Urteil des VG Düsseldorf vom 12.07.2002

VG Düsseldorf: grundstück, stadt, öffentliche anlage, gemeinde, beitragspflicht, anschlussgebühr, widmung, satzung, konkursverfahren, kanalisation

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 5 K 116/01
Datum:
12.07.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 116/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30 Euro abwenden,
wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Miteigentümer des in X, L-straße 00 gelegenen Grundstücks Gemarkung
X, G1, das 667 qm groß ist. Das Grundstück grenzt mit seiner Westseite an die L-straße.
Es liegt im Bereich des am 20. März 1992 in Kraft getretenen Bebauungsplans 53 W der
Stadt X. Der Bebauungsplan weist den Bereich, in dem das klägerische Grundstück
liegt, als Allgemeines Wohngebiet mit einer eingeschossigen Bebauung aus. Außerdem
setzt er für das Grundstück durch Baugrenzen eine überbaubare Fläche fest.
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Der Funktionsvorgänger des Beklagten (zukünftig nur noch als Beklagter bezeichnet)
ließ Mitte der Sechzigerjahre in der L-straße einen Schmutzwasserkanal bauen. Des
Weiteren ließ er im Zusammenhang mit Straßenausbauarbeiten Anfang der
Siebzigerjahre in der L1-straße sowie den angrenzenden Seitenstraßen und somit auch
in der L-straße Regenwasserkanäle erstellen. Das Gefälle des Regenwasserkanals in
der L-straße wurde so ausgelegt, dass das dort aufgenommene Niederschlagswasser in
den in der L1- Straße erstellten Regenwasserkanal eingeleitet wurde und noch immer
wird. Das so in diesem Bereich geschaffene Regenwasserkanalsystem war jedoch
zunächst nur dazu bestimmt, die Niederschlagswasser der Straßen aufzunehmen,
obwohl die Kanäle ausreichend dimensioniert worden waren, um auch das auf den
umliegenden Grundstücken anfallende Niederschlagswasser aufzunehmen, da es an
der erforderlichen Vorflut im Bereich der Ortsdurchführung X fehlte. Nach einer
nochmaligen Überprüfung der Kapazität der in der L1- Straße und den angrenzende
Seitenstraßen verlegten Regenwasserkanäle ließ der Beklagte in der L 26 n einen
neuen Regenwasserzuleitungssammler erstellen, an den der in dem nördlichen Teil der
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L1- Straße bis zur Einmündung der L 26 n verlegte Regenwasserkanal angeschlossen
wurde und der ausreichend dimensioniert war, um (auch) die Niederschlagswasser der
an dem genannten Teilstück der L1-Straße, in der auch die L-straße mündet, und den
umliegenden Straßen liegenden Grundstücke aufzunehmen und in die ebenfalls neu
erstellte Regenwasserbehandlungs- und versickerungsanlage O einzuleiten. Die
Baumaßnahme war 1998 abgeschlossen. Mit Verfügung vom 6. Oktober 1998,
veröffