Urteil des VG Düsseldorf vom 04.04.2007

VG Düsseldorf: versetzung, grundsatz der erforderlichkeit, erstellung, staatssekretär, vergleich, beförderung, anwendungsbereich, verzicht, beamter, meinungsverschiedenheit

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 37/07
Datum:
04.04.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 L 37/07
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die Beigeladene in eine der sieben zur Verfügung stehenden
Planstellen der Besoldungsgruppe A 16 BBesO im Bereich des
Ministeriums X2 zu befördern, solange über die Bewerbung des
Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nicht
erneut entschieden worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der am 9. Januar 2007 bei Gericht eingegangene, sinngemäß dem Tenor
entsprechende Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige
Anordnung zur Sicherung eines Rechts des Antragstellers nur getroffen werden, wenn
die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die
Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294
Zivilprozessordnung (ZPO) das Bestehen eines zu sichernden Rechts
(Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft
zu machen.
3
Für das vom Antragsteller verfolgte Begehren besteht ein Anordnungsgrund. Der
Antragsgegner hat nämlich die Absicht, die Stelle, die hier Verfahrensgegenstand ist, so
bald wie möglich mit der Beigeladenen zu besetzen. Durch deren Ernennung und
Einweisung in die freie Beförderungsplanstelle würde das von dem Antragsteller
geltend gemachte Recht auf diese Stelle endgültig vereitelt.
4
Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite.
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Ein Beamter hat zwar keinen Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamtes. Er
hat aber ein Recht darauf, dass der Dienstherr bzw. der für diesen handelnde
Dienstvorgesetzte eine rechts-, insbesondere ermessensfehlerfreie Entscheidung über
die Vergabe des Beförderungsamtes trifft. Materiell-rechtlich hat der Dienstherr bei
seiner Entscheidung darüber, wem er von mehreren für eine Beförderung in Betracht
kommenden Beamten die Stelle übertragen will, das Prinzip der Bestenauslese zu
beachten (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz [GG], §§ 7 Abs. 1, 25 Abs. 6 Satz 1
Beamtengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen [Landesbeamtengesetz - LBG]). Es
ist damit eine Entscheidung zu treffen, die sich nach Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung der Bewerber richtet.
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Die Ausrichtung der Auswahlentscheidung an diesen Grundsätzen schließt es ein, dass
sie auch verfahrensrechtlich richtig ergeht, also (in aller Regel) maßgeblich an Regel-
oder Bedarfsbeurteilungen anknüpft, ggf. in Wahrnehmung des insoweit bestehenden
Organisationsermessens aufgestellte Qualifikationsmerkmale (Anforderungsprofile)
berücksichtigt und nachvollziehbar in Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese
getroffen wird.
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Der Anspruch auf Beachtung dieser Grundsätze ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO
sicherungsfähig. Will hiernach der Antragsteller die vorläufige Nichtbesetzung einer
Beförderungsstelle erreichen, so muss er glaubhaft machen, dass deren Vergabe an
den Mitbewerber sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zu Lasten des
Antragstellers rechtsfehlerhaft erweist und dass im Falle der fehlerfreien Durchführung
des Auswahlverfahrens die Beförderung des Antragstellers jedenfalls möglich erscheint.
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Auswahlentscheidung zu Lasten des
Antragstellers rechtswidrig zu Stande gekommen ist.
10
Über die Auswahlkriterien des § 7 Abs. 1 LBG verlässlich Auskunft zu geben, ist in aller
Regel Sache der aktuellen dienstlichen Beurteilungen. Der Antragsteller ist in seiner
geänderten dienstlichen (Regel-)Beurteilung vom 28. Dezember 2006 für den Zeitraum
vom 1. Juni 2003 bis zum 31. Mai 2006 mit „3 Punkte" (= entspricht voll den
Anforderungen) beurteilt worden. Demgegenüber hat die Beigeladene in ihrer
dienstlichen Beurteilung vom 16. August 2006 die Gesamtnote „5 Punkte" (= übertrifft
die Anforderungen in besonderem Maße) erhalten. Beide Beurteilungen beruhen auf
den „Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten im
Geschäftsbereich des Ministeriums W zur Vorbereitung von Personalmaßnahmen,
insbesondere Beförderungsentscheidungen" (BRL W), Runderlass vom 00.00.0000 - 0 -
.
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Auf diese Notendifferenz durfte der Antragsgegner die Auswahlentscheidung jedoch
nicht stützen. Die dienstliche Beurteilung des Antragstellers hält einer Rechtskontrolle
nicht stand, sodass die darauf gestützte Auswahlentscheidung seinen
Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.
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Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt
nachprüfbar. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Grade ein Beamter den -
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grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden - sachlichen und persönlichen
Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht, ist ein dem Dienstherrn
von der Rechtsordnung vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die
verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob die
Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie
sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt
ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde
Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der
Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom
Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den
gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, ZBR 2003, 359
(360); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.
November 2005 - 6 A 1474/05 -, veröffentlicht in NRWE und juris.
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Nach diesen Maßstäben erweist sich die dem Antragsteller unter dem 28. Dezember
2006 erteilte Beurteilung zunächst deshalb als voraussichtlich rechtswidrig, weil nach
dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht festgestellt werden kann, dass der
Antragsgegner den durch § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG gezogenen rechtlichen Rahmen
beachtet hat.
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Nach dieser Vorschrift sollen Beamte neben der in Satz 1 vorgesehenen zwingenden
Beurteilung vor Ablauf der Probezeit, in regelmäßigen Abständen und anlässlich einer
Versetzung beurteilt werden; die obersten Dienstbehörden bestimmen die Zeitabstände
und können Ausnahmen für Gruppen von Beamten erlassen. Eine solche
Versetzungsbeurteilung, die in die Regelbeurteilung einzubeziehen gewesen wäre, ist
jedoch für den Antragsteller vor seiner Versetzung zum Ministerium X2 zum 1.
September 2005 nicht erstellt worden. Zwar wurden für den vor der Versetzung
liegenden Teil des Beurteilungszeitraums (1. Juni 2003 bis 31. August 2005)
Beurteilungsbeiträge eingeholt; diese stehen einer Versetzungsbeurteilung jedoch
insbesondere im Hinblick auf ihr Gewicht und ihre Berücksichtigung im Rahmen einer
nachfolgenden Regelbeurteilung nicht gleich.
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Vgl. hierzu im Einzelnen die Beschlüsse der Kammer vom 29. November 2006 - 13 L
1805/06, 13 L 1806/05, 13 L 1807/06, 13 L 1808/06, 13 L 1809/06, 13 L 1810/06 und 13
L 1811/06 -.
17
Auf der Grundlage des Vorbringens des Antragsgegners vermag das Gericht derzeit
auch nicht festzustellen, dass dessen Entscheidung, von der Erstellung einer
Versetzungsbeurteilung abzusehen, den durch § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG gezogenen
Rahmen einhält.
18
Zwar bestimmt § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG, dass bei einer Versetzung eine Beurteilung
erstellt werden „soll", und lässt damit Ausnahmen vom Grundsatz der Erforderlichkeit
einer Versetzungsbeurteilung zu. Dass der Antragsgegners hier rechtsfehlerfrei eine
solche Ausnahmesituation bejaht hat, kann das Gericht auf der Grundlage seines
Vorbringens jedoch nicht feststellen.
19
Unabhängig davon, ob § 104 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz LBG hinsichtlich der
Versetzungsbeurteilung überhaupt die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung „für
20
Gruppen von Beamten" zulässt, da wegen des Wortlauts bzw. des grammatischen
Bezugs bereits nahe liegen könnte, dass nur hinsichtlich der Einbeziehung in die
Regelbeurteilungen Ausnahmeregelungen für Gruppen geschaffen werden können,
enthalten jedenfalls die hier in Rede stehenden Beurteilungsrichtlinien keine für den
Fall des Antragstellers einschlägige Regelung. Insoweit wird zur weiteren Begründung
auf die den Beteiligten bekannten, inhaltsgleichen Beschlüsse der Kammer vom 29.
November 2006 - 13 L 1805/06, 13 L 1806/05, 13 L 1807/06, 13 L 1808/06, 13 L
1809/06, 13 L 1810/06 und 13 L 1811/06 - Bezug genommen.
