Urteil des VG Düsseldorf vom 23.11.2006

VG Düsseldorf: eingriff, plangenehmigung, landschaft, gewässer, abgrabung, zustand, lwg, biotop, schutzzone, verursacher

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 3932/04
Datum:
23.11.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3932/04
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit
hinsichtlich der Auflage 0.0 Abs. 3 der Plangenehmigung des Beklagten
vom 12. Mai 2004 in der Fassung vom 21. Dezember 2005 für erledigt
erklärt haben.
Der Beklagte wird verpflichtet, unter teilweiser Änderung seines
Plangenehmigungsbescheides vom 12. Mai 2004 (Az.: 00-0/00.00.00) in
der Fassung vom 21. Dezember 2005 über die Nebenbestimmung unter
10. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung des
Verfahrens zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin betreibt genehmigterweise in der im Stadtgebiet der Stadt S zwischen den
Ortsteilen W und C gelegenen G1 die Herstellung eines grundwassergespeisten
Gewässers zwecks Gewinnung von Sand und Kies für die Herstellung von Bausanden
und Betonkiesen (sogenannte Abgrabung I).
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Unter dem 16. Januar 2003 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin des
Beklagten die Erteilung einer Plangenehmigung zur 6. Erweiterung der
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plangenehmigten Abgrabung zur Herstellung bzw. Vergrößerung eines Gewässers mit
einer zusätzlichen Eingriffsfläche von ca. 15,1 ha und einem Abbauvolumen von ca.
1.050.000 m³ im Südosten des genehmigten Abgrabungsbereichs nördlich des Weges
W1 unter Inanspruchnahme der in der G2 gelegenen, im Wesentlichen
landwirtschaftlich als Grünland und Streuobstwiese genutzten Flurstücke 47 (tlw.) und
546 (tlw.) als Abgrabungsflächen sowie unter Einbeziehung genehmigter Schutzstreifen
und Böschungen gemäß der unter dem 14. Februar 1999 bestandskräftig genehmigten
Abgrabung "I - Änderungsfassung" als zusätzlicher Abbauflächen auf den Grundstücken
G1, Flurstücke 41, 43 (tlw.), 44 (tlw.), 180 und 303 (tlw.). Wegen der Einzelheiten wird
auf die Antragsunterlagen Bezug genommen.
Zugleich stellte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten den Antrag auf
Erteilung einer Plangenehmigung zu der südöstlich des bestehen bleibenden Weges
W1 und damit der plangenehmigten Abgrabung ansetzenden 7. Erweiterung zur
Herstellung eines bzw. der Erweiterung des dort vorhandenen grundwassergespeisten
Gewässers mit einer zusätzlichen Eingriffsfläche von ca. 15,65 ha und einem
Abbauvolumen von ca. 1.700.000 m³ unter Inanspruchnahme der vorwiegend als
Ackerland genutzten Flächen G1, Flurstücke 162, 163 (tlw.), 164, 165, 166 (tlw.), 207,
208, 210 und 211 sowie Stadt E, G3, Flurstück 10 (tlw.). Wegen der Einzelheiten wird
auf die Unterlagen dieses Antrags Bezug genommen.
4
Ausweislich beider Anträge soll das abgebaute Material auf dem genehmigten
Betriebsgelände G1, Flurstücke 166 (tlw.), 168, 169 (tlw.), 389 (tlw.) und 390 (tlw.)
aufbereitet und von dort zur Verwertung abtransportiert werden.
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Die Bereiche der beantragten 6. und 7. Erweiterung befinden sich in Nachbarschaft zum
Trinkwasserschutzgebiet C1. Ausweislich der zu beiden Anträgen eingereichten
Antragsunterlagen zu den herzustellenden Böschungsneigungen sollte der Abbau in
einer Regelneigung von 1:3 über Wasser, 1:5 im Grundwasserschwankungsbereich und
1:3 unter Wasser bis zur Sohle in einer Tiefe von ca. 6,5 m ü.NN erfolgen. Die Klägerin
ging bei der jeweiligen Antragstellung insoweit von folgender "Ausgangssituation" aus:
6
Ausgehend von einer mittleren Geländehöhe von ca. 25,0 m ü.NN sowie einem
mittleren Grundwasserstand von ca. 17,75 m ü.NN betrage der Grundwasserflurabstand
ca. 7,25 m; in den Rinnen stehe Grundwasser im Mittel in ca. 5,25 m Tiefe an. Der obere
Grundwasserspiegel sei dabei durch massive Sümpfungsmaßnahmen der LINEG
7
- Linksniederrheinische Entwässerungs-Genossenschaft als Körperschaft des
öffentlichen Rechts mit Sitz in L -
8
gegenüber der natürlichen Situation abgesenkt. Ausgewiesene Wasserschutzzonen
seien im Antragsbereich nicht vorhanden. Der Antragsbereich liege auch nicht in einem
faktischen Einzugsbereich der Trinkwassergewinnung.
9
Dieser mittlere Grundwasserabstand wird in den zu beiden Vorhaben gehörenden
Karten mit der zeichnerischen Darstellung der Böschungsbereiche bis hinunter zur
Abbausohle auf einer Höhe von "ca. 6,5 m ü.NN" als "Mittelwasserlinie ca. 17,75 m
ü.NN" bezeichnet.
10
Ferner sollte zur Kompensation der Eingriffsfolgen die jeweilige Vorhabenfläche
ausweislich der eingereichten Antragsunterlagen zum Zwecke der Biotopentwicklung
11
mit dem Ziel des Biotopschutzes und der Landschaftspflege nach der Auskiesung
hergerichtet werden. Die Klägerin ließ in den Antragsunterlagen den Umfang der
Kompensationsmaßnahmen unter Bezugnahme auf das "Bewertungsverfahren für
Kompensationsmaßnahmen bei Eingriffen in die Landschaft" nach Adam/Nohl/Valentin,
1986 (Hrsg.: Der Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes
Nordrhein-Westfalen - MURL NRW -) - sogenanntes MURL-Verfahren - darstellen. Im
Rahmen der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanzierung wurde die Bewertung der
Freiwasserzone bei den vorgelegten Berechnungen mit der Wertstufe 5 vorgenommen
mit folgender Begründung:
Dieser Bereich erfülle zum Teil wichtige Funktionen, z. B. innerhalb des
Nährstoffhaushaltes. Darüber hinaus sei der Wasserkörper Lebensstätte für eine
Vielzahl von Mikro- und auch eine nennenswerte Zahl von Makro-Organismen. Die
vorläufige Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Biotope enthalte in ihrer
Aufzählung die Verlandungsbereiche stehender Gewässer (wobei intakte Land- und
Wasserbiotope ausdrücklich erwähnt würden), meso- und eutrophe Stillgewässer, Groß-
und Kleinröhrichte sowie Kleingewässer. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass ein
nicht unwesentlicher Anteil an wertvollen Feuchtgebieten durch den Abbau von Steinen
und Erden entstanden sei.
12
In der Kompensationsberechnung zur beantragten 6. Erweiterung berechnete die
Klägerin die ökologischen Einheiten bezogen auf die Gesamtfläche des
Erweiterungsvorhabens von 151.000 m² nach ihren Biotoptypen laut tatsächlichem bzw.
genehmigtem Bestand auf 630.400 unter Zugrundelegung insbesondere der
Freiwasserfläche von 36.000 m² in Wertstufe 5 als Multiplikator mit 180.000
ökologischen Einheiten und bezifferte den erforderlichen Kompensationsbedarf
rechnerisch mit einem Fünftel der Summe der ökologischen Einheiten aller Biotoptypen
auf 126.080 m². Dem stellte sie insbesondere ausgehend von 502.500 ökologischen
Einheiten des geplanten Freiwassers mit einer Fläche von 100.500 m² in Wertstufe 5
eine anrechenbare Kompensationsfläche von 151.000 m² gegenüber. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Kompensationsberechnung Bezug genommen.
13
In der Kompensationsberechnung zur beantragten 7. Erweiterung berechnete die
Klägerin die ökologischen Einheiten bezogen auf die Gesamtfläche dieses
Erweiterungsvorhabens von 156.500 m² nach dem Bestand aller vorhandenen
Biotoptypen auf 272.100 unter Zugrundelegung insbesondere der Freiwasserfläche von
12.600 m² in Wertstufe 5 mit 63.000 ökologischen Einheiten und der Ackerfläche von
126.000 m² ausgehend von ackerbaulicher Intensivnutzung in Wertstufe 1 mit 126.000
ökologischen Einheiten und bezifferte den erforderlichen Kompensationsbedarf
rechnerisch mit einem Fünftel der Summe der ökologischen Einheiten aller Biotoptypen
auf 54.420 m². Dem stellte sie insbesondere ausgehend von 472.500 ökologischen
Einheiten des geplanten Freiwassers mit einer Fläche von 94.500 m² in Wertstufe 5 eine
anrechenbare Kompensationsfläche von 156.500 m² gegenüber. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf diese Kompensationsberechnung Bezug genommen.
14
Im Zuge des Plangenehmigungsverfahrens beteiligte die Rechtsvorgängerin des
Beklagten u. a. ihre Untere Landschaftsbehörde - ULB - und die LINEG.
15
Unter dem 26. Januar 2004 nahm die ULB sachlich dahin Stellung, die mit den Anträgen
eingereichte Kompensationsberechnung wäre ihren Standards entsprechend zu
überarbeiten. Sie setzte die Ackerfläche im Bestand für die beantragte 7. Erweiterung
16
mit der Wertstufe 2 statt 1 an und die Freiwasserbereiche nach Maßgabe von Bestand
und geplanter Situation für beide Vorhaben jeweils mit der Wertstufe 1 statt 5. Auf dieser
Grundlage errechnete sie ein Kompensationsdefizit von insgesamt 11.200 m². Wegen
der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vorlage vom 26. November 2003 für die Sitzung
des Landschaftsbeirats am 8. Dezember 2003 und die Stellungnahme der ULB vom 26.
Januar 2004 nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 30. März 2004 nahm die LINEG u. a. wie folgt Stellung:
17
Eine Auswirkung der Auskiesungserweiterung auf das Trinkwasserschutzgebiet C1 sei
zu erwarten. In den übersandten Unterlagen sei keine Untersuchung der Auswirkungen
auf die Schutzzone enthalten. Der mittlere (Grund-)Wasserstand liege nicht bei 17,75 m,
sondern bei 16,90 m. Es sei jedoch mit einem natürlichen Schwankungsbereich von 1 -
1,5 m zu rechnen. Vor Beginn der Rekultivierungsmaßnahmen sollten bei ihr die
zukünftig zu erwartenden Wasserstände angefragt werden.
18
Im Übrigen wird auf den Inhalt dieses Schreibens Bezug genommen.
19
Nach Anhörung der Klägerin erteilte die Rechtsvorgängerin des Beklagten ihr unter
Bezugnahme auf die Anträge vom 16. Januar 2003 die Plangenehmigung "für die
Durchführung eines Verfahrens gemäß § 31 Abs. 3 WHG für die geplante Erweiterung
der Abgrabung in der G2 und G1, verschiedene Flurstücke ("6. und 7. Erweiterung C")"
mit Datum vom 12. Mai 2004 - zugestellt am 14. Mai 2004 - u. a. mit den folgenden
Nebenbestimmungen:
20
"6. Herrichtung
21
...
22
6.3 Böschungsherstellung
23
Die Böschungen sind von der Geländehöhe bis zum höchsten Grundwasserstand im
Verhältnis 1:3, von dort bis 2 m unter dem mittleren Wasserspiegel im Verhältnis 1:5,
darunter bis zur Baggersohle im Verhältnis 1:3 nach Maßgabe das
landschaftspflegerischen Begleitplanes herzustellen.
24
Zur Feststellung, ob die der Planung zugrundeliegenden prognostizierten
Grundwasserstände sich tatsächlich einstellen, ist in die entstehenden Seen je eine
Pegellatte zu setzen, sobald das Grundwasser freigelegt ist.
25
Die Genehmigungsbehörde behält sich vor, eine Neuregelung der
Böschungsgestaltung zu fordern, wenn sich nach dem Ergebnis der von der LINEG
durchzuführenden Prognoseberechnungen andere Grundwasserstände abzeichnen, als
aufgrund der bei Genehmigung bekannten Datenlage angenommen wurde.
26
...
27
10. Ersatzmaßnahmen gemäß § 5 Abs. 1 Landschaftsgesetz (LG NRW)
28
10.1 Zusätzlich zu den im landschaftspflegerischen Begleitplan dargestellten
Kompensationsmaßnahmen sind die durch den abgrabungsbedingten Eingriff
29
hervorgerufenen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch Maßnahmen des
Naturschutzes und der Landschaftspflege außerhalb des Abgrabungsbereiches in einer
Größenordnung von 1,1 ha auszugleichen.
10.2 Diese zusätzlichen Kompensationsmaßnahmen sind bis zum 31.12.2005 in einem
landschaftspflegerischen Begleitplan darzustellen, mit der Genehmigungsbehörde
einvernehmlich abzustimmen und innerhalb 1 Jahres nach Beginn der
Abgrabungsarbeiten in der "6. Erweiterung C" abzuschließen. ..."
30
Wegen des Genehmigungsinhalts im Übrigen wird auf den Bescheid nebst zugehöriger
Antragsunterlagen Bezug genommen.
31
Am 14. Juni 2004 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie den Vorbehalt in Absatz 3
der Nebenbestimmung unter 6.3 und die Nebenbestimmung unter 10. der
Plangenehmigung angegriffen hat.
32
Unter dem 22. Dezember 2005 hat der Beklagte die in der Nebenbestimmung 10.2
enthaltene Frist zur Vorlage eines landschaftspflegerischen Begleitplanes bis zum 31.
Dezember 2006 verlängert.
33
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Nebenbestimmung unter
6.3 Abs. 3 des Plangenehmigungsbescheides wie folgt neu gefasst:
34
"Die Genehmigungsbehörde behält sich vor, für noch nicht im Grobplanum oder weiter
fertig gestellte Böschungen eine Neuregelung der Böschungsgestaltung zu fordern,
wenn sich nach dem Ergebnis der von der LINEG durchzuführenden
Prognoseberechnungen andere Grundwasserstände abzeichnen, als aufgrund der bei
der Genehmigung bekannten Datenlage angenommen wurde."
35
Insoweit haben die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt.
36
Zur Begründung der nunmehr noch gegen die Nebenbestimmungen unter 10. der
Plangenehmigung gerichteten Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:
37
Die Nebenbestimmungen unter 10. des Bescheides seien rechtswidrig, weil sie nicht
von § 5 Abs. 1 LG NRW gestützt würden. Ein hinreichender Ausgleich der
Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und des
Landschaftsbildes, die durch den mit den Abbauvorhaben verbundenen Eingriff
verursacht würden, sei nach Maßgabe des jeweiligen landschaftspflegerischen
Begleitplanes in den Antragsunterlagen gewährleistet. Dies ergebe sich aus den
Kompensationsberechnungen auf der Grundlage des in der Fachwelt und der
Rechtsprechung anerkannten MURL-Verfahrens. Ein davon abweichendes einzig
fachlich anerkanntes und rechtsverbindliches Bewertungsverfahren gebe es nicht. Zu
Beanstandungen bestehe erst dann Anlass, wenn ein Bewertungsverfahren sich als
unzulängliches oder gar als ungeeignetes Mittel erweise. Der Beklagte sei nicht
berechtigt gewesen, die Kompensationsberechnung nach seinen auf dem Verfahren
nach VALENTIN (1998) beruhenden Standards mit dem Ziel abzuändern, einen
höheren Ausgleichsbedarf zu errechnen. Das MURL-Verfahren sei auch für die
Eingriffsbewertung bei Nassabgrabungen geeignet. Das Bewertungsverfahren nach
VALENTIN (1998) sei hingegen fachlich zu beanstanden, weil es zwar herausstelle,
38
dass die Tiefenwasserzone aus limnischer und wasserwirtschaftlicher Sicht von großer
Bedeutung sei, sie aber mit der ökologischen Wertstufe 1 bei weitem zu gering bewerte.
Dies werde ihrer Bedeutung für den Nährstoffhaushalt als Lebensraum einer Vielzahl
von Mikro- und einer nennenswerten Zahl von Makroorganismen, insbesondere Algen,
als Nahrungsraum für Insekten und Vögel, als Lebensraum von Insektenlarven und als
Überwinterungsplatz für Fische und Amphibien nicht gerecht. Dies gelte auch für die
Bewertung der sogenannten Übergangszone zum Flachwasserbereich lediglich mit der
Wertstufe 2. Zudem habe die Beklagte ihre Standards fehlerhaft angewandt, indem sie
bei ihrer Berechnung nur eine Flachwasser- und Tiefwasserzone berücksichtigt habe,
nicht aber die Übergangszone.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
39
die Nebenbestimmungen unter 10. des Plangenehmigungsbescheides des Landrates
des Kreises X1 vom 12. Mai 2004 - Az.: 00-0/00.00.00 - in der Fassung vom 22.
Dezember 2005 aufzuheben,
40
hilfsweise
41
den Beklagten zu verpflichten, unter teilweiser Änderung seines
Plangenehmigungsbescheides vom 12. Mai 2004 - Az.: 00-0/00.00.00 - in der Fassung
vom 22. Dezember 2005 die Nebenbestimmungen unter 10. ersatzlos aufzuheben,
42
äußerst hilfsweise,
43
den Beklagten zu verpflichten, unter teilweiser Änderung des
Plangenehmigungsbescheides der Landrätin des Kreises X1 vom 12. Mai 2004 - Az.:
00-0/00.00.00 - in der Fassung vom 22. Dezember 2005 über die Nebenbestimmungen
unter 10. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden,
44
im Fall der Klageabweisung die Berufung zuzulassen.
45
Der Beklagte beantragt,
46
die Klage abzuweisen.
47
Zur Begründung trägt er insbesondere vor:
48
Die Nebenbestimmung unter 10. sei rechtens, weil sich ein Kompensationsdefizit
ergeben habe. Zwar werde dem jeweiligen Antragsteller grundsätzlich die Wahl eines
Verfahrens zur Darstellung und Bewertung des Eingriffs in den Naturhaushalt und das
Landschaftsbild und zur Ausgleichsbewertung überlassen, aber er - der Beklagte -
überprüfe die vorgelegten Unterlagen und entscheide in eigener Verantwortung über
Vermeidung bzw. Bewertung von Eingriffen und Kompensation, zumal das MURL-
Verfahren die speziellen mit einer Nassabgrabung verbundenen Eingriffe nicht
berücksichtige. Die Unterschiede in der Wertigkeit von Flachwasserzonen bis zu 3 m
Tiefe und der angrenzenden Übergangsbereiche und von Tiefwasserbereichen von
mehr als 6 bis 7 m Tiefe ergäben sich daraus, dass die Flachwasserbereiche und
Übergangszonen für alle am Niederrhein natürlicherweise vorkommenden Pflanzen-
und Tierarten geeignet seien, Tiefwasserbereiche hingegen nur für einzelne Arten.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
des beigezogenen Verwaltungsvorgangs und der beigezogenen Gutachten zum MURL-
Verfahren und zum Verfahren Valentin Bezug genommen.
