Urteil des VG Düsseldorf vom 27.11.2009

VG Düsseldorf (bezeichnung, verwechslung, berufliche weiterbildung, öffentliche schule, schule, auflage, verwendung, tourismus, anerkennung, verwechslungsgefahr)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 5202/08
Datum:
27.11.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 5202/08
Schlagworte:
Ergänzungsschule Verwechlung Bildungsgang Berufsfachschule
Berufskolleg SchulG NRW § 116 Abs. 5 Bezeichnung
Tenor:
Die Nebenbestimmung Nr. 1 in dem Bescheid der Beklagten vom
18.06.2008 wird insoweit aufgehoben, als der Klägerin die Verwen-dung
der Bezeichnung „Berufsfachschule“ untersagt wird.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht
die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist Trägerin einer nach § 118 Abs. 1 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
(SchulG NRW) anerkannte berufsbildende Ergänzungsschule für den 2-jährigen Bildungsgang Fitness- und
Wellness-Coach, Fachrichtung Tourismus. Diese Anerkennung des 2-jährigen Bildungsganges Fitness-
und Wellness-Coach, Fachrichtung Tourismus (staatlich anerkannte Ergänzungsschule) erteilte die
Beklagte mit Bescheid vom 18.06.2008 unter der Auflage, dass sie künftig im Zusammenhang mit dem
Betrieb die Bezeichnung "Berufsfachschule" nicht verwendet und keine anderen Bezeichnungen führt
und/oder Unterlagen, Zeugnisse sowie Werbematerialien verwendet, durch welche die Gefahr einer
Verwechslung mit einer öffentlichen Schule oder einer Ersatzschule begründet wird. Begründet wurde diese
Auflage damit, dass die etwaige Verwendung der Bezeichnung "Berufsfachschule" eine
Verwechslungsgefahr im Sinne des § 116 Abs. 5 und 6 SchulG NRW begründen würde. Die getroffene
Auflage sei das geeignete und erforderliche Mittel, um die Schülerinnen und Schüler vor der Gefahr zu
bewahren, fälschlicherweise davon auszugehen, dass es sich bei dem Bildungsgang um eine öffentliche
Schule oder Ersatzschule handele. Die Auflage sei auch angemessen, weil der mit ihr verfolgte Zweck – der
Schutz von Schülerinnen und Schülern bzw. Erziehungsberechtigten vor der Gefahr der Verwechslung und
unzutreffender Informationen – nicht außer Verhältnis stehe zu der verhängten Maßnahme, da es der
Klägerin unbenommen bliebe, ihre anerkannte Ergänzungsschule auch weiterhin gesetzeskonform zu
betreiben und für sie zu werben.
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Nach Zustellung des Bescheids am 23.06.2008 hat die Klägerin am 21.07.2008 Klage erhoben beschränkt
auf die mit der erteilten Anerkennung einer Ergänzungsschule ausgesprochenen Auflage, dass sie künftig
im Zusammenhang mit dem Betrieb der anerkannten Ergänzungsschule die Bezeichnung 2-jährige
Berufsfachschule Fitness- und Wellness-Coaching, Fachrichtung Tourismus (Ergänzungsschule) nicht
verwenden darf. Sie ist der Auffassung, dass die Bezeichnung Berufsfachschule auf Grundlage des § 116
Abs. 5 und 6 SchulG NRW verwendet werden könne. In § 116 Abs. 5 SchulG NRW heiße es, dass eine
Ergänzungsschule keinen Zusatz enthalten dürfe, der auf das Schulgesetz, die Anzeige nach § 116 Abs. 2
SchulG oder eine staatliche Genehmigung, Befreiung oder andere Anerkennung als nach § 118 SchulG
hinweist. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr, da es jedem interessierten Bewerber klar sei, dass es
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einen staatlichen Bildungsabschluss Fitness- und Wellness-Coach, Fachrichtung Tourismus nicht gebe und
deshalb auch gar keine Verwechslungsgefahr bestehe.