Der Antragsgegner kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seit
dem Jahr 2003 eine die Beurteilungsrichtlinien insoweit modifizierende
Verwaltungspraxis dahin gehend bestehe, dass bei Versetzungen im Zusammenhang
mit Änderungen der Geschäftsbereiche der Landesministerien, die unter Einbettung in
die bisherige Organisationsstruktur erfolgten, Versetzungsbeurteilungen nicht erstellt
würden. Die Existenz einer solchen, auch den Fall des Antragstellers umfassenden
Verwaltungspraxis hat der Antragsgegner nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Das
gilt sowohl in Bezug auf die Frage, ob eine solche Verwaltungspraxis überhaupt
besteht, als auch in Bezug auf deren nähere Ausgestaltung.
21
Zunächst hat der Antragsgegner keine Unterlagen vorgelegt, die eine solche
Verwaltungspraxis für das Jahr 2003 und/oder das Jahr 2005 belegen. In Bezug auf die
diesbezügliche Situation im Jahr 2003 hat der Antragsgegner lediglich das Gutachten
von Herrn T aus dem April 2003 vorgelegt, das sich u.a. mit der Frage der
Erforderlichkeit von Versetzungsbeurteilungen befasst (Gutachten S. 20 ff.). Das
Gutachten enthält jedoch naturgemäß keine Aussage zu der Frage, welche
Verwaltungspraxis der Antragsgegner hiernach entwickelt hat. Auch die dem Gutachten
beigefügten Unterlagen geben hierüber keinen Aufschluss. Aus den insoweit allein
einschlägigen Schreiben des damaligen Ministeriums W vom 13. Februar 2003 (Anlage
6 zu dem Gutachten von Herrn T) und des damaligen Ministeriums X3 vom 25. Februar
2003 (Anlage 7 zu dem Gutachten von Herrn T) ergibt sich lediglich, dass das damalige
(aufnehmende) Ministerium X3 die Erstellung von Versetzungsbeurteilungen für
erforderlich hielt, das damalige (abgebende) Ministerium W hiervon jedoch nach
Abstimmung mit der Staatskanzlei und dem Innenministerium absehen wollte. Über die
Lösung dieser Meinungsverschiedenheit enthalten die vorgelegten Unterlagen keine
Aussage. Auch das Gutachten von Herrn T besagt insoweit lediglich, dass nach dessen
Auffassung die Erstellung von Versetzungsbeurteilungen unter bestimmten, näher
geschilderten Voraussetzungen nicht erforderlich sein soll. Welche Praxis des
Antragsgegners sich hieran anknüpfend entwickelt hat, kann daraus jedoch nicht
abgeleitet werden.
22
Der Antragsgegner hat auch nicht substantiiert vorgetragen, wie die nach seinen
Angaben 2003 entwickelte und 2005 fortgeführte Verwaltungspraxis im Einzelnen
ausgestaltet sein soll. Sein diesbezügliches Vorbringen beschränkt sich auf die
pauschale Aussage, bei Versetzungen im Zusammenhang mit Änderungen der
Geschäftsbereiche der Landesministerien, die unter Einbettung in die bisherige
Organisationsstruktur erfolgt seien, seien Versetzungsbeurteilungen nicht erstellt
worden. Dieser Aussage ist schon nicht mit der notwendigen Klarheit zu entnehmen, ob
diese Praxis für alle Ressorts der Landesregierung oder nur bestimmte Ministerien - und
wenn ja welche - gelten soll. Hierzu hätte umso mehr Anlass bestanden, als das
damalige Ministerium X3, das hier die Versetzungsbeurteilung des Antragstellers hätte
erstellen müssen, jedenfalls im Jahr 2003 (zumindest zunächst) sehr wohl von der
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Erforderlichkeit von Versetzungsbeurteilungen ausging. Vor allem aber sind dem
Vorbringen des Antragsgegners keine Einzelheiten zu dem inhaltlichen
Anwendungsbereich der geltend gemachten Verwaltungspraxis und zu den insoweit
maßgeblichen Kriterien zu entnehmen. Es ist nichts dazu vorgetragen, ab welcher
Größe organisatorischer Veränderungen - z.B. Übergang eines Referats, einer Gruppe,
einer Abteilung - die genannte Praxis bestehen soll. Ferner ist nichts dazu vorgetragen,
welche konkreten Kriterien für das Merkmal der Versetzung „unter Einbettung in die
bisherige Organisationsstruktur" gelten sollen, ob dies etwa nur auf die Versetzung mit
dem bisherigen Vorgesetzten abstellt oder weitere Voraussetzungen erfüllt sein
müssen. Diese Kriterien lassen sich auch nicht etwa aus dem Gutachten von Herrn T
ableiten, da dieser insoweit durchaus differenzierte Modelle entwickelt hat (vgl.
