Urteil des VG Düsseldorf vom 25.11.2008

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 17 K 6189/06
Datum:
25.11.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 K 6189/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110%
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Be-klagte
vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks G1 in X. Eine Teilfläche des
Grundstücks mit einer Größe von 6.461 qm war seit 1954 an die Firma K (Fa. K)
vermietet, der südliche, 3.940 qm große Bereich der Teilfläche bereits seit dem Jahre
1890. Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts nutzte die Fa. K die angemieteten
Flächen als ober– und unterirdisches Großtanklager zur Lagerung und zum Umschlag
von Mineralölen und Mineralölprodukten (Benzin, Heizöl, Schmieröl, Teeröl) sowie
deren Abfüllung. Nachdem der laufende Geschäftsbetrieb verkauft worden war, stellte
die Fa. K den Tanklagerbetrieb im Jahre 1998 ein.
2
Anlässlich eines Schadensfalles, bei dem mindestens 300 l Heizöl ausgelaufen und in
die X1 gelangt waren, stellte der Beklagte bereits Anfang 1993 fest, dass sämtliche
Abfüllplätze auf dem Betriebsgelände nicht den gesetzlichen Bestimmungen
entsprachen. Eine weitere Besichtigung des Betriebsgeländes im September 1994
ergab katastrophale Zustände der Tankanlage. Auf unzureichend befestigtem
Untergrund tropften verschiedene Schieber und Ventile der Tanks.
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Bei mehreren Bodenuntersuchungen, die im Zusammenhang mit der beabsichtigten
Betriebsstilllegung in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von der Fa. K und
vom Beklagten in Auftrag gegeben worden waren, wurden Belastungen insbesondere
durch Mineralöle, PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), Phenole und
BTEX (aromatische Kohlenwasserstoffe - Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylole)
nachgewiesen. In dem Bericht der Fa. S – Beratende Ingenieure Umwelt-, Energie- und
Rohstofftechnik E – vom 17. Oktober 1994 für den Beklagten über die beprobungslose
Erstbewertung im Bereich des Bahnhofs X-I, der das Teilgebiet "I1 Lager" umfasst, heißt
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es bezogen auf den Gefährdungspfad Wasser:
"Gefahren für das Grundwasser gehen besonders von den flüssigen Schadstoffen aus
(Teilgebiet "I1 Lager"). (...) Die Freisetzung dieser Stoffe ist mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit verbunden. In Anbetracht des Zustandes des Tanklagers
(tropfende Hähne/Armaturen, brüchige Fundamente) ist ein erheblicher
Schadstoffeintrag in den Untergrund nicht auszuschließen. Aufgrund der sensiblen
hydrogeologischen Situation im Untersuchungsgebiet ist daher eine Kontamination
des Grundwassers zu besorgen. Der geringmächtige Lehm bzw. die möglichen
Auffüllungen zeigen vermutlich kein besonderes Rückhaltevermögen gegenüber den
Schadstoffen. Über das Kluftsystem im Massenkalk ist eine rasche
Transportmöglichkeit zum Grundwasser gegeben."
5
Ein von der Fa. K in Auftrag gegebenes Gutachten über Boden- und
Bodenluftuntersuchungen des Instituts für T von März 1995 kommt zum Ergebnis, dass
zwar eine Schadstoffelution durch Sickerwässer nicht ausgeschlossen werden könne,
von den vorgefundenen Bodenkontaminationen jedoch keine akute
Grundwassergefährdung ausgehe. Eine Grundwasserbeeinflussung durch
Mineralölkohlenwasserstoffe im vermuteten Abstrom sei durch die nachgewiesenen
Kontaminationen auszuschließen. Im 2. Gutachten des T von Mai 1995 wird dieses
Ergebnis – keine akute Grundwassergefährdung – bestätigt, jedoch darauf hingewiesen,
dass bei Umbaumaßnahmen die oberflächennahen Bodenkontaminationen unter
gutachterlicher Begleitung abgegraben und entsorgt oder durch Überbauung durch
flüssigkeitsdichte Oberflächen gesichert werden sollten.
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Im Jahre 1999 begann der von der Fa. K beauftragte Generalunternehmer, das
Europäische Institut T1 mit dem Ausbau der ober- und unterirdischen Tankanlagen
sowie dem Abbruch der aufstehenden Gebäude. Dabei wurden große Mengen
kontaminierten Bodens angetroffen und zum Teil ausgekoffert. In einem
Zwischenbericht vom 12. August 1999 des Umweltgeologischen
Sachverständigenbüros W aus Q, die vom T1 mit der gutachterlichen Überwachung
beauftragt worden waren, ist festgehalten, dass MKW-, PAK- und BTEX-Belastungen
vorhanden seien und angesichts dieser Verunreinigung von einer latenten
Grundwassergefährdung auszugehen sei. Das Rückhaltevermögen für Schadstoffe im
Boden sei aufgrund der überwiegend sandig-schluffigen Zusammensetzung des
Auffüllungskörpers als relativ gut einzuschätzen.
7
Mit bestandskräftiger Ordnungsverfügung vom 11. August 2000 nahm der Beklagte die
Fa. K erfolglos als Abfallerzeuger und –besitzer auf Beseitigung der kontaminierten
Bodenmassen in Anspruch. Die Rückbauarbeiten sind bis heute nicht abgeschlossen.
Derzeit befinden sich auf dem eingezäunten Gelände verschiedene Haufwerke mit
mehreren tausend Tonnen kontaminiertem Aushubmaterial, wobei das größte Haufwerk
mit Folie abgedeckt auf einer Betonplatte in der südwestlichen Ecke des Grundstücks
lagert. Die übrigen vier Haufwerke sind nicht abgedeckt.
8
Unter dem 18. Oktober 2001 beauftragte der Beklagte das Umweltgeologische
Sachverständigenbüro W mit Boden- und Sickerwasseruntersuchungen auf dem
streitgegenständlichen Grundstück. In ihrem Gutachten vom 31. Juli 2002 stellen W im
Ergebnis fest:
9
"Diese geringmächtige Bodenlage, die zumindest teilweise noch aus
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Auffüllungsmaterial besteht, stellt keinen wirksamen Schutz gegen eindringendes
hochkontaminiertes Sickerwasser dar, so dass auch am "Ort der Beurteilung"
innerhalb des Massenkalkes mit hohen und höchsten Schadstoffgehalten im
Sickerwasser und somit mit deutlichen Prüfwertüberschreitungen zu rechnen ist. Vor
dem Hintergrund sehr hoher Schadstoffgehalte in der Bodenoriginalsubstanz, einer
sehr hohen Schadstoffmobilität und der praktisch nicht vorhandenen Schutzwirkung
der ungesättigten Bodenzone ist im Bereich des Untersuchungsgeländes von einer
signifikanten Grundwassergefährdung auszugehen, die dringend weitere Maßnahmen
nach sich ziehen sollte."
