Urteil des VG Düsseldorf vom 25.02.2003

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 4206/02
Datum:
25.02.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 4206/02
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen
worden ist.
Im Übrigen werden die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 13.
Dezember 2001, teilweise abgeändert mit Schriftsatz vom 30.07.2002
und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom 24. Mai
2002 aufgehoben.
Der Beklagte trägt - insgesamt - die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Kläger sind zu je ½ Eigentümer des mit einem Reihen(end)haus bebauten
Grundstücks I-Str. 148 in E. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des
Bebauungsplanes Nr. 6068/29, vormals Nr. 6069/11, der Stadt E. Die Errichtung des
Gebäudes geht auf eine Baugenehmigung vom 21.5.1980 (Bauschein-Nr. 6-5280/79)
zurück, erteilt an (einen) Rechtsvorgänger der Kläger. Bestandteil dieser
Baugenehmigung waren auch Nebenbestimmungen. Darin heißt es unter:
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Ziffer 1.: Es ist ein Sammelstandplatz von 0,77 cbm oder ein Abfallbehälter von 1,1 cbm
anzuordnen. Unterbringung in Box am Verbindungsweg in Höhe des Hauses Nr. 148....
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Ziffer 2.: Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 6069/11 - insb. Punkt 5
(Gestaltung der baulichen Anlagen) - sind zu beachten und zu erfüllen.
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Nach einem in den Hausakten des Beklagten befindlichen Abnahmeschein für Amt 63
wurde der Standplatz für den Abfallsammelbehälter ohne Beanstandung und mit
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Hinweis auf eine Umpflanzung am 20.8.1982 abgenommen.
In den 90er-Jahren kam es zwischen den Verfahrensbeteiligten zu Streitigkeiten wegen
des Standplatzes für den Abfallsammelbehälter. Die Kläger beantragten eine Verlegung
mit der Begründung, sie würden durch Gerüche (usw.) unzumutbar beeinträchtigt. Mit
Bescheid vom 16.2.1993 lehnte der Beklagte eine Verlegung ab. Ein nachfolgender
Widerspruch der Kläger blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E
vom 25.3.1993). Im Rahmen eines sich anschließenden Klageverfahrens (VG
Düsseldorf, 16 K 3940/93) verpflichtete sich der Beklagte,
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„den Restmüllsammelbehälterstandplatz betreffend die Häuser I-Straße 138 - 148
zwischen die Flurstücke 821 und 488, zwar auf dem Grundstück des Klägers (= Kläger
zu 1.), aber unmittelbar an dem Wegeflurstück 802 zu verlegen."
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Der Kläger zu 1. (damals alleiniger Kläger) nahm daraufhin seine Klage zurück, das
Verfahren wurde mit Beschluss vom 28. August 1996 eingestellt.
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In der Folgezeit wurde der Abfallsammelbehälter (Container) am vereinbarten
Standplatz aufgestellt.
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Anlässlich von Nachbarbeschwerden wurde der Standplatz durch den Beklagten im
Sommer 2001 erneut überprüft. Mit Anhörungsschreiben vom 23.7.2001 wurden den
Klägern mitgeteilt, dass der Müllbehälter entgegen der Festsetzungen des geltenden
Bebauungsplanes nicht in einem Müllschrank untergebracht worden sei. Sofern eine
solche Unterbringung durch die Kläger nicht erfolge, sei beabsichtigt die Kläger dazu
aufzufordern, den Müllbehälter wieder direkt am Gebäude Nr. 148 aufzustellen.
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Mit Ordnungsverfügung vom 21. September 2001 forderte der Beklagte den Kläger zu 1.
zur Rückverlegung des Standplatzes auf. Auf den Widerspruch des Klägers erging unter
dem 13. Dezember 2001 eine neue Ordnungsverfügung, mit der die vormalige
Verfügung vom 21.9.2001 aufgehoben wurde und der Kläger im Übrigen aufgefordert
wurde,
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„an der im beiligenden Plan rot markierten Stelle einen Schrank für den Müllbehälter auf
dem Grundstück I-Str. 148 aus rotbraunen Ziegeln entsprechend den Ziegeln ihres
Hauses auf dem Grundstück zu errichten, in dem der Müllbehälter unterzustellen ist."
