung E auf eine schriftliche Anfrage vom 12. August 2004 mit, dass der in
den Mehrarbeitsstunden enthaltene Hausunterricht im Umfang von dreizehn Stunden für
einen erkrankten Schüler im Zeitraum Januar bis April 2004 auf Grund der Dringlichkeit
zunächst fernmündlich und später mit Schreiben vom 14. September 2004 auch
schriftlich durch das Schulamt der Stadt L genehmigt worden sei. Die dienstliche
Anweisung zur Erteilung von Hausunterricht sei dann mündlich an die Klägerin erteilt
worden. In der Anlage übersandte die Schulleitung sodann eine Aufstellung der in den
Monaten September 2003 bis Juli 2004 insgesamt angefallenen Vertretungsstunden,
der Hausunterrichtsstunden sowie der nicht anrechenbaren Ausfallstunden (Bl. 9 der
Beiakte Heft 1).
4
Mit Schreiben vom 30. September 2004 lehnte die Bezirksregierung E den Antrag der
Klägerin auf zeitanteilige Besoldung der von ihr in den Monaten Dezember 2003 bis
April 2004 geleisteten 19 zusätzlichen Unterrichtsstunden ab. Nach den maßgeblichen
Rechtsgrundlagen werde eine Vergütung für geleistete Mehrarbeit im Schuldienst nur in
Höhe der in § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung
für Beamte (MVergV) aufgeführten Stundensätze gewährt. Die im Urteil des OVG NRW
zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung teile die Bezirksregierung E nicht. Im
übrigen fehle es bezüglich der in der Gesamtmehrarbeitsstundenzahl enthaltenen
dreizehn Stunden erteilten Hausunterrichts an der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV
erforderlichen schriftlichen Anordnung bzw. Genehmigung. Hierbei habe es sich um
regelmäßige Mehrarbeit gehandelt, die anders als die sog. ad- hoc- Mehrarbeit durch
den zuständigen Dienstvorgesetzten - hier die Bezirksregierung - angeordnet oder
genehmigt werden müsse. An einer solchen Anordnung oder Genehmigung durch die
Bezirksregierung E fehle es aber gerade. Nach Abzug der im Rahmen des
Hausunterrichts erteilten Unterrichtsstunden verblieben nur noch sechs
Mehrarbeitsstunden. Diesen stünden aber nach Mitteilung der Schulleitung des
Gymnasiums I im Zeitraum Dezember 2003 bis Juli 2004 insgesamt 16 nicht
anrechenbare Ausfallstunden gegenüber. Der Freizeitausgleich für die von der Klägerin
geleisteten sechs „echten" Mehrarbeitsstunden sei daher hergestellt.
5
Die Klägerin legte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. Oktober 2004
Widerspruch gegen diese ablehnende Entscheidung ein. Zur Begründung führte sie
aus, dass die Schulleitung im Hinblick auf den Hausunterricht zunächst die
Bezirksregierung um Erteilung des Einverständnisses ersucht habe. Der Schulleitung
sei aber telefonisch mitgeteilt worden, dass hierfür das Schulamt L zuständig sei. Erst
daraufhin habe der Schulleiter mit Schreiben vom 22. Januar 2004 das Einverständnis
des Schulamtes beantragt und dessen Genehmigung erhalten. Ungeachtet dessen
könne ein Fehler der Bezirksregierung nicht zu ihren Lasten gehen. Im Übrigen seien
auch die Ausführungen zum Freizeitausgleich fehlerhaft. Ausweislich der Übersicht der
Schulleitung des Gymnasiums I vom 17. September 2004 seien im Zeitraum von
Dezember 2003 bis einschließlich April 2004 nur drei anrechenbare Ausfallstunden
entstanden. Diesen stünden 22 Stunden Vertretung inklusive des Hausunterrichts
6
gegenüber, so dass sich die Mehrarbeitsstundenzahl von neunzehn Stunden ergäbe.
Der tatsächlich erfolgte Freizeitausgleich sei mithin bereits von der Klägerin
berücksichtigt worden. Der Anspruch auf zeitanteilige Besoldung ergebe sich
schließlich aus einer Verletzung des nach Art. 141 EGV i.V.m. der Richtlinie
75/117/EWG geltenden Entgeltgleichheitsgrundsatzes.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2004 wies die Bezirksregierung E den
Widerspruch der Klägerin zurück und führte ergänzend aus, dass das Schulamt der
Stadt L zwar den Hausunterricht für den erkrankten Schüler genehmigt habe, aber nicht
zugleich die hieraus folgende Mehrarbeit angeordnet habe. Hierzu wäre es auch
ausweislich des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 3.
April 1996 - BASS 14-02 Nr. 1 nicht befugt gewesen. Die restlichen sechs
Mehrarbeitsstunden seien durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres abgegolten
worden.
7
Die Klägerin hat am 18. Januar 2005 die vorliegende Klage erhoben und trägt erneut
vor, dass sich ihr Anspruch auf zeitanteilige Besoldung aus einem Verstoß der
Mehrarbeitsvergütung nach der MVergV gegen das europarechtliche Gebot der
Entgeltgleichheit aus Art. 141 EGV i.V.m. Richtlinie 75/117/EWG ergebe. Die fehlende
Anordnung des Hausunterrichts durch die Bezirksregierung E könne ihr nicht
entgegengehalten werden. Sie habe auch nicht erkennen müssen, dass es einer
Genehmigung der Bezirksregierung E bedurft habe. Außerdem habe sie in den Monaten
der Mehrarbeit angefallene nicht anrechenbare Ausfallstunden bereits von den
Mehrarbeitsstunden abgezogen. Darüber hinaus sei eine Verrechnung nicht möglich, da
Verrechnungsmonat für ad-hoc-Mehrarbeit gemäß Ziffer 4.2 des Runderlasses des
Kultusministeriums vom 11. Juni 1979 - BASS 21-22 Nr. 21 - jeweils nur der laufende
Kalendermonat sei. Ungeachtet dessen stünden im Zeitraum Dezember 2003 bis
November 2004 den von der Beklagten errechneten neunzehn Ausfallstunden
insgesamt 20 Vertretungsstunden sowie dreizehn Stunden erteilten Hausunterrichts
gegenüber, so dass sich jedenfalls ein positiver Saldo von 14 Mehrarbeitsstunden
ergebe. Ein Freizeitausgleich könne daher nicht erzielt worden sein.
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Die Klägerin beantragt,
9
das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E vom 30.
September 2004 und des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 16.