Im Rahmen eines selbstständigen Beweissicherungsverfahrens beim Landgericht X,
das auf Antrag der Klägerin zur Klärung der Kontaminationsbelastung des Erdbodens
und der Haufwerke gegen die Fa. K und deren Geschäftsführer durchgeführt worden
war, erstellte Dipl.-Ing. N aus X2 unter dem 5. April 2005 ein Fachgutachten. Die Frage
nach möglichen Schadstoffeinträgen in das Grundwasser beantwortete der Gutachter
wie folgt:
11
"Bei den Probenahmen am 7. Dezember 2005 wurden im Sohlenbereich (...)
Schluffschichten (Lehm) festgestellt. Von dem Probenmaterial A6 Sohle wurde der kf-
Wert (Durchlässigkeitsbeiwert) bestimmt. (...) Der vorgefundene kf-Wert lässt die
Aussage zu, dass die Durchdringung dieser natürlichen Sperrschicht und damit ein
Schadstoffeintrag ins Grundwasser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nicht zu befürchten ist. Darüber hinaus belegt die Bewertung der
Untersuchungsergebnisse, dass mit zunehmender Tiefe die Konzentration der
Schadstoffe abnimmt, bis letztendlich keine nennenswerte Kontamination mehr
festgestellt wurde. (...) An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass auf der
Grundlage der von dem Unterzeichner durchgeführten Bodenuntersuchungen und
aufgrund der daraus resultierenden Untersuchungsbefunde keine konkreten
Anhaltspunkte und Erkenntnisse dafür ersichtlich sind, die belegen, dass
Schadstoffeinträge in das Grundwasser stattgefunden haben beziehungsweise
stattfinden."
12
Über das Vermögen der Fa. K wurde am 15. September 2005 das Insolvenzverfahren
eröffnet.
13
Zwischenzeitlich fanden seit dem Jahre 2000 Verhandlungen zwischen den Beteiligten
mit dem Ziel einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zur Durchführung von
Detailuntersuchungen auf dem Grundstück statt, die jedoch daran scheiterten, dass sich
die Beteiligten nicht auf den Umfang der Untersuchungen, insbesondere die Vornahme
von Grundwasseruntersuchungen, einigen konnten.
14
Mit Ordnungsverfügung vom 27. März 2006 gab der Beklagte der Klägerin auf, auf dem
streitgegenständlichen Grundstück fünf Grundwasser-Güte-Messstellen, zwei im
Abstrom, eine im Oberstrom, eine im Schadenszentrum und eine im Seitenstrom zu
errichten und dort Grundwasser-Analysen auf im einzelnen benannte Stoffe
durchzuführen. Ferner ordnete der Beklagte die Dokumentierung der
Grundwasseruntersuchungen und das Aufzeigen weiterer Untersuchungsschritte
hinsichtlich des Grundwasserpfades an. Gleichzeitig wurde der Klägerin aufgegeben,
mit der Errichtung der Grundwassermessstellen und der Durchführung der
Grundwasseruntersuchungen einen nach der Verordnung über Sachverständige für
Bodenschutz und Altlasten NRW zugelassenen Sachverständigen zu beauftragen. Zur
15
Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, es bestünden aufgrund des
Gutachtens W, das zum Teil signifikante Überschreitungen der jeweiligen Prüfwerte für
den Wirkungspfad Boden - Grundwasser aufweise, konkrete Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer Altlast. Daher sei eine vertiefte weitere Untersuchung zur
abschließenden Gefährdungsabschätzung im Hinblick auf diesen Wirkungspfad
erforderlich.
Die Klägerin hat hiergegen insbesondere unter Hinweis auf das Gutachten des Dipl.-
Ing. N Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E
vom 10. November 2006 zurückgewiesen wurde.
16
Die Klägerin hat am 7. Dezember 2006 Klage erhoben, mit der sie unter Vorlage einer
Stellungnahme der Fa. H in N1 vom 20. April 2007 geltend macht: Der Beklagte habe
spätestens ab 1993 aus rechtlich nicht zu rechtfertigenden Umständen keinerlei
Sanierungs- und Untersuchungsmaßnahmen gegenüber der Fa. K veranlasst. Unter
Verstoß gegen das Gebot der unvoreingenommenen Sachverhaltsermittlung und -
bewertung habe der Beklagte einseitig parteiisch gehandelt. Mit dem Gutachterbüro W
habe der Beklagte zudem diejenigen Gutachter beauftragt, die bereits für die Fa. K tätig
geworden seien. Es sei zweifelhaft, ob die Anordnungsbefugnis nach § 9 Abs. 2
BBodSchG auf Gewässerverunreinigungen bezogen werden könne. Ein hinreichend
konkreter Verdacht eines ursächlichen Zusammenhangs der festgestellten schädlichen
Bodenveränderungen mit Kontaminationen im darunter liegenden Grundwasser sei auf
der Grundlage der gutachterlichen Ergebnisse des Sachverständigen Dipl.-Ing. N nicht
anzunehmen. Außerdem habe das Gutachten den Nachweis erbracht, dass die im
Boden vorgefundenen Schadstoffkonzentrationen ganz überwiegend nur im
oberflächennahen Bereich festzustellen seien und mit zunehmender Tiefe abnähmen.