50
Entscheidungsgründe:
51
Soweit die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit nach § 161 Abs. 2 VwGO
übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren
entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
52
I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unzulässig.
53
Grundsätzlich ist eine auf Aufhebung von belastenden Nebenbestimmungen gerichtete
Anfechtungsklage nach §§ 42 Abs. 1; 44 VwGO statthaft. Dies gilt insbesondere für
einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügte Auflagen oder Auflagenvorbehalte.
54
Gefestigte Rechtsprechung, so Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 22.
November 2000 - 11 C 2.00 -, BVerwGE 112, 221, 224.
55
Eine Plangenehmigung ist - ebenso wie ein Planfeststellungsbeschluss - eine in Gestalt
eines Verwaltungsaktes ergehende behördliche Planentscheidung, die nach
planerischem Ermessen getroffen wird. Belastende Nebenbestimmungen zur
begünstigenden Vorhabenzulassung sind nicht ausgeschlossen.
56
Wird - wie hier - geltend gemacht, eine solche Nebenbestimmung finde im Gesetz keine
Grundlage, so kann dies grundsätzlich mit der Klage auf Aufhebung der
Nebenbestimmung geltend gemacht werden. Ob diese Klage zur isolierten Aufhebung
der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende
Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise
bestehen bleiben kann; dies ist grundsätzlich eine Frage der Begründetheit und nicht
der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit
offenkundig von vornherein ausscheidet.
57
So BVerwG, Urteile vom 19. Januar 1989 - 7 C 31.87 -, BVerwGE 81, 185, 186 und vom
22. November 2000 - 11 C 2.00 -, BVerwGE 112, 221, 224.
58
Eine solche isolierte Aufhebbarkeit der Nebenbestimmungen unter 10. der
Plangenehmigung ist hier ausnahmsweise ausgeschlossen, weil die Prüfung der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung dem eigentlichen Zulassungsverfahren nach §
31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 WHG in Verbindung mit § 100 LWG NRW zwar aufgesattelt
ist, nachdem festgestellt worden ist, dass das Vorhaben nach dem Fachplanungsrecht
zulassungsfähig ist, aber eine Plangenehmigung zur Herstellung eines Gewässers
zwecks Gewinnung von Sand und Kies nach der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung der §§ 18 bis 20 BNatSchG bzw. 4 bis 6 LG in der Ursprungsfassung
vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. in der Änderungsfassung vom 15. Dezember
2005 - GV NRW S. 35 - NRW nur unter Nebenbestimmungen zur Ausgleichs- bzw.
Kompensationspflicht des Verursachers des Eingriffs in Natur und Landschaft ergehen
darf.
59
1. Das von der Klägerin beabsichtigte Abgrabungsvorhaben ist nach § 31 Abs. 2 Satz 1
und Abs. 3 WHG in Verbindung mit § 100 LWG NRW zulassungsbedürftig; denn die
60
Gewinnung von Bodenschätzen - hier von Kies und Sand - mittels Herstellung oder
Erweiterung eines auf Dauer bestehen bleibenden Grundwassersees - wie hier in
Gestalt der 6. und 7. Erweiterung - stellt einen planfeststellungsbedürftigen
Gewässerausbau im Sinne der vorgenannten Vorschriften auch dann dar, wenn es sich
bei der Herstellung des Gewässers um eine nicht erstrebte Nebenfolge handelt.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteile vom 10. Februar 1978 - 4 C 25.75 -
BVerwGE 55, 220, 223 und vom 18. Mai 1990 - 7 C 3.90 - BVerwGE 85, 155, 156.
61
Weil das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurft hat, hat der
Beklagte von der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens absehen und der
Klägerin stattdessen nach § 31 Abs. 3 WHG eine Plangenehmigung erteilen können.
62
2. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung der §§ 18 bis 20 BNatSchG bzw. 4 bis 6
LG in der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. in der
Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - NRW ergänzt die
fachrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen.
63
Auf der Rechtsgrundlage von § 31 Abs. 2 WHG hat der Träger eines Vorhabens in
Gestalt der dauerhaften Freilegung des Grundwassers durch Abbau von Sand und Kies,
wenn dem Vorhaben kein mittels planerischer Abwägung unüberwindbarer
Versagungsgrund entgegen steht, einen Rechtsanspruch darauf, dass die Behörde über
seinen Planfeststellungsantrag bzw. Plangenehmigungsantrag ohne zu seinen Lasten
gehende Abwägungsfehler entscheidet.
64
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Urteil vom
10. Juli 2003 - 20 A 4257/99 -.
65
Ob ein Vorhaben zulassungsfähig ist, muss, auch wenn es die Merkmale eines Eingriffs
im Sinne des Naturschutzrechts erfüllt, zunächst anhand der materiellen Vorgaben der
fachrechtlichen Vorschriften geprüft werden. Soweit darin die Berücksichtigung der
Belange von Natur und Landschaft vorgesehen sind, ergeben diese keinen strikten
Versagungsgrund, sondern gehen in die Abwägung - hier im Rahmen der Prüfung der
Vorhabenzulassung nach § 31 Abs. 2 WHG - ein.
66
Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. März 1997 - 4 C 10.96 -, BVerwGE 104, 144 - 153 = NuR
1997, 404, 405 und vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 -, BVerwGE 112, 140 - 166 = NuR
2001, 216 - 224.
67
Erst wenn sich das Vorhaben nach diesen rechtlichen Maßgaben als zulassungsfähig
erweist, hat die Zulassungsbehörde nach § 20 Abs. 2 BNatSchG bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1
LG NRW im Benehmen mit der Landschaftsbehörde die zusätzlichen Anforderungen
nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu prüfen. Diese Eingriffsregelung ist
dem fachgesetzlichen Zulassungstatbestand "aufgesattelt" mit dem Ziel, den
Vorschriften des Fachrechts ein auf die Bedürfnisse des Naturschutzes und der
Landschaftspflege zugeschnittenes Folgenbewältigungsprogramm zur Seite zu stellen.
Der Verursacher wird nicht daran gehindert, den Eingriff vorzunehmen. Ihm wird -
vorbehaltlich einer spezifisch naturschutzrechtlich begründeten Untersagung nach §§
19 Abs. 3; 20 Abs. 2 BNatSchG bzw. §§ 4a Abs. 4; 6 Abs. 1 Satz 1 LG NRW bei
mangelnder Ausgleichbarkeit der durch den Eingriff verursachten Beeinträchtigung von
Natur und Landschaft - indessen die Verpflichtung auferlegt, den in der Eingriffsregelung
68
bezeichneten Unterlassungs- und Handlungsgeboten nachzukommen.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. März 1997 - 4 C 10.96 -, BVerwGE 104, 144 - 153 = NuR
1997, 404, 405 und vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 -, BVerwGE 112, 140 - 166 = NuR
2001, 216 - 224.
69
3. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG bzw. §§ 4 Abs. 4 Satz 1; 5 Abs. 1 Satz 1 LG NRW
in der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. § 4a Abs. 2 Satz 1
LG NRW in der Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - ist der
Verursacher eines Eingriffs zu verpflichten, unvermeidbare Beeinträchtigungen von
Natur und Landschaft durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege
vorrangig auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder in sonstiger Weise zu
kompensieren (Ersatzmaßnahmen).
70
a) Bei dem plangenehmigten Ausbau des Gewässers handelt es sich um einen Eingriff
im Sinne des § 18 Abs. 1 und 4 Satz 1 BNatSchG bzw. § 4 Abs. 1 und 2 Nr. 6 LG NRW
in der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. in der
Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 -. Verursacherin ist die
Klägerin.
71
b)
72
c) Zwar enthalten § 19 Abs. 1 BNatSchG bzw. § 4 Abs. 4 Satz 1 LG NRW in der
Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. § 4a Abs. 1 LG NRW in
der Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - das Gebot, den
Verursacher eines Eingriffs zu verpflichten, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur
und Landschaft zu unterlassen; aber die durch die Inanspruchnahme von Natur und
Landschaft am Ort des Eingriffs selbst zwangsläufig hervorgerufenen
Beeinträchtigungen nimmt das Naturschutzrecht als "unvermeidbar" hin, weil die
räumliche Festlegung des Vorhabens im Rahmen der nachrangigen Prüfung der
naturschutzrechtlichen Vermeidbarkeit von Beeinträchtigungen des Naturhaushalts oder
des Landschaftsbildes nicht nachträglich wieder in Zweifel gezogen werden kann.
73
d)
74
Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1997 - 4 C 10.96 -, BVerwGE 104, 144 - 153 = NuR
1997, 404, 406.