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Für den Fall des Nichtbefolgens innerhalb von 4 Wochen nach Bestandskraft wurde ein
Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro angedroht. Zur Begründung verwies der
Beklagte auf die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 6068/29. Die geforderten
Maßnahmen seien notwendig und angemessen, da andernfalls den gestalterischen
Anforderungen zuwider gehandelt und das Erscheinungsbild der Straße erheblich
gestört würde.
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Den gegen die Verfügung eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung E mit
Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2002 zurück.
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Der Kläger zu 1. und seine Ehefrau (=Klägerin zu 2.) haben am 26. Juni 2002 Klage
erhoben. Sie machen geltend, dass der Standort des Abfallcontainers in der Anlage zur
Ordnungsverfügung falsch wiedergegeben worden sei, dass die Verpflichtung zur
Errichtung eines Müllschrankes wenn überhaupt den Beklagten selbst treffe und dass in
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der Umgebung zahlreiche Abfallbehälter ohne Einhausung vorhanden seien.
Der Beklagte änderte seine Ordnungsverfügung im laufenden gerichtlichen Verfahren
wegen des eingezeichneten Standplatzes mit Schriftsatz vom 30.7.2002 ab. Die
Klägerin zu 2. hat in der mündlichen Verhandlung am 2.9.2002 die Klage
zurückgenommen.
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Der Kläger zu 1. beantragt,
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die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 13. Dezember 2001, teilweise abgeändert
mit Schriftsatz vom 30.7.2002, und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E
vom 24. Mai 2002 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Wegen der
geltend gemachten Vergleichsfälle führt er aus, dass die Sachverhalte teilweise nicht
gleich gelagert seien und wegen vergleichbarer Sachverhalte ein ordnungsbehördliches
Einschrei-ten geprüft werde.
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Das Gericht hat die mündliche Verhandlung vom 2.9.2002 zunächst vertagt, um den
Klägern den Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit dem Umweltamt zu
ermöglichen. Nachdem von dort aus angekündigt wurde, dass dem Antrag der Kläger
auf veränderte Müllentsorgung über Einzeltonnen nicht stattgegeben werden soll, haben
die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer erneuten
mündlichen Verhand-lung verzichtet und das Gericht gebeten, zur Sache zu
entscheiden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Klägerin zu 2. die Klage zurückgenommen hat
(§ 92 Abs. 3 VwGO).
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Die zulässige Klage des Klägers (zu 1.) im Übrigen, über die das Gericht gem. § 101
Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten nach Vertagung ohne
weitere mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat Erfolg.
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Die angegriffene Ordnungsverfügung des Beklagten vom 13. Dezember 2001, teilweise
abgeändert mit Schriftsatz vom 30.7.2002 und der Widerspruchsbescheid der
Bezirksregierung E vom 24. Mai 2002 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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Die angefochtene Verfügung könnte allein auf § 61 Abs. 1 BauO NRW gestützt werden,
demzufolge die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch,
der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Unterhaltung baulicher Anlagen sowie
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anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 BauO NRW darüber
zu wachen haben, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften sowie die auf Grund
dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden (Satz 1), und in
Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen haben (Satz 2). Indessen findet die angefochtene Verfügung in
diesen Vorschriften keine Grundlage.
Zwar liegen die Voraussetzungen für ein auf die vorgenannte Vorschrift gestütztes
bauaufsichtliches Einschreiten im Grundsatz vor. Die Aufstellung eines Müllbehälters im
Freien ohne Einhausung in einem Müllschrank verstößt insbesondere gegen die im
Bebauungsplan Nr. 6068/29 enthaltene Festsetzung zur Gestaltung baulicher Anlagen
(hier Ziffer 3). Ungeachtet dessen leidet die angegriffene Verfügung aber an einem
Ermessensfehler.