Demgegenüber weise das vom Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten W eine Reihe
gravierender fachlicher Mängel auf. Die Auswahl der Probennahmepunkte und die
Methodik des Rückschlusses vom Ort der Probennahme auf den Ort der Beurteilung
seien nicht nachvollziehbar. Die Abbau- und Rückhaltewirkung der ungesättigten
Bodenzone habe das Gutachten nicht bzw. nur unzureichend untersucht. Der
angetroffene Verwitterungslehm über dem Massenkalk, der aufgrund seiner
feinkörnigen, überwiegend tonig, schluffigen Matrix ein hohes Rückhaltevermögen
gegenüber Schadstoffen aufweise, sei unberücksichtigt geblieben. Das Gutachten
könne mithin nicht als hinreichender Beleg für die Aussage dienen, dass von einer
signifikanten Grundwassergefährdung auszugehen sei. Jedenfalls sei als Maßnahme
zur weiteren Gefährdungsabschätzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG nicht
sogleich die Vornahme von Grundwasseruntersuchungen vorgesehen, sondern
zunächst eine Sickerwasserprognose durchzuführen. Die aufgegebenen Maßnahmen
seien unverhältnismäßig. Die Störerauswahl sei fehlerhaft erfolgt, weil regelmäßig von
einer prioritären Verantwortlichkeit des Verursachers auszugehen sei. Die
Störereigenschaft des Insolvenzverwalters als Inhaber der tatsächlichen Gewalt sei
nicht erwogen worden. Auch die persönliche bodenschutzrechtliche Verantwortlichkeit
der Geschäftsführer der Fa. K sei nicht geprüft worden. Des weiteren habe der Beklagte
zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass er selbst als ordnungsrechtlich Verantwortlicher
anzusehen sei, weil er als zuständige Behörde über einen langjährigen Zeitraum nicht
gegen die zur Sanierung erstrangig als Verursacherin heranzuziehende Fa. K
vorgegangen sei. Schließlich erweise sich die angeordnete Grundwasseruntersuchung
als unzumutbare Belastung zu Lasten der Klägerin, da bereits die Sanierungskosten für
die Beseitigung der festgestellten Bodenverunreinigungen den Grundstückswert
deutlich überstiegen.
17
Unter dem 24. Juni 2008 hat der Beklagte einen Ergänzungsbescheid erlassen und die
Ordnungsverfügung vom 27. März 2006 durch Verweis auf einen Lageplan ergänzt, aus
dem sich die genaue Lage der zu errichtenden Grundwasser-Güte-Messstellen ergibt.
Ferner hat der Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme des Geotechnischen Büros
E1 vom 15. Mai 2008 eingeholt, nach der für den Standort eindeutig konkrete Hinweise
auf das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast im Hinblick auf das
Grundwasser gegeben seien.
18
Im Hinblick hierauf legte die Klägerin einen Prüfbericht sowie eine gutachterliche
Stellungnahme der Fa. H vom 31. Oktober 2008 und 6. November 2008 zum
Bodenaufbau und zur Wasserdurchlässigkeit des Verwitterungslehms auf dem
streitgegenständlichen Betriebsgelände vor. Darin wird im Ergebnis festgestellt, dass
eine Gefährdung des Grundwassers nicht bestehe. Die Klägerin macht ergänzend
geltend: Die nachträgliche Fehlerheilung sei rechtlich nicht zulässig. § 45 Abs. 2 VwVfG
erlaube kein Nachschieben von Gründen. Im übrigen enthalte der Ergänzungsbescheid
wesentliche Abweichungen vom ursprünglichen Bescheid.
19
Die Klägerin beantragt,
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die Ordnungsverfügung mit Androhung des Zwangsgeldes des Beklagten
vom 27. März 2006 und 24. Juni 2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 10. November 2006
aufzuheben.
21
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
23
Er trägt vor: Die Vornahme von Grundwasseruntersuchungen könne zumindest dann auf
§ 9 Abs. 2 BBodSchG gestützt werden, wenn, wie hier, Untersuchungen ausschließlich
zu dem Zweck angeordnet würden, Umfang und Auswirkungen der festgestellten
Bodenverunreinigungen eingrenzen zu können. Der gegen ihn gerichtete Vorwurf der
Untätigkeit sei unbegründet. Die 1994 festgestellten Missstände seien kurzfristig
behoben worden, die Boden- und Bodenluftuntersuchungen von 1995 habe der
Beklagte veranlasst. Konkrete Anhaltspunkte, die einen hinreichenden Verdacht auf
eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast begründeten, lägen vor. Das
Sachverständigenbüro W habe sowohl eine Abschätzung der im Sickerwasser am Ort
der Beurteilung zu erwartenden Belastungen als auch aufgrund einer unmittelbaren
Beprobung des Sickerwassers vorgenommen. Fachliche Mängel seien nicht erkennbar.
Das Gutachten des Ingenieurbüros N sei nicht geeignet, das Vorhandensein einer
durchgehenden Sperrschicht zu belegen. Der von ihm angenommene kf-Wert stehe
außerdem in deutlichem Widerspruch zu dem als Schluffschichten (Lehm)
angesprochenen Boden. Unabhängig davon stelle eine nur 0,7 m mächtige Lehmlage
keinen wirksamen Schutz gegen eindringendes verunreinigtes Sickerwasser dar. Die
angeordneten Maßnahmen seien auch verhältnismäßig, weil nur durch eine
Untersuchung des Grundwassers darüber befunden werden könne, ob eine
Grundwassersanierung erforderlich sei. Die Störerauswahl sei nicht zu beanstanden.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakten verwiesen.
25
Entscheidungsgründe:
26
Die Klage hat keinen Erfolg.
27
Die angefochtene Ordnungsverfügung in der Fassung des Ergänzungsbescheides
sowie der Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
28
Ziffer 1 der Verfügung in ihrer ergänzten Form ist hinreichend bestimmt im Sinne des §
37 Abs. 1 VwVfG. Das Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes
bedeutet, dass aus der getroffenen Regelung, d.h. aus dem Entscheidungssatz im
Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen bekannten oder ohne weiteres
erkennbaren Umständen für die Beteiligten, insbesondere für den Adressaten, die
Regelung, die den Zweck, Sinn und Inhalt des VA ausmacht, so vollständig, klar und
unzweideutig sein muss, dass diese ihr Verhalten danach ausrichten können. Das ist
hier gegeben. Ziffer 1 der Anordnung in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom
24. Juni 2008 lässt in Verbindung mit dem als Anlage beigefügten Lageplan eindeutig
erkennen, wo und in welcher Größe Grundwassermessstellen errichtet werden sollen.
29
Der Beklagte war an der nachträglichen Präzisierung der Ordnungsverfügung nicht
gehindert. Die Anordnung in ihrer ursprünglichen Form war nicht derart unverständlich,
dass der Bestimmtheitsmangel die Nichtigkeit der Ordnungsverfügung zur Folge gehabt
hätte. Welche Maßnahmen zu welchem Zweck von der Beklagten verlangt wurden, war
der Verfügung ohne weiteres zu entnehmen. Unklar war lediglich, an welchen Stellen
die Messstellen zu errichten waren. Ist eine Verfügung aber mangels Bestimmtheit wie
hier nicht nichtig und damit nicht unwirksam (§ 43 Abs. 3 VwVfG) kann sie nachträglich
ohne zeitliche Schranke geheilt werden,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 1994 – 10 B 350/94 -, NVwZ 1995, 308.