Dezember 2004 zu verpflichten, ihr für im Dezember 2003 bis April 2004 geleistete 19
Unterrichtsstunden eine zeitanteilige Besoldung in Höhe von 714,95 Euro, hilfsweise
eine Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 472,28 Euro zu gewähren.
10
Das beklagte Land beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung nimmt das beklagte Land zunächst Bezug auf die Gründe der
angefochtenen Entscheidungen der Bezirksregierung E vom 30. September 2004 und
16. Dezember 2004. Ergänzend führt es aus, dass für die Klägerin nach den Berichten
der Schulleitung des Gymnasiums I vom 17. September 2004 und 15. März 2005 in der
Zeit von Dezember 2003 bis November 2004 (Bl. 5 Beiakte Heft 1 und Bl. 47 der GA)
neunzehn Ausfallstunden angefallen seien, die als Freizeitausgleich innerhalb eines
Jahres auf die geleistete Mehrarbeit zu verrechnen seien.
13
Mit Schreiben vom 7. Juli 2005 übersandte die Schulleitung des Gymnasiums I der
Bezirksregierung E die tagesscharfe Abrechnung der in den Monaten Dezember 2003
bis April 2004 von der Klägerin geleisteten Mehrarbeitsstunden (Bl. 64 ff. der GA).
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung E (Beiakten Hefte 1
und 2) Bezug genommen.
15
Entscheidungsgründe:
16
Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit
durch Beschluss der Kammer vom 5. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen worden ist.
17
Die Klage ist zulässig, und bezüglich des Hilfsantrags teilweise begründet. Im übrigen
ist die Klage unbegründet.
18
Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für vier von
ihr in der Zeit von Dezember 2003 bis April 2004 geleistete Unterrichtsstunden in Höhe
von insgesamt 98,96 Euro entsprechend des sich aus § 4 Abs. 3 Nr. 4 der Verordnung
über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 13. Dezember 1998 (BGBl. I 3494), zuletzt geändert durch Art. 11
BBVAnpG 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl. I 1798), ergebenden
Stundensatzes von 24,74 Euro. Der Bescheid der Bezirksregierung E vom 30.
September 2004 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 16. Dezember
2004 sind rechtswidrig, soweit mit ihnen die Zahlung einer solchen
Mehrarbeitsvergütung nach den Stundensätzen der MVergV abgelehnt wurde, § 113
Abs. 5 S. 1 VwGO.
19
Für die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung an Beamte des beklagten Landes sind
die Vorschriften des § 78a Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG) i.V.m. §
48 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) i.V.m. den Vorschriften der MVergV
maßgeblich. Die genannten Vorschriften der Verordnung sind im vorliegenden Fall
grundsätzlich anwendbar:
20
Die Klägerin gehört als verbeamtete Lehrerin im Schuldienst des beklagten Landes mit
aufsteigenden Dienstbezügen nach der Besoldungsgruppe A 14 zu den von § 2 Abs. 1
MVergV erfassten Personengruppen, denen grundsätzlich Mehrarbeitsvergütung
zugestanden werden kann - hier nach Nr. 6 „Lehrer im Schuldienst" -.
21
Die Klägerin hat auch dem Grunde nach vergütbare Mehrarbeit im Sinne von §§ 2 Abs.
1, 3 Abs. 1 MVergV erbracht. Eine Mehrarbeitsvergütung darf für Beamte nur in solchen
Bereichen vorgesehen werden, in denen die Mehrarbeit messbar ist. Die Arbeitsleistung
von Lehrern ist aber nur im Bereich ihrer jeweiligen Unterrichtserteilung messbar.
Dementsprechend nimmt Nr. 2.2.2 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 11.
Juni 1979 „Mehrarbeit und nebenamtlicher Unterricht im Schuldienst" (GABl. NRW S.
296) zuletzt geändert durch Runderlass vom 26. Oktober 1981 (BASS 21 - 22 Nr. 21)
auch alle anderen dienstlichen Leistungen, die keine Unterrichtstätigkeit darstellen, vom
Anwendungsbereich der Regelungen über die Mehrarbeit aus. Die Klägerin begehrt
aber Mehrarbeitsvergütung für 19 von ihr in den Monaten Dezember 2003 bis April 2004
22
zusätzlich zu ihrem individuellen Pflichtstundenumfang geleistete Unterrichtsstunden
und damit für messbare Mehrarbeit i.S. der MVergV.
Die Klägerin unterliegt als Lehrerin auch i.S.v. § 3 Abs. 1 MVergV der
Arbeitszeitregelung für Beamte. Zwar fallen Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst nicht
in den Anwendungsbereich der allgemein für Beamte geltenden Arbeitszeitverordnung
Nordrhein-Westfalen (ArbZV NW), vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 der ArbZV NW. Für verbeamtete
Lehrer ergibt sich jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hiervon abweichend
in Gestalt der wöchentlichen Pflichtstundenzahl unter Berücksichtigung der jeweiligen
Schulform aus § 2 der Verordnung zu § 5 Abs. 1 Schulfinanzgesetz (SchulFG) vom 22.
April 2002 (SGV. NRW Gliederungs- Nr. 223).
23
Die von der Klägerin geleisteten zusätzlichen 19 Unterrichtsstunden sind auch i.S.v. § 3
Abs. 1 Nr. 1 MVergV schriftlich angeordnet bzw. genehmigt worden. Dabei ist nach
allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter dem Begriff einer schriftlichen Anordnung die vor
der Erbringung der Leistung erfolgende Anweisung zur Leistung von Mehrarbeit, unter
dem Begriff der schriftlichen Genehmigung dagegen die nachträgliche Zustimmung zu
bereits geleisteter Mehrarbeit zu verstehen. Die Klägerin leistete die in Rede stehenden
zusätzlichen 19 Unterrichtsstunden zwar auf jeweilige vorherige Anordnung der
Schulleitung des Gymnasiums I. Diese Anordnungen erfolgten nach den Erkenntnissen
des Gerichts im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch nur mündlich und
genügen bereits daher nicht den Erfordernissen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV an eine
vorherige schriftliche Anordnung. Die Mehrarbeit wurde jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1
MVergV schriftlich genehmigt. Die schriftliche Genehmigung liegt in Gestalt der durch
die Schulleitung ausgefüllten und vom Schulleiter Herrn T unterzeichneten
Änderungsmitteilung an das LBV (Bl. 2 der Beiakte Heft 1) vor. Diese
Änderungsmitteilung ist ausweislich des Poststempels am 27. Juli 2004 beim LBV
eingegangen und enthält sowohl die im Zeitraum von Dezember 2003 bis April 2004
angefallenen ad-hoc- Vertretungsstunden als auch den erteilten Hausunterricht für einen
erkrankten Schüler. Zwar ist gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 der Verordnung über
beamtenrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des für den Schulbereich
zuständigen Ministeriums vom 17. April 1994, zuletzt geändert durch Verordnung vom
22. November 2002 (GV.NRW. S. 570) - BASS 10-32 Nr. 44 - (SGV.NRW Gliederungs-
Nr. 2030) für die dienstrechtlichen Entscheidungen der Gymnasiallehrer - also auch für
die Anordnung von Mehrarbeit gegenüber der Klägerin - grundsätzlich die obere
Schulaufsichtsbehörde zuständig. Dies ist gemäß § 15 Abs. 2 S. 1
Schulverwaltungsgesetz (SchulVG) die Bezirksregierung E. Gemäß Ziffer 3.1.2 des o.g.
