Urteil des VG Düsseldorf vom 14.04.2004

VG Düsseldorf: versetzung, ruhe, wissenschaft und forschung, beendigung des dienstverhältnisses, störfall, erlass, rückabwicklung, behinderung, absicht, anerkennung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 2293/02
Datum:
14.04.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 2293/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der am 00.00.1939 geborene Kläger war als Oberstudienrat am GBerufskolleg in E tätig.
2
Auf seinen Antrag vom 12. November 1998 stellte das Versorgungsamt E (im
Folgenden: Versorgungsamt) mit Bescheid vom 16. Februar 1999 für den Kläger einen
Grad der Behinderung (GdB) von 20 und mit Bescheid vom 6. Juli 2000 einen GdB von
30 fest.
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Auf seinen Antrag vom 11. März 2000 genehmigte die Bezirksregierung E (im
Folgenden: Bezirksregierung) dem Kläger mit Bescheid vom 7. April 2000 Altersteilzeit
nach § 78 d Abs. 2 Landesbeamtengesetz (LBG) in der Weise, dass er die bis zum
Beginn des Ruhestandes zu erbringende Dienstleistung vollständig vorab leiste und
anschließend voll vom Dienst freigestellt werde (sog. Blockmodell). Die Altersteilzeit
sollte danach wie folgt abgeleistet werden:
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1. August 2000 - 31. Juli 2002 Beschäftigungsphase mit 24,5 Pflichtstunden pro Woche
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1. August 2002 - 31. Juli 2004 Freistellungsphase
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anschließend Versetzung in den Ruhestand
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Am 1. August 2000 trat der Kläger in Altersteilzeitbeschäftigung.
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Mit Bescheid vom 10. Juli 2001 stellte das Versorgungsamt auf einen erneuten Antrag
des Klägers einen GdB von 60 fest und erkannte den Kläger rückwirkend zum
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21. Dezember 2000 als Schwerbehinderten im Sinne des § 1 Schwerbehindertengesetz
(SchwbG) bzw. § 2 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) an.
Mit Schreiben vom 12. September 2001 stellte der Kläger bei der Bezirksregierung den
Antrag, als Schwerbehinderter nach Vollendung des 60. Lebensjahres gemäß § 45
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG zum 1. Februar 2002 zur Ruhe gesetzt zu werden. Hierzu trug
er vor: Er sei vor dem 31. Dezember 1940 geboren und habe am 28. September 1999
sein 60. Lebensjahr vollendet. Er sei seit dem 21. Dezember 2000 als
Schwerbehinderter anerkannt. Seit dem 1. August 2000 befinde er sich in Altersteilzeit
nach dem Blockmodell. Er beantrage deshalb seine Versetzung in den Ruhestand zum
frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens jedoch zum 31. Januar 2002, unter Ausgleich
der Bezüge nach § 2 a Altersteilzeitzuschlagsverordnung (ATZV) auf Grund der
vorzeitigen Beendigung der Altersteilzeit.
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Der Schulleiter vermerkte unter dem 14. September 2001, dass gegen den Antrag aus
schulischer Sicht keine Einwände bestünden.
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Mit Erlass vom 14. Januar 2002 (Az. 124-22/11 Nr. 2918/01) lehnte das MSWF NRW
gegenüber der Bezirksregierung eine Aufhebung der Altersteilzeit des Klägers und eine
Versetzung in den Ruhestand ab. Die Feststellung einer Schwerbehinderung sei kein
"Störfall" in der Altersteilzeit im Sinne des "Störfall-Erlasses". Es sei lediglich mit
folgender Regelung einverstanden: Die Altersteilzeit werde nicht rückwirkend
aufgehoben, sondern dahingehend umgewidmet, dass die Beschäftigungsphase bereits
am 31. Januar 2002 ende und auch die Freistellungsphase auf die gleichen Zeitspanne
bis zum 31. Juli 2003 verkürzt werde. Mit Wirkung vom 1. August 2003 könne der Kläger
dann in den Ruhestand versetzt werden. Bei einer Umwidmung der Altersteilzeit in dem
vorgeschlagenen Umfang entfalle die Rückabwicklung. Sie trage jedoch dem
vordringlichen Wunsch des Klägers, schnellstmöglich von seinen aktiven
Dienstpflichten entbunden zu werden, angemessen Rechnung.