31
Bedenken bestehen auch insoweit nicht, als der Beklagte zur Festlegung von
Ansatzpunkten für Grundwassermessstellen die hydraulische Situation am Standort
weiter aufgeklärt hat. Die Begründung eines Verwaltungsaktes kann nachträglich
ergänzt werden (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Auch Ermittlungs- und Bewertungsdefizite
können noch während des gerichtlichen Verfahrens durch Nachholung entsprechender
Ermittlungen bzw. Bewertungen durch einen Bescheid behoben werden. Wesentliche
Änderungen hat der ursprüngliche Bescheid nicht erfahren. Der Ergänzungsbescheid
verlangt nicht zwei Messstellen im Seitenstrom. Der Begründung ist eindeutig zu
entnehmen, dass die Messstellen 2 und 4 je nach Fließrichtung des Grundwassers
entweder im Seiten- oder im Abstrom liegen. Damit bleibt es zusammen mit der im
Abstrom liegenden Messstelle 3 bei zwei Messstellen im Abstrom und einer im
Seitenstrom. Gegenüber den gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG gegebenen
Heilungsmöglichkeiten wird den Belangen des Klägers insofern Rechnung getragen,
als er seine Kostenlast durch Erledigungserklärung abwenden kann. Vor diesem
Hintergrund ist eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift nicht erkennbar.
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Rechtsgrundlage für die streitige Ordnungsverfügung, mit der der Klägerin die
Errichtung von 5 Grundwasser-Güte-Messstellen und die Durchführung von
Grundwasseranalysen auferlegt wurde, ist § 9 Abs. 2 BBodSchG. Besteht auf Grund
konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen
33
Bodenveränderung oder einer Altlast, kann die zuständige Behörde anordnen, dass die
in § 4 Abs. 3, 5 und 6 genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur
Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben.
Das BBodSchG geht bei der Untersuchung und Sanierung einer schädlichen
Bodenveränderung von einzelnen, aufeinander aufbauenden und von der zuständigen
Behörde im Regelfall einzuhaltenden Verfahrensschritten aus. Bestehen Anhaltspunkte
für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, soll die Fläche
zunächst einer orientierenden Untersuchung unterzogen werden (§ 3 Abs. 3
BBodSchV). Diese dient im wesentlichen der Feststellung, ob ein hinreichender
Verdacht im Sinne des § 9 Abs. 2 BBodSchG besteht oder nicht (§ 2 Nr. 3 BBodSchV).
Ergibt die orientierende Untersuchung eine Überschreitung von Prüfwerten oder ist eine
solche zu erwarten, soll eine Detailuntersuchung durchgeführt werden (§ 3 Abs. 4 Satz 2
BBodSchV), die als vertiefte abschließende Gefährdungsabschätzung Aussagen über
Menge und räumliche Verteilung der angetroffenen Schadstoffe, die Gefahr ihrer
Ausbreitung in Boden, Gewässer und Luft sowie die Möglichkeit der Aufnahme durch
Menschen, Tiere und Pflanzen treffen (§ 2 Nr. 4 BBodSchV). Während die zuständige
Behörde bei einem Anfangsverdacht nach § 9 Abs. 1 BBodSchG von Amts wegen die
zur Ermittlung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen auf ihre Kosten zu ergreifen
hat, kann sie im Falle des § 9 Abs. 2 BBodSchG einen Verantwortlichen einbeziehen
und mit den erforderlichen weiteren Maßnahmen der Gefahrabschätzung belasten. Ein
solches Vorgehen der Behörde stellt in zweifacher Hinsicht qualifizierte Anforderungen
an den bestehenden Gefahrenverdacht: die Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
schädlichen Bodenverunreinigung müssen sich aufgrund von nach Absatz 1 ergriffenen
Maßnahmen konkretisiert haben, und es müssen hinreichende Verdachtsmomente
zutage getreten sein.
34
Konkrete Anhaltspunkte liegen vor, wenn eindeutige und nachprüfbare tatsächliche
Indizien vorhanden sind. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bzw. ein hinreichender
Verdacht ist zu bejahen, wenn sich die Hinweise auf eine schädliche
Bodenveränderung so weit verdichtet haben, dass mehr als eine bloße, insbesondere
spekulative Möglichkeit gegeben ist, weil bei allen noch bei der Behörde bestehenden
Unsicherheiten in Ansehung und unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des
Gesetzes (vgl. § 1 BBodSchG) die für das Vorliegen einer schädlichen
Bodenveränderung bzw. Altlast sprechenden Umstände und Anhaltspunkte das größere
Gewicht haben als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte. Damit kann auch dem
allgemeinen polizeirechtlichen Grundsatz Rechnung getragen werden, dass das Maß
der Eintrittswahrscheinlichkeit vom Rang der betroffenen Schutzgüter und vom Ausmaß
des zu befürchtenden Schadens abhängt.
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Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 10 S 2351/06 -, juris;
Posser, in: Giesberts/Reinhard, Umweltrecht, BBodSchG § 9 Rz. 16;
Sondermann/Hejma, in: Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl., § 9 Rz. 30;
Giesberts, in: Fluck, BBodSchG, § 9 Rz. 104.; Hilger, in:
Holzwarth/Radtke/Hilger/Bachmann, BBodSchG/BBodSchVO, 2. Aufl., § 9 Rz. 8.
36
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Detailuntersuchung auf der Grundlage
des § 9 Abs. 2 BBodSchG sind gegeben. Von den Bodenverunreinigungen auf dem
ehemaligen Betriebsgelände der Fa. K geht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine
Gefahr für das Grundwasser aus.
37
Nach § 4 Abs. 3 BBodSchV liegen insbesondere dann konkrete Anhaltspunkte vor, die
den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast
begründen, wenn Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben oder
wenn auf Grund einer Bewertung nach § 4 Abs. 3 eine Überschreitung von Prüfwerten
zu erwarten ist (§ 3 Abs. 4 BBodSchV). Die Prüfwerte sind im Regelfall aufgrund einer
Sickerwasserprognose am Ort der Beurteilung, also dem Übergangsbereich von der
ungesättigten zur wassergesättigten Bodenzone zu ermitteln (§ 4 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3
Satz 1 BBodSchV). Ist eine solche repräsentative Beprobung am Ort der Beurteilung
nicht möglich, kann die Sickerwasserprognose auf Untersuchungen nach Anhang 1 Nr.