Gutachten S. 25 ff.), die zudem vorrangig auf eine rechtlich abgesicherte Bewältigung
der damaligen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Ministerien
abzielten und nicht auf die Bildung einer generellen Verwaltungspraxis zum Verzicht auf
Versetzungsbeurteilungen.
Im Übrigen ist dem Vorbringen des Antragsgegners nicht zu entnehmen, wie sich die
geltend gemachte Verwaltungspraxis zu den Fällen verhält, in denen der mitversetzte
Vorgesetzte im Zeitpunkt der Versetzung möglicherweise nicht als Erstbeurteiler in
Betracht gekommen wäre. Hintergrund dieser Problematik, die auch in dem Gutachten
von Herrn T angesprochen worden ist, ist die in Beurteilungsrichtlinien vielfach und
jedenfalls im konkreten Fall enthaltene Bestimmung, der (Erst-)Beurteiler müsse in der
Lage sein, sich aus eigener Anschauung ein Urteil über den Beamten zu bilden;
einzelne Arbeitskontakte oder kurzfristige Einblicke in die Arbeit reichten hierfür nicht
aus. Für den Antragsteller findet sich eine solche Regelung in Ziffer 4.5.1 der bis zu
seiner Versetzung maßgeblichen Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der
Beschäftigten des Ministeriums B und im Geschäftsbereich des Ministeriums B,
Runderlass des Ministeriums B vom 0.0.0000 - 0 -. Eine inhaltlich entsprechende
Regelung enthält im Übrigen auch Ziffer 12.2.1 BRL W.
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Hat der Vorgesetzte im Zeitpunkt der Versetzung seine Vorgesetztenfunktion - etwa
wegen vorheriger organisatorischer Änderungen - erst so kurz inne, dass er nach den
o.g. Maßstäben im Zeitpunkt der Versetzung nicht über hinreichende eigene
Anschauung über die Tätigkeit des betroffenen Beamten verfügt, also möglicherweise
nicht als Erstbeurteiler in Frage gekommen wäre, stellt sich die Frage, ob auch in
diesem Fall zulässigerweise von der Erstellung einer Versetzungsbeurteilung
abgesehen werden kann. Zu dem Umgang mit dieser Problematik hatte Herr T in
seinem Gutachten verschiedene Vorschläge unterbreitet (vgl. Gutachten S. 37 ff.). Aus
dem Vorbringen des Antragsgegners ergibt sich jedoch nicht, wie derartige
Konstellationen in der Folgezeit tatsächlich behandelt worden sind, und insbesondere
nicht, ob auch in diesen Fällen auf die Erstellung einer Versetzungsbeurteilung
verzichtet worden ist. Dazu hätte aber im vorliegenden Fall Anlass bestanden, da der
Antragsteller im Zeitpunkt seiner Versetzung erst seit zwei Monaten in dem Referat 000
und damit bei dem entsprechenden Vorgesetzten tätig war. Ob insoweit eine
mindestens sechsmonatige tatsächliche Zusammenarbeit zu fordern ist (so das
Gutachten von Herrn T, S. 37), kann an dieser Stelle offen bleiben. In jedem Fall hätte
es insoweit einer genaueren Darstellung der Behandlung derartiger Fälle und der
insoweit maßgeblichen Kriterien bedurft. Daran fehlt es jedoch.