Runderlasses des Kultusministeriums vom 11. Juni 1979 - BASS 21-22 Nr. 21 - wurde
die Zuständigkeit für die Anordnung oder Genehmigung gelegentlicher Mehrarbeit bei
notwendiger Unterrichtsvertretung jedoch auf den Schulleiter weiterübertragen und nur
für regelmäßige Mehrarbeit bei der oberen Schulaufsichtsbehörde belassen. Insoweit
war der Schulleiter für die Genehmigung der sechs ad-hoc- Vertretungsstunden selbst
zuständig. Für die Genehmigung der Erteilung des Hausunterrichts war er zwar nicht
zuständig. Insoweit handelt es sich vorliegend um regelmäßige Mehrarbeit, die von der
Bezirksregierung E zu genehmigen gewesen wäre. Dieser Fehler betrifft aber lediglich
das Innenverhältnis zwischen Schulleitung und Bezirksregierung und könnte allenfalls
in diesem Verhältnis gegebenenfalls Ersatzansprüche auslösen. Dabei kann hier dahin
stehen, ob die fehlende Einholung der Genehmigung der Bezirksregierung darauf
beruht - wie die Klägerin ausführt -, dass der Schulleiter aufgrund einer telefonischen
Auskunft der Bezirksregierung die Genehmigung des Hausunterrichts allein durch das
Schulamt der Stadt L für ausreichend hielt oder ob er diese Fehleinschätzung aufgrund
24
einer eigenen fehlerhaften Anwendung des Erlasses vornahm. Jedenfalls kann eine
solche fehlerhafte Handhabung des Erlasses vom 11. Juni 1979 dem Anspruch der
Klägerin nicht entgegengehalten werden. Maßgeblich für das Bestehen des Anspruchs
der Klägerin ist allein der Inhalt der tatsächlich ergangenen Genehmigung der
Mehrarbeit. Mit der Unterzeichnung der Änderungsmitteilung im Juli 2004 hat der
Schulleiter Herr T aber im für eine Genehmigung erforderlichen nahen zeitlichen
Zusammenhang mit dem Anfall der Mehrarbeit von Dezember 2003 bis April 2004,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2005 - 1 A 2122/03 -,
25
diese Mehrarbeit - ad-hoc-Vertretung wie Hausunterricht - schriftlich nachträglich
genehmigt. Mit der Mitteilung der geleisteten Mehrarbeitsstunden an das LBV wollte die
Schulleitung die Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin auf eine
Mehrarbeitsvergütung für die dokumentierten zusätzlichen Unterrichtsstunden schaffen
und hat daher mit der Unterzeichnung dieser Formulare rechtserheblich der geleisteten
Mehrarbeit nachträglich schriftlich zugestimmt.
26
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 MVergV setzt die Gewährung einer
Mehrarbeitsvergütung darüber hinaus voraus, dass die Mehrarbeit die regelmäßige
Arbeitszeit im Kalendermonat um mehr als fünf Stunden - bei Lehrern um mehr als drei
Unterrichtsstunden - übersteigt. Die Klägerin hat ausweislich der o.g.
Änderungsmitteilung der Schulleitung im Dezember 2003 und April 2004 nur zwei und
im Januar 2004 nur eine Mehrarbeitsstunde geleistet und mithin die
Mindeststundengrenze der §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 2 Nr. 1 MVergV in diesen Monaten
nicht überschritten. Lediglich in den Monaten Februar und März 2004 hat sie mit vier und
zehn zusätzlichen Unterrichtsstunden Mehrarbeit in einem diese Mindestgrenze
überschreitenden Umfang erbracht.
27
Die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 MVergV festgelegte Mindeststundenzahl,
sog. Bagatellgrenze, ist im vorliegenden Fall auch anwendbar, weil sie mit den
gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften des Art. 141 EG-Vertrag und Art. 1 der Richtlinie
75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 (ABl. Nr. L 045 S. 19) sowie der
Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. Nr. L 014 S. 9) i.V.m. §
78g Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG) vereinbar ist,
28
a.A. Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 16. Februar 2005 - 4 K 123/01 -.
29
Nach den vorgenannten Bestimmungen gilt für Arbeitnehmer der Grundsatz des
gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher und gleichwertiger Arbeit sowie
das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter.
30
Die Klägerin fällt zunächst in den Anwendungsbereich der genannten Vorschriften.
Nach ständiger Rechtsprechung wenden sich die Vorschriften des Art. 141 EG-Vertrag
und der Richtlinie 75/117/EWG nicht nur an die Mitgliedstaaten, sondern finden auch im
Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern innerhalb der Mitgliedstaaten
unmittelbar Anwendung, auch auf Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst - wie das
Beamtenverhältnis der Klägerin,
31
vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 1976, 43/75 „Defrenne II", Sammlung der Rechtsprechung
(Slg. d. Rsprg.) 1976, S. 00455; Urteil vom 2. Oktober 1997 - C 1/95 - „Hellen Gerster",
Slg. d. Rsprg. 1997, S. I-05253; Urteil vom 27. Mai 2004 - C-285/02 - „Elsner-Lakeberg",
32
NVwZ 2004, 1103; BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 -, NVwZ 2005,
594; Langenfeld in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand
Januar 2005, Art. 141 Rn 46 mwNw; Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 141 Rn 3;
Rust in: von der Groeben/Schwarze, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage 2003, Art. 141 Rn 256 f., 259.
Das Diskriminierungsverbot der Richtlinie 97/81/EG findet in seiner Umsetzung durch §
78g LBG auf die Klägerin ebenfalls unmittelbar Anwendung.
33
Die nach den nationalen Bestimmungen des § 78a LBG, des § 48 BBesG und der
Vorschriften der MVergV zu zahlende Mehrarbeitsvergütung ist eine vom beklagten
Land an die betroffenen Lehrkräfte aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses gezahlte
Vergütung und damit Entgelt i.S. des Gemeinschaftsrechts,
34
vgl. EuGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - C 285/02 - „Elsner-Lakeberg", aaO; Urteil vom 26.
Juni 2001 - C-381/99 - „Brunnhofer", Slg. d. Rsprg. 2001, S. I-04961; Urteil vom 17. Mai
1990 - C 262/88 - „Barber"; OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -.
35
Die Klägerin kann sich auf diese Vorschriften auch berufen, da nach den Feststellungen
des Gerichts und der allgemeinen Lebenserfahrung Frauen in der Gruppe der
teilzeitbeschäftigten verbeamteten Lehrkräfte proportional deutlich stärker vertreten sind
als in der Gruppe der vollzeitbeschäftigten verbeamteten Lehrkräfte,
36
vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -; VG Minden, Urteil vom 15.
Februar 2005 - 4 K 123/01 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2005 - 26 K 7463/04 -.
37
Hinzu kommt, dass die Klägerin sich unmittelbar auch auf den der Umsetzung der
Richtlinie 97/81/EG dienenden § 78g LBG berufen kann, der das Verbot einer
ungerechtfertigten Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten unabhängig vom
Geschlecht in nationales Recht transferiert hat.
38
Zwar werden teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte, weil die Zahl der zusätzlichen
Unterrichtsstunden, die sie leisten müssen, um einen Anspruch auf
Mehrarbeitsvergütung zu erhalten, nicht proportional zur Arbeitszeit vermindert wird,
gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrkräften in Bezug auf die Vergütung für die
zusätzlichen Unterrichtsstunden ungleich behandelt,
39
vgl. bereits EuGH, Urteil vom 27. Mai 2004, - C-285/02 - „Elsner-Lakeberg", aaO.
40
Die nach diesen Regelungen vorgesehene Ungleichbehandlung ist aber durch ein Ziel
gerechtfertigt, das nichts mit der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht zu tun
hat. Das erkennende Gericht ist zur Feststellung einer solchen objektiven
Rechtfertigung auch in eigener Zuständigkeit berufen,
41
vgl. EuGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - C-285/02 - „Elsner-Lakeberg", aaO.
42
Die Einführung einer „fixen" Mindeststundenzahl, deren Erreichen Voraussetzung für die
Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung ist und die unabhängig von der konkreten
Dienstverpflichtung des Beamten im jeweiligen Monat für alle Beamten stets gleich ist,
ist durch das Gebot der Rechtsklarheit sowie zur Vermeidung eines hohen, vor allem
kostenintensiven Verwaltungsaufwandes objektiv gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich
43
um Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun
haben. Die Abwicklung der Besoldung der Landesbeamten, zu der im weiteren Sinne
auch die Gewährung und Auszahlung der Mehrarbeitsvergütung nach § 78a LBG i.V.m.
den Vorschriften der MVergV gehört, ist angesichts der großen Zahl der Landesbeamten
zum Bereich der Massenverwaltung zu rechnen. Würde man in diesem Bereich für
Teilzeitbeschäftigte die Mehrstundengrenze unter Berücksichtigung der jeweils
individuell verringerten Dienstverpflichtung festsetzen, so würde dies in jedem Einzelfall
eine gesonderte Berechnung dieser sog. Bagatellgrenze erforderlich machen. Denn die
Regelungen der §§ 78b ff. LBG über die Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung lassen
- wie die entsprechenden Vorschriften für Bundes- und andere Landesbeamte - eine
individuell völlig unterschiedliche Teilzeitstundenzahl zu. Es kommt daher nicht etwa
die Festlegung einer speziellen - aber für alle Teilzeitbeschäftigten wiederum
einheitlichen - Mehrstundengrenze in Betracht. Es müsste vielmehr für jeden
Teilzeitbeschäftigten, der Mehrarbeitsvergütung beansprucht, die maßgebliche
Bagatellgrenze im Verhältnis zur reduzierten Arbeitszeit jeweils gesondert berechnet
werden. Angesichts der erheblichen Zahl von Teilzeitbeschäftigten würde dies
einerseits zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen, andererseits aber auch
eine unklare Rechtslage herbeiführen, da der einzelne teilzeitbeschäftigte Beamte der
MVergV nicht mehr unmittelbar entnehmen könnte, ab welchem Mehrarbeitsumfang ihm
ein Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. Mehrarbeitsvergütung zusteht. Neben den
Fällen der verringerten Arbeitszeit durch eine Teilzeitbeschäftigung müsste die
Mindeststundengrenze darüber hinaus aber auch immer dann neu angepasst werden,
wenn ein Beamter nur während eines Teils eines Monats beschäftigt war, z.B. wegen
Dienstantritts erst im Laufe eines Monats oder wegen einer Dienstunfähigkeit infolge
einer Erkrankung während eines Monats. Die „starre" Mindeststundenzahl der §§ 3 Abs.
1 Nr. 2, 5 Abs. 2 MVergV dagegen verhindert diese Unsicherheit und hohe Kosten, in
dem sie von vorneherein festlegt, ab welchem Umfang eine im Einzelfall geleistete
Mehrarbeit zu einer erheblichen und damit grundsätzlich ausgleichspflichtigen
Mehrbeanspruchung eines Beamten führt.
Hinter diesen gewichtigen Interessen tritt das Interesse der teilzeitbeschäftigten
Beamten an einer Gleichbehandlung mit den vollzeitbeschäftigten Beamten, das hier im
Übrigen ein rein finanzielles Interesse ist, zurück. Dies ergibt sich aus den
hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und den rechtlichen Grundlagen
der MVergV. Beamte sind nach § 78a LBG und den vergleichbaren Regelungen im
Bundesrecht und den Beamtengesetzen der anderen Länder grundsätzlich verpflichtet,
in gewissem Umfang Mehrarbeit über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ohne
zusätzliche Besoldung zu leisten. Dies folgt aus den das Beamtenverhältnis prägenden
Strukturprinzipien, wonach sich der Beamte durch die Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verpflichtet, sich voll für den Dienstherrn einzusetzen
und diesem seine gesamte Persönlichkeit, Arbeitskraft und Lebensleistung zur
Verfügung zu stellen. Im Gegenzug zu dieser umfassenden Dienstverpflichtung und
Dienstleistung gewährt der Dienstherr dem Beamten auf Lebenszeit eine
amtsangemessene Alimentation,
44
vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83, BVerfGE 71, 39; Beschluss
vom 15. Mai 1985 - 2 BvL 24/82 -, BVerfGE 70, 69, mwNw.