3.3 gestützt werden (§§ 3 Abs. 4 Satz 1, 4 Abs. 3 Satz 2 BBodSchV). Dabei ist im
Einzelfall insbesondere abzuschätzen und zu bewerten, inwieweit zu erwarten ist, dass
die Schadstoffkonzentration im Sickerwasser den Prüfwert am Ort der Beurteilung
übersteigt.
38
Die Gutachter W haben in ihrem Gutachten vom 31. Juli 2002 entsprechend dieser in
der BBodSchV vorgesehenen Vorgehensweise zur Abschätzung des
Schadstoffeintrags aus der Verdachtsfläche in das Grundwasser Untersuchungen in
Form von Bodenuntersuchungen im Labor (Säulenversuche) und eine
Sickerwasserbeprobung mit Saugkerzen bzw. über kleine Hilfspegel durchgeführt.
Nachdem die Untersuchungen z.T. erhebliche, die Prüfwerte der BBodSchV
überschreitende Schadstoffbelastungen des Sickerwassers am Ort der Probennahme
ergeben hatten, kamen W unter Berücksichtigung der Mobilität und Abbaubarkeit der
Stoffe sowie des Abbau- und Rückhaltevermögens der ungesättigten Zone zu dem
Schluss, dass eine signifikante Grundwassergefährdung gegeben sei. Eine
Voreingenommenheit der Gutachter ist nicht erkennbar. Sie ergibt sich insbesondere
nicht allein daraus, dass W bereits für die Fa. K tätig geworden sind. Die Gutachter
haben sich nicht vorzeitig festgelegt, sondern die notwendigen Untersuchungen
durchgeführt und auf dieser fachlichen Grundlage sodann ihr Fazit gezogen. Das
Geotechnische Büro E1 bestätigt diese Einschätzung. Die Gutachterin Dr. P stellt in
ihrer Bewertung vom 15. Mai 2008 fest, dass nach Auswertung aller
Untersuchungsergebnisse aufgrund der Bodenbelastungen einerseits und der
Untergrundverhältnisse andererseits ein Eintrag von Schadstoffen in das Grundwasser
auf dem in Rede stehenden Standort wahrscheinlich sei.
39
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Gutachten und Stellungnahmen der Fa. H der
Auffassung ist, die Bestimmung mittels Saugkerzen, die Säuleneluatuntersuchungen
und die Stauwasserbeprobung sei durch W nicht korrekt im Sinne der BBodSchV
durchgeführt worden und könne deshalb nicht zu einer korrekten Beurteilung der
Belastungssituation führen, muss das Gericht dem nicht nachgehen. Es kann auch offen
bleiben, ob bereits im Stadium der orientierenden Untersuchung eine vollständige
Sickerwasserprognose erforderlich ist.
40
Denn selbst wenn keine den Anforderungen der §§ 3 Abs. 4 Satz 1, 4 Abs. 3 BBodSchV
genügende Eintragsprognose erstellt worden sein sollte, folgt daraus nicht, dass es an
konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung fehlt.
Die Vorschrift in § 3 Abs. 4 Satz 1 BBodSchV stellt (nur) eine Regelvermutung auf.
Einen Umkehrschluss dahingehend, dass konkrete Anhaltspunkte nur dann vorliegen,
wenn Untersuchungen nach § 9 Abs. 1 BBodSchG zu Prüfwertüberschreitungen geführt
haben, lässt § 3 Abs. 4 BBodSchV nicht zu. Neben den die Regelvermutung tragenden
Untersuchungen des § 3 Abs. 4 Satz 1 BBodSchV kann ein hinreichender Verdacht
gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 BBodSchV auch aufgrund sonstiger Feststellungen bestehen.
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Die Anforderungen an die Qualität der "sonstigen Feststellungen" ergeben sich aus
denen des § 9 Abs. 2 BBodSchG. Die sonstigen Feststellungen müssen ähnlich den
Prüfwertüberschreitungen geeignet sein, konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
schädlichen Bodenveränderung zu liefern. Bloße Vermutungen oder vage, kaum
gesicherte Anhaltspunkte genügen hierfür nicht. Die Behörde muss nach § 9 Abs. 2
BBodSchG eindeutige und nachprüfbare Indizien benennen können, auf die sie das
Vorliegen eines hinreichenden Verdachts stützt. Das werden maßgeblich Messungen
sein, die bei der der Anordnung einer Detailuntersuchung vorausgehenden
orientierenden Untersuchung regelmäßig durchzuführen sind (vgl. § 2 Nr. 3 BBodSchV).
42
Vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 1 A 10281/07 -, DVBl 2007, 1578;
juris.
43
Neben Messungen können auch andere bodenbezogene Feststellungen den
hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast begründen.
Einer Überprüfung der Gefahr durch eigene Bohrungen oder Bodenproben der
Behörden bedarf es etwa dann nicht, wenn aus alten Fässern oder undichten
Rohrleitungen in nennenswertem Umfang umweltgefährdende Stoffe ausgelaufen und
im Erdreich versickert sind,
44
vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu § 9 Abs. 2, BT-Drucksache 13/6701, S.
40; Frenz, BBodSchG, § 9 Rz. 44,
45
oder wenn ersichtlich verunreinigtes Erdreich gefunden wird und Erkenntnisse aus der
früheren Betriebsüberwachung einen unsachgemäßen Umgang mit
wassergefährdenden Stoffen und frühere Schadensfälle belegen,
46
vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 1 A 10281/07 -, a.a.O..
47
Es genügt ferner, wenn ein vorschriftswidriger Umgang und eine vorschriftswidrige
Lagerung in einer Weise über einen längeren Zeitraum aktenkundig ist, der nach dem
normalen Lauf der Dinge und nach aller Erfahrung zu einer schädlichen
Bodenveränderung führen musste,
48
vgl. Bickel, BBodSchG, 4. Aufl., § 9 Rz. 12..
49
Im vorliegenden Fall gibt es sowohl Messungen, die auf eine schädliche
Bodenveränderung hinweisen, als auch andere detaillierte, spezifisch bodenbezogene
Informationen, die eine Entscheidung über das Bestehen eines hinreichenden
Verdachts einer schädlichen Bodenveränderung ermöglichen.