25
Da nach alledem - abgesehen von der Ungewissheit, ob eine solche Verwaltungspraxis
überhaupt besteht -, weder deren genauer Anwendungsbereich noch ihre einzelnen
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Kriterien benannt worden sind, kann nicht festgestellt werden, dass der von dem
Antragsgegner geltend gemachte Verzicht auf Versetzungsbeurteilungen in einer Weise
praktiziert worden wäre, die den grundsätzlichen Vorgaben des § 104 LBG und dem
sonstigen bei Beurteilungen geltenden rechtlichen Rahmen gerecht wird. Damit kann
auch nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner im Falle des Antragstellers in
rechtlich zulässiger Weise von der Erstellung einer Versetzungsbeurteilung abgesehen
hat. Da die Vorgehensweise des Antragsgegners aber von dem in § 104 Abs. 1 Satz 2
LBG gesetzlich festgelegten Grundsatz abweicht, geht dies im vorliegenden Verfahren
zu seinen Lasten.
Unabhängig von diesen Erwägungen leidet die dienstliche Beurteilung des
Antragstellers noch an einem weiteren Rechtsfehler.
27
Geht man mit dem Antragsgegner davon aus, dass für den Teil des
Beurteilungszeitraums vor der Versetzung des Antragstellers Beurteilungsbeiträge der
damaligen Vorgesetzten des Antragstellers, der Staatssekretäre a.D. Herr C und Herr
X1, ausreichten, so waren diese Beiträge bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung
zu berücksichtigen und zu würdigen. Dies hat auch der Antragsgegner angenommen;
der Endbeurteiler, Staatssekretär Herr C1, hat sich mit diesen Beurteilungsbeiträgen
ausdrücklich auseinandergesetzt.
28
Die Erwägungen, mit denen Staatssekretär Herr C1 die Abweichung der Gesamtnote
um zwei Punkte von der Erstbeurteilung und von den Beurteilungsbeiträgen begründet
hat, werden dem insoweit maßgeblichen rechtlichen Rahmen jedoch nicht gerecht.
29
Schon die Annahme, dem Beurteilungsbeitrag von Staatssekretär a.D. Herr C komme
nur ein eingeschränkter Aussagewert zu, weil der Antragsteller innerhalb des von dem
Beitrag umfassten Zeitraums drei statusrechtliche Ämter durchlaufen habe, ohne dass
im Beurteilungsbeitrag eine Differenzierung nach den Anforderungen des jeweiligen
statusrechtlichen Amtes vorgenommen worden sei, trägt nicht. Da der Beurteiler den
Antragsteller im gesamten Zeitraum, den sein Beurteilungsbeitrag abdeckt, und damit in
allen drei Ämtern jeweils mit dem höchsten Punktwert beurteilt hat, ist nicht ersichtlich,
welche amtsabhängigen Anforderungen er insoweit zusätzlich hätten berücksichtigt
sollen.
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Vor allem aber erweist sich die Würdigung der Beurteilungsbeiträge deshalb als
rechtsfehlerhaft, weil der Endbeurteiler darauf abgestellt hat, dass diese unabhängig
von der Quotierungsvorgabe des § 10a Laufbahnverordnung und ohne Anlegung eines
Quervergleichs erstellt worden seien. Zwar ist der diesbezügliche Ansatz,
Beurteilungsbeiträge, die den genannten Anforderungen nicht genügen, eine geringere
Bedeutung beizumessen, nicht zu beanstanden. Dass dies auch für die in Rede
stehenden Beurteilungsbeiträge gilt, wird jedoch weder durch die Ausführungen des
Endbeurteilers in der angegriffenen Beurteilung noch durch das Vorbringen des
Antragsgegners im vorliegenden Verfahren oder in den vorangegangenen Verfahren 13
L 1805/06 bis 13 L 1811/06 belegt.
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Der Endbeurteiler hat über die entsprechende Behauptung hinaus nichts weiter zum
Beleg oder zur Erläuterung seiner diesbezüglichen Aussage ausgeführt. Der
Antragsgegner hat hierzu im vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht weiter Stellung
genommen. In den vorangegangenen Verfahren 13 L 1805/06 bis 13 L 1811/06 hatte er
zur ergänzenden Begründung der damaligen Beurteilung, die den jetzt in Rede
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stehenden Passus allerdings nicht enthielt, nur allgemein vorgetragen, die
Beurteilungsbeiträge seien unabhängig von einer Regelbeurteilung und damit
maßstabsfrei erstellt worden.