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Mit Schreiben vom 21. Januar 2002 beteiligte die Bezirksregierung die Vertrauensfrau
der schwerbehinderten Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs bei der
Bezirksregierung E gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX und bat um Kenntnis- und
Stellungnahme zur geplanten Ablehnung einer vorzeitigen Versetzung des Klägers in
den Ruhestand unter gleichzeitiger Rückabwicklung einer genehmigten
Altersteilzeitbeschäftigung. Diese trat dem mit Schreiben vom 25. Januar 2002
entgegen.
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Mit
Bescheid vom 29. Januar 2002
Umwandlung der Altersteilzeit unter Verkürzung der Altersteilzeit von vier auf drei Jahre
in der Weise an, dass die Freistellungsphase entsprechend bereits zum 1. Februar 2002
beginne. Zugleich lehnte sie die beantragte Versetzung in den Ruhestand zum
1. Februar 2002 unter Rückabwicklung der Altersteilzeit ab.
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Mit Schreiben vom 25. Februar 2002 änderte die Bezirksregierung mit Zustimmung des
Klägers die Altersteilzeit des Klägers in der Weise ab, dass die Beschäftigungsphase
zum 31. Januar 2002 ende, der Kläger vom 1. Februar 2002 bis zum 31. Juli 2003
freigestellt werde und anschließend zum 1. August 2003 zur Ruhe gesetzt werde. Der
Verwaltungsrechtsweg stehe ihm hinsichtlich seiner Zurruhesetzung weiterhin offen.
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Mit
Schreiben vom 25. Februar 2002
16
Ablehnung der Versetzung in den Ruhestand durch Bescheid vom 29. Januar 2002. Zur
Begründung führte er aus: Er habe einen Anspruch auf Versetzung in den Ruhestand
nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG. Das nach dieser Norm eingeräumte Ermessen sei
wegen seiner Schwerbehinderung so weit reduziert, dass eine andere Entscheidung als
eine Zurruhesetzung nicht möglich sei. Dienstliche Gründe stünden einer
Zurruhesetzung nicht entgegen. Eine Ablehnung könne auch nicht auf § 78 d LBG oder
den Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen (MSWF NRW) vom 15. Februar 2000 gestützt werden. Eine
vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit sei durch den "Störfall-Erlass" gerade
vorgesehen, da der vereinbarte Verlauf auf Grund der festgestellten Schwerbehinderung
nicht eingehalten werden könne. Es könne keinen Unterschied machen, ob das
Dienstverhältnis wegen dauernder Dienstunfähigkeit oder auf Grund Zurruhesetzung
wegen Schwerbehinderung beendet werde.
Der Beklagte gehe darüber hinaus von falschen Tatsachen aus. Zu Beginn der
Altersteilzeit sei bei ihm - dem Kläger - erst ein GdB von 30 festgestellt worden. Er - der
Kläger - habe erst nach Beginn der Altersteilzeit zum 1. August 2000, nämlich am
21. Dezember 2000, einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft
gestellt, die am 10. Juli 2001 auf Grund eines GdB von 60 festgestellt wurde. Es sei zu
Beginn der Altersteilzeit nicht abzusehen gewesen, dass sich seine Gesundheit soweit
verschlechtern würde, dass eine Anerkennung als Schwerbehinderter in Betracht
komme. Eine Gesundheitsverschlechterung sei entgegen der Auffassung des Beklagten
auch kein willensabhängiges Ereignis.
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Nicht zuletzt bestehe ein Anspruch auf Zurruhesetzung nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
LBG unabhängig von den Regelungen der Altersteilzeit. Eine Versetzung in den
Ruhestand sei demnach grundsätzlich unabhängig vom Vorliegen eines "Störfalls" im
Sinne des "Störfall-Erlasses". Die erleichterte Möglichkeit der Zurruhesetzung diene der
Umsetzung des Schwerbehindertengesetzes und damit dem Schutz von
Schwerbehinderten. Es sei insofern unklar, ob die Richtlinien zur Durchführung des
Schwerbehindertengesetzes im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen
beachtet worden seien.
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Im Übrigen hätten für ihn keine Gründe bestanden, einen Antrag auf Genehmigung von
Altersteilzeit zu stellen, wenn zum damaligen Zeitpunkt die Möglichkeit einer
Zurruhesetzung bereits bestanden hätte. Er habe zum Zeitpunkt des Antrags auf
Altersteilzeit bereits einen Ruhegehaltssatz von 75% erreicht gehabt, der durch eine
Weiterbeschäftigung nicht mehr habe erhöht werden können. Auch
Versorgungsabschläge (nach § 14 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG)
seien bei ihm (nach § 69c Abs. 6 Nr. 1 BeamtVG) nicht zu berücksichtigen, da er vor
dem 1. Januar 1941 geboren sei.
19
Die Bezirksregierung informierte die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten mit
Schreiben vom 6. März 2002 über ihre Absicht, den Widerspruch des Klägers
zurückzuweisen.
20
Die Bezirksregierung wies den Widerspruch des Klägers mit
Widerspruchsbescheid
vom 19. März 2002
Bescheid vom 29. Januar 2000 finde seine Rechtsgrundlage in § 78 d LBG in
Verbindung mit dem Runderlass des MSWF NRW vom 15. Februar 2000 sowie dem
Runderlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (FM NRW) vom
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10. Mai 2000. Er sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
Es sei bereits fraglich, ob ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers bestehe, nachdem er
das Umwidmungsangebot der Bezirksregierung hinsichtlich einer Verkürzung der
Altersteilzeit vorbehaltlos angenommen habe und der ablehnende Bescheid damit
gegenstandslos geworden sei.
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Der Widerspruch sei jedoch auch unbegründet. Der Kläger habe bereits vor seinem
Antrag auf Altersteilzeit zwei Anträge auf Feststellung der
Schwerbehinderteneigenschaft gestellt. Diese hätten zwar nicht zur Anerkennung einer
Schwerbehinderung, also einem GdB von 50, geführt, aber zur Feststellung eines GdB
von 20 bzw. 30. Der Umstand einer möglichen Schwerbehinderung sei ihm also
durchaus bekannt gewesen. In Kenntnis dieses Umstandes habe er die Bewilligung von
Altersteilzeit beantragt und sei vorbehaltlos, wissentlich und willentlich auf deren
Bindungen eingegangen.
23
Der Umstand, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Altersteilzeit den Anspruch auf
Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung nicht ausdrücklich ausschlössen, bedeute
nicht, dass diese Regelung neben den Altersteilzeitvorschriften anzuwenden sei.
Vielmehr sei der "Störfall-Erlass" des MSWF NRW einschlägig. Dieser Erlass allein
bestimme, wann eine grundsätzlich nicht zulässige vorzeitige Beendigung einer
Altersteilzeitbeschäftigung möglich sei. Eine nachträgliche Feststellung einer
Schwerbehinderung sei jedenfalls kein "Störfall" im Sinne des Erlasses.
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Eine Versetzung in den Ruhestand sei bei einem bestehenden
Altersteilzeitbeschäftigungsverhältnis nur in den in dem "Störfall-Erlass" genannten
Fällen möglich. Eine Rückabwicklung der Altersteilzeit sei deshalb in anderen Fällen
ausgeschlossen. Die Frage des Vorliegens eines Störfalles sei entgegen der Ansicht
des Klägers nicht erst im Rahmen der Rückabwicklung eines
Altersteilzeitbeschäftigungsverhältnisses von Bedeutung.
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Im Übrigen seien die Vorschriften des Schwerbehindertenrechts beachtet worden. Die
Schwerbehindertenvertretung sei sowohl vor Bescheidung des Antrags des Klägers
vom 12. September 2001 wie auch vor Bescheidung des Widerspruchs vom 25. Februar
2002 gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX unterrichtet und angehört worden.
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Der Kläger hat
am 13. April 2002 Klage erhoben
auf Zurruhesetzung weiter verfolgt und unter Vorlage verschiedener Unterlagen
ergänzend vorgetragen hat: Sein Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich bereits aus
finanziellen Gründen. Wäre er antragsgemäß bereits im Jahre 2001 zur Ruhe gesetzt
worden, hätte ein Ausgleich der Bezüge nach § 2 a ATZV vorgenommen werden
müssen. Darüber hinaus sei sein Beihilfesatz während der Altersteilzeit mit 50%
niedriger als bei Zurruhesetzung. Er müsse deshalb höhere Beiträge an seine
Krankenversicherung abführen. Nicht zuletzt erhalte er gegenüber dem Ruhestand
niedrigere Nettobezüge. Auch habe sich sein Zurruhesetzungsantrag nicht auf Grund
der einvernehmlichen Änderung der Altersteilzeit erledigt. Mit seiner
Zustimmungserklärung habe er auf den Zurruhesetzungsantrag keineswegs verzichtet.
Das habe der Beklagte auch ausdrücklich zugesichert. Der Anspruch auf
Zurruhesetzung ergebe sich aus § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG. Maßgeblich hierfür sei
sein Antrag vom 12. September 2001. Er sei gemäß Bescheid des Versorgungsamtes
vom 10. Juli 2001 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 60 anerkannt. Er habe
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auch das 60. Lebensjahr vollendet. Die Voraussetzungen der Zurruhesetzung seien
demnach gegeben. Der Anspruch auf Zurruhesetzung sei auch nicht deshalb
ausgeschlossen, weil er sich in Altersteilzeit befinde. Eine Rechtsgrundlage finde sich
nicht in § 78 d LBG i.V.m. dem Runderlass des MSWF NRW vom 15. Februar 2000. Das
dem Dienstherrn eingeräumte Ermessen dürfe sich nach der Rechtsprechung des
BVerwG nur auf dienstliche Rücksichten beziehen. Dienstliche Gründe stünden seiner
Zurruhesetzung jedoch nicht entgegen. Die mit der Zurruhesetzung öffentlicher Mittel
habe der Gesetzgeber mit der Regelung bereits in Kauf genommen, sodass dieser
Gesichtspunkt ebenfalls nicht mehr bei der Ermessensausübung herangezogen werden
könne. Es sei zwar richtig, dass sich der Antrag auf Bewilligung von Altersteilzeit auf
den gesamten Zeitraum bis zum Beginn des Ruhestandes erstrecken müsse. Es liege
hier jedoch ein "Störfall" im Sinne des "Störfall-Erlasses" des MSWF NRW vom 26. Juli
2000 und des FM NRW vom 10. Mai 2000 vor. Es könne keinen Unterschied machen,
ob er wegen dauernder Dienstunfähigkeit oder wegen Schwerbehinderung zur Ruhe
gesetzt werde.
Es sei entgegen der Darstellung im Widerspruchsbescheid nicht richtig, dass er vor
Beantragung der Altersteilzeit bereits zwei Anträge auf Feststellung der Eigenschaft als
Schwerbehinderter gestellt habe. Als er am 11. März 2000 den Antrag auf Bewilligung
von Altersteilzeit gestellt habe, sei bei ihm erst ein GdB von 20 festgestellt gewesen, der
später, mit Bescheid vom 6. Juli 2000, auf einen GdB von 30 erhöht worden sei. Erst am
21. Dezember 2000 habe er die Feststellung einer höheren Behinderung beantragt, die
mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 10. Juli 2001 mit einem GdB von 60
festgestellt worden sei. Es sei also bei Beantragung der Altersteilzeit gerade noch nicht
absehbar gewesen, dass später eine Schwerbehinderung festgestellt werde. Erst diese
Feststellung habe ihm jedoch einen Antrag auf vorzeitige Zurruhesetzung ermöglicht. Es
liege deshalb eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber dienstunfähigen
Beamten vor. Es lasse sich kein sachlicher Grund erkennen, warum der Fall einer
eintretenden Dienstunfähigkeit während der Altersteilzeit anders behandelt werden
sollte als eine Schwerbehinderung. Darüber hinaus liege auch eine
Ungleichbehandlung gegenüber Beamten vor, die Altersteilzeit im "Teilzeitmodell"
gewählt hätten. Diese würden bei auftretender Schwerbehinderung nach § 45 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 LBG zur Ruhe gesetzt. Der Anspruch auf Zurruhesetzung bestehe deshalb
unabhängig neben den Vorschriften über Altersteilzeit.
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Nicht zuletzt habe für ihn kein nachvollziehbarer Grund bestanden, erst nach Eintritt in
die Altersteilzeit eine Zurruhesetzung zu beantragen, da er aus versorgungsrechtlicher
Sicht keine Verbesserung mehr habe erreichen können. Er habe bereits einen
Ruhegehaltssatz von 75% ohne Abschläge erreicht gehabt.
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Im Übrigen sei durch § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG der Schutz von Schwerbehinderten
bezweckt. Es sei unklar, ob die Richtlinien zur Durchführung des
Schwerbehindertengesetzes im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen
gemäß Runderlass des Kultusministeriums vom 31. Mai 1989 beachtet worden seien.
Nach Nr. 14.2 sei vorgeschrieben, dass im Falle eines Antrags von Schwerbehinderten
auf Beendigung des Dienstverhältnisses die Schwerbehindertenvertretung anzuhören
sei.
30
Der Kläger ist zwar nicht bereits am Ende der Freistellungsphase der Altersteilzeit zum
1. August 2003, wohl aber mit Verfügung vom 14. April 2004 zur Ruhe gesetzt worden.
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Im Hinblick darauf beantragt der Kläger nunmehr,
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festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet gewesen wäre, ihn - den
Kläger - gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG antragsgemäß zum 1. Februar
2002 zur Ruhe zu setzen.
33
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
38
Sie ist allerdings als Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem gestellten Antrag zulässig.
39
Der Kläger hat entgegen der Ansicht des Beklagten keinen Klageverzicht erklärt, denn
die Beteiligten waren sich bei Verkürzung der Altersteilzeitbeschäftigung darüber einig,
dass diese Vereinbarung die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Bescheides vom
29. Januar 2002 hinsichtlich der Zurruhesetzung unberührt lassen sollte.
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Der gestellte Antrag ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag statthaft. Das vom Kläger
ursprünglich mit der Verpflichtungsklage verfolgte Begehren, ihn zur Ruhe zu setzen,
hat sich durch die Zurruhesetzungsverfügung der Bezirksregierung vom 14. April 2004
erledigt. Der Kläger kann sein Anliegen aber dadurch weiter verfolgen, dass er
gerichtlich die Verpflichtung des Beklagten, ihn zum 1. Februar 2002 zur Ruhe zu
setzen, feststellen lässt. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der
Regeln über die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 VwGO
analog).
41
Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse (sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse)
an der Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet war, ihn zum 1. Februar 2002 zur
Ruhe zu setzen. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist dann anzunehmen, wenn ein
vom Kläger angestrebtes Sachurteil geeignet ist, seine Position in rechtlicher,
wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht konkret zu verbessern. Dafür genügt jedes nach
Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher
oder ideeller Art.
42
St. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 4. März 1976 - 1 WB 54/74 -,
BVerwGE 53, 134, 137; Urteil vom 12. September 1989 - 1 C 40/88 -, Buchholz
310 § 113 Nr. 206.
43
Ein berechtigtes Interesse kann hierbei aus einem vom Kläger angekündigten
Schadensersatzprozess wegen unterbliebener Zurruhesetzung zum 1. Februar 2002
hergeleitet werden. Dabei kann vorliegend unterstellt werden, dass der Kläger ernsthaft
beabsichtigt, einen Schadensersatzprozess zu führen.