50
Eine Überschreitung von Prüfwerten bei PAK am Ort der Probennahme ist aufgrund der
im Jahre 2002 durchgeführten Materialuntersuchungen unstreitig gegeben. Es steht
ferner fest, dass sich im Bereich einer der von den Gutachtern W durchgeführten
Rammkernsondierungen, der RKS 2006, hoch belastetes Wasser im Boden befindet.
Ob es als Sickerwasser oder als Stauwasser zu bezeichnen ist, ist unerheblich.
Jedenfalls wurden dort in einer Tiefe von 3,5 m unter der Oberfläche von W signifikant
erhöhte Gehalte an PAK, MKW, BTEX-Aromaten und Phenolen gemessen. Die
"wässrige Teerölphase" wurde auch bei den Schurferkundungen von Fa. H festgestellt.
Schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden durch das T zum Teil
51
"sehr erhöhte Schadstoffpotentiale durch MKW, PAK und Phenol" nachgewiesen.
Aufgrund der 1993 und 1994 durchgeführten Betriebsbesichtigungen ist ferner erwiesen,
dass sämtliche Abfüllplätze auf dem Betriebsgelände nicht den gesetzlichen
Bestimmungen entsprachen und hinsichtlich der Tankanlagen katastrophale Zustände
herrschten, die dem Beispiel in der Begründung zum Regierungsentwurf entsprechen
dürften. Damals fand man eindeutig kontaminierte Lagerbereiche vor. Schließlich sind
bei den durchgeführten Auskofferungsarbeiten im Rahmen der Abrissarbeiten der
Gebäude und des Ausbaus von unterirdischen tanktechnischen Anlagen im Jahre 1999
in großem Umfang nutzungsbedingte Bodenverunreinigungen festgestellt worden. Auf
dem Gelände lagern immer noch mehrere tausend Tonnen ausgekoffertes,
kontaminiertes Bodenmaterial.
Die nachweislich vorhandenen erheblichen Bodenverunreinigungen mit PAK, MKW,
BTEX und Phenolen stellen typischerweise eine Gefahr für das Grundwasser dar. Eine
Situation, in der trotz dieser Kontaminationen ausnahmsweise eine Gefahr für das
Grundwasser ausgeschlossen werden kann, liegt auch dann nicht vor, wenn man auf
der Grundlage der Erkundungen von N und Fa. H das Vorhandensein einer sehr
schwach durchlässigen, mindestens 0,5 – 2,0 mächtigen Schluffschicht annimmt.
52
Um einen Stoffeintrag in das Grundwasser sicher ausschließen zu können, muss der
Grundwasserleiter nach den "Materialen zur Altlastensanierung und zum Bodenschutz,
Vollzugshilfe zur Gefährdungsabschätzung "Boden-Grundwasser" des nordrhein-
westfälischen Umweltministeriums sowie des Landesumweltamtes NRW (Vollzugshilfe)
von 2003 – neben anderen Voraussetzungen - von einer mindestens 2 m mächtigen,
nicht kontaminierten Deckschicht aus Tonen, Schluffen oder Lehmen geschützt sein. In
der "Arbeitshilfe Sickerwasserprognose bei orientierenden Untersuchungen" der Bund-
/Länderarbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO), Altlastenausschuss, Unterausschuss
Sickerwasserprognose von Juli 2003 heißt es, das Rückhalte- und Abbauvermögen der
ungesättigten Zone könne i.d.R. vernachlässigt werden, wenn die Mächtigkeit der
unbelasteten Grundwasserüberdeckung weniger als 2 m beträgt.
53
Die Auffassung der Klägerin trifft zwar zu, dass es sich bei diesen Regeln nicht um
normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften handelt und sie somit weder für die
Behörde noch für das Gericht verbindliche Geltung beanspruchen können.
54
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 – 7 C 26/03 - , BVerwGE 123, 247-261 für die
"Technischen Regeln 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall".
55
Als Empfehlungen eines sachverständigen Gremiums können sie aber zur Ausfüllung
von unbestimmten Begriffen wie Wohl der Allgemeinheit oder Besorgnis der
Grundwasserverunreinigung herangezogen werden,
56
vgl. BayVGH, Urteil vom 10. März 1998 – 20 B 97.406 -, juris.
57
Die Mächtigkeit der Grundwasserüberdeckung ist auch nach der Vollzugshilfe und der
Arbeitshilfe keine absolute Größe, sondern nur ein Kriterium von mehreren, wie etwa
Schadstoffart sowie Größe und Lage der Schadstoffquelle, bei deren Vorliegen ein
Stoffeintrag in das Grundwasser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen oder mit Sicherheit unterstellt werden kann. Das Über – oder
Unterschreiten bestimmter Werte und das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter
Randbedingungen beeinflusst danach lediglich den Grad der Wahrscheinlichkeit. Wird
58
der Grundwasserleiter von einer über 2,0 m mächtigen Deckschicht geschützt, bedeutet
das nach den Untersuchungs- und Bewertungshinweisen nichts weiter, als dass ein
Umstand für das Vorliegen einer wirksamen Grundwasserüberdeckung spricht.
Daneben spielen aber z.B. auch Rückhalte- und Abbauprozesse eine Rolle. Umgekehrt
zwingt eine weniger als 2 m mächtige, nicht kontaminierte Deckschicht nicht zur
Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen Grundwassergefährdung. Eine unter 2 m
mächtige Schicht stellt aber einen ungünstigen, für eine Grundwassergefährdung
sprechenden Umstand dar, weil die Verweildauer des Sickerwassers mit abnehmender
Mächtigkeit der unbelasteten Grundwasserüberdeckung geringer wird.
Zieht man diese von sachverständigen Gremien getroffenen Überlegungen zur
Beurteilung der Grundwassergefährdung heran, so zeigt sich, dass der spezielle
Bodenaufbau in dem ehemaligen Betriebsgrundstück den Verdacht einer schädlichen
Bodenveränderung in Bezug auf den Wirkungspfad Boden – Grundwasser nicht
ausräumen kann.
