Urteil des VG Düsseldorf vom 07.03.2000

VG Düsseldorf: hauptsache, ausnahme, bargeld, rechtsweggarantie, körperschaft, form, gemeinderat, geldleistung, fraktion, datum

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 L 194/00
Datum:
07.03.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 194/00
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
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Der gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilende Antrag der Antragstellerin,
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dem Antragsgegner vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache
aufzugeben, den Ratsbeschluß vom 17. Mai 1999 (Geldleistung nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz) umzusetzen,
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hat keinen Erfolg.
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Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
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Ein Anspruch gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 GO NW, wonach der Bürgermeister die
Ratsbeschlüsse ausführt, ist nicht glaubhaft gemacht. Die bereits nicht zweifelsfrei zu
beantwortende Frage, ob danach namentlich einer Fraktion - und nicht nur dem Rat
selbst - ein Anspruch auf Umsetzung eines Ratsbeschlusses gegen den Bürgermeister
zusteht, kann offenbleiben, weil es jedenfalls aus anderen Gründen am
Anordnungsanspruch fehlt.
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Denn die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß der Rat der Gemeinde H
einen Beschluß getroffen hat, der gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 GO NW in ihrem Sinne
umzusetzen wäre. Fest steht zunächst, daß der Gemeinderat nicht mit Stimmenmehrheit
(§ 50 Abs. 1 Satz 1 GO NW) beschlossen hat, die bisherige Praxis der Gemeinde H,
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form von Wertgutscheinen zu
gewähren, auf Bargeld umzustellen. Der Beschluß vom 17. Mai 1999 („Die Leistungen
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nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden wie bisher geleistet."), der 14
Zustimmungen und 14 Ablehnungen erhalten hatte, galt gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 GO
NW als abgelehnt. Das bedeutet indes nicht, daß damit das Gegenteil der gescheiterten
Ratsvorlage beschlossen worden wäre. Vielmehr fehlt es gleichermaßen an einer
verbindlichen Willensäußerung des Rates, die Praxis abzuändern und erst recht, dies
im Sinne der Vorschläge der Antragstellerin zu tun.
Davon abgesehen hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft
gemacht.
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Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht
grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in
vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozeß erreichen könnte
(sogenanntes Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Eine Ausnahme von diesem
Grundsatz gilt lediglich insoweit, als eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes die
Antragstellerin schwer und unzumutbar belasten würde.
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In einem Kommunalverfassungsstreitverfahren, wie es hier vorliegt, kann bei diesem
Ausgangspunkt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in seltenen Ausnahmefällen
gerechtfertigt werden; denn dort ist im Gegensatz zum Außenrechtsstreit nicht über
Individualrechte, sondern über innerorganisatorische Kompetenzen zu entscheiden.
Diese sind der Antragstellerin nicht um ihrer selbst willen, sondern im Interesse der
Gemeinde zugewiesen und daher weder aus den Grundrechten herzuleiten noch im
Schutzbereich der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) angesiedelt.
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Std. Rspr. des Oberverwaltungsgerichts NRW, vgl. etwa Beschlüsse vom 12.6.1992 - 15
B 2283/92 - und vom 27.10.1992 - 15 B 577/93 -.
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Von daher kommt es für den Anordnungsgrund in einem Organstreit nicht auf die
subjektive Betroffenheit des jeweiligen Antragstellers, sondern darauf an, ob die
einstweilige Anordnung im Interesse der Körperschaft objektiv notwendig bzw. - bei
einer Vorwegnahme der Hauptsache - unabweisbar erscheint.
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Vgl. OVG NRW, a.a.O.
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Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Würde dem Antragsgegner
durch Anordnung des Gerichts aufgegeben, den Ratsbeschluß in dem von der
Antragstellerin gewollten Sinne umzusetzen, so käme dies im Ergebnis der
Entscheidung im Hauptsacheverfahren gleich. An einem zwingenden Grund, der diese
Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigen könnte, fehlt es. Nicht
ersichtlich ist, aus welchen Gründen die beantragte einstweilige Anordnung im objektiv
verstandenen Interesse der Gemeinde geboten wäre. Denn der Beschluß ist - wie
dargelegt - jedenfalls in seiner Auslegung umstritten. Mit Blick darauf erscheint es
gerechtfertigt, einen neuen Beschluß mit unzweideutigem Inhalt zu fassen. Da der Rat
einen solchen jederzeit unter der Beachtung der formalen und sonstigen gesetzlichen
Vorgaben treffen kann, ist eine einstweilige Anordnung jedenfalls noch vor einer
solchen Beschlußfassung oder der endgültigen Entscheidung, keinen weiteren
Beschluß in der Sache zu fassen, nicht objektiv notwendig.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Im Hinblick
auf die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache hat die Kammer den Auffangstreitwert
ohne Reduzierung zugrundegelegt.
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