75
c) Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 LG NRW in der
Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. § 4a Abs. 2 Satz 2 LG
NRW in der Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - ist eine
Beeinträchtigung ausgeglichen, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des
Naturhaushalts wieder hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht
wieder hergestellt oder neu gestaltet ist. In sonstiger Weise kompensiert ist eine
Beeinträchtigung nach Satz 3 der jeweiligen vorgenannten Vorschrift, wenn und sobald
die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichwertiger Weise ersetzt sind
oder das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Dem dient die Darstellung
der erforderlichen Maßnahmen in einem landschaftspflegerischen Begleitplan, der
Bestandteil des Fachplanes - hier der Plangenehmigung nach § 31 Abs. 3 WHG in
Verbindung mit § 74 Abs. 6 Satz 2 VwVfG - wird (§§ 20 Abs. 4 BNatSchG; 6 Abs. 2 LG
NRW in der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. in der
76
Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 -).
d) Im Rahmen der insoweit gebotenen bloß zweiseitigen Interessenbewertung
77
- vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 -, BVerwGE 112, 140 - 166 =
NuR 2001, 216 - 224 -
78
setzt die nach dem Fachplanungsrecht zuständige Behörde - hier der Beklagte - mit der
planungsrechtlichen Entscheidung zugleich nach § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 3 LG NRW in
der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. in der
Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - die Ausgleichs- oder
Ersatzmaßnahmen nach §§ 4 Abs. 4 und 5 Abs. 1 LG NRW in der Ursprungsfassung
vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. § 4a Abs. 2 LG NRW in der
Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - als Nebenbestimmungen
fest. Vorhabenzulassung und Ausgleichs- bzw. Kompensationspflicht stehen in einem
untrennbaren Zusammenhang. In § 100 Abs. 4 Nr. 1 LWG NRW vom 25. Juni 1995 in
der Änderungsfassung vom 4. Mai 2004 - GV NRW S. 259 - ist bestimmt, dass die
Zulassung des Gewässerausbaus unter Festsetzung von Nebenbestimmungen erfolgen
kann, die infolge des Ausbaus zum Wohl der Allgemeinheit, insbesondere zum
Ausgleich von Beeinträchtigungen des Naturhaushalts erforderlich sind. § 100 Abs. 4
Nr. 1 LWG NRW in der Änderungsfassung vom 3. Mai 2005 - GV NRW S. 463 - enthält
insoweit keine abweichende Regelung.
79
II. Die Verpflichtungsklage ist im Umfang ihres ersten Hilfsantrages unbegründet, hat
aber mit dem zweiten Hilfsantrag auf Verpflichtung des Beklagten, unter teilweiser
Abänderung des Plangenehmigungsbescheides vom 12. Mai 2004 in der Fassung vom
22. Dezember 2005 über die Nebenbestimmungen unter 10. unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, in der Sache Erfolg.
80
Zwar sind die Nebenbestimmungen unter 10. der Plangenehmigung rechtswidrig, weil
der Beklagte den Kompensationsbedarf von 1,1 ha fehlerhaft ermittelt hat und die
Klägerin insoweit in ihrem Recht auf Bescheidung ihres Plangenehmigungsantrages
nach Maßgabe der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung verletzt ist, aber es fehlt an
der Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die Verpflichtung des Beklagten zur
ersatzlosen Aufhebung der Nebenbestimmungen unter 10., weil die Plangenehmigung -
wie vorstehend ausgeführt - nicht ohne die naturschutzrechtliche Eingriffs- und
Ausgleichsbewertung erteilbar ist und der Beklagte im Hinblick auf die Eingriffsfolgen, d.
h. zur Frage, ob und in welchem Umfang nach Durchführung von
Ausgleichsmaßnahmen ein Kompensationsbedarf verbleibt, dessen Behebung der
Klägerin durch Nebenbestimmungen aufzugeben ist, eine Neubewertung des
Gewässerausbaus vorzunehmen hat.
81
A. Die angegriffene Auflage unter 10. der Nebenbestimmungen zu erforderlichen
Ersatzmaßnahmen in einer Größenordnung von 1,1 ha außerhalb des
Abgrabungsbereiches ist rechtswidrig, weil der Beklagte diesen Kompensationsbedarf
nach Maßgabe von §§ 4 Abs. 4 Satz 2; 5 Abs. 1 LG NRW in der Änderungsfassung vom
30. März 2004 - GV NRW S. 153 - bzw. § 4a Abs. 2 Sätze 1 und 3 LG NRW in der
Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - nicht fehlerfrei ermittelt
hat.
82
1. Allerdings ist die Bewertung nicht schon deshalb nach Maßgabe der
83
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu beanstanden, weil der Beklagte den
Kompensationsbedarf - anders als die Klägerin nach deren Angaben im
landschaftspflegerischen Begleitplan - nicht allein auf der Grundlage des MURL-
Verfahrens nach Adam/Nohl/Valentin, sondern unter Abänderung bzw. Ergänzung der
mit dem landschaftspflegerischen Begleitplan vorgelegten Eingriff-Ausgleich-Bilanz
unter Heranziehung des Verfahrens nach VALENTIN (1998) ermittelt hat.
a) Zwar überlässt der Beklagte - wie er vorträgt - dem privaten Vorhabenträger - hier der
Klägerin - bei der Erstellung des mit dem Plangenehmigungsantrag vorzulegenden
landschaftspflegerischen Begleitplanes zunächst die Wahl des Bewertungsverfahrens,
ist aber daran nicht gebunden.
84
b)
85
aa) Die projektbezogene Umsetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung fällt in
die Zuständigkeit des Beklagten, denn sie ist nicht dem privaten Vorhabenträger
vorbehalten, sondern obliegt der Planungsbehörde bzw. der Zulassungsbehörde.
86
Die Prüfung der Ausgleichbarkeit bzw. der Kompensierbarkeit unvermeidbarer
eingriffsbedingter Beeinträchtigungen nach §§ 4 Abs. 4 Sätze 1 und 2; 5 Abs. 1 Satz 1
LG NRW in der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 - bzw. nach § 4a
Abs. 2 Sätze 1 bis 3 LG NRW in der Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV
NRW S. 35 - ist Gegenstand einer projektbezogenen behördlichen Beurteilung
87
- vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1997 - 4 C 10.96 -, BVerwGE 104, 144 -153 = NuR
1997, 404, 406 -
88
in Gestalt einer bilanzierenden Betrachtungsweise als Vorstufe der gegebenenfalls
nach § 4 Abs. 5 LG NRW in der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 - GV NRW S. 568 -
bzw. nach § 4a Abs. 4 LG NRW in der Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV
NRW S. 35 - gebotenen zweiseitigen Interessenabwägung durch die Behörde, die sich
daran zu orientieren hat, ob die Ausgleichsbilanz ausreicht, um die mit dem Vorhaben
verbundenen Anforderungen an Natur und Landschaft zu rechtfertigen.
89
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 -, BVerwGE 112, 140 - 166 = NuR
2001, 216 - 224 -.
90
Weil die projektbezogene Umsetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in
die Zuständigkeit des Beklagten fällt und der Beklagte an die von der Klägerin
getroffene Auswahl des Bewertungsverfahrens nicht gebunden ist, hat die Kammer den
hauptsächlich gestellten Beweisantrag der Klägerseite, "zu der Tatsache, dass der in
den landschaftspflegerischen Begleitplänen des Planungsbüros Finke vom Mai 2002
und Juni 2002 auf der Basis von verbal-argumentativen Bestands- und
Eingriffsbewertungen sowie ergänzenden numerischen Eingriffs-
/Ausgleichsbilanzierungen ermittelte Eingriffsausgleich fachlich zutreffend sei", durch
Sachverständigengutachten Beweis zu erheben, ablehnen können, weil sie die
Beweistatsache mangels Entscheidungserheblichkeit als wahr hat unterstellen können.
Der hilfsweise "nur für den Fall, dass ein Sachverständigengutachten ergeben sollte,
dass die von der Klägerin vorgelegten Bestands- und Eingriffsbewertungen sowie
Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierungen auf einem für die Bewertung der Eingriffsfolgen des
geplanten Vorhabens unzulänglichen oder sogar ungeeigneten Bewertungsverfahren
91
beruhen oder aber von ihr ein grundsätzlich hierfür geeignetes Verfahren falsch
angewendet wurde", gestellte Antrag, durch Sachverständigengutachten Beweis zu der
Tatsache zu erheben, "dass jedenfalls das von dem Beklagten zugrunde gelegte
Bewertungsverfahren zur Bewertung der Eingriffsfolgen des geplanten Vorhabens
ungeeignet ist und selbst bei zutreffender Anwendung nicht zu fachlich zutreffenden
Ergebnissen führen kann", hat danach keiner weiteren gerichtlichen Entscheidung
darüber bedurft.
bb) Es ist grundsätzlich unbedenklich, aus den bewerteten Eingriffstatbeständen den
Umfang erforderlicher Kompensationsflächen und Maßnahmen aus einer
Bestandsbewertung und Eingriffsbilanzierung zu entwickeln, die sich auf die Methode
Adam/Nohl/Valentin - sogen. MURL-Verfahren - stützt.
92
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2002 - 10a D 83/00.NE -, NuR 2003, 378ff
zur Abwägung der Belange von Natur und Landschaft im Rahmen der verbindlichen
Bauleitplanung.
93
Allerdings gibt es kein Gebot, die Eingriffsintensität anhand standardisierter Maßstäbe
oder nur in einem bestimmten schematisierten und rechenhaft handhabbaren Verfahren
zu beurteilen; denn die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung enthält ebenso wenig
wie das vorgeschaltete Planungsrecht insoweit verbindliche Bewertungsvorgaben.
94
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 -, NVwZ 2002, 1103, 1110.
95
b) Der Beklagte ist auch nicht deshalb gehindert gewesen, den Kompensationsbedarf
nach seinen Standards auf der Grundlage des Verfahrens nach VALENTIN (1998) zu
ermitteln, weil die Erstellung der Eingriff-Ausgleich-Bilanz nach diesen Standards zu
einem höheren Kompensationsbedarf führt als die Anwendung des MURL-Verfahrens.
96
Es stellt keine Besonderheit der Eingriffsregelung dar, dass das Ergebnis der gesetzlich
unverzichtbaren Bewertung unterschiedlich ausfallen kann, je nachdem, welches
Verfahren angewendet wird. Es kommt nicht darauf an, ob sich bei Verwendung anderer
Parameter ein höherer Ausgleichsbedarf errechnen ließe
97
- so BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 -, NVwZ 2002, 1103, 1110 -
98
oder ein niedrigerer.
99
c) Die Ermittlung des Kompensationsbedarfs nach dem Verfahren VALENTIN (1998) ist
nach Maßgabe der Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im
Ansatz zulässig.