44
Vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 9.
März 1989 2 C 4.87 -, Buchholz 232, § 23 BBG Nr. 36.
45
Ein solcher Schadensersatzprozess ist auch nicht mit der für die Zulässigkeit der
vorliegenden Klage erforderlichen Wahrscheinlichkeit offensichtlich aussichtslos,
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vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. November 1990 - 2 B 51.90 -, in: Schütz,
Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/D I 2 Nr. 36.
47
Denn es bestehen nach dem Vortrag des Klägers zumindest Anhaltspunkte dafür, dass
das dem Dienstherrn eingeräumte Ermessen hinsichtlich einer Zurruhesetzung wegen
Schwerbehinderung vorliegend eingeschränkt gewesen sein könnte.
48
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger zum
1. Februar 2002 zur Ruhe zu setzen (§ 113 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 Satz 1 VwGO analog),
denn der Kläger hatte seinerzeit keinen Anspruch auf Versetzung in den Ruhestand.
49
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 LBG.
Danach gilt Folgendes: "Ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit kann ein Beamter auf
Lebenszeit [...] auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt werden, [...] als
Schwerbehinderter im Sinne von § 2 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres. Aus dienstlichen Gründen kann bei
Leitern und Lehrern an öffentlichen Schulen und an Gesamtseminaren die Versetzung
in den Ruhestand bis zum Ende des laufenden Schuljahres hinausgeschoben werden."
50
Die Anwendung dieser Vorschrift ist allerdings nicht durch § 78 d LBG ausgeschlossen.
Ein gesetzlich geregelter, ausdrücklicher Vorrang im Sinne einer lex specialis liegt nicht
vor. Zwar geht § 78 d Abs. 1 Satz 1 LBG mit der Wortwahl "Antrag auf
Teilzeitbeschäftigung, der sich bis zum Beginn des Ruhestandes erstrecken muss"
grundsätzlich davon aus, dass eine Versetzung in den Ruhestand erst nach Ablauf der
vereinbarten Altersteilzeit erfolgt. Dennoch stellt eine Altersteilzeitbeschäftigung wie
jede andere Form der Teilzeitbeschäftigung dem Grunde nach nur eine besondere Form
der Arbeitszeitregelung dar. Dies wird insbesondere bei einem Vergleich mit der
Altersteilzeit nach dem "Teilzeitmodell" deutlich. Tritt hierbei ein Sachverhalt ein, nach
dem die Voraussetzungen einer Zurruhesetzung erfüllt sind, wird unabhängig von
bewilligter Altersteilzeit bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine
Versetzung in den Ruhestand erfolgen können.
51
Eine Zurruhesetzung nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG ist auch nicht durch den
"Störfall-Erlass" ausgeschlossen, da dieser nicht geeignet ist, eine gesetzlich
vorgesehene Möglichkeit einer Versetzung in den Ruhestand gänzlich auszuschließen.
Dieser Erlass kann lediglich bei Anwendung der genannten Vorschrift im Rahmen des
gesetzlich eingeräumten Ermessens Anwendung finden, sodass letztlich offen bleiben
kann, ob der "Störfall-Erlass" mögliche "Störfälle" der Altersteilzeit vorgibt oder bei
Vorliegen eines sich nach sonstigen Vorschriften bestimmenden - "Störfalls" lediglich
dessen Abwicklung regeln will.
52
Ein Anspruch des Klägers auf Zurruhesetzung bestand nach dieser Vorschrift jedoch
nicht. Der Kläger erfüllte zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Versetzung
in den Ruhestand nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG, denn er hat bei der
Bezirksregierung einen Antrag auf Zurruhesetzung gestellt, nachdem er das 60.
53
Lebensjahr vollendet hatte und durch das Versorgungsamt E ab dem 21. Dezember
2000 als Schwerbehinderter anerkannt worden war.