Die Klägerin führt weiter aus, dass gemäß § 116 Abs. 5 SchulG die Ergänzungsschule keine Bezeichnung
führen dürfe, die eine Verwechslung mit öffentlichen Schulen oder Ersatzschulen hervorrufen könne. Diese
Vorschrift stelle demnach darauf ab, dass eine Verwechslung mit Schulen – nicht mit Bildungsgängen oder
Ausbildungen – begegnet werden solle. Damit sei klar gestellt, dass sich der Begriff der Berufsfachschule
ausschließlich und allein auf einen Bildungsgang beziehe und nicht auf eine Schulform. Dies
korrespondiere mit der Vorschrift des § 6 Abs. 6 SchulG NRW, wonach jede Schule eine Bezeichnung
führen müsse, die den Schulträger, die Schulform und die Schulstufe angebe. Danach könnten auch
anerkannte Ergänzungsschulen nur dann mit öffentlichen Schulen verwechselt werden, wenn sie in ihrer
Bezeichnung eine Schulform oder eine Schulstufe angäben, die öffentlichen Schulen vorbehalten sei.
Schulstufen sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW die Primarstufe, Sekundarstufe I und die
Sekundarstufe II. Sie verwende keiner dieser Begriffe für das von ihr gemachte schulische Angebot. Als
Schulform im Sinne der APO-BK komme nur die Bezeichnung Berufskolleg in Betracht. Auch diese
Bezeichnung führe sie nicht. Im Schulgesetz NRW sei eine gesonderte Bezeichnung für Berufskollegs
ausdrücklich nicht aufgeführt. Es sei nur eine Ausnahme in § 6 Abs. 6 Satz 2 für Bildungsgänge gemacht
worden, die zur allgemeinen Hochschulreife führten. Nur diese könnten zusammen mit der Bezeichnung
Berufskolleg den Zusatz "Berufliches Gymnasium" führen. Die APO-BK verwende allein den
Schulformbegriff Berufskolleg. Lediglich in § 1 Abs. 1 der Anlage B zur APO-BK finde sich der Begriff
Berufsfachschule als Kennzeichnung eines Bildungsganges als Teil des Kollegs. Es könne daher nicht
isoliert auf die Verwendung des Begriffs Berufsfachschule abgestellt werden. Die beantragte Bezeichnung
müsse insgesamt dahingehend gewürdigt werden, ob eine Verwechslung überhaupt bestehe. Mit der
Aufnahme des Zusatzes "Ergänzungsschule" und mit der konkreten Bezeichnung "Fitness- und Wellness-
Coach, Fachrichtung Touristik" verdeutliche sie für jeden in Frage kommenden Teilnehmer an dieser
Ausbildung, dass es sich ausschließlich um berufliche Weiterbildung außerhalb der Schulpflicht oder
Berufsschulpflicht handele.
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Die Klägerin beantragt schriftlich,
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die Nebenbestimmung Nr. 1 in dem Bescheid der Beklagten vom 18.06.2008 insoweit
aufzuheben, als ihr die Verwendung der Bezeichnung "Berufsfachschule" untersagt wird,
aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt schriftlich,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, dass eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 116 Abs. 5 und 6 SchulG NRW
bestehe. Die Verordnung zur Änderung von Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gemäß § 52 SchulG
NRW vom 14.06.2007 habe den Begriff "Berufsfachschule" wieder eingeführt. Gemäß § 1 Abs. 1 der Anlage
B zur APO-BK vermittelten die Bildungsgänge der Berufsfachschule einen Berufsabschluss nach
Landesrecht oder eine berufliche Grundbildung und ermöglichten den Erwerb des mittleren
Schulabschlusses (Fachoberschulreife) oder des mittleren Schulabschlusses (Fachoberschulreife) mit der
Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe. Es sei für die Frage der Verwechslungsgefahr
durchaus entscheidend, ob es sich um eine Ergänzungsschule oder um eine anerkannte Ergänzungsschule
handele. Durch die Anerkennung nach § 118 Abs. 1 SchulG NRW bekomme die an der jeweiligen
Ergänzungsschule vermittelte Ausbildung – zumindest in der Außenwirkung auf potenzielle Schülerinnen
und Schüler – einen höheren individuellen Stellenwert. Da es sich aber trotz der erfolgten Anerkennung
nach § 118 Abs. 1 SchulG NRW nicht um eine anerkannte Ausbildung und auch nicht um einen
anerkannten Abschluss handele, habe die Klägerin gerade im Zusammenhang mit dem Betrieb ihrer
anerkannten Ergänzungsschule nach der Intention des Gesetzgebers gemäß § 116 Abs. 5 und 6 SchulG
zum Schutz der Betroffenen, d.h. der Schülerinnen und Schüler der Klägerin, in ihrer Außenwirkung alles zu
unterlassen, was eine Verwechslung mit einer Ersatzschule oder einer öffentlichen Schule hervorrufen
könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs-
und Gerichtsakten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO gegen die Nebenbestimmung Nr. 1 in dem Bescheid
der Beklagten vom 18.6.2008 insoweit, als der Klägerin die Verwendung der Bezeichnung
"Berufsfachschule" untersagt wird, ist zunächst statthaft, denn es handelt sich bei der Nebenbestimmung um
eine selbständig anfechtbare Auflage i.S. von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, und im Übrigen zulässig.