100
Weil die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung keine verbindlichen
Bewertungsvorgaben enthält, besteht zu Beanstandungen erst dann Anlass, wenn ein
Bewertungsverfahren sich als unzulängliches oder gar als ungeeignetes Mittel erweist,
um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.
101
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 -, NVwZ 2002, 1103, 1110.
102
Die Methode unterliegt insoweit keinen grundsätzlichen Bedenken.
103
aa) Die Methode VALENTIN (1998) baut auf dem in der Rechtsprechung anerkannten
MURL-Verfahren "als methodischem Grundrahmen" auf.
104
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 9, 11 und 85 bis 88.
105
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in §§ 19, 20 BNatSchG und §§ 4 Abs. 1 und
4 Sätze 1 bis 3; 5 Abs. 1 Satz 1 LG NRW in der Ursprungsfassung vom 21. Juli 2000 -
GV NRW S. 568 - bzw. nach § 4a Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3 und 5 und Abs. 4 LG
NRW in der Änderungsfassung vom 15. Dezember 2005 - GV NRW S. 35 - knüpft mit
dem Begriff Natur an den Naturhaushalt als komplexes Wirkungsgefüge aus Boden,
Wasser, Luft, Klima, Pflanzen und Tierwelt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) und dessen
Leistungsfähigkeit (§ 1 Nr. 1 BNatSchG) an. Insoweit geht es um das ökologische
Funktionieren aller biotischen und abiotischen Faktoren dieses komplexen
Wirkungsgefüges. Dieses Wirkungsgefüge ist zu schützen.
106
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 1999 - 7a D 144/97.NE - mit weiteren Nachweisen.
107
In Orientierung an diese gesetzlichen Vorgabe knüpft das MURL-Verfahren an die
Konzeption der Ökologie als Lehre über die Wechselbeziehungen im Naturhaushalt an,
nämlich als Wissenschaft von den teils organischen, teils anorganischen Beziehungen
des Organismus zur umgebenden Außenwelt. Dementsprechend ist ein Ökosystem als
ein sich grundsätzlich selbst regelndes Wirkungsgefüge miteinander vernetzter
Einheiten zu verstehen. Grundbedingungen ökologischer Wirkungsweisen sind - 1. - die
Bindung von Licht und Wärme zur Produktion pflanzlicher Stoffe (Energiefluss), - 2. - der
Kreislauf der Stoffe, - 3. - das Ökosystem als Gesamtheit der Wechselwirkungen
zwischen Biotop (Lebensraum) und Biozönose (Lebensgemeinschaft), - 4. - die
Fähigkeit von Ökosystemen zur internen Selbstregulierung und - 5. - die
Wechselbeziehung und gegenseitige Regulierung verschiedener benachbarter
Ökosysteme untereinander.
108
Vgl. MURL-Verfahren S. 70f. und 74f.
109
Die Bedeutung eines Biotopes für den Naturraum lässt sich anhand des
Seltenheitswertes der darin vorkommenden Tier- und Pflanzenarten bzw. -
gesellschaften, der Vielfalt in Vegetationseinheiten, Bestandswechseln, im
Strukturaufbau und in der Artenvielfalt sowie der Kriterien der Naturnähe,
Vollkommenheit und der Charakteristik bzw. Typizität für den Naturraum (Repräsentanz)
ausdrücken.
110
Vgl. MURL-Verfahren S. 87, 91, 94 und 290.
111
Dabei hängen die Wirkungen von Eingriffen auf die landschaftsökologischen
Verhältnisse, d. h. den Naturhaushalt im Sinne seiner Bestandteile Boden, Wasser, Luft,
Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG), von der Art des Eingriffs, seiner Intensität und seiner Dimension sowie von
der Empfindlichkeit des betroffenen Naturraumes gegenüber der Eingriffsplanung ab.
112
Vgl. MURL-Verfahren S. 110ff. zu den Auswirkungen der Planung von Verkehrstrassen,
Hochspannungs- und Rohrleitungen, des Hoch- und Tiefbaues, industriellen
Großprojekten, Deponie- oder Haltenaufschüttungen, Steinkohlebergbau, Abgrabungen,
insbesondere Braunkohletagebau, Gewässerausbau usw. .
113
Zur Beurteilung der Beeinträchtigungen von Eingriffen in den Naturhaushalt wird nach
dem MURL-Verfahren zunächst die Empfindlichkeit des Naturhaushaltes bestimmt.
Diese Bestimmung erfolgt unter Heranziehung der vorgenannten Kriterien für die
Bedeutung der Biotope für den Naturraum, ergänzt um die Merkmale der Bedeutung des
Biotops im tierökologischen Verbundsystem und seiner Flächengröße bzw. Saumlänge
im Hinblick auf seine Wirkung als Pufferzone bzw. notwendige Mindestgröße für
bestimmte Tierarten. Mit Hilfe dieser Kriterien lässt sich der augenblickliche ökologische
Zustand des betreffenden Biotops in seiner heutigen Wertigkeit ermitteln. Die
Eingriffsempfindlichkeit von Biotopen wird zur Hälfte nach ihrer heutigen Wertigkeit und
zur Hälfte nach ihrer Entwicklungstendenz, d. h. dem Gefährdungsgrad einerseits und
der Wiederherstellbarkeit innerhalb einer Menschengeneration andererseits, bestimmt.
Sie findet - je nach Biotoptyp unterschiedlich - ihren Ausdruck in der Festlegung eines
ökologischen Wertes auf einer zehnstufigen Wertskala. Die Bewertung des
Naturraumes vor dem Eingriff ergibt sich dann aus dem ökologischen Typen-Wert der im
betreffenden Naturraum anzutreffenden Biotope und ihrer jeweiligen flächenmäßigen
Ausdehnung. Die Bewertung des Naturraumes vor dem Eingriff zielt darauf ab,
einerseits die äußerst wertvollen Biotoptypen über ein Ausschlussverfahren vor
beeinträchtigenden Eingriffsverfahren zu bewahren, andererseits die Wertigkeit der
eingriffsbetroffenen Biotoptypen festzulegen, die auszugleichen bzw. zu kompensieren
ist. Die ökologische Wertigkeit der anzutreffenden Biotope ist Grundlage der Eingriffs-
Ausgleichs/Kompensations-Berechnung.
114
Vgl. MURL-Verfahren S. 290-295.
115
Die ökologische Wertigkeit lässt sich bestimmen, wie im klägerischen
landschaftspflegerischen Fachbeitrag verfahren worden ist: Die im Eingriffsbereich
anzutreffenden Biotoptypen werden aufgelistet. Ihre jeweilige ökologische Wertigkeit -
"ökologische Einheiten" - ergibt sich aus ihrer jeweiligen Wertstufe multipliziert um die
jeweilige Fläche (in m² oder ha). Die Wertigkeit aller Biotope drückt sich in der Summe
der ökologischen Einheiten aller Biotope aus.
116
Dieser Bewertung vor dem Eingriff wird nach dieser Methode die Beurteilung der
Intensität des Eingriffs gegenüber gestellt. Die "Beurteilung der Intensität des Eingriffs"
dient dazu, die anteilsmäßige Flächenkompensation entsprechend der
Eingriffsintensität festzustellen, um auf ökologisch geringwertiger Fläche eine
erhebliche ökologische Wertsteigerung zu erzielen, m. a. W. die Flächengröße zu
bestimmen, die für Kompensationsmaßnahmen benötigt wird, um auf bislang ökologisch
geringwertigen Flächen mit landschaftspflegerischen Mitteln Biotope mit einer langfristig
sehr hohen ökologischen Funktionserfüllung zu entwickeln. Anzustreben sind insofern
Biotoptypen, die nach ca. einer Generation einen mittleren Funktionserfüllungswert von
5 erreichen und sich langfristig, d. h. bezogen auf einen Zeitraum von drei Generationen
zu einem Biotop mit hohem bis sehr hohem Funktionserfüllungsgrad entwickeln werden.
Dazu sind die Flächengrößen der vom Eingriff betroffenen Biotoptypen in ihrer
jeweiligen Wertstufe auf die jeweilige Flächengröße in Wertstufe 5 als dem
anzustrebenden, auf der Wertstufenskala mittleren Funktionserfüllungswert
umzurechnen.
117
Vgl. MURL-Verfahren S. 295-301.
118
Diese "Umrechnung der Flächengröße" entsprechend der "Wertstufenänderung nach 5"
119
als "gesamte Flächenkompensation nach Biotop-Wertstufe 5"
- so MURL-Verfahren Tabelle S. 298 -,
120
in der sich die Intensität des Eingriffs ausdrückt, lässt sich bestimmen, wie im
klägerischen landschaftspflegerischen Fachbeitrag verfahren worden ist: Danach ergibt
sich der erforderliche flächenmäßige Ausgleichs- bzw. Kompensationsbedarf aus der
Summe der ökologischen Einheiten aller im Eingriffsraum betroffenen Biotope geteilt
durch den Quotienten 5.
121
bb) Das Bewertungsverfahren nach VALENTIN (1998) hat zum Ziel, den
Besonderheiten bei Eingriffen durch Nassabgrabungen auf der Grundlage des MURL-
Verfahrens zusätzlich Rechnung zu tragen.
122
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 1.
123
Die Besonderheiten der eingriffsbedingten Beeinträchtigungen des Naturhaushalts
ergeben sich daraus, dass im Unterschied zu vielen anderen Arten von Eingriffsplanung
einerseits ein dauerhafter Entzug der Eingriffsfläche als potentieller Lebensraum für
Pflanzen und Tiere gerade nicht erfolgt, andererseits aber durch den
unwiederbringlichen Verlust des Bodens und des geologischen Substrates eine
grundlegende Umwandlung der Flächen in zumeist aquatisch geprägte Bereiche unter
Verdrängung standorttypischer Arten und Artengruppen und deren Ersatz durch ein an
den neuen Lebensraum angepasstes Arteninventar erfolgt. Zudem erstreckt sich die
Abgrabungstätigkeit in der Regel über mehrere Jahre oder sogar über Jahrzehnte.
