Urteil des VG Düsseldorf vom 29.03.2007

VG Düsseldorf: ablauf der frist, gemeinde, christentum, emrk, beweisantrag, glaubwürdigkeit, asylverfahren, rücknahme, werkstatt, pfarrer

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 9 K 2276/06.A
Datum:
29.03.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 2276/06.A
Tenor:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfah-ren
eingestellt.
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Dezember 2005
verpflichtet, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60
Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich des Iran vorliegt. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
Tatbestand:
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Der am 0.0.1955 in Teheran geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger
ursprünglich moslemischen Bekenntnisses. Er reiste etwa 1984 in die Bundesrepublik
Deutschland ein und heiratete dort am 21. Juni 1985 die deutsche Staatsangehörige S,
mit der er drei gemeinsame Kinder hat, die jeweils deutsche Staatsangehörige sind. Im
Laufe der folgenden Jahre trat der Kläger verschiedentlich strafrechtlich in Erscheinung.
So wurde er z.B. mit Urteil des Landgerichts Essen vom 21. April 1999 (31 [3/99] LG
Essen 71 Js 557/98 StA Essen) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer
Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ausländerbehörde nahm diese Verurteilung
zum Anlass, den Kläger mit Verfügung vom 29. November 1999 unbefristet aus dem
Bundesgebiet auszuweisen. Diese Ausweisungsverfügung ist unanfechtbar. In der
Folgezeit wurde der Kläger noch mit Urteil des Landgerichts Essen vom 31.
August 2000 (52 [19/00] 72 Js 1469/99) wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe
von 3 Jahren verurteilt. Während der Verbüßung der Haft unter anderem in der
Justizvollzugsanstalt C1 bekam der Kläger Kontakt zu Herrn A, der seinerseits Mitglied
der Freien Evangelischen Gemeinde in X ist. Am 15. Juni 2003 wurde der Kläger dort
während eines Hafturlaubs getauft.
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Der erste Asylantrag des Klägers, den er im Juli 2001 gestellt hatte, wurde mit
Bundesamtsbescheid vom 14. September 2001 als offensichtlich unbegründet
abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage (VG Gelsenkirchen 8 K 4563/01.A bzw. 8 K
4564/01.A ) wurde mit Urteil vom 14. Oktober 2004 abgewiesen.
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Im Zusammenhang mit einer Vorführung des Klägers bei der Konsularabteilung der
Iranischen Botschaft in Frankfurt stellte der Kläger am 14. März 2005 einen
Asylfolgeantrag, zu dessen Begründung er diverse Stellungnahmen hinsichtlich seines
christlichen Engagements vorlegte. Diesen Asylantrag lehnte das Bundesamt mit
Bescheid vom 14. Dezember 2005 ab.
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Am 28. Dezember 2005 hat der Kläger (beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen) die
vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen hinsichtlich
seines Übertritts zum christlichen Glauben und seines missionarischen Engagements
weiter ergänzt und vertieft.
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Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung am 29. März 2007 ausführlich zu seinen
Asylgründen befragt bzw. angehört worden. Das Gericht hat ferner den Pfarrer U von der
Evangelischen Freikirchlichen Gemeinde in F-C informatorisch angehört. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Der Kläger beantragt unter Zurücknahme der Klage im Übrigen,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge vom 14. Dezember 2005 zu verpflichten
festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz
vorliegen,
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hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 –7
des Aufenthaltsgesetzes gegeben sind.
