Urteil des VG Düsseldorf vom 21.04.2004

VG Düsseldorf: botschaft, asylverfahren, kroatien, aufenthalt, körperpflege, auskunft, ernährung, heizung, form, deckung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 1074/04
Datum:
21.04.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 L 1074/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben
werden, tragen die Antragsteller.
Gründe:
1
Der am 1. April 2004 sinngemäß gestellte Antrag,
2
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den
Antragstellern für April 2004 und fortlaufend über das Gewährte hinaus Geldbeträge
nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
3
hat keinen Erfolg.
4
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist eine einstweilige
Anordnung zur Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn
diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Führt der
Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht nur zur Sicherung der geltend
gemachten Rechte sondern im Ergebnis zu ihrer Befriedigung, kann die beantragte
einstweilige Anordnung nur in dem Ausnahmefall erlassen werden, dass ein Abwarten
des Hauptsacheverfahrens für den Antragsteller mit unzumutbaren Nachteilen
verbunden wäre.
5
Das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) und die
besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind vom Antragsteller glaubhaft zu
machen.
6
Soweit sich das Antragsgsbegehren auf Zeiträume nach April 2004 bezieht, kann es
mangels Anordnungsgrundes keinen Erfolg haben. Denn eine einstweilige Anordnung
kann nur zur Abwendung gegenwärtiger Gefahren oder gegenwärtig drohender
Nachteile ergehen. Daran fehlt es für Zeiträume, die in der Zukunft liegen und
hinsichtlich derer der Antragsgegner über eine Leistungsgewährung zeitnah nach den
dann vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen noch zu entscheiden hat.
7
Für eine einstweilige Anordnung bezogen auf den Zeitraum ab Antragstellung bei
Gericht bis zum Ablauf des Monats, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet (1.
bis 30. April 2004) fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
8
Denn die Antragsteller haben nicht hinreichend dargelegt, dass sie nach § 3 AsylbLG
Anspruch auf die Gewährung von Grundleistungen einschließlich der Geldbeträge in
Höhe von jeweils 40,90 Euro bzw. 20,45 Euro haben. Vielmehr spricht bei der im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung
überwiegendes dafür, dass der Antragsgegner zu Recht davon ausgeht, dass die
Antragsteller nach § 1a Nr. 2 AsylbLG nur das nach den Umständen unabweisbar
Gebotene beanspruchen können, weil sie vollziehbar ausreisepflichtig sind und
aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht
vollzogen werden können.
9
Als Asylbewerber, die nach rechtskräftigem negativem Abschluss ihrer Asylverfahren
vollziehbar ausreisepflichtig sind, gehören die Antragsteller gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5
AsylbLG zur den Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
10
Zu den üblichen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zählen neben den Leistungen zur
Deckung des notwendigen Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung,
Gesundheits- und Körperpflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts
nach Abs. 1 Satz 4 der Vorschrift ein Geldbetrag von 40,90 Euro für Leistungsempfänger
ab Beginn des 15. Lebensjahres und von 20,45 Euro für Leistungsempfänger bis zur
Vollendung des 14. Lebensjahres. Abweichend von dem Leistungsumfang des § 3
AsylbLG können Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG gemäß § 1a Nr. 2
AsylbLG nur das im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar Gebotene
beanspruchen, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihnen zu vertretenden
Gründen nicht vollzogen werden können. So liegt der Fall hier, denn die Antragsteller zu
1. und 2. haben bisher nicht alles von ihnen zu erwartende und ihnen zumutbare
unternommen, um die Beschaffung von Pässen oder Passersatzpapieren zu
ermöglichen. Damit scheitert augenblicklich die Vorbereitung aufenthaltsbeendender
Maßnahmen aus Gründen, die die Antragsteller zu 1. und 2. zu vertreten haben. Dies
müssen sich die minderjährigen Antragsteller zu 3. bis 6. zurechnen lassen.
