Urteil des VG Düsseldorf vom 30.11.2004

VG Düsseldorf: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, ablauf der frist, bergwerk, einsichtnahme, steinkohle, gemeinde, akte, verwaltungsverfahren, zustand, vollstreckbarkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 4707/02
30.11.2004
Verwaltungsgericht Düsseldorf
3. Kammer
Urteil
3 K 4707/02
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages.
Tatbestand:
Unter dem 08.08.2000 beantragte die Beigeladene beim seinerzeit zuständigen
Landesoberbergamt NRW die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für den untertägigen
Abbau von Steinkohle des Bergwerks X bis Ende des Jahres 2019.
Mit Schreiben vom 18.10.2000 übersandte das Landesoberbergamt NRW der Klägerin
unter Hinweis auf § 73 Abs. 3a Satz 2 VwVfG. NRW. zwei Exemplare der
Antragsunterlagen des Rahmenbetriebsplans mit der Bitte um Stellungnahme zu den sie
betreffenden Belangen. Mit weiterem Schreiben von diesem Tag bat das
Landesoberbergamt NRW die Klägerin den beigefügten Antrag der Beigeladenen nebst
Unterlagen vom 20.11. bis 19.12.2000 zur Einsichtnahme auszulegen und das Vorhaben
vor Auslegung der Antragsunterlagen ortsüblich bekanntzumachen.
Die Klägerin machte die Auslegung des Antrages in ihrem Amtsblatt, Ausgabetag:
08.11.2000, S. 325, bekannt. Der Bekanntmachung war der Hinweis beigefügt, dass mit
Ablauf der Einwendungsfrist alle Einwendungen ausgeschlossen seien, die nicht auf
besonderen privatrechtlichen Titeln beruhten oder die das Verfahren verzögerten; im Falle
eines gerichtlichen Verfahrens gelte auch dessen Verlängerung als Verzögerung in diesem
Sinne. Der Plan lag danach vom 20.11. bis zum 19.12.2000 bei der Klägerin zur
Einsichtnahme aus.
Mit zwei Schreiben vom 22.01. und 21.02. 2001, bei der inzwischen zuständig gewordenen
Beklagten am 25.01. und 27.02.2001 eingegangen, teilte die Klägerin mit, dass sie die
geplante Abbautätigkeit unter dem Rheindeich und unter bestehenden und geplanten
Siedlungsbereichen ablehne, und legte ihre Einwendungen und Forderungen hinsichtlich
des beabsichtigten Rahmenbetriebsplans dar.
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Durch Planfeststellungsbeschluss vom 07.06.2002 ließ die Beklagte den seitens der
Beigeladenen vorgelegten Rahmenbetriebsplan zu. Die sofortige Vollziehung des
Bescheides wurde angeordnet. Der Planfeststellungsbeschluss und der festgestellte Plan
wurden der Klägerin am 24.06.2002 zugestellt.
Mit ihrer am 17.07.2002 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese
Rahmenbetriebsplanzulassung.
Unter dem 31.03.2004 hat die Klägerin bei der erkennenden Kammer die
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Klage beantragt. Sie hat
hierbei im Wesentlichen geltend gemacht: Bei einer Durchführung des Vorhabens sei die
Sicherheit der linksrheinischen Hochwasserschutzeinrichtungen nicht gewährleistet und
deren Umfang nicht ausreichend. Der Katastrophenschutz werde den veränderten
Bedingungen nicht gerecht. Da sämtliche Flächen des Stadtgebietes, die im
Gebietsentwicklungsplan der Bezirksregierung E1 als Siedlungsflächen ausgewiesen
seien, von einer Überflutungsgefahr betroffen seien, sei ihr gesamtes bauleitplanerisches
Potential betroffen. Dass die Zulassung ohne Vorkehrungen zum Schutze ihrer Rechte
getroffen worden sei, beruhe auch darauf, dass zu dem maßgeblichen Verfahrenszeitpunkt
der Sachverhalt, der sich aus dem Zusammenhang mit der Zulassung des Bergwerks West
ergäbe, noch nicht gegeben gewesen sei. Die Kammer hat den Antrag mit Beschluss vom
11.06.2004 -3 L 1046/04- im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei
gemäss § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. NRW. mit ihren Einwendungen ausgeschlossen. Über
die hiergegen gerichtete Beschwerde ist bisher nicht entschieden.