124
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 1.
125
aaa) Valentin unterscheidet grundsätzlich verschiedene, in der Entfernung zum
eigentlichen Abgrabungsbereich räumlich gestaffelte Wirkungsbereiche, in denen sich
die Eingriffswirkungen einer Abgrabung in ihrer Intensität abgestuft auswirken: die
Abgrabungsfläche mit Betriebseinrichtungen und Zuwegungen, die Randzonen der
Abgrabungsfläche, der Betriebseinrichtungen und der Zuwegungen einschließlich der
unverritzten Schutzzone der Abgrabung sowie schließlich drei räumlich gestaffelte
Umgebungszonen. Um sehr aufwändige Bilanzierungen zur unverritzten Schutzzone
und den drei Umgebungszonen zu vermeiden, bezieht Valentin die unverritzte
Schutzzone bei der Eingriffsbilanzierung in den eigentlichen Abgrabungsbereich mit ein
zugunsten einer Außerbetrachtlassung der Umgebungszonen. Der Eingriffsbilanzierung
wird damit der gesamte Abgrabungsbereich als vollständig beeinträchtigt zu Grunde
gelegt. So wird auch bei der Eingriffsbeurteilung von Teilabschnitten der Abgrabung
verfahren.
126
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 89-92.
127
Dementsprechend sind ausweislich der landschaftspflegerischen Fachbeiträge zur
plangenehmigten 6. und 7. Erweiterung jeweils unter 3.1 und 5.2 der Fachbeiträge der
Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung die vollständigen Vorhabenflächen dieser
Erweiterungen im Umfang von 15,1 ha (6. Erweiterung) bzw. 15,65 ha (7. Erweiterung)
als Eingriffsflächen zu Grunde gelegt worden.
128
bbb) Die Berechnung des Kompensationsumfanges für Beeinträchtigungen des
129
Naturhaushaltes durch Nassabgrabungen nimmt Valentin analog dem MURL-Verfahren
wie folgt vor:
Zunächst wird die Eingriffsfläche nach ihrem Bestand vor dem Eingriff ökologisch
bewertet, indem die Fläche jedes vorhandenen Biotoptyps mit der Ziffer seiner Wertstufe
multipliziert wird. Die so ermittelten ökologischen Einheiten ergeben in der Summe aller
vorhandenen Biotoptypen die "Summe der Werteinheiten des Bestandes vor dem
Eingriff".
130
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 97.
131
Zur Ermittlung des Kompensationsumfanges für dauerhaft verbleibende
Beeinträchtigungen nach Durchführung der Renaturierungsmaßnahmen auf der
Grundlage des Rekultivierungsplanes für den Bereich der Eingriffsfläche, d. h. nach den
geplanten Ausgleichsmaßnahmen, wird jeweils die Fläche des geplanten einzelnen
Biotoptyps mit der prognostizierten Wertstufe vervielfältigt und werden die ökologischen
Werteinheiten aller geplanten Biotope addiert.
132
Die "Summe der ökologischen Werteinheiten des Bestandes vor dem Eingriff" wird der
"Summe der ökologischen Werteinheiten für die prognostizierten
Rekultierungsmaßnahmen" gegenüber gestellt.
133
So ist auch im landschaftspflegerischen Fachbeitrag der Klägerin - unbeanstandet durch
den Beklagten - verfahren worden.
134
Die Differenz der ökologischen Wertpunkte ergibt entweder einen Überschuss nach
Rekultivierung, wonach der Eingriff als ausgeglichen zu bewerten ist, oder ein Defizit,
das nach Maßgabe der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung außerhalb der
Vorhabenfläche mit geeigneten landschaftspflegerischen Maßnahmen zu kompensieren
ist.
135
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 97.
136
Valentin bezieht - ebenso wie im MURL-Verfahren - die Berechnung des
Kompensationsbedarfs nach Feststellung eines Ausgleichsdefizits mittels
Gegenüberstellung der ökologischen Wertpunkte der Vorhabenfläche vor dem Eingriff
und nach Rekultivierung - ebenso wie im MURL-Verfahren - auf nur eine Wertstufe.
Dabei geht er - ebenso wie im MURL-Verfahren - nur von im Rahmen der Kompensation
anzustrebenden Biotoptypen mit einem zu erwartenden mittleren
Funktionserfüllungswert von 5 auf der Wertstufenskala aus. Allerdings berechnet er den
Bedarf an Kompensationsfläche nicht - wie im MURL-Verfahren - mittels Teilung des
Differenzbetrages an ökologischen Wertpunkten durch diesen mittleren
Funktionserfüllungswert von 5, sondern - präziser - nur durch den Quotienten 3 als die in
der Regel "real zu erwartende Wertstufenerhöhung" bzw. als den Betrag der "avisierten
Aufwertung". Er berücksichtigt - insoweit unter Verfeinerung des MURL-Verfahrens -
damit den Umstand, dass die außerhalb des Vorhabenbereichs gelegene Fläche, auf
der die Kompensation gegebenenfalls vorgenommen werden soll, bereits über eine
geringe ökologische Wertigkeit von in der Regel 2 auf der zehnskaligen Wertstufenskala
verfügt und deshalb die ökologische Aufwertung durch Anlage von Biotopen mit einem
zu erwartenden mittleren Funktionserfüllungswert von 5 auf der Wertstufenskala am Ort
der Kompensationsmaßnahmen nicht in diesem Wert, sondern nur im
137
Unterschiedsbetrag von 3 besteht.
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 98 und Teil C Beispiel S. 35 bis 39.
138
Dementsprechend hat der Beklagte unter Anwendung seiner Standards nach Maßgabe
von Valentin seiner Berechnung im Rahmen der Eingriffs-/Ausgleichs-Bilanzierung der
plangenehmigten 6. und 7. Erweiterung nicht den Quotienten 5 - wie die Klägerin nach
dem MURL-Verfahren - , sondern in methodisch einwandfreier Weise den Quotienten 3
zu Grunde gelegt.
139
ccc) Valentin schlägt - unter inhaltlicher Ergänzung der MURL-Verfahrensmethode - vor,
die bei der Durchführung von Nassabgrabungen wegen der Dauer dieser Vorhaben
typischerweise auch während der Abbauphase spürbar auftretenden Eingriffswirkungen
zusätzlich in die Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung einzustellen.
140
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 13-15, 97 und Teil C Beispiel S. 35 bis 39.
141
Der Beklagte macht von dieser Möglichkeit nach seinen Standards - wie auch im
vorliegenden Fall - keinen Gebrauch, sondern lässt diesen Aspekt zugunsten des
jeweiligen Vorhabenträgers außer Betracht.
142
ddd) Anders als bei vielen sonstigen Eingriffen, die etwa mit Bodenversiegelungen
einhergehen, wird die Vorhabenfläche bei Nassabgrabungen nach deren Durchführung
dem Naturhaushalt nicht dauerhaft als Lebensraum entzogen, sondern kann als Fläche
für Ausgleichsmaßnahmen genutzt werden. Valentin nimmt - wie im MURL-Verfahren -
die ökologische Bewertung der prognostizierten Ausgleichsmaßnahmen auf der
Vorhabenfläche vor, indem er die einzelnen Flächen der jeweils dargestellten
Biotoptypen mit der dem Biotyp eigenen Wertstufe vervielfältigt.
143
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 97 und Teil C Beispiel S. 35 bis 39.
144
Allerdings nimmt typischerweise ein grundwassergespeister See auch nach
Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen den weitaus überwiegenden Teil der
Vorhabenfläche ein. Die Methode Valentin zielt darauf ab, in Fällen der Herstellung
grundwassergespeister Gewässer mit einem hohen Anteil an Tiefwasserzonen trotz
anzustrebender naturnaher Gestaltung einer Überbewertung des
Entwicklungspotentials dieser Gewässer als Lebensraum für Pflanzen und Tiere im
Zuge der Ausgleichsbilanzierung vorzubeugen.
145
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 1, 2, 11, 97 und Teil C Beispiel S. 35 bis 39.
146
Im MURL-Verfahren werden naturnahe Gewässer pauschal mit dem zu erwartenden
mittleren ökologischen Funktionserfüllungswert von 5 auf der zehnstufigen
Wertstufenskala für den Fall ihrer Neuanlage im Zuge von Ausgleichs- bzw.
Kompensationsmaßnahmen belegt.
147
Vgl. MURL-Verfahren, Tabelle S. 296.
148
Dementsprechend sind im klägerseits eingereichten landschaftspflegerischen
Fachbeitrag die Flachwasser- und die Freiwasserflächen bei der
Kompensationsberechnung für die 6. und 7. Erweiterung jeweils mit der Wertstufe 5
149
eingestellt worden.
Valentin befürwortet demgegenüber bei der ökologischen Bewertung dieser Gewässer
eine Differenzierung nach dem ökologischen Potential. Er hält als Grundlage für die
Eingriffs-/Ausgleichs-Bilanzierung insoweit die Abgrenzung von drei Zonen für
erforderlich: eine Rand- und Uferzone bis 3 m Wassertiefe mit der Wertstufe 5 und zwei
weitere, in der Wertigkeit demgegenüber abgestufte Zonen, nämlich eine
Übergangszone ab 3 m Wassertiefe mit einer Durchschnittsbreite von 25 m und - im
Anschluss an die Übergangszone - die darüberhinausgehende, dem Uferbereich
entfernt gelegene Tiefenwasserzone ab 3 Wassertiefe mit der geringsten ökologischen
Wertigkeit (zumeist Abgrabungssohle und Zentrum des Gewässers).