45
Im Rahmen dieses gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses ist der Beamte
grundsätzlich verpflichtet - ohne dass dies in irgendeiner Form einen Anspruch auf
Leistungen des Dienstherrn auslösen würde - Mehrarbeit zu leisten, wenn zwingende
46
dienstliche Verhältnisse dies erfordern. Die Mehrarbeitsvergütung nach der MVergV ist
ihrerseits dazu bestimmt, sofern die zu leistende Mehrarbeit zu einer erheblichen
Mehrbeanspruchung führt und diese nicht durch die Gewährung von Freizeit
ausgeglichen werden kann, für diese fehlende Kompensation einen finanziellen
Ausgleich zu leisten. Dabei hat die Mehrarbeitsvergütung aber nicht den Charakter einer
Besoldung oder gar eines stundenbezogenen Entgelts für geleistete Arbeitsstunden,
sondern gleicht lediglich den Verlust an Freizeit durch die aus zwingenden dienstlichen
Gründen nicht mögliche Kompensation aus. Denn die Zahlung einer
„Überstundenvergütung" nach der allein arbeitsrechtlichen Grundvorstellung, dass das
Gehalt anteilig jede Arbeitsstunde abgelte, ist mit den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums unvereinbar,
vgl. Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand Februar 2005, § 72
(enthält die zu §§ 78, 78a LBG vergleichbaren Regelungen für Bundesbeamten) Rn 22
mwNw zur Rsprg.
47
Die Mehrarbeitsvergütung hat daher im rechtlichen Gefüge des Beamtenverhältnisses
erkennbar nicht die hervorgehobene Bedeutung, die ihr die Klägerin als Bestandteil
ihrer Besoldung zumisst.
48
Schließlich steht die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für den Fall eines
fehlenden Freizeitausgleichs ihrerseits gemäß § 72 Abs. 2 S. 3 Bundesbeamtengesetz
(BBG), § 78a Abs. 2 S. 1 LBG im Ermessen des Besoldungsgesetzgebers. Besteht aber
auf Grund der geltenden Rechtslage nicht einmal die Verpflichtung, eine solche
Mehrarbeitsvergütung für Beamte vorzusehen, so hat der Gesetzgeber, wenn er sich zur
Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung entscheidet, einen weiten
Gestaltungsspielraum, der auch die Einführung einer solchen starren
Mindeststundenzahl für alle Beamten deckt. Die hieraus folgende Ungleichbehandlung
der teilzeitbeschäftigten Beamten ist im Ergebnis objektiv durch das überwiegende
öffentliche Interesse an Rechtsklarheit und der Minimierung des Verwaltungsaufwandes
gerechtfertigt. Die Klägerin hat daher auch unter Berücksichtigung des
gemeinschaftsrechtlichen Entgeltgleichheitsgrundsatzes und des
Diskriminierungsverbots für Teilzeitbeschäftigte dem Grunde nach nur Anspruch auf
Mehrarbeitsvergütung für im Februar und März 2004 geleistete, die Bagatellgrenze
überschreitende Unterrichtsstunden. - Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass die
Bagatellgrenze unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH aus dem Jahre
1994 insgesamt nicht anwendbar sei, geht das Gericht zunächst davon aus, dass sich
die Klägerin auf die Entscheidung des EuGH vom 15. Dezember 1994,
49
EuGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 - C-399/92 - Slg. d. Rsprg. 1994, S. I- 05727,
50
bezieht. In diesem Urteil hat der EuGH sich mit der Vereinbarkeit einer tarifvertraglichen
Regelung zur Zahlung eines Überstundenzuschlags mit dem
Entgeltgleichheitsgrundsatz im Hinblick auf Teilzeitbeschäftigte beschäftigt. Aus diesem
Urteil lässt sich jedoch nichts für oder gegen die konkrete beamtenrechtliche
Mindeststundengrenze des § 3 Abs. 1 Nr. 2 MVergV herleiten. Die Entscheidung des
EuGH betraf ausschließlich tarifrechtliche Regelungen. Ihr kommt daher für das
Beamtenrecht keine Relevanz zu.
51
Die Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung für die nach den vorstehenden Ausführungen
maßgeblichen 14 Mehrarbeitsstunden aus Februar und März 2004 ist jedoch aufgrund
52
der erfolgten Kompensation durch Freizeitausgleich in einem Umfang von 10 nicht
anrechenbaren Ausfallstunden ausgeschlossen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV
besteht Anspruch auf die Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung nur dann, wenn die
Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb
eines Jahres ausgeglichen werden kann. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass
eine Verrechnung nur innerhalb des Kalendermonats erfolgen dürfe, weist das Gericht
darauf hin, dass der in Ziffer 4.2. des Runderlasses des Kultusministeriums vom 11. Juni
1979 (GABL. NRW. S. 296) - BASS 21-22 Nr. 21 - genannte Verrechnungszeitraum
eines Kalendermonats nur für die Feststellung gilt, ob in einem Monat überhaupt
Mehrarbeit angefallen ist. Davon zu unterscheiden ist die weitere Frage, ob die ggfs. in
einem Monat geleistete Mehrarbeit durch Minderarbeit in Form von nicht anrechenbaren
Ausfallstunden in den Folgemonaten - insoweit gilt dann die Jahresfrist der MVergV -
gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV kompensiert wurde. Ausweislich der beiden
Aufstellungen der Schulleitung des Gymnasiums I vom 17. September 2004 und 15.
März 2005 ist die Klägerin per Saldo im Monat Mai 2004 vier, im Monat Juli 2004 fünf
und im Monat November 2004 eine Unterrichtsstunde unter ihrer individuellen
Pflichtstundenzahl geblieben. Diese Ausfallstunden sind zur Verrechnung
heranzuziehen. Dabei kann auch die als Monatssaldo für November 2004 angefallene
einzelne Ausfallstunde zur Kompensation herangezogen werden. Die gesetzlichen
Regelungen der MVergV sehen nicht vor, dass auch für „Minderstunden", die sich als
Monatssaldo ergeben, eine sogenannte Bagatellgrenze gilt, d.h. dass Ausfallstunden
erst ab einem Negativsaldo von monatlich vier Stunden zur Kompensation von
Mehrarbeit herangezogen werden dürfen. Eine solche Betrachtungsweise ließe sich
auch nicht mit den Grundsätzen der Lehrerarbeitszeit vereinbaren, da die Lehrkraft auf
derartige nicht anrechenbare Ausfallstunden keinen Rechtsanspruch hat und die
Heranziehung zur Kompensation daher auf dem Umweg der Verrechnung mit
Mehrarbeit über einen längeren Zeitraum betrachtet die Erfüllung des
Pflichtstundendeputats sicherstellt. - Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass die
von der Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Juni 2005 durchgeführte Verrechnung aller in der
Zeit von Dezember 2003 bis November 2004 angefallener Mehrarbeitsstunden und
nicht anrechenbarer Ausfallstunden zur Ermittlung einer verbleibenden nicht
kompensierten Mehrarbeitsstundenzahl von jedenfalls 14 Stunden nicht in Betracht
kommt, da hinsichtlich der ab Mai 2004 angefallenen Mehrarbeitsstunden kein Antrag
auf Vergütung bzw. Besoldung gestellt worden ist und es insoweit bereits an der
Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens fehlt. Diese Mehrarbeitsstunden haben
daher außer Betracht zu bleiben.