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Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung
sinngemäß,
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die Klage abzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt,
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für den Fall, dass das Gericht nicht zu einer Verpflichtung des Bundesamtes
gelangen sollte, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1
Aufenthaltsgesetz gegeben sind,
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hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger praktizierender und
überzeugter Christ ist und im Rahmen seiner christlichen Überzeugung
missionarisch tätig wird, die im Schriftsatz vom 15. März 2007 dort auf S. 2
unter Nr. 2 bis 5 benannten Zeugen zu vernehmen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Auskünfte,
Erkenntnisse und Gerichtsentscheidungen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Verwaltungsgericht Düsseldorf ist gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO in Verbindung
mit Art. 2 Nr. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2, § 1 b Nr. 3 AG VwGO NRW in der
Fassung des 12. Änderungsgesetzes vom 7. März 2006 (GV NRW S. 107) seit dem
1. April 2006 für das vorliegende Verfahren örtlich zuständig.
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Soweit der Kläger die Klage – der Rechtslage entsprechend – zurückgenommen hat,
war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
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Im Übrigen hat die zulässige Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Soweit der Kläger beantragt, die Beklagte zur Feststellung der Voraussetzung des § 60
Abs. 1 Aufenthaltsgesetz zu verpflichten, scheitert Anspruch bereits daran, dass nach
den insoweit maßgeblichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ein weiteres Asylverfahren nicht
durchzuführen war, weil die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs.
1 bis Abs. 3 VwVfG nicht vorliegen. Das die Klage des Klägers abweisende Urteil des
VG Gelsenkirchen vom 14. Oktober 2004 wurde am 18. November 2004 unanfechtbar.
Der vorliegende Asylantrag wurde aber erst am 14. März 2005 und damit nach Ablauf
der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG gestellt. Unabhängig von den vorstehenden
Erwägungen kann eine Klage, die darauf gerichtet ist, das Bundesamt zu verpflichten,
festzustellen, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1
AufenthG vorliegen, hier deshalb keinen Erfolg haben, weil insoweit der
Ausschlussgrund des § 28 Abs. 2 AsylVfG eingreift. Stellt der Ausländer nach
Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen
Asylantrag und stützt er sein Vorbringen auf Umstände (im Sinne des § 28 Abs. 1
AsylVfG), die nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren
Asylantrags entstanden sind (und liegen im Übrigen die Voraussetzungen für die
Durchführung eines Folgeverfahrens vor), kann in diesem in der Regel die Feststellung,
dass ihm die in § 60 Abs.1 AufenthG bezeichneten Gefahren drohen, nicht mehr
getroffen werden.
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Vgl. hierzu im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 12. Juli 2005 – 8 A 780/04.A -,
InbfAislR 2005, S. 489 (490) m.w.N.
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Dieser Ausschlussgrund greift – wie in der Regel – auch im Fall des Klägers ein. Der
Kläger hatte sich in seinem ersten Asylverfahren bei seiner Anhörung und in seinen
persönlichen schriftlichen statements ausschließlich auf eine Desertion aus der
iranischen Armee sowie darauf berufen, dass drei seiner Mit-Deserteure gefasst worden
und wegen "Vaterlandsverrats" hingerichtet worden seien; außerdem hatte er seine
familiäre Situation thematisiert. Im asylrechtlichen Klageverfahren gegen den
ablehnenden Bundesamtsbescheid, in dem der Kläger anwaltlich vertreten war, war
dann noch für ihn vorgetragen worden, ihm drohe wegen der Verurteilung wegen eines
Drogendelikts die Todesstrafe; die Taufe vom 15. Juni 2003 wurde nur am Rande
erwähnt, von einer in irgendeiner Weise missionarischen Tätigkeit des Klägers war an
keiner Stelle die Rede; diese ist bezogen auf jenem Zeitpunkt auch sonst nicht
erkennbar.
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Ist die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz bei dieser
Entscheidung handelt es sich um eine Rechtsfrage daher bereits aus Rechtsgründen
ausgeschlossen, kommt es auf die vom Kläger hilfsweise begehrte Beweiserhebung
hinsichtlich seiner missionarischen Tätigkeit nicht mehr an.
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Der diesbezügliche Beweisantrag durfte, da er nicht unbedingt, sondern hilfsweise
gestellt worden war, auch in dem vorliegenden Urteil abgelehnt werden. Einer
Ablehnung in der mündlichen Verhandlung bedurfte es insoweit nicht. Denn als "in der
mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag", der das Gericht nach § 86 Abs. 2
VwGO zu einer Vorabentscheidung durch zu begründenden Beschluss zwingt, sind nur
unbedingte Beweisanträge anzusehen, die in der mündlichen Verhandlung in der
Absicht gestellt werden, dass das Gericht eine solche Entscheidung trifft.