150
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 1, 2, 11, 82, 83, 93 und Teil C Beispiel S. 35 bis 39.
151
Auch im Hinblick auf diese Differenzierung erweist sich das Verfahren Valentin als
fachlich vertretbar und im Ansatz geeignetes Mittel, um den rechtlichen Anforderungen
bei der Eingriffsbewertung von Nassabgrabungen gerecht zu werden.
152
Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass auch nach dem MURL-Verfahren ein
naturnahes Gewässer bei seiner Neuanlage nicht mit der ökologischen Wertstufe 9 bis
10 nach Erreichen des reifen Endzustandes nach drei Menschengenerationen bewertet
wird, sondern mit dem nach einer Generation zu erwartenden mittleren ökologischen
Funktionserfüllungswert von 5 auf der zehnstufigen Wertstufenskala.
153
Vgl. MURL-Verfahren, Tabelle S. 296.
154
Die Zonenabgrenzung nach Valentin erfolgt vor dem Hintergrund, dass insbesondere
die Rand- und Uferzone einer Nassabgrabung aufgrund ihrer Bedeutung als
Lebensraum für Pflanzen und Tiere höherwertig einzuschätzen ist als die
Tiefenwasserzone, die nur über eingeschränkte Funktionen als Lebensraum verfügt.
155
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 11 und 83.
156
Darin liegt keine unzulässige Reduzierung der Bewertung des Naturhaushalts auf
biotische Faktoren unter Außerachtlassung abiotischer Faktoren. Im Gegenteil wird
zugestanden, dass aus limnologischer (gewässer- bzw. seekundlicher) und
wasserwirtschaftlicher Sicht die Tiefenwasserzone von großer Bedeutung ist.
157
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 117.
158
Gerade im Zuge der Bestandsbewertung von Oberflächengewässern in abiotischer
Hinsicht zur Entwicklung eines Bewertungsrahmens zur Beurteilung der
Eingriffserheblichkeit von Nassabgrabungen in den Naturhaushalt ist ein Merkmal der
Bestandsbewertung stehender Gewässer das Merkmal ihrer limnologischen Schichtung
(Epilimnion/Metalimnion/Hypolimnion= Über-/Zwischen-/Unterschicht) anstelle des
Merkmals Fließverhalten
159
- vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 48, 50 -
160
sowie seine Trophiestufe (= Nährstoffgehalt).
161
Vgl. Valentin (1998) Teil B, S. 51.
162
Die klägerseits im Schriftsatz vom 30. Juli 2004, Bl. 23 "angesprochene Bedeutung der
Frei- bzw. Tiefenwasserzone in limnischer Hinsicht (stabile thermische Schichtung bei
geringer Eutrophierungstendenz)" wird nicht verkannt, denn auch nach Valentin ist zu
bedenken, "dass aus limnologischer Sicht ein großes Hypolimnion von Vorteil ist, um
einen trophiearmen" - nährstoffarmen - "Zustand lange zu erhalten." Dies liegt auf einer
Linie mit den klägerseitigen Ausführungen im Schriftsatz vom 16. September 2004, Bl.
13, ein nährstoffarmer Gewässerzustand sei langfristig nur in Tiefwasserseen
gewährleistet. Große und tiefe Seen zeigten sich auf lange Sicht deutlich weniger
eutrophierungsanfällig als Flachwasserseen. Grund hierfür seien die in Abhängigkeit
der Gewässertiefe zunehmende Schichtungsstabilität und das im Verhältnis zum
Epilimnion deutlich größere Volumen des Hypolimnions. Die klägerseits im Schriftsatz
vom 30. Juli 2004, Bl. 21 hervorgehobene wichtige Funktion der Freiwasserzone
innerhalb des Öko-Haushalts, insbesondere innerhalb des Nährstoffhaushalts, wird
durch Valentin bestätigt. Er beurteilt einen "trophiearmen Zustand insbesondere in
Bezug auf die Landschaftsfunktion Wasser und hierdurch indirekt auch für Arten- und
Lebensgemeinschaften als positiv".
163
So Valentin (1998) Teil B, S. 120.
164
Die klägerseitigen Hinweise auf die Bedeutung des Tiefenwasserbereichs als
Überwinterungsplatz für Fische und Amphibien, als Nahrungshabitat für verschiedene
Tauchentenarten, Uferschwalben, einige Libellenarten, Wasserkäfer und
Wasserwanzen sowie für fischende Vogelarten wie Eisvogel und Graureiher sowie für
die seltenen Armleuchteralgen, die mehrfach auch unterhalb von 3 m Wassertiefe - nach
dem Vortrag des Beklagten natürlicherweise in der Regel bis in eine Wassertiefe von 7
m - großflächige Rasen bildeten und auf einen nährstoffarmen Gewässerzustand
angewiesen seien, können die Differenzierung Valentins nach Gewässerzonen nicht
erschüttern.
165
Valentin berücksichtigt ausdrücklich, dass bei einer größeren Wassertiefe von 3 m dem
darunter befindlichen Aquifer als Teillebensraum für einige Fischarten und aus
limnologischer Sicht als Hypolimnion und Zehrschicht eine wesentliche Bedeutung
zukomme. Gleichermaßen könne die Wasserfläche der Tiefenwasserzone als
Nahrungs- und Rückzugsraum für einige Wasservogelarten und durchziehende Wasser-
und Watvögel dienen, diese Funktion könne zeitweilig als Teillebensraum übernommen
werden.
166
So Valentin (1998) Teil B, S. 118.
167
Entscheidend für die Bewertung Valentins ist hingegen, dass die Tiefenwasserzone als
Aquifer und als Wasserfläche die ökologische Bedeutung der Flachwasserbereiche, der
semiterristrischen und terristrischen Biotope mit ihren vielfältigen Lebensraumfunktionen
für Flora, Vegetation und Tierwelt nicht übernehmen kann. Die Lichtdurchdringung im
Gewässer reicht bis zu 3 m Tiefe und entsprechend bis zu dieser Tiefe vermögen auch
noch Laichkraut- und Schwimmblattpflanzen zu wurzeln. Bis zu dieser Wassertiefe
bestehen gute Vermehrungsmöglichkeiten für Pflanzen und Tiere. Ab ca. 3 m
Wassertiefe nimmt die Vegetation und Tierwelt an Arten, Population und Biomasse
infolge Licht- und Wärmemangels extrem ab. Unterhalb dessen sind nur Characeen-
Rasen (Rasen von Armleuchteralgen) anzutreffen.
168
So Valentin (1998) Teil B, S. 118f.
169
Dies ist die Grundlage für die Abgrenzung der Flach- und Randwasserzone und ihre
deutlich höhere ökologische Bewertung gegenüber den übrigen beiden Wasserzonen.
170
Diese Differenzierung hat der Beklagte in seine Standards zur Erstellung einer Eingriffs-
/Ausgleichs-Bilanzierung übernommen.
171
2. Die Ermittlung des Kompensationsbedarfs im Umfang von 1,1 ha genügt jedoch
deshalb nicht den Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, weil der
Beklagte bei der Abänderung bzw. Ergänzung der mit dem landschaftspflegerischen
Begleitplan vorgelegten Eingriff-Ausgleich-Bilanz der Klägerin seine Berechnung von
1,1 ha an Kompensationsfläche fehlerhaft ermittelt hat.
172
Der Beklagte hat seine eigenen auf dem Verfahren nach VALENTIN (1998) beruhenden
Standards fehlerhaft angewendet. Zudem entspricht der von VALENTIN (1998) befolgte
methodische Ansatz des Beklagten, die Rand- und Uferzone bis 3 m Wassertiefe mit der
prognostizierten Wertstufe 5, hingegen die Übergangszone ab 3 m Wassertiefe mit einer
Durchschnittsbreite von 25 m nur mit der Wertstufe 2 und die darüberhinausgehende,
dem Uferbereich entfernt gelegene Tiefenwasserzone ab 3 m Wassertiefe (zumeist
Abgrabungssohle und Zentrum des Gewässers) sogar nur noch mit der Wertstufe 1
anzusetzen, nicht den Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung.
173
a) Der Beklagte hat seine eigenen Standards fehlerhaft angewendet.
174
b)
175
Im Unterschied zur Klägerin, die die Biotyptypen Flachwasser und Freiwasser
gleichermaßen in die Wertstufe 5 einstuft, bewertet der Beklagte in seinen Standards
unter Befürwortung durch VALENTIN (1998) zwar das Flachwasser mit Wertstufe 5,
hingegen die Übergangszone mit Wertstufe 2 und das Tiefwasser mit Wertstufe 1. In den
Kompensationsberechnungen zur 6. und 7. Erweiterung hat er dementsprechend -
anders als die Klägerin - das "Freiwasser" mit Wertstufe 1 bewertet, indessen - worauf
klägerseits im Schriftsatz vom 30.07.2004, Bl. 26 zutreffend hingewiesen wird - zu
Lasten der Klägerin keine Übergangszone mit Wertstufe 2 angesetzt, obwohl die
Antragsunterlagen insbesondere zur Böschungsherstellung eine solche
Übergangszone vorsehen. Dies hat der Beklagte auf Hinweis des Gerichts im
Schriftsatz vom 9. November 2006 eingeräumt.
176
In der Kompensationsberechnung zur "7. Erweiterung - geplante Situation" hat er sich
verrechnet. Auf der Grundlage der von ihm angewandten Wertstufen ergibt sich in der
Addition der Ökologischen Einheiten richtigerweise die Summe von 404.500 statt
447.500; hierdurch wird die Klägerin allerdings nicht beschwert.
