Urteil des VG Düsseldorf vom 12.11.2003

VG Düsseldorf: befristung, hund, stadt, unverzüglich, behörde, anschrift, abgabe, herausgabe, befreiung, auflage

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 2398/02
Datum:
12.11.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 2398/02
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage
zurückgenommen hat.
Der die Haltung des Rüden Bolle betreffende Erlaubnisbescheid des
Beklagten vom 7. September 2001 und der Widerspruchsbescheid der
Landrätin des Kreises X1 vom 15. März 2002 werden insoweit
aufgehoben, als darin eine Befristung und ein Widerrufsvorbehalt
angeordnet und die Erlaubnis mit Auflagen verbunden worden ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
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Die Klägerin meldete aus Anlass der Landeshundeverordnung im Juli 2000 beim
Beklagten eine von ihr gehaltene American-Staffordshire-Hündin („Bonnie") und einen
Rüden („Bolle") an, den sie als „American-Staffordshire-Bulldog-Mix" bezeichnete.
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Jeweils mit Bescheid vom 7. August 2001 erteilte der Beklagte der Klägerin unter dem
Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs die Erlaubnis zum Halten der Hunde. Zugleich
befristete er die Erlaubnisse auf fünf Jahre bis zum 6. August 2006 und versah die
Erlaubnisbescheide mit diversen, als „Auflagen" und „Hinweisen" bezeichneten
Zusätzen.
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Durch Bescheid vom selben Tag setzte er zudem die Gebühr für die Erteilung jeder der
beiden Erlaubnisse auf 50 DM fest.
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Sämtliche Bescheide wurden der Klägerin am 10. August 2001 zugestellt.
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Die Klägerin legte gegen diese Bescheide am 10. September 2001 Widerspruch ein,
gegen die Erlaubnisbescheide insoweit, als diesen Nebenbestimmungen und
Inhaltsbeschränkungen beigefügt worden waren. Zugleich beantragte sie die
Herausgabe der zu den Akten des Beklagten gereichten Führungszeugnisse. Die
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Landrätin des Kreises X1 wies die Widersprüche durch Widerspruchsbescheid vom 15.
März 2002, zugestellt am 21. März 2002, zurück.
Die Klägerin hat die vorliegende Klage am 17. April 2002 erhoben.
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Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die angefochtenen Nebenbestimmungen
seien mangels wirksamer Ermächtigungsgrundlage zum einen rechtswidrig, weil sowohl
die Landeshundeverordnung als auch nunmehr das Landeshundegesetz
verfassungswidrig seien. Zum anderen seien sie verfahrens- und ermessensfehlerhaft
angeordnet worden.
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Die Hündin ist im April 2002 eingeschläfert worden. Insoweit haben die Beteiligten das
Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Klage auf
Herausgabe der Führungszeugnisse hat die Klägerin zurückgenommen. Diese beiden
Verfahrensteile sind vom vorliegenden Verfahren abgetrennt worden und unter den
Aktenzeichen 18 K 7319/03 bzw. 18 K 7320/03 fortgeführt worden.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zudem die vorliegende Klage insoweit
zurückgenommen, als sie sich gegen die Gebührenfestsetzung zu dem den Rüden
Bolle betreffenden Bescheid des Beklagten vom 7. August 2001 gerichtet hat.
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Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
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die ordnungsbehördliche Erlaubnis zum Halten des Hundes Bolle, Mikrochip-Nummer
000000000000000 vom 7. September 2001 - Az.: 32/1 - Kö - und den
Widerspruchsbescheid der Landrätin des Kreises X1 vom 15. März 2002 - Az.: 32-
1/32.12-13 insoweit aufzuheben, als darin
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1. eine Befristung sowie
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2. ein Wiederrufsvorbehalt angeordnet wurden und
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3. die Erlaubnis mit den Auflagen,
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a. die Verlängerung der Erlaubnis ist rechtzeitig, d.h. spätestens sechs Wochen vor
ihrem Ablauf, zu beantragen;
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b. bei einem Wohnungswechsel innerhalb des Stadtgebietes der Stadt N ist die Klägerin
verpflichtet, ihren Hund bei der Ordnungsbehörde des Beklagten umzumelden; bei
einem Wohnortwechsel ist die Klägerin verpflichtet, ihren Hund beim Ordnungsamt der
Stadt N abzumelden sowie bei der nunmehr zuständigen Ordnungsbehörde des neuen
Wohnortes wieder anzumelden;
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c. falls die Klägerin ihren Hund einer anderen Person länger als vier Wochen zur Obhut
überlässt, ist sie verpflichtet, diese Person unter Angabe des Namens und der Anschrift,
sowie den Verbleibeort des Hundes unverzüglich dem Ordnungsamt der Stadt N zu
benennen;
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d. ein Abhandenkommen des Hundes ist der zuständigen Ordnungsbehörde
unverzüglich anzuzeigen;
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e. den Tod oder die Abgabe des Hundes muss die Klägerin unter Angabe des Todes-
bzw. Abgabedatums unverzüglich dem Ordnungsamt der Stadt N anzeigen; im Falle der
Abgabe des Hundes muss die Klägerin zusätzlich den Namen und die Anschrift des
neuen Halters unverzüglich mitteilen; in diesen Fällen ist der Erlaubnisbescheid dem
Ordnungsamt der Stadt N zurückzugeben;
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f. der Hund darf nur mit einer maximal 1,5 Meter langen sowie das Körpergewicht des
Hundes haltenden, reissfesten Leine ausgeführt werden;
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g. die Klägerin oder die benannte Aufsichtsperson darf nicht gleichzeitig mehrere Hunde
führen und
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h. die Erlaubnis ist beim Ausführen des Hundes mitzuführen; sie ist Bediensteten der
Polizei und des Ordnungsamtes auf Verlangen unverzüglich vorzulegen,
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verbunden wurde.