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Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2006 – 5 B 31/06 -, JURIS-
Dokumentation und Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 86 Rz. 19 m.w.N.
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Im Übrigen wäre der Beweisantrag auch abzulehnen gewesen. Denn zum einen ist die
Bedingung, unter der er gestellt wurde, von der Beantwortung einer Rechtsfrage und
damit nicht vom Beweis einer Tatsache abhängig. Zum anderen kann die mit dem
Antrag durch Zeugenvernehmung zu beweisende Tatsache, "dass der Kläger
praktizierender und überzeugter Christ ist und im Rahmen seiner christlichen
Überzeugung missionarisch tätig wird", als wahr unterstellt werden. Das Gericht geht
nämlich davon aus, dass der Kläger praktizierender und überzeugter Christ ist und
nunmehr auch missionarisch tätig wird. Die Zuerkennung des § 60 Abs. 1 AufenthG
scheitert aus den oben dargelegten Erwägungen aus Rechtsgründen, nämlich an § 28
Abs. 2 AsylVfG.
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Der Kläger hat allerdings gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung eines
Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Der
angefochtene Bundesamtsbescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Gefährdungslage von
ursprünglich moslemischen Glaubenszugehörigen, die zum Christentum übergetreten
sind, hat die Kammer in ihrem Urteil vom 8. Februar 2007 - 9 K 2278/06.A - das
Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, im Zusammenhang mit § 60 Abs. 1
Aufenthaltsgesetz im Einzelnen dargelegt und dabei aktuelle Erkenntnisse und
Auskünfte ausgewertet. Diese Ausführungen gelten entsprechend, wenn die
Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes auf der Grundlage des § 60 Abs. 1
Aufenthaltsgesetz wegen der Ausschlusswirkung des § 28 Abs. 2 AsylVfG, der sich im
Übrigen im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie (dort Art. 5 Abs. 3) hält,
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vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 12. Juli 2005 – 8 A 780/04.A -, a.a.O.
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scheitert. Vor diesem Hintergrund wird auf das genannte Urteil vom 8. Februar 2007 zur
Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen. Die darin genannten
Anforderungen für die Gefährdungsprognose, d.h. im vorliegenden Fall, ob dem Kläger
bei einer Rückkehr in den Iran eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Art.
3 EMRK) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, weil er sich auf Grund seiner
religiösen Überzeugung missionarisch betätigt, gelten im vorliegenden Fall
entsprechend. Zusammenfassend ist die Auskunftslage dahingehend zu bewerten, dass
entscheidend für die Gefährdungsprognose ist, ob ein zum Christentum übergetretener
Moslem selbst eine missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position entfaltet oder
aber bei einer Rückkehr in den Iran entfallen würde.
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Dies ist im Fall des Klägers zu bejahen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass das
Vorbringen des Klägers durchaus einige Ungereimtheiten aufweist. Beispielhaft sei
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insoweit darauf hingewiesen, dass der Kläger einige wichtige christliche Feste nicht
benennen konnte, und dass ihm im Übrigen auch die 10 Gebote nicht, jedenfalls nicht
vollständig geläufig waren, obwohl er sich hierauf berufen wollte. Dies ändert indessen
nichts daran, dass beim Kläger davon auszugehen ist, dass er aufgrund seiner
christlichen Überzeugung bei einer Rückkehr in den Iran eine missionarische Tätigkeit,
wie er sie bereits hier in der Bundesrepublik Deutschland ausübt, in einer nicht nur
untergeordneten Funktion entfalten würde.