59
Soweit die Klägerin auf die sehr schwachen Durchlässigkeiten des auf dem Gelände
vorhandenen Verwitterungslehms verweist, fällt dieser Gesichtspunkt nicht
entscheidend ins Gewicht. Bei der Einstufung der Mächtigkeit der unbelasteten
Grundwasserdeckschicht werden von vorneherein nur solche Gesteine berücksichtigt,
die einen relevanten Beitrag zur Schutzfunktion erbringen. Dazu zählen z.B. schluffige
Sande, Lehme und Tone. Der Nachweis einer Schluffschicht auf dem ehemaligen
Betriebsgelände führt mit anderen Worten nur dazu, dass dieser Schicht überhaupt eine
Schutzfunktion zuzumessen ist, keinesfalls aber, dass geringere Anforderungen an die
Mächtigkeit der Grundwasserüberdeckung zu stellen sind.
60
Darüber hinaus steht nicht fest, ob auf dem Gelände überhaupt durchgängig
Verwitterungslehm vorhanden ist, geschweige denn gibt es nachprüfbare Indizien zur
Mächtigkeit dieser Schicht. Schürfe mit den entsprechenden Nachweisen konnten nur
im Bereich der Gruben 1 und 2 erstellt werden. Der nordwestliche Bereich des
Grundstücks war aufgrund der topographischen Situation und der mächtigen
Auffüllungen nicht durch Baggerschürfe erschließbar. Der Gutachter vermutet zwar,
dass Verwitterungslehm in größerer Tiefe vorhanden ist, nachgewiesen ist das aber
nicht. Das Vorhandensein einer wirksamen Deckschicht kann auch nicht ohne weiteres
unterstellt werden. Vielmehr sind auf Massenkalk kleinräumige Schwankungen des
Verwitterungslehms typisch. Zudem wurde die natürliche Schichtenfolge am Standort
des ehemaligen Tanklagers I1 im Zuge der Bebauung erheblich gestört. Wahrscheinlich
wurde zur Egalisierung des Geländes der Massenkalk im Nordwesten des Geländes
abgebaut und das Bruchsteinmaterial nach Südosten hin wieder eingebaut. Der
Bodenauftrag beträgt dort bis zu 10 m. Es liegt auf der Hand, dass eine unmittelbare
Gefahr für das Grundwasser besteht, wenn die Schluffschicht auch nur an einer Stelle
des Geländes fehlt.
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Gegen eine wirksame Grundwasserdeckschicht spricht ferner, dass die Schluffschicht,
soweit sie im Bereich der Gruben 1 und 2 belegt ist, an einigen Stellen den in der
Arbeits- und der Vollzugshilfe genannten Orientierungswert von 2 m nicht nur knapp,
sondern mit 0,5 m deutlich unterschreitet. Jedenfalls bei diesen Größenordnungen wird
man das Rückhalte- und Abbauvermögen der Schluffschicht vernachlässigen können.
Hinzu kommt, dass bei den von Fa. H errichteten Schürfen 1 und 2 teerölbelastetes
Stauwasser festgestellt wurde, das W zufolge erhebliche Mengen an PAK, MKW, BTEX-
Aromaten und Phenolen enthält. Nach den Feststellungen von Fa. H weist der
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Verwitterungslehm in diesem Bereich nur eine Mächtigkeit von 0,8 – 0,9 m auf.
Oberflächennah ist Fa. H zufolge dort (bereits) von einer Belastung des
Verwitterungslehms auszugehen. Unter diesen Umständen spricht alles für eine
Grundwassergefährdung. Die Erkenntnis des Gutachters, dass hier (noch) keine
Teerölphase den Verwitterungslehm durchdrungen hat, hilft der Klägerin nicht weiter.
Denn der Schutzzweck des Gesetzes, der bei der Prüfung der hinreichenden
Wahrscheinlichkeit einer schädlichen Bodenveränderung zu berücksichtigen ist,
verlangt eine nachhaltige Sicherung der Funktionen des Bodens. Das ist bei einer
weniger als 1,0 m mächtigen Deckschicht gerade nicht gewährleistet.
Weil es an einer wirksamen Grundwasserüberdeckung fehlt, kann den übrigen
Faktoren, auf die die Klägerin abhebt - Art der Schadstoffe, Schadstoffpotential,
Abnahme der Schadstoffgehalte zur Tiefe hin, spezifisches Schadstoffverhalten - keine
durchgreifende Bedeutung mehr zukommen. Im übrigen mögen zwar die festgestellten
MKW wenig mobil sein. Dafür ist aber etwa die Mobilität von BTEX, die in der
Teerölphase nachgewiesen wurden, als hoch einzuschätzen. Aufgrund der relativ guten
Wasserlöslichkeit können BTEX mit dem Sicker- und Grundwasser transportiert werden
(vgl. Arbeitshilfe, S. 42). Jedenfalls diese Art der Schadstoffe spricht daher für eine
Grundwassergefährdung. Die insgesamt auf dem Gelände vorhandene, erhebliche
Schadstoffmenge kommt hinzu.
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Bei der Bewertung der für und gegen das Vorliegen einer schädlichen
Bodenveränderung sprechenden Umstände ist zudem in Rechnung zu stellen, dass die
Grundwasseroberfläche zwar mit rund 30 m weit unter der ursprünglichen
Geländeoberfläche innerhalb des dort bestehenden Massenkalks liegt. Der Massenkalk
kann aber aufgrund seiner Klüftigkeit bzw. seiner Verkarstung, die mit einer hohen
Durchlässigkeit und geringen Verweilzeiten einhergehen, keine Schutzfunktion
übernehmen (sog. Karstgrundwasserleiter). Einen wirksamen Grundwasserschutz kann
damit allein der Verwitterungslehm übernehmen. Das spricht dafür, im vorliegenden Fall
eher eine deutlich mehr als 2 m mächtige Schluffschicht zu fordern, um den Verdacht
einer Grundwassergefährdung nachhaltig ausräumen zu können.
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So bleibt es bei der Feststellung, dass erhebliche Bodenkontaminationen
nachgewiesen sind und sich Teerölphase bereits in 3,5 m unter der Oberfläche
liegenden Bodenschichten befindet. Das Grundwasser wird an dieser Stelle von einer
nur 0,8 bis 0,9 m mächtigen, bereits selbst belasteten Schluffschicht geschützt. Das
Szenario entspricht in weiten Teilen einer Situation, in der nach Punkt 3.5.2.1 der
Vollzugshilfe sogar mit Sicherheit ein Stoffeintrag in das Grundwasser unterstellt werden
kann: die Schadstoffquelle liegt in der ungesättigten Bodenzone, die mit einer
realitätsnahen Methode ermittelte Konzentration der Bodenlösung am Ort der
Probennahme überschreitet die Prüfwerte der BBodSchV für das Grundwasser, der
Grundwasserleiter wird nicht von einer mindestens 2 m mächtigen, nicht kontaminierten
Deckschicht aus Tonen, Schluffen oder Lehmen geschützt und der Abstand zum Ort der
Beurteilung ist gering. Selbst hinsichtlich des letzten Punktes dürfte eine
Vergleichbarkeit gegeben sein, weil das Grundwasser zwar in einer Tiefe von rund 30 m
liegt, ein Karstwassergrundleiter aber als besonders verschmutzungsempfindlich gilt.