177
Kein Anwendungsfehler liegt hingegen darin, dass der Beklagte in der
Bestandsaufnahme im Rahmen der Eingriff-/Ausgleichsbilanzierung und damit der
Kompensationsberechnung zur 7. Erweiterung die Ackerfläche mit der Wertstufe 2 statt -
wie die Klägerin - mit 1 angesetzt hat, woraus sich zu Lasten der Klägerin ein höherer
Ausgleichs- und damit Kompensationsbedarf ergibt.
178
Das MURL-Verfahren als Grundrahmen für VALENTIN (1998) macht Unterschiede in
der Biotopbewertung von Ackerflächen je nach Nutzung. Intensive Ackernutzung
(Anbau von Mais, Hackfrucht) soll nur die Wertstufe 1 erlauben, Anbau von Korn und
Leguminosen hingegen die Wertstufe 2. Die Klägerin hat in den Antragsunterlagen zur
7. Erweiterung die Anwendung der Wertstufe 1 mit ackerbaulicher Intensivnutzung
gerechtfertigt. Indessen ergibt bereits die der klägerischen Eingriffsbewertung angefügte
Liste zur "Bewertung vor dem Eingriff" in Bezug auf Acker rechnerisch richtigerweise
einen Biotop-Durchschnittswert von 1,58 statt 1 für Acker. Der Beklagte hat zur
Erläuterung seiner Eingriff-Ausgleich-Bilanzierung im Schriftsatz vom 9. November 2006
dazu ausgeführt, mit der Wertstufe 2 werde gearbeitet, wenn es sich um eine Nutzung
mit wechselnder Fruchtfolge handele, diese Verfahrensweise sei Standard in der
Bewirtschaftung von Ackerflächen im Kreis X1. Darin liegt kein Ermittlungsdefizit zur
ökologischen Wertigkeit der in den Bestand gestellten Ackerflächen, sondern die
Anwendung eines aktualisierten Standards zur Biotoptypenbewertung von
Ackerflächen. In den im Gutachten VALENTIN (1998) gewählten Beispielen zur Eingriff-
Ausgleich-Bilanzierung wird insoweit ebenfalls mit der Wertstufe 2 gearbeitet. Dies
entspricht der ökologischen Bewertung von Ackerflächen ausweislich der mit Schriftsatz
des Beklagten vorgelegten Biotoptypen-Liste nach ARGE Eingriff-Ausgleich-NRW
(1994).
179
c) Dem von VALENTIN (1998) befolgten methodischen Ansatz des Beklagten, die
Rand- und Uferzone bis 3 m Wassertiefe mit der prognostizierten Wertstufe 5, hingegen
die Übergangszone ab 3 m Wassertiefe mit einer Durchschnittsbreite von 25 m nur mit
der Wertstufe 2 und die darüberhinausgehende, dem Uferbereich entfernt gelegene
Tiefenwasserzone ab 3 m Wassertiefe (zumeist Abgrabungssohle und Zentrum des
Gewässers) sogar nur noch mit der Wertstufe 1 anzusetzen, mangelt es an der
erforderlichen fachlichen verbal-argumentativen Begründung. Darin liegt nicht nur eine
methodisch fehlerhafte Anwendung, sondern ein Fehler in der Methode selbst. Die
Standards des Beklagten zur Eingriffs-/Ausgleichs- Bilanzierung erweisen sich damit
insoweit, d. h. partiell als unzulängliches und ungeeignetes Mittel, um den rechtlichen
Anforderungen bei der Eingriffsbewertung von Nassabgrabungen gerecht zu werden.
180
d)
181
Das Bewertungsverfahren nach VALENTIN (1998), soweit der Beklagte daraus seine
Standards entlehnt, gibt dafür nichts her. Im Gegenteil nimmt Valentin darin nur Bezug
auf die Standards des Beklagten, indem er darin ausführt, die ökologische Wertigkeit der
Tiefenwasserzone als potentieller Teillebensraum für einige Fischarten und
Wasservögel werde von der Unteren Landschaftsbehörde des Beklagten mit der
Wertstufe 1 angesetzt. Infolge der gravierenden, unumkehrbaren Veränderung der
gesamten Landschaftsstruktur solle dieser Empfehlung zur ökologischen Bewertung der
zukünftigen Tiefenwasserzone im Abgrabungsgebiet vom Grundsatz her gefolgt werden.
182
So Valentin (1998) Teil B, S. 118.
183
Bereits diese Formulierung "im Grundsatz" im Gutachten lässt Spielraum für eine
höhere ökologische Bewertung der Tiefenwasserzone und damit auch der
Übergangszone im Verhältnis zur Flachwasserzone, solange "gewährleistet ist, dass
der Flachwasserbereich in einem angemessenen Verhältnis zur Tiefenwasserzone
steht". Denn auch im Übergangsbereich zwischen dem biologisch aktiven
Flachwasserbereich und der beginnenden, aus limnologischer Sicht wichtigen
184
Tiefenwasserzone (ab 3 m Tiefe) spielten sich - wenn auch nur partiell - noch
ökologisch bedeutsame Wechselbeziehungen ab. Von daher sollte die dem Flachufer
nahegelegene Tiefenwasserzone ökologisch höherwertig eingestuft werden. Es
handele sich um den Unterwasser-Böschungsbereich, der vom Metalimnion
(Sprungschicht) beeinflusst werde und eine Übergangszone zwischen dem ökologisch
aktiven Ufer und dem ökologisch wenig dynamischen Tiefenwasser darstelle.
So Valentin (1998) Teil B, S. 120.
185
Aber auch im Hinblick auf das ökologisch wenig dynamische Tiefenwasser gibt er selbst
"zu bedenken, dass aus limnologischer Sicht ein großes Hypolimnion von Vorteil ist, um
einen trophiearmen Zustand lange zu erhalten." Ein trophiearmer Zustand sei
insbesondere in Bezug auf die Landschaftsfunktion Wasser und hierdurch indirekt auch
für Arten- und Lebensgemeinschaften als positiv zu beurteilen.
186
So Valentin (1998) Teil B, S. 118.
187
Dem lässt sich - wie es der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung getan hat -
auch nicht entscheidend unter Hinweis auf die mangelnde Repräsentanz von
Abgrabungsgewässern in der Niederrheinischen Bucht als einer der Großlandschaften
Nordrhein-Westfalens
188
- vgl. zu den Großlandschaften MURL-Verfahren (Adam/Nohl/Valentin), S. 237ff. -
189
entgegen treten, weil die Charakteristik bzw. Typizität für den Naturraum nur ein
Merkmal der Bedeutung eines Biotopes für den Naturraum im Rahmen der Bewertung
eines Eingriffs in den Naturhaushalt ist, und zwar dort insbesondere im Rahmen der
Bestandsaufnahme bzw. im Hinblick auf das Interesse an der "Erhaltung aller
Vegetationsmerkmale, die für einen Landschaftsraum typisch sind und ihn
charakterisieren".
190
Vgl. MURL-Verfahren S. 87, 91, 94 (!) und 290.
191
Der Aspekt des Erhaltungsinteresses kann hier aber kaum zwecks ökologischer
Herabstufung von Abgrabungsgewässern wegen mangelnder Repräsentanz zum
Tragen kommen, weil es bei den vorliegenden Fallgestaltungen typischweise nicht um
einen Eingriff in ein bestehendes Abgrabungsgewässer geht, sondern vielmehr um
einen Eingriff im Wege der Herstellung eines solchen.
192
Dass die Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Biotopbewertung auf der zehnskaligen
Bewertungsliste auch in sich nicht gewahrt ist, ergibt ein Vergleich der Bewertung von
Biotoptypen nach der Liste ARGE Eingriff-Ausgleich-NRW (1994): naturferner Seen mit
4, von Staugewässern ohne naturnahe Strukturelemente mit 3, eines Kanals ohne
naturnahe Strukturelemente mit 3. Der Tiefenwasserzone mit der Wertstufe 1 die gleiche
ökologische Wertigkeit wie einer geschotterten Fahrstraße zuzuschreiben, dürfte ihren
Lebensraumfunktionen kaum entsprechen. Dies erscheint fachlich nicht vertretbar.
193
Diese Fehler in der Anwendung der eigenen Methodik führen zur Rechtswidrigkeit der
Auflagen unter 10. und verletzen die Klägerin in ihrem Recht auf fehlerfreie Ermittlung
des Ausgleichs- bzw. Kompensationsbedarfs.
194
B. Für die Verpflichtung des Beklagten zur ersatzlosen Aufhebung der
Nebenbestimmungen unter 10. fehlt es aber an der Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz
1 VwGO, weil die Plangenehmigung - wie vorstehend ausgeführt - nicht ohne die
naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsbewertung erteilbar ist und der Beklagte
im Hinblick auf die Eingriffsfolgen, d. h. zur Frage, ob und in welchem Umfang nach
Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen ein Kompensationsbedarf verbleibt, dessen
Behebung der Klägerin durch Nebenbestimmungen aufzugeben ist, eine Neubewertung
des Gewässerausbaus nach fachlicher Überarbeitung der Biotoptypenbewertung der
Wasserzonen unter Beachtung der vorstehenden Hinweise und nach Maßgabe seiner
eigenen Standards, d. h. unter Ansatz sämtlicher verschiedener Wasserzonen nach
ihrer ökologischen Wertigkeit nach Maßgabe der Rekultivierungsplanung insbesondere
zur flächenmäßigen Neuberechnung der Wasserzonen erst noch vornehmen muss. Der
Beklagte war dementsprechend zur Neubescheidung zu verpflichten.
195
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1; 161 Abs. 2 Satz 1
VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in
Verbindung mit § 708 Nr. 11, 711 ZPO, die Entscheidung, die Berufung zuzulassen, auf
§§ 124a Abs. 1 Satz 1; 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
196