Das Gericht nimmt dem Kläger ab, dass er nach seinen schweren Straftaten,
insbesondere der Verurteilung wegen Betäubungsmittelkriminalität vom 21. April 1999
und der Verurteilung vom August 2000 wegen Vergewaltigung einen grundlegenden
Sinnes- und Lebenswandel durchlebt hat und heute praktizierender und überzeugter
Christ ist. Er hat aufgrund des Kontakts, den er innerhalb der Justizvollzugsanstalt C1
zur Freikirchlichen Evangelischen Gemeinde in X geknüpft hat, sich dort taufen lassen
und, um es mit seinen Worten zu sagen, Jesus Christus als seinen Erretter akzeptiert.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass es ihm
damit ernst ist und dass es sich nicht, wie in manchen anderen Fällen, um einen
möglicherweise asyltaktischen Übertritt zum christlichen Glauben handelt. Dieser
wurzelt vielmehr erkennbar in einer grundlegenden Überzeugung des Klägers. Diese
wird an seinen zahlreichen regelmäßigen Gottesdienstbesuchen (sonntags vormittags
in der evangelisch freikirchlichen Gemeinde F-C, sonntags nachmittags bei der iranisch-
christlichen Gemeinde in F-G) oder an der konstanten Teilnahme an christlichen
Hauskreisen (dienstags und donnerstags abends) sowie an den weiteren Aktivitäten,
auf die noch einzugehen sein wird, deutlich.
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Die Tätigkeit des Klägers unterscheidet sich nunmehr auch deutlich von derjenigen von
"normalen" Gemeindemitgliedern. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger
insbesondere im Bereich von Jugendlichen, die aus problematischen Verhältnissen
kommen, deutliche – christlich motivierte - Aktivitäten entfaltet, um diese "auf den
rechten Weg", das heißt aus Sicht des Klägers, zu Gott zu führen. Hierbei handelt es
sich auch nicht etwa um ein "nur" soziales oder humanistisch motiviertes Engagement.
Gerade aufgrund seiner eigenen Biografie und seiner Hinwendung zum christlichen
Glauben spricht der Kläger nach seinen nachvollziehbaren Ausführungen in der
mündlichen Verhandlung regelmäßig Jugendliche an, holt sie in den Jugendtreff "A1",
und unterhält sich dort mit ihnen über Gott. Es erscheint dem Gericht auch durchaus
plausibel, dass der Kläger – wie der in der mündlichen Verhandlung geschildert hat - oft
– zuletzt am Freitag vor der mündlichen Verhandlung, in F-C bei Spaziergängen
Jugendliche, die er "herumstehen" sieht, anspricht, zu einem Eis einlädt und sie dann in
das – von der christlichen Organisation "A1" getragene - Jugendzentrum einlädt, um
sich dann dort mit ihnen über Gott und den Glauben zu unterhalten. Das Gericht hat in
der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass es sich beim Kläger um
einen Menschen mit kommunikativen Fähigkeiten handelt, der recht schnell mit anderen
ins Gespräch kommt. Dies hat sich in der mündlichen Verhandlung vor allem daran
gezeigt, dass man ihm Informationen oder Antworten auf Fragen nicht "aus der Nase
ziehen" musste, sondern dass er auf die entsprechenden Fragen, auch wenn sie für ihn
unangenehm waren, recht frei und offen geantwortet hat. Er hat offensichtlich, was
seinen Glauben und seine Beziehung zu Gott angeht, ein großes Mitteilungsbedürfnis
gegenüber seiner Umgebung. Der Kläger hat dabei erkennbar eine besondere Affinität
gerade zu Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen. Mit diesen unternimmt er nicht
nur in seiner Freizeit, sondern auch im Beruf in der Werkstatt "Alte T" etwas. Diese
Werkstatt wird von den drei christlichen Vereinen "A1 e.V.", Gefährdetenhilfe F C e.V.