Auch diese Begründung trägt jedoch die Annahme des Endbeurteilers nicht, die
Beurteilungsbeiträge seien ohne Anlegung eines Quervergleichs erstellt worden. Ihr
Ansatz wird dem insoweit einschlägigen rechtlichen Rahmen nicht gerecht. Zwar
schreibt § 10a Laufbahnverordnung die Bildung von Vergleichsgruppen und die
Beachtung von Richtwerten nur bei der Erstellung von Regelbeurteilungen vor. Die
grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Richtwerte leitet sich aber daraus ab, dass der
Dienstherr hierdurch die gewollten Beurteilungsmaßstäbe verdeutlicht und den
Aussagegehalt konkretisiert, den er den einzelnen Noten des Gesamturteils beilegen
will.
33
Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 4. Juli 2005 - Vf.85-VI-02 -,
BayVBl. 2005, 657 (658); Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.
September 2003 - 2 A 10795/03 -, IÖD 2004, 62 (63); Verwaltungsgericht Düsseldorf,
Urteile vom 11. August 2006 - 13 K 2207/04 und 13 K 2698/04 -, jeweils veröffentlicht in
NRWE und juris.
34
Er legt damit also das für die jeweilige Note zu fordernde Leistungsniveau fest.
35
Bayerischer Verfassungsgerichtshof, a.a.O.
36
Die hinter den Richtwerten stehende inhaltliche Konkretisierung des Aussagegehaltes
der Einzelnoten ist als Grundentscheidung des Dienstherrn für die Maßstäbe bei der
Erstellung dienstlicher Beurteilungen aber nicht nur bei Regelbeurteilungen zu
beachten, sondern ebenso bei Anlassbeurteilungen.
37
Ebenso im Ergebnis Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. September
2003 -2 A 10795/03 -, IÖD 2004, 62, das eine Klage gegen eine aus Anlass einer
Beförderungsbewerbung erstellte Beurteilung betraf.
38
Für diese gilt nichts anderes als bei Regelbeurteilungen, in den die Richtwerte mangels
hinreichend großer Vergleichsgruppen nicht zur Anwendung kommen. Auch dies
entbindet den Beurteiler nicht von der Verpflichtung, den mit den Richtwerten zum
Ausdruck gebrachten Aussagegehalt der Einzelnoten zu beachten. Anderenfalls wäre
im Verhältnis von Anlass- zu Regelbeurteilungen der wesentliche Zweck von
Beurteilungen - den Vergleich der betroffenen Beamten zu ermöglichen - schon vom
Ansatz her nicht gewährleistet:
39
Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang
ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den
Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im
öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Art. 33 Abs. 4 GG)
durch Beamte bestmöglichst zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung auch
dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner
Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende
Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen
"Klärung einer Wettbewerbssituation" zu.
40
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 -, ZBR 2002, 211.
41
Diese Zielsetzung verlangt größtmögliche Vergleichbarkeit der im Rahmen von
Beurteilungen erhobenen Daten. Eine solche Vergleichbarkeit von Beurteilungen, die
die Grundlage für eine Auswahlentscheidung in Bezug auf eine Beförderungsstelle
bilden, ist aber nur dann hinreichend gewährleistet, wenn die für die Vergleichbarkeit
maßgeblichen Kriterien nicht nur in Bezug auf die äußeren Umstände, wie etwa den
Beurteilungszeitraum, sondern auch in Bezug auf die inhaltlichen Maßstäbe der
Leistungsbewertung soweit wie irgend möglich eingehalten werden. Diese Zielsetzung
würde aber verfehlt, wenn die bei Regelbeurteilungen durch die Festlegung von
Richtsätzen zum Ausdruck gebrachten Anforderungen an die verschiedenen
Notenstufen nicht auch bei Anlassbeurteilungen zu beachten wären.