Darauf kommt es letztlich aber nicht an. Denn eine mit an Sicherheit grenzende
Wahrscheinlichkeit einer Grundwassergefährdung ist für die Anordnung einer
Detailuntersuchung nicht erforderlich. Es reicht jedenfalls aus, wenn eine schädliche
Bodenveränderung überwiegend wahrscheinlich erscheint. Das ist hier ohne weiteres
zu bejahen, zumal es sich beim Grundwasser und der daraus gespeisten
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Trinkwasserversorgung um besonders hoch bewertete Rechtsgüter handelt, und
deshalb den für eine Gefährdung sprechenden Anhaltspunkten besonderes Gewicht
zukommt.
Dem Hilfsbeweisantrag musste das Gericht nicht nachgehen, weil es bei seiner
Entscheidung vom Vorhandensein einer gering durchlässigen Schluffschicht
ausgegangen ist, soweit sie von Dipl.-Ing. N und Fa. H auf dem Gelände angetroffen
wurde. Ob diese Schicht geeignet ist, den hinreichenden Verdacht einer
Grundwassergefährdung auszuschließen, stellt im übrigen keine dem Beweis
zugängliche Tatsache dar, sondern ist das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung.
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Als Eigentümerin des Grundstücks ist die Klägerin Verpflichtete im Sinne des § 4
Abs. 3 BBodSchG. Ermessensfehler bei der Störerauswahl sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ergeben sich solche nicht aus dem Vermerk des Beklagten, die Bahn sei
"so und so dran". Für die Beseitigung der kontaminierten Bodenmassen ist der Beklagte
zunächst gegen die Fa. K vorgegangen. Er hat sich also gerade nicht vorzeitig auf die
Klägerin festgelegt. Ungeachtet dessen ist der Vermerk salopp formuliert, aber nicht
unsachlich. Da sich das Auswahlermessen der Behörde bei der Heranziehung von
Sanierungsverantwortlichen in erster Linie an der Notwendigkeit einer schnellen und
effektiven Gefahrenbeseitigung zu orientieren hat, ist es regelmäßig gerechtfertigt, den
finanziell Leistungsfähigsten in Anspruch zu nehmen. Diese Voraussetzungen sind bei
der Klägerin offensichtlich erfüllt. Die Auswahlentscheidung ist auch sonst nicht zu
beanstanden. Eine Rangfolge zwischen den in § 4 Abs. 3 BBodSchG genannten
möglichen Adressaten gibt es nicht. Eine erneute Inanspruchnahme der Fa. K als
Verhaltensstörerin war wegen deren Insolvenz und der daraus zu schließenden
Leistungsunfähigkeit nicht angezeigt; entsprechendes gilt für den Insolvenzverwalter. Es
bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass der Beklagte eine Heranziehung der
Geschäftsführer der Fa. K nicht geprüft hat. Voraussetzung für deren Inanspruchnahme
als Handlungsstörer ist, dass die Geschäftsführer die schädliche Bodenveränderung auf
dem Betriebsgrundstück durch ihr Verhalten zumindest mitverursacht haben und dass
die eingetretenen Bodenverschmutzungen jedenfalls auch in dem Zeitraum entstanden
sind, in dem sie als Geschäftsführer der Fa. K tätig waren. Dafür gibt es nach
derzeitigem Sachstand keine Anhaltspunkte. Die Aufnahme umfangreicher tatsächlicher
Ermittlungen zur Feststellung des Verpflichteten würde dem Ziel einer möglichst
schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung zuwiderlaufen.
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Weiterhin außer Betracht bleiben muss eine etwaige Mitschuld des Beklagten, die darin
liegen könnte, dass er über einen langjährigen Zeitraum nicht gegen die Fa. K als
Handlungsstörerin vorgegangen ist. Dabei handelt es sich um ein nachträgliches
Geschehen, das allenfalls die Beseitigung der schädlichen Bodenveränderung
verzögert, mit deren ursprünglicher Entstehung aber nichts zu tun hat und damals
entstandene Verantwortlichkeiten daher auch nicht verlagern kann. Abgesehen davon,
dass der Beklagte in dieser Zeitspanne nicht untätig geblieben ist und die Akten die
Gründe für den Zeitbedarf erkennen lassen, würde deshalb ein etwaiges Fehlverhalten
der Behörde an der Störerhaftung nichts ändern, sondern könnte lediglich auf
Geldausgleich gerichtete Amtshaftungsansprüche begründen.
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Die Entscheidung des Beklagten, die Errichtung von 5 Grundwassermessstellen sowie
die Durchführung von Analysen aufzugeben, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.
Diese Untersuchungen sind zur Gefährdungsabschätzung notwendig. Da es um die
abschließende Bewertung von Gefahren für das Grundwasser geht, die von den
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Bodenverunreinigungen ausgehen, sind in dieser Untersuchungsphase
Grundwasseruntersuchungen im Ab-, Seiten- und Anstrom sowie im Schadenszentrum
geeignet und erforderlich. Die Festlegung der Ansatzpunkte beruht auf plausiblen
sachverständigen Erwägungen. Die Beprobung hat durch einen Sachverständigen zu
erfolgen, so dass mögliche Risiken während des Bohrvorgangs minimiert werden.
Die Anordnung belastet die Klägerin auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht
übermäßig. Die Kosten der mit der Ordnungsverfügung angeordneten Maßnahmen
belaufen sich auf ca. 105.000,-- Euro. Weder wird aufgrund der mit der Durchführung der
Untersuchungsmaßnahme verbundenen Kostenbelastung die Fortführung des
Betriebes der Klägerin gefährdet, noch wird der im Regelfall maßgebliche
Orientierungswert für die Kosten, die dem Eigentümer zumutbar sind, überschritten,
nämlich der Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung.
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Die Androhung des Zwangsgeldes beruht auf §§ 55 Abs. 1, 63, 60 Abs. 1 VwVG NRW.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,
709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
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