Die Klägerin hat daher im Ergebnis nur im Umfang von vier Mehrarbeitsstunden
Anspruch auf die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung nach dem Stundensatz des §
4 Abs. 3 Nr. 4 MVergV in der bis zum 31. März 2004 geltenden Höhe von 24,74 Euro, da
nach dem Ausgleich durch Ausfallstunden noch die „jüngsten" verbleibenden vier
Mehrarbeitsstunden aus März 2004 zu vergüten sind. Ihr Anspruch beläuft sich daher
insgesamt auf 98,96 Euro.
53
Die Klägerin hat darüber hinaus keinen - mit dem erfolglosen Hauptantrag geltend
gemachten - aus Art. 141 EGV i.V.m. den Richtlinien 75/117/EWG und 97/81/EG
folgenden Anspruch auf zeitanteilige Besoldung der dem Grunde nach
vergütungsfähigen 4 Mehrarbeitsstunden aus der für sie maßgeblichen
Besoldungsgruppe A 14. Die nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 MVergV vorgesehene Höhe der
Vergütung von 24,74 Euro pro Stunde steht mit unmittelbar geltendem
Gemeinschaftsrecht in Einklang:
54
a.A. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -; VG Minden, Urteil vom 16.
Februar 2005 - 4 K 123/01 -.
55
Aus Art. 141 EG-Vertrag in Verbindung mit der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom
10. Februar 1975 (ABl. Nr. L 045 S. 19) und der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15.
Dezember 1997 (ABl. Nr. L 014 S. 9) ergibt sich kein Anspruch der teilzeitbeschäftigten
Klägerin auf zeitanteilige Besoldung der geleisteten Mehrarbeitsstunden anstelle der in
§ 4 Abs. 3 Nr. 4 MVergV vorgesehenen Mehrarbeitsvergütung. Denn die nach
nationalem Recht vorgesehene Vergütung nach der MVergV führt nicht zu einer dem
o.g. unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrecht widersprechenden Ungleichbehandlung
der teilzeitbeschäftigten Klägerin im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Lehrern.
56
Nach Art. 141 EGV in Verbindung mit den Richtlinien 75/117/EWG und 97/81/EG gilt der
Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger
Arbeit sowie das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter.
57
Art. 141 EGV und die seiner Umsetzung dienende Richtlinie 75/117/EWG zielen auf die
Beseitigung bestehender unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierungen zwischen
Männern und Frauen bei der Bezahlung. Der in ihnen verankerte Grundsatz des
gleichen Entgelts beinhaltet, dass für gleiche oder gleichwertige Arbeit jede
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile
und -bedingungen verboten ist, soweit die unterschiedliche Behandlung nicht durch ein
Ziel objektiv gerechtfertigt ist, das nichts mit der Zugehörigkeit zu einem bestimmten
Geschlecht zu tun hat oder zur Erreichung des verfolgten Ziels nicht erforderlich ist,
58
vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - C 381/99 - „Brunnhofer", Sammlung der
Rechtsprechung (Slg. d. Rsprg.) 2001, S. I - 04961; Urteil vom 27. Mai 2004 - C-285/02 -
„Elsner-Lakeberg", NVwZ 2004, S. 1103.
59
Durch die Richtlinie 97/81/EG wurde die im Jahr 1997 zwischen den europäischen
Sozialpartnern geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in
Gemeinschaftsrecht überführt. Den Mitgliedstaaten wurde aufgegeben, die für die
Umsetzung in nationales Recht erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis
zum 20. Januar 2000 in Kraft zu setzen. § 4 - der mit „Grundsatz der
Nichtdiskriminierung" überschrieben ist - bestimmt insbesondere, dass
Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie
teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter
behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus
objektiven Gründen gerechtfertigt.
60
Die Klägerin fällt zunächst nach den oben bereits zur sogenannten Bagatellgrenze
gemachten Ausführungen in den Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen.
61
Die Klägerin wird durch die Höhe der Mehrarbeitsvergütung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 4
MVergV jedoch nicht im Sinne dieser Bestimmungen gleichheitswidrig benachteiligt.
62
Der Entgeltgleichheitsgrundsatz aus Art. 141 EGV i.V.m. Richtlinie 75/117/EWG
verbietet eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in
Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen bei gleicher oder
gleichwertiger Arbeit. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn ein Entgelt zwar
63
unabhängig vom Geschlecht der Arbeitnehmer bestimmt wird, im Ergebnis jedoch
überwiegend die Arbeitnehmer des einen Geschlechts ein geringeres Entgelt erhalten
und wenn dieses Ergebnis nicht aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist,
vgl. EuGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 - C-399/92 - „Helmig u.a.", aaO; Geiger, aaO,
Art. 141 Rn 9; Langenfeld in: Grabitz/Hilf, aaO, Art. 141 Rn 30 ff..
64
Dies kann für Teilzeitbeschäftigte der Fall sein, wenn in dieser Gruppe von Beschäftigen
im Vergleich zur Gruppe der Vollzeitbeschäftigten der Frauenanteil überwiegt,
65
vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 1994 - C-399/92 - „Helmig u.a.", aaO; Langenfeld in:
Grabitz/Hilf, aaO, Art 141 Rn 31 f..
66
Der EuGH hat für Teilzeitbeschäftigte weitergehend den Grundsatz entwickelt, dass
eine solche geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung immer dann vorliegt, wenn bei
gleicher Stundenzahl, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet wird, die den
Vollzeitbeschäftigten gezahlte Gesamtvergütung höher ist als die den
Teilzeitbeschäftigten gezahlte,
67
vgl. EuGH, Urteil vom 15. Dezember 1994, - C-399/92 - „Helmig u.a.", aaO; Urteil
68
vom 13. Mai 1986 - Rs. 170/74, NJW 1986, 3020.