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Es kann dahinstehen, ob der Beklagte mit dem Erlass der Verfügung gegen das Gebot
der Gleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte verstoßen hat oder ob die vom Kläger
als Vergleichsfälle genannten Fallgestaltungen deshalb als andersartig angesehen
werden können, weil es sich in jenen Fällen um nicht in gleicher Weise exponierte
Standplätze für die Abfallbehälter handelt.
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Jedenfalls hat der Beklagte deswegen ermessensfehlerhaft gehandelt, weil er nicht
berücksichtigt hat, dass sein vormals mit der Aufstellung des Abfallsammelbehälters
befasstes Amt 70 ( Amt für Abfallwirtschaft und Straßenreinigung) am ordnungswidrigen
Zustand mitgewirkt hat,
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vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 28. Dezember 1988 - 7 A 2363/86 -.
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Damit hat er einen für den Kläger aus den vorgenannten Verfahrensumständen
ableitbaren Vertrauensschutz zu Unrecht nicht beachtet.
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Zwar war die Unterbringung des Abfallbehälters in einer Box bereits Gegenstand der
ursprünglichen Baugenehmigung und haben auch die Rechtsvorgänger des Klägers
diese Auflage nicht befolgt. Auf der anderen Seite wurde der Standplatz des
Abfallbehälters mit Abnahmeschein vom 20.8.1982 durch das für die Abnahme
zuständige Amt 70 und unter Ankreuzung der Rubrik „Umpflanzung" beanstandungsfrei
abgenommen. Dieser Umstand sowie im Besonderen das Verhalten der Behörde in den
nachfolgenden Jahren bis zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren 16 K 3940/93 vor
dem erkennenden Gericht machen in der Gesamtschau deutlich, dass die Errichtung
eines Müllschrankes tatsächlich nicht mehr gefordert wurde und der Kläger sich hierauf
auch entsprechend einstellen konnte und durfte. Die Ausführungen des Beklagten dazu,
das Klageverfahrens 16 K 3940/93 habe sich ausschließlich mit der Frage des
Standplatzes für den Müllcontainer befasst und die dort getroffene Regelung habe keine
Auswirkungen auf ein Einschreiten der Bauaufsicht wegen nicht beachteter
Gestaltungsfestsetzungen, ist nicht sachgerecht und verfehlt. Die Rücknahme der Klage
in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren 16 K 3940/93 durch den Kläger war nach der
Erklärung des Beklagten ergangen, wonach sich dieser zur Verlegung des Standplatzes
für den Abfallbehälter verpflichtet hatte. Die Verlegung des Standplatzes war nach dem
protokollierten Wortlaut der Erklärung an keine Bedingung, insbesondere nicht zur
Gestaltung des Standplatzes, geknüpft worden. Dies hätte sich allerdings für den Fall,
dass die Verlegung des Standplatzes mit einer entsprechenden Forderung
(Müllschrank) einhergehen sollte, förmlich aufgedrängt und für den Kläger vor dem
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Hintergrund der von ihm nachfolgend abgegebenen verfahrensbeendenden Erklärung
eine maßgebliche Rolle gespielt. Im Nachgang an die im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren 16 K 3943/93 abgegebene Verpflichtungserklärung des Beklagten durfte der
Kläger folglich zu Recht davon ausgehen, dass die Frage der ordnungsgemäßen
Aufstellung des Containers einschließlich aller damit zusammenhängenden Fragen
abschließend geregelt worden ist. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte bei seiner
Entscheidung, aber auch im gerichtlichen Verfahren den Umfang der vorbeschriebenen
Regelung verkannt hat, hat er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Eine
Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne, dass die getroffene Entscheidung
unbeschadet des genannten Gesichtspunktes so wie geschehen hatte ergehen müssen,
ist angesichts der Art der Belästigungen (in erster Linie wird hierbei auf das
Erscheinungsbild der Straße abgestellt) noch nicht anzunehmen. Im Übrigen sind auch
andere Entscheidungen als die Errichtung eines Müllschrankes zur Abwehr der
benannten Nachteile denkbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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