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Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der
Widerspruchsbehörde Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin
die Klage zurückgenommen hat.
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Die noch aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen
Nebenbestimmungen sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Da die Nebenbestimmungen Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind, ist unbeschadet
der Übergangsvorschrift des § 21 Abs. 1 LHundG NRW schon nach geltenden
verwaltungsprozessualen Grundsätzen bei der Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit auf
den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, mithin auf die Vorschriften des
Landeshundegesetzes, abzustellen.
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Gemäß § 4 Abs. 4 LHundG NRW, dessen Verfassungsmäßigkeit nach Auffassung der
Kammer keinen Bedenken begegnet,
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vgl. Urteil vom 12. November 2003 - 18 K 2419/01 -,
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kann zunächst die Erlaubnis für die Haltung eines gefährlichen Hundes befristet erteilt
und u.a. mit Auflagen verbunden werden. Hieraus folgt, dass sowohl eine Befristung als
auch die Erteilung von Auflagen in das Ermessen der Behörde gestellt sind, so wie es
schon § 36 VwVfG NRW vorsieht. Ermessensentscheidungen sind, wie regelmäßig alle
Verwaltungsakte, zu begründen; ihre Begründung, in der die wesentlichen tatsächlichen
und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung
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bewogen haben, soll darüber hinaus die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen
die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 VwVfG
NRW). Diesen Anforderungen genügen weder die Befristung noch die Auflagen in dem
Erlaubnisbescheid.
Bezüglich der Befristung hat der Beklagte auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 der damals
noch geltenden Landeshundeverordnung zwar ausgeführt, sie sei grundsätzlich
geboten bzw. erforderlich, um zu gewährleisten, dass das Vorliegen der
Erlaubnisvoraussetzungen in regelmäßigen Abständen überprüft werden könne,
zugleich aber darauf hingewiesen, dass er sich durch diese Ermächtigungsnorm
grundsätzlich gebunden sehe. Dies macht deutlich, dass der Beklagte keine
Ermessenserwägungen dahingehend angestellt hat, ob und aus welchen Gründen er
sich für eine Befristung entschieden hat, wie es jedenfalls nach dem Inkrafttreten des
Landeshundegesetzes auch bezüglich der Befristung erforderlich ist. Er hat auch keine
Begründung nachgeschoben, die der nunmehrigen Rechtslage Rechnung tragen
könnte. Auch ist eine Begründung nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil die
Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 VwVfG NRW ersichtlich nicht vorliegen.
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Dasselbe gilt auch auf der Grundlage des seinerzeit bestehenden § 4 Abs. 4 Satz 1 LHV
NRW. Diese Regelung, die als Sollvorschrift konzipiert war, entband den Beklagten
nicht von einer im Einzelfall vorzunehmenden Entscheidung und Begründung für die
konkrete Befristung.
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Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass auch sämtliche Auflagen schon deshalb
rechtswidrig gewesen und geblieben sind, weil auch insoweit die erforderliche
Begründung fehlt, warum der Beklagte sie im konkreten Einzelfall, auf den es immer nur
ankommt,
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vgl. u.a. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2003, § 36, Rdnr. 8,
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für angebracht gehalten hat. Von daher kann dahin stehen, ob für einen Großteil der als
Auflagen bezeichneten Nebenbestimmungen - so für Spiegelstriche 1, 2, 3, 4, 5 und 7 -
Rechtsgrundlagen vorhanden sind oder waren, die diese Auflagen tragen könnten.