69
Zwar geht das Gericht unter Bezugnahme auf die Feststellungen des VG Minden und
des OVG NRW ebenfalls von einem Überwiegen des Frauenanteils in der Gruppe der
teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte aus,
70
vgl. insoweit VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2005 - 4 K 123/01 -; OVG NRW, Urteil
vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -.
71
Anhaltspunkte dafür, dass sich bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine
erhebliche Veränderung der festgestellten Verhältnisse ergeben hat, sind für das Gericht
nicht ersichtlich. Das Überwiegen des Frauenanteils in der Gruppe der
Teilzeitbeschäftigten entspricht auch der Lebenserfahrung.
72
Die teilzeitbeschäftigte Klägerin erhält jedoch im Vergleich zu einem
vollzeitbeschäftigten Lehrer für die von ihr im März 2004 insgesamt geleisteten
Unterrichtsstunden - Regelarbeitszeit als auch Mehrarbeitsstunden - keine niedrigere
Gesamtvergütung als sie einem Vollzeitbeschäftigten für den gleichen Stundenumfang
gezahlt wird.
73
Die Klägerin erhält nämlich für die von ihr im Rahmen ihrer Teilzeitbeschäftigung
regelmäßig zu leistende individuelle Pflichtstundenzahl von 18 Unterrichtsstunden pro
Woche dieselbe Besoldung wie sie ein vollzeitbeschäftigter Lehrer anteilig für 18
Unterrichtsstunden erhält. Die Besoldung wird nicht etwa aufgrund der
Teilzeitbeschäftigung als solcher insgesamt gegenüber der Vollzeitbesoldung
vermindert, sondern gemäß § 6 BBesG lediglich entsprechend dem Verhältnis der
reduzierten Pflichtstundenzahl zur Regelarbeitszeit Vollzeitbeschäftigter gekürzt, ohne
dass hierbei ein weiterer Abzug wegen der Leistung „nur" von Teilzeitarbeit
vorgenommen wird. Für die von der Klägerin zusätzlich, d.h. zu ihrer individuellen
Pflichtstundenzahl, geleisteten vier weiteren Unterrichtsstunden erhält sie denselben
74
Mehrarbeitsstundensatz nach der MVergV wie ihn ein vollzeitbeschäftigter
Gymnasiallehrer erhält, der über seine regelmäßige Arbeitszeit von 25,5 Stunden
hinaus zusätzlichen Unterricht erteilt. Die Klägerin wird also bezüglich beider
Entgeltbestandteile - also sowohl im Hinblick auf die Höhe der Regelbesoldung, als
auch im Hinblick auf die Höhe der Mehrarbeitsvergütung - mit vollzeitbeschäftigten
Lehrern gleich behandelt.
Dieser gesonderte Vergleich der Regelbesoldung einerseits und der
Mehrarbeitsvergütung andererseits zur Feststellung einer Ungleichbehandlung
teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer hinsichtlich des Entgelts entspricht auch den
Grundsätzen des EuGH zum Entgeltgleichheitsgrundsatz. Der EuGH hat in seinem die
Mehrarbeitsvergütung von teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen betreffenden Urteil vom 27.
Mai 2004 ausdrücklich festgestellt, dass die Einhaltung des Grundsatzes des gleichen
Entgelts für jeden einzelnen Bestandteil des den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
gezahlten Entgelts gesondert zu prüfen ist:
75
vgl. EuGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - C 285/02 - „Elsner-Lakeberg", aaO: „Folglich sind
die Entgelte für die Regelarbeitszeit und die Mehrarbeitsvergütung gesondert zu
vergleichen"; ebenso bereits Urteil vom 15. Dezember 1994 - C-399/92 -, „Helmig u.a.",
aaO, wo die Überstundenvergütung für Teilzeitbeschäftigte mit der für
Vollzeitbeschäftigte gesondert verglichen wurde; Urteil vom 26. Juni 2001, - C-381/99 -
„Brunnhofer", aaO.
76
In seinem die Mehrarbeitsvergütung betreffenden Urteil vom 27. Mai 2004 sieht der
EuGH Anknüpfungspunkte für die Möglichkeit einer - ggf. von den nationalen Gerichten
festzustellenden - Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Lehrerinnen in Bezug auf die
Mehrarbeitsvergütung nach der MVergV nur im Hinblick auf die in §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 5
Abs. 2 Nr. 1 MVergV enthaltene „starre" Mindeststundenzahl, die sog. Bagatellgrenze.
Mit dieser rechtlichen Bewertung bringt der EuGH aber zugleich zum Ausdruck, dass er
die Differenzierung zwischen einer Besoldung der individuellen Regelarbeitszeit einer
teilzeitbeschäftigten Lehrerin einerseits und der Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung
ab dem Überschreiten dieser individuellen Regelarbeitszeit andererseits als mit dem
gemeinschaftsrechtlichen Entgeltgleichheitsgrundsatz im Einklang stehend bewertet.
77
Zu dieser Rechtsprechung des EuGH in Widerspruch setzt sich aber eine
Betrachtungsweise, die zur Feststellung einer Benachteiligung bezüglich des Entgelts
die von einer teilzeitbeschäftigten Lehrerin zusätzlich zu ihrer individuellen
Pflichtstundenzahl geleisteten Unterrichtsstunden mit den entsprechenden
Unterrichtsstunden gleichsetzt, die ein vollzeitbeschäftigter Lehrer noch im Rahmen
seiner höheren regelmäßigen wöchentlichen Regelarbeitszeit erbringt,
78
vgl. Betrachtungsweise des OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -.
79
Ein solcher Vergleich von Mehrarbeitsstunden einerseits und im Rahmen der
Regelarbeitszeit erbrachter Unterrichtsstunden andererseits geht aber auch aus
anderen Gründen ins Leere. Bei den hier in Rede stehenden zusätzlichen
Unterrichtsstunden der teilzeitbeschäftigten Klägerin, die diese über ihre individuell
niedrigere Arbeitszeit hinaus erbringt, handelt es sich im Vergleich zu einem
vollzeitbeschäftigten Lehrer der gleichen Besoldungsgruppe, der diese
Unterrichtsstunden im Rahmen seiner höheren regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
leistet, nicht um gleiche bzw. gleichwertige Arbeit, wie sie für die Anwendbarkeit des Art.
80
141 EGV i.V.m. Art. 1 der Richtlinie 75/117/EWG erforderlich ist,
a.a. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -; VG Minden, Urteil vom 16.