11
Die Antragsteller zu 1. und 2. haben bei ihrer Asylantragstellung im August 1994
vorgetragen, sie und ihre vier Kinder seien in Banja-Luca in Bosnien-Herzegowina
geboren und verfügten nicht über Pässe oder sonstige Identifikationspapiere. Nach
negativem Abschluss der Asylverfahren der Antragsteller meldete die zuständige
Ausländerbehörde des Kreises W die Antragsteller im April 2000 bei der Zentralen
Ausländerbehörde C1 zur Rückführung nach Bosnien-Herzegowina an. Auf
Aufforderung der Ausländerbehörde haben die Antragsteller am 28. September 1998 an
einer Sammelvorführung der Botschaft von Bosnien-Herzegowina in den Räumen der
Zentralen Ausländerbehörde C1 teilgenommen. Unter dem 19. September 2001 teilte
die Botschaft mit, dass es sich bei den Antragstellern nicht um bosnische
Staatsangehörige handle. Bereits im Januar 1999 hatte die Ausländerbehörde die
Deutsche Botschaft in Zagreb gebeten zu überprüfen, ob die Antragsteller in Kroatien
melderechtliche registriert seien. Anlass für diese Nachforschungen war der Umstand,
dass die Eltern der Antragstellerin zu 2. durch den Gebrauch von Alias- Personalien und
kroatischen Pässen aufgefallen waren und in der Folgezeit nach Kroatien abgeschoben
wurden. Unter dem 18. Mai 1999 teilte die Deutsche Botschaft Zagreb mit, dass die
Antragsteller nach Auskunft des kroatischen Außenministeriums bzw. des Standesamts
12
T in Kroatien weder mit Wohnsitz noch mit gewöhnlichem Aufenthalt melderechtlich
registriert seien. Unter dem 4. April 2002 forderte die Ausländerbehörde die
Antragsteller unter Hinweis auf die negative Auskunft der Botschaft Bosnien-
Herzegowina auf, bis Ende des Monats Pässe eines anderen Nachfolgesjtaates des
ehemaligen Jugoslawiens vorzulegen oder durch Vorlage von Bescheinigungen der
entsprechenden Botschaften oder Konsulate nachzuweisen, dass eine Passausstellung
beantragt worden sei. In der Folgezeit haben die Antragsteller den ihnen für das
Jugoslawische Generalkonsulat ausgehändigten Bescheinigungsvordruck der
Ausländerbehörde mit der Notiz wieder vorgelegt, das Generalkonsulat sei am 17. April
2002 aufgesucht worden, jedoch sei ihnen der Einlass ebenso wie die Abstempelung
der Bescheinigung verweigert worden. Unter dem 6. November 2003 forderte der
Antragsgegner die Antragsteller auf, ihm bis zum 17. November 2003 durch Vorlage
einer Wartenummer nachzuweisen, dass sie der Aufforderung der Ausländerbehörde
zur erneuten Vorsprache beim serbischen Generalkonsulat nachgekommen seien.
Außerdem wies er die Antragsteller darauf hin, dass sie auf Grund der bestehenden
Ausreiseverpflichtung zugleich verpflichtet seien, alles in ihrer Macht stehende zu
unternehmen, um ihre Nationalität nachzuweisen und Heimreispapiere zu erhalten. Mit
Schreiben vom 20. November 2003 wies der Antragsgegner die Antragsteller ergänzend
auf die Möglichkeit hin, die Behörden ihres Heimatlandes erforderlichenfalls unter
Einschaltung dritter Personen um die Erteilung von Auskünften oder Unterlagen über
ihre Identität zu ersuchen. Zugleich machte er die Antragsteller darauf aufmerksam, dass
er bei unzureichender Mitwirkung die Möglichkeit einer Leistungskürzung nach § 1a
AsylbLG prüfen werde. Den von den Antragstellern eingeschalteten Rechtsanwalt wies
der Antragsgegner unter dem 17. Februar 2004 darauf hin, dass er sich wegen der
begehrten Einsicht in den in der Vergangenheit mit verschiedenen Botschaften
geführten Schriftverkehr an die Ausländerbehörde des Kreises W wenden müsse.
Zugleich forderte der Antragsgegner die Antragsteller über ihren Bevollmächtigten unter
Fristsetzung bis zum 1. März 2004 auf, nähere Angaben zum behaupteten Verlust der
eigenen Ausweispapiere sowie zum Aufenthalt möglicher Angehöriger zu machen und
darzulegen, warum bisher keine Bemühungen unternommen worden seien, etwa
Registerauszüge über die Staatsbürgerschaft oder über den Wiedereintrag beim Gericht
des letzten Wohnortes zu beantragen.