Die Vorschrift räumt dem Dienstherrn jedoch ein Ermessen hinsichtlich einer
Versetzung in den Ruhestand ein. Dieses Ermessen ist insbesondere auch nicht im
Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null dahingehend eingeschränkt, dass
angesichts der besonderen Umstände des Falles überhaupt nur eine Entscheidung,
nämlich diejenige einer Versetzung in den Ruhestand, ermessensfehlerfrei gewesen
wäre. Dies ergibt sich aus Folgendem:
54
Zwar sind die bei der Ermessensentscheidung nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG
zugelassenen Erwägungen auf "dienstliche Rücksichten" beschränkt,
55
vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2004 - 2 B 39/03 -; Urteil vom 2. Juli 1963
2 C 157/60 -, BVerwGE 16, 194,
56
wobei vorliegend zumindest aus schulischer Sicht keine Einwände bestanden.
57
Fiskalische Erwägungen liegen ebenfalls außerhalb des Rahmens, den der
Gesetzgeber dem behördlichen Ermessen gezogen hat. Denn sie könnten jedem Antrag
nach § 45 Abs. 4 LBG entgegengehalten werden. Damit würde jedoch die Absicht des
Gesetzgebers unterlaufen, dem Beamten - soweit dienstliche Belange nicht
entgegenstehen - ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit die Möglichkeit einer
Versetzung in den Ruhestand eröffnen.
58
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2004, a.a.O.; Urteil vom 2. Juli 1963,
a.a.O.
59
Es ist dennoch nicht erkennbar, dass das Ermessen rechtmäßigerweise nur
dahingehend hätte ausgeübt werden können, den Kläger zur Ruhe zu setzen. Es sind
vielmehr noch andere ermessensfehlerfreie Entscheidungsmöglichkeiten denkbar. Das
Begehren des Klägers war ersichtlich darauf gerichtet, nach der Feststellung eines
höheren Grades der Behinderung (spätestens) zum 1. Februar 2002 von seinen
Dienstpflichten freigestellt zu werden. Diesem Begehren hat der Beklagte aber bereits
auf andere Weise, nämlich durch das Angebot einer Verkürzung der vereinbarten
Altersteilzeitbeschäftigung, entsprochen und die Freistellungsphase der Altersteilzeit
entsprechend - mit Zustimmung des Klägers auf den 1. Februar 2002 vorgezogen. Dass
der Beklagte derartige Ermessenserwägungen tatsächlich angestellt hat, ergibt sich
insbesondere aus dem Erlass des MSWF NRW vom 14. Januar 2002, wonach die
Verkürzung der Altersteilzeit und die vorgezogene Freistellung dem vordringlichen
Wunsch des Klägers, schnellstmöglich von seinen Dienstpflichten entbunden zu
werden, angemessen Rechnung trage.
60
Das darüber hinaus vorgebrachte Begehren des Klägers, in den Genuss - allerdings
regelmäßig nicht gegebener - finanzieller Vorteile des Ruhestandes gegenüber der
Altersteilzeitbeschäftigung zu kommen, ist hingegen vom Schutzzweck des § 45 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 LBG nicht erfasst. Die Norm dient nämlich nicht der finanziellen
Besserstellung eines Schwerbehinderten, sondern verfolgt erkennbar den Zweck, einen
schwerbehinderten Beamten durch eine vorzeitige Freistellung von den Dienstpflichten
zu entlasten. Dieser Schutz ist im Falle des Klägers jedoch bereits durch die
(vorgezogene) Freistellung zum 1. Februar 2002 im Rahmen der Altersteilzeit erreicht,
61
sodass eine ermessensgerechte Ablehnung seines Antrags auf Versetzung in den
Ruhestand jedenfalls denkbar ist.
Ist mithin ein rechtmäßiger, insbesondere ermessensfehlerfreier Ablehnungsgrund für
eine Versetzung des Klägers in den Ruhestand jedenfalls denkbar, so war der Beklagte
nicht verpflichtet, den Kläger zum 1. Februar 2002 zur Ruhe zu setzen.
62
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
64
Das Gericht lässt die Berufung nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es die
Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gegeben erachtet.
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