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Die Klage ist auch begründet. Die Nebenbestimmung Nr. 1 in dem Bescheid der Beklagten vom 18.06.2008
ist insoweit rechtswidrig, als der Klägerin die Verwendung der Bezeichnung "Berufsfachschule" untersagt
wird und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Nach § 116 Abs. 5 Satz 1 SchulG NRW darf eine Ergänzungsschule keine Bezeichnung führen, die eine
Verwechslung mit öffentlichen Schulen oder Ersatzschulen hervorrufen kann. Die von der Klägerin
gewählte Bezeichnung "2jährige Berufsfachschule Fitness und Wellness-Coaching Fachrichtung
Tourismus (Ergänzungsschule)" ruft eine solche Verwechslung nicht hervor, so dass die Untersagung der
Verwendung der Bezeichnung "Berufsfachschule" nicht auf § 116 Abs. 5 Satz 1 SchulG NRW gestützt
werden kann. Danach soll eine Verwechslung mit öffentlichen
Schulen
ausgeschlossen werden. Gem. § 6 Abs. 6 SchulG NRW führt jede Schule eine Bezeichnung, die den
Schulträger, die Schulform und die Schulstufe angibt.
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Eine Verwechslung mit einer "Berufsfachschule" als Schulform scheidet aus, da eine solche Schulform in
Nordrhein-Westfalen nicht existiert. Es handelt sich dabei vielmehr gem. § 22 Abs. 1 SchulG NRW um einen
Bildungsgang
§ 1 Abs. 1 der Anlage B zur APO-BK sich der Begriff Berufsfachschule wieder findet , dann auch nur als
Kennzeichnung eines Bildungsganges als Teil des Berufskollegs.
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Auch eine Verwechslung mit einen "Berufskolleg" scheidet aus. Nach § 6 Abs. 6 SchulG NRW ist den
Schulträgerin hinsichtlich der Namensgebung vorgegeben, dass die Bezeichnung "Berufskolleg" lautet, so
dass eine Verwechslung mit der Ergänzungsschule der Klägerin nicht erfolgen kann, da sie die
Bezeichnung "Berufskolleg" nicht führen will. Aufgrund des RdErl. d. Ministeriums für Schule und
Weiterbildung vom 08.08.2006 (ABl. NRW S. 364), BASS 10-03 Nr. 1, können bei der Namensgebung
eines Berufskollegs textlich nachfolgend Spezifizierungen der vorhandenen Bildungsgänge – somit auch
des Bildungsganges "Berufsfachschule" - ausgewiesen werden. Die von der Klägerin angestrebte
Bezeichnung "2-jährige Berufsfachschule Fitness- und Wellness-Coaching, Fachrichtung Tourismus
(Ergänzungsschule)" schließt auch vor diesem Hintergrund eine Verwechslung mit einem "Berufskolleg"
aus, da die Klägerin die Bezeichnung "Berufskolleg" – wie dargelegt – gar nicht verwendet.
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Zuletzt scheidet auch bei einer Gesamtwürdigung der angestrebten Bezeichnung eine Verwechslung im
Sinne des § 116 Abs. 5 SchulG NRW aus. Bei der angestrebten Bezeichnung muss jedem Interessierten
vor dem Hintergrund der existierenden Schulformen aber auch aufgrund des vom Ministerium für Schule
und Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Informationsmaterials insbesondere zu
den Berufskollegs
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vgl insbesondere die Broschüre "Das Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen. Bildungsgänge und
Abschlüsse" von 11/2008,
http://www.nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/download/819/berufskolleg_druckfassung.pdf,
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klar sein, dass es sich bei der von der Klägerin angebotenen Ausbildung gerade nicht um einen
Bildungsgang an einem Berufskolleg handelt.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §
167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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