Unter Berücksichtigung dieses Geschehensablaufs ist nicht erkennbar, dass die
Antragsteller entsprechend ihrer Mitwirkungsverpflichtungen aus § 15 AsylVfG alles
ihnen zumutbare getan haben, um ihre Identität nachzuweisen und die Beschaffung von
Identitätspapieren zu ermöglichen. Zunächst haben die Antragsteller schon nicht
hinreichend dargelegt, dass sie der zweifachen Aufforderung zur Vorsprache beim
serbischen Generalkonsulat tatsächlich und in angemessener Weise nachgekommen
sind. Unterstellt man zu Gunsten der Antragsteller, dass sie sich tatsächlich um
Vorsprache- bzw. Prüfungstermine bemüht haben, diese aber mangels Vorlage
geeigneter Unterlagen verweigert wurden, müssen sich die Antragsteller jedenfalls
entgegen halten lassen, dass sie sich in keiner Weise um Beschaffung von Unterlagen
bemüht haben, die geeignet sein können, Aussagen über ihre Staatsangehörigkeit zu
machen, oder jedenfalls Anhaltspunkte dafür enthalten. Insoweit können sich die
Antragsteller nicht auf den pauschalen Hinweis zurückziehen, keine
verwandschaftlichen oder persönlichen Kontakte zu Personen in Banja Luca zu
unterhalten. Zunächst ist diese Behauptung angesichts des Vortrags der Antragsteller
im Asylverfahren, sie hätten sich vor ihrer Ausreise bei einem Onkel in Banja Luca
aufgehalten, nicht ohne weiteres plausibel. Zudem haben die Antragsteller auch zu den
konkreten Nachfragen des Antragsgegner über den Verbleib von Angehörigen keinerlei
13
Angaben gemacht. Darüber hinaus hat der Antragsgegner die Antragsteller auch auf die
Möglichkeit hingewiesen, Behörden der Heimatgemeinde selbst schriftlich um die
Übersendung von Unterlagen (Abschrift aus dem Staatsangehörigkeitsregister,
Geburtsurkunde oder ähnliches) zu ersuchen. Dass die Antragsteller Anstrengungen
dieser Art unternommen haben, haben sie weder behauptet noch nachgewiesen.
Können die Antragsteller von daher nach § 1a AsylbLG nur Leistungen im Umfang des
nach den Umständen unabweisbar Gebotenen beanspruchen, ist nicht erkennbar, dass
die ihnen auch im April 2004 tatsächlich gewährten Leistungen diesen Umfang
unterschreiten.
14
Der Antragsgegner gewährt den Antragstellers wie in der Vergangenheit Leistungen zur
Deckung des notwendigen Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung,
Gesundheits- und Körperpflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts
in Form von Kontokarten bzw. Sachleistungen in dem nach § 3 AsylbLG vorgesehenen
Umfang. Er hat lediglich den den Antragstellern darüber hinaus gewährten Barbetrag
von bisher monatlich 40,90 Euro bzw. 20,45 Euro (40,90 Euro x 4 + 20,45 Euro x 2 =
204,50 Euro) auf monatlich 10,00 Euro bzw. 5,00 Euro (10,00 Euro x 4 + 5,00 Euro x 2 =
50 Euro) gekürzt. Das Gericht verkennt nicht, dass damit der finanzielle
Bewegungsspielraum der Antragsteller erheblich eingeschränkt ist, da sie nur noch
einen geringen Geldbetrag zur Verfügung haben, über dessen Einsatz sie frei
entscheiden können. Jedoch vermag das Gericht angesichts der im Übrigen ungekürzt
gewährten sonstigen Grundleistungen des § 3 AsylbLG in Form von Sachleistungen
bzw. Einkaufsberechtigungen nicht zu erkennen, dass ihnen nicht das
Existenznotwendige zur Verfügung gestellt wird. Dies wird auch von den Antragstellern
weder behauptet noch näher dargelegt.
15
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO.
16
17