42
In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen bestimmt im Übrigen auch Ziffer 3.2.3 der
für den Antragsteller bis zu seiner Versetzung maßgeblichen BRL B, dass eine
Beurteilung aus besonderem Anlass die zu Beurteilenden mit den übrigen Beurteilten
der Vergleichsgruppe vergleicht, der sie bei einer Regelbeurteilung zugeordnet worden
wären, wenn sie schon zum Stichtag der Regelbeurteilung Angehörige der
Vergleichsgruppe gewesen wären. Ein entsprechende Regelung findet sich zudem in
Ziffer 4.3.1 BRL W.
43
Angesichts dieses allgemeinen rechtlichen Rahmens und der konkreten Vorgaben der
seinerzeit maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien lässt sich die Annahme, die
Beurteilungsbeiträge seien maßstabsfrei weil unabhängig von einer Regelbeurteilung
erstellt worden, nicht halten. Ob die Prämisse des Antragsgegners, die
Beurteilungsbeiträge seien nicht mit Blick auf Regelbeurteilungen erstellt worden,
überhaupt zutrifft, kann deshalb dahinstehen.
44
In diesem Zusammenhang ist überdies zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in
dem Verfahren 13 L 1805/06 eine Erklärung von Staatssekretär a.D. Herr C vom 25.
September 2006 vorgelegt hatte, in der dieser ausführt, die (damalige) Vergleichsgruppe
sei ihm gut bekannt gewesen und sein Beurteilungsbeitrag sei unter Berücksichtigung
dieser Gruppe erstellt worden. Auch wenn Staatssekretär a.D. Herr C - wie der
Antragsgegner unwidersprochen ausgeführt hat - im damaligen Ministerium X3 nicht der
zuständige Endbeurteiler war, rechtfertigt dies nicht die Schlussfolgerung, sein
Beurteilungsbeitrag sei deswegen - quasi automatisch - ohne Berücksichtigung der aus
der Vergleichsgruppenbildung resultierenden Maßstäbe erstellt worden.
45
Sonstige Gesichtspunkte, die die Annahme des Endbeurteilers rechtfertigen könnten,
die Beurteilungsbeiträge seien ohne Anlegung eines Quervergleichs erstellt worden,
sind weder ersichtlich noch von dem Antragsgegner vorgetragen.
46
Eine die angegriffene Beurteilung unabhängig von diesen Erwägungen selbständig
tragende Begründung liegt ebenfalls nicht vor. Zwar hat der Endbeurteiler nicht nur die
Gesamtnote der Beurteilung um zwei Punkte im Vergleich zu der Erstbeurteilung
abgesenkt, sondern auch die Bewertung verschiedener Einzelmerkmale. Nach dem
Gesamtzusammenhang der Ausführungen in der Endbeurteilung stützen sich aber auch
diese Bewertungen auf die vorangestellten allgemeinen Überlegungen und unterliegen
deshalb denselben rechtlichen Bedenken. Eine davon unabhängige Begründung für die
Absenkung der Gesamtnote und/oder der Einzelmerkmale ist der Endbeurteilung nicht
47
zu entnehmen. Diese enthält keine inhaltlichen Ausführungen zu den Leistungen des
Antragstellers, insbesondere keinen Vergleich mit einem etwaigen maßstabsbildenden
„Eckmann" oder „Spitzenmann",
vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
14. Februar 2007 - 1 A 3345/06 -, veröffentlicht in NRWE und juris,
48
die eine eigenständige Begründung für die deutliche Abweichung von der Bewertung
des Erstbeurteilers bilden könnten.
49
Die vorgenannten Rechtsfehler sind auch im Sinne der dargestellten Anforderungen
kausal, da es bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf Basis einer
ordnungsgemäßen Beurteilung trotz des bisherigen Notenunterschieds nicht unmöglich
erscheint, dass diese zu Gunsten des Antragstellers ausfällt.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die
Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt
hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass sie etwaige eigene
außergerichtliche Kosten selbst trägt.
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Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 1
Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer hat im Hinblick auf die Vorläufigkeit des
Begehrens den halben Auffangwert angesetzt und folgt der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, wonach dieser auch
anzulegen ist, wenn mehrere Stellen frei gehalten werden.
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