Die Klägerin verweist im Klageverfahren auf ihr Vorbringen im Eilverfahren. Zur Frage der
Präklusion ihrer Einwendungen trägt sie im Wesentlichen vor: Es sei zu beachten, dass
Präklusionsvorschriften spezielle Ausnahmeregelungen darstellten, die eng auszulegen
seien. An ihr Vorbringen könnten keine strengeren Anforderungen als an das der übrigen
Beteiligten gestellt werden. Diese hätten aber darauf verzichtet, den Sachverhalt des
Bergwerks West zum Gegenstand des Rahmenbetriebsplanverfahrens Bergwerk X zu
machen. Für ihre Ansicht sprächen auch die Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2004 - 4 A 4.03 - und 01.04.2004 - 4 C 2.03 -.
Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss für den Rahmenbetriebsplan mit
Umweltverträglichkeitsprüfung zur Gewinnung von Steinkohle im Bergwerk X für den
Zeitraum 2002 bis 2019 der Beigeladenen vom 7. Juni 2002 aufzuheben, soweit ihr
Stadtgebiet betroffen ist.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
Sie machen geltend, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren keine fristgerechten
Einwendungen erhoben habe und daher auch im Klageverfahren gemäss § 73 Abs. 4 Satz
3 VwVfG. NRW. präkludiert sei.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akte 3 L
1046/04 und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
Der Planfeststellungsbeschluss vom 07.06.2002 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Klägerin steht kein Abwehranspruch gegen das planfestgestellte Abbauvorhaben der
Beigeladenen zu. Sie ist mit allen Einwendungen, die sie gegen die Rechtmäßigkeit des
Planfeststellungsbeschlusses anführt, gemäß § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. NRW.
ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind mit Ablauf der Einwendungsfrist alle
Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen
oder die das Verfahren verzögern. Nach Satz 4 der Regelung gilt im Falle eines
gerichtlichen Verfahrens auch dessen Verlängerung als Verzögerung in diesem Sinne. So
liegt der Fall hier.
Die Klägerin hat ihre Einwendungen nicht fristgerecht erhoben. Sie konnten gemäß § 73
Abs. 4 Satz 1 VwVfG. NRW. bis vier Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist - hier bis zum
16.01.2001 - schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der
Gemeinde erhoben werden. Die Einwendungen der Klägerin gingen am 25.01.2001, also
nach Ablauf der Frist, bei der Beklagten ein.
Die Klägerin macht auch keine auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhenden
Einwendungen geltend. Die Berücksichtigung ihrer im Klageverfahren vorgebrachten
Einwendungen hätte zudem das gerichtliche Verfahren verlängert, weil die Feststellung
einer Beeinträchtigung der gemeindlichen Planungshoheit der Klägerin weitere
Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht - insbesondere über den Zustand der Deiche, die das
Gebiet der Klägerin schützen - bedingt hätte.
An dieser Präklusion vermag auch das Vorbringen nichts zu ändern, dass nunmehr
Gesichtspunkte geltend gemacht würden, die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens
nicht hätten vorgetragen werden können, weil die zu Grunde liegenden Tatsachen und
Fakten erstmals auf Grund der Anordnung des Sofortvollzugs des Rahmenbetriebsplans
Bergwerk West für das hier streitige Vorhaben relevant geworden seien. Die Klägerin hätte
auch unter Berücksichtigung dessen schon im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens
Bergwerk X ihre Einwendungen hinsichtlich der Beeinträchtigung ihrer gemeindlichen
Planungshoheit fristgerecht geltend machen können. Sich erstmals auf Grund der
Anordnung des Sofortvollzugs des Rahmenbetriebsplans Bergwerk West ergebende
Umstände wären dann bei der Prüfung der Begründetheit dieser Einwendungen zu
berücksichtigen gewesen. Der Hinweis der Klägerin auf die Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2004 - 4 A 4.03 -, NVwZ, 2004, 861 ff.,und
01.04.2004 - 4 C 2.03 -, NVwZ 2004, 1114 ff, stellt diese Einschätzung nicht in Frage, weil
die dort entschiedenen Rechtsfragen sich vorliegend nicht stellen. Die Entscheidung vom
22.01.2004 bezieht sich auf die Vorschrift des § 61 Abs. 3 BNatSchG, welche eine
eigenständige Präklusionsregelung mit originärer Zielsetzung und von § 73 Abs. 4 Satz 3
VwVfG. NRW. unabhängigen Tatbestandsvoraussetzungen ist. Der Entscheidung vom
01.04.2004 lag der Fall zugrunde, dass einem anerkannten Naturschutzverein auf der
Grundlage der Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG rückwirkend eine
Klagebefugnis zugewiesen wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der
Billigkeit, der Klägerin als der unterliegenden Partei auch die außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt und sich mithin dem
Prozessrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 709 Satz
1 ZPO.
Die Berufung ist nicht nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, weil die Gründe des §
124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.