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und dem Verein K e.V. getragen. Das besondere Engagement des Klägers resultiert
dabei erkennbar daraus, dass in seinem eigenen Lebensweg bis etwa zu seinem
45. Lebensjahr vieles schiefgelaufen ist und er deutlich straffällig im Bereich der
Betäubungsmittel- und z.T. auch Gewaltkriminalität in Erscheinung getreten ist. Vor
diesem Hintergrund ist es im vorliegenden Fall, der sich insoweit von anderen Fällen
durchaus unterscheidet, nicht nur nachvollziehbar, wenn der Kläger seine Tätigkeit als
missionarisch-christliche Tätigkeit ansieht, sondern ihr kommt auch objektiv ein
missionarischer Charakter zu. Insoweit hat auch der Herr Pfarrer U der Evangelisch
Freikirchlichen Gemeinde in F-C in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar
ausgeführt, dass der Kläger in dieser Gemeinde ein ganz regelmäßiger und wichtiger
Teilnehmer an den Gemeindegottesdiensten ist. Hierin erschöpft sich seine Tätigkeit für
die Gemeinde aber nicht. Nach Veranstaltungen spricht er, das heißt der Kläger,
vielmehr regelmäßig Fremde oder neu Hinzugekommene an, und redet mit ihnen über
Gott. Für die Glaubwürdigkeit des Pfarrers spricht dabei insbesondere, dass er nicht
versucht hat, den Kläger zu einem "Prediger" hoch zu stilisieren. Vielmehr hat er auf die
Frage, ob der Kläger zum Beispiel sehr viel predigt oder auf dem Podium an
Veranstaltungen teilnimmt, ausdrücklich mit nein geantwortet. Dies steht der Annahme
einer missionarischen Tätigkeit aber nicht von vornherein entgegen, denn diese wird
zwar häufig, aber nicht notwendigerweise mit einer Predigttätigkeit – etwa in
Gottesdiensten – verbunden sein. Außerdem tritt der Kläger regelmäßig als Übersetzer
innerhalb der Gottesdienste in der iranisch-christlichen Gemeinde in F in Erscheinung.
Nachweislich hat der Kläger auch in den letzten beiden Jahren mehrere hundert Bibeln
geordert und diese u.a. an Jugendliche verteilt. Entscheidend ist, dass der Kläger aus
seiner eigenen Lebensgeschichte und seiner jetzt bereits mehrere Jahre andauernden
Hinwendung zum Christentum jedenfalls in der Zeit seit Ende 2004 Personen außerhalb
seines privaten Umkreises anspricht und sie – mit einigem Erfolg - für den christlichen
Glauben zu gewinnen sucht. Dabei kommt seinem Zeugnis auf Grund seines
grundlegenden Lebenswandels durchaus Glaubwürdigkeit zu.
Aufgrund des gesamten Vorbringens ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer
Rückkehr in den Iran aufgrund seines eigenen Lebensweges, wenn vielleicht auch nicht
sofort, aber jedenfalls in einem absehbaren Zeitraum, durch seine wiederholten,
aufgrund seines eigenen Lebensweges [der u.a. durch Drogenhandel gekennzeichnet
gewesen ist] gewonnenen christlichen Erfahrungen und den Gesprächen mit
Andersgläubigen hierüber von den dortigen staatlichen Stellen oder aber diesen
zuzurechnenden Gruppierungen zunehmend als jemand angesehen werden müsste,
der durch seine Beharrlichkeit und seine Kommunikation den alleinigen
Geltungsanspruch der Mullahs auf die Dauer in Frage stellen würde. Damit droht ihm
nach der oben dargestellten Auskunftslage (vgl. ergänzend noch den Bericht des
Auswärtigen Amtes über den asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran vom 21.
September 2006, dort S. 20 f.) im Iran in absehbarer Zeit eine unmenschliche und
erniedrigende Behandlung.
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Abschließend merkt das Gericht noch an, dass es seine Überzeugung auf Grund der
besonderen Umstände des Einzelfalls gewonnen hat, so dass sich aus diesem Urteil
verallgemeinerungsfähige Schlüsse – zur Situation von iranischen Staatsangehörigen
ursprünglich moslemischen Bekenntnisses, die sich auf einen Übertritt zum Christentum
und damit (später) einhergehender missionarischer Tätigkeit berufen – nicht ziehen
lassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
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