Februar 2005 - 4 K 123/01 -.
81
Denn die Teilzeitarbeit im Beamtenverhältnis unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit
im Beamtenverhältnis nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht,
82
vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 15. Mai 1985 - 2 BvL 24/82 -,
BVerfGE 70, 69; Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 -, BVerfGE 71, 39 beide
mwNW zur Rsprg.; BVerwG, Urteil vom 11. März 1999 - 2 C 18/98 -, NVwZ-RR 1999,
767; OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2004 - 1 A 2323/02 - (Jurisdokument-Nr. MWRE
204012246); a.A. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -.
83
Dem steht nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. November
1997 entgegen,
84
vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1997 - 1 BvL 12/91, NJW 1998, 1215 (1216),
„Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in
qualitativer Hinsicht.".
85
Dieser Beschluss betraf ausschließlich die Teilzeitbeschäftigung in privatrechtlich
begründeten Arbeitsverhältnissen. Das BVerfG führt im vorgenannten Beschluss an
anderer Stelle ausdrücklich aus, dass die Restriktionen, denen eine
Teilzeitbeschäftigung von Beamten unterliegt, zu keiner Zeit für privatrechtlich
begründete Arbeitsverhältnisse übernommen worden sind und hebt den qualitativen
Unterschied zwischen der Teilzeitbeschäftigung eines Beamten und der eines
privatrechtlichen Arbeitnehmers hervor.
86
Nicht die Teilzeitbeschäftigung, sondern die Vollzeitbeschäftigung auf Lebenszeit bildet
aber seit jeher das Leitbild und den wesentlichen Strukturinhalt, der das
Beamtenverhältnis kennzeichnet,
87
vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 -, aaO, mwNw zur Rsprg.
88
Durch die Berufung in das Beamtenverhältnis wird der Beamte verpflichtet, sich voll für
den Dienstherrn einzusetzen und diesem seine gesamte Persönlichkeit, Arbeitskraft und
Lebensleistung zur Verfügung zu stellen. Dieser Pflicht steht als Korrelat die
Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn gegenüber, die sich von ihrer Grundlage her
prinzipiell nicht aufteilen lässt und dem seiner Struktur nach als umfassende Einheit zu
verstehenden Dienstverhältnis entspricht,
89
vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 -, aaO.
90
Die Dienstbezüge sind daher die vom Staat festzusetzende öffentlich-rechtliche
Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass der Beamte sich ihm auf Lebenszeit mit
seiner ganzen Persönlichkeit, Arbeitskraft und Lebensleistung zur Verfügung stellt. Die
Besoldung stellt daher - anders als die Vergütung oder Entlohnung von Angestellten
und Arbeitern - keine unmittelbare Gegenleistung für eine konkret erbrachte
Arbeitsleistung dar. Die Besoldung steht im Gegensatz zu privatrechtlichen
Arbeitsverhältnissen mit der konkreten Arbeitsleistung gerade nicht in einem
91
Synallagma, sondern sichert den Beamten einen von der konkreten Arbeitsleistung
unabhängigen, amtsangemessenen Lebensunterhalt. Hierbei verkennt das Gericht
nicht, dass diese Funktion der Alimentation grundsätzlich auch im Zusammenhang mit
der Dienstverpflichtung und Dienstleistung des Beamten gesehen werden muss. Sie
steht aber nicht in einem vergleichbar engen - stundengenau ausrechenbaren -
Verhältnis, wie dies in privaten Arbeitsverhältnissen der Fall ist.
Wird einem Beamten Teilzeitbeschäftigung bewilligt, so wird zwar seine
Dienstleistungspflicht nur in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Hierdurch wird aber das
dem Beamtenverhältnis zugrunde liegende Grundprinzip des Einsatzes der ganzen
Arbeitskraft auf Lebenszeit gegen die Zahlung einer amtsangemessenen Alimentation
auf Lebenszeit durchbrochen. Das „Teilzeit-Beamtenverhältnis" ist daher zu dem
Beamtenverhältnis eines Vollzeitbeamten aufgrund dieser Durchbrechung der
prägenden Strukturmerkmale ein Aliud.
92
Durch die Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung an die Klägerin - zuletzt mit Schreiben
vom 10. Januar 2003 (Beiakte Heft 3) - wurde ihr Beamtenverhältnis daher auf eine
qualitativ andere Basis, die der Teilzeitbeschäftigung, gestellt. Ihr Beamtenverhältnis
wurde hierdurch hinsichtlich ihrer Dienstverpflichtung in Abweichung von § 78 LBG und
§ 2 der Verordnung zu § 5 SchulFG vom 22. April 2002 (SGV.NRW Gliederungs-Nr.
223) auf der Basis einer individuellen wöchentlichen Arbeitszeit von 18
Unterrichtsstunden neu definiert. Für die Beurteilung aller weiteren
besoldungsrechtlichen Fragen ist daher ausschließlich dieses qualitativ veränderte
„Teilzeit-Beamtenverhältnis" maßgeblich. Vergütbare Mehrarbeit liegt aber für alle
Beamten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 MVergV erst bei Überschreitung ihrer regelmäßigen
Arbeitszeit vor. Durch die Teilzeitbewilligung ist die maßgebliche regelmäßige
Arbeitszeit der Klägerin ihre individuelle wöchentliche Arbeitszeit von 18
Unterrichtsstunden. Mithin ist jede von der Klägerin über diese individuelle
Regelstundenzahl hinaus geleistete Unterrichtsstunde Mehrarbeit im Sinne der MVergV
und aufgrund der Ableistung zusätzlich zu ihrer individuellen Teilzeitdienstverpflichtung
mit der Leistung derselben Stunde im Rahmen eines Vollzeitbeamtenverhältnisses nicht
vergleichbar.
93
Eine rechtfertigungsbedürftige gemeinschaftsrechtswidrige Ungleichbehandlung der
teilzeitbeschäftigten Klägerin gegenüber einem vollzeitbeschäftigten Lehrer liegt nicht
vor.
94
Die Klägerin wird aus den o.g. Gründen auch nicht entgegen § 78g LBG aufgrund ihrer
Teilzeitbeschäftigung rechtfertigungsbedürftig unterschiedlich zu einer Vollzeitlehrkraft
behandelt.
95
Die Zulassung der Berufung ist gemäß § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 VwGO erfolgt, weil das
Gericht mit seinem Urteil von der Entscheidung des OVG RW vom 30. Juni 2003 - 6 A
4424/01 - abweicht und das Urteil auf dieser Abweichung beruht.
96
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
Zivilprozessordnung (ZPO).
97
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