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Eine Begründung ist hinsichtlich der Anordnung, derzufolge der Hund nur mit einer
maximal 1,5 Meter langen Leine ausgeführt werden darf, auch nicht durch den
Widerspruchsbescheid nachgeholt worden. Die diesbezüglichen Darlegungen
erschöpfen sich in allgemeinen und mithin gerade nicht auf den Einzelfall bezogenen
Gesichtspunkten. Aufgedrängt hätte sich zudem eine Auseinandersetzung mit der
Frage, warum der Hund überall, also auch in nicht von § 11 Abs. 6 LHundG NRW
erfassten Gebieten, nur an einer derart kurzen Leine geführt werden darf. Dies gilt umso
mehr, als die Klägerin für ihren Rüden keine Befreiung vom Maulkorbzwang beantragt
hat, so dass von ihm möglicherweise ausgehende Gefahren in weniger bevölkerten
Bereichen auch dann beherrscht werden könnten, wenn er an einer längeren Leine
geführt wird, was im Übrigen auch unter Gesichtspunkten des Tierschutzes geboten
sein könnte.
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Die Klägerin ist durch die rechtswidrige Befristung und die ebenso rechtswidrigen
Auflagen in ihren Rechten verletzt.
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Hinsichtlich der Befristung liegt dies auf der Hand und bedarf deshalb keiner weiteren
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Begründung.
Die ausdrücklich als Auflagen bezeichneten und mithin auch als solche beabsichtigten
Zusätze zur Erlaubnis belasten die Klägerin deshalb, weil sie für den Fall der
Nichtbefolgung befürchten muss, dass der Beklagte die Erlaubnis auf der Grundlage
des § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW widerruft. Aus diesem Grund können sie auch nicht
deshalb Bestand behalten, weil sie sich von ihrem Aussagegehalt her lediglich als
Hinweise auf die - allerdings zum Teil überholte - Rechtslage darstellen könnten.
Zudem muss die Klägerin befürchten, dass diese so genannten Auflagen bei
Rechtskraft selbstständig durchsetzbar sind, so dass ihr eine eventuelle
Rechtsverteidigung erschwert werden könnte.
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Schließlich ist auch der Widerrufsvorbehalt rechtswidrig und verletzt, wie sich aus
Nachstehendem ergibt, die Klägerin ohne Weiteres in ihren Rechten.
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Zwar hat sich insoweit mit dem Inkrafttreten des Landeshundegesetzes die Rechtslage
nicht geändert, weil auch nach dessen § 4 Abs. 4 Satz 1 die Erlaubnis unter dem
Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden soll.
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Es spricht auch alles dafür, dass Behörden auch bei einer Sollvorschrift gehalten sind,
sich für den Adressaten erkenn- und nachvollziehbar damit auseinander zu setzen, ob
ein atypischer Einzelfall vorliegen könnte. Das bedarf aber keiner Entscheidung, denn
der Widerrufsvorbehalt ist nämlich jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil er ausdrücklich
mit der Maßgabe versehen worden ist, dass er jederzeit erfolgen kann. Er kann daher
nur so verstanden werden, dass der Beklagte die Erlaubnis für frei widerrufbar hält.
Diese Beliebigkeit ist mit dem Gesetz nicht vereinbar. Vielmehr darf aus Gründen der
Rechtsstaatlichkeit und des hierauf gründenden Vertrauensschutzes auch ein im
Verwaltungsakt ausdrücklich vorbehaltener Widerruf nur aus Gründen erfolgen, die im
Rahmen der Zwecke liegen, auf Grund derer der Grundverwaltungsakt erlassen worden
ist.
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Vgl. u.a. Kopp/Ramsauer, aaO, § 49 Rdnr. 35.
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Hieraus folgt, dass die Erlaubnis, auf die die Klägerin wegen Vorliegens der
Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hatte, auf der Grundlage des ausdrücklich
vorbehaltenen Widerrufs keineswegs jederzeit, sondern nur widerrufen werden darf,
wenn die Erlaubnisvoraussetzungen nachträglich entfallen sein sollten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf dem Gedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Es
ist sachgerecht, dem Beklagten die Kosten ganz aufzuerlegen, weil der
zurückgenommene Teil der Klage, für den die Klägerin gemäß § 155 Abs. 2 VwGO
grundsätzlich die Kosten zu tragen hat, nur die Gebührenfestsetzung in Höhe von 50,--
DM und damit einen ganz geringen Teil der Klage betrifft, der gegenüber dem Teil, mit
dem sie obsiegt, nicht ins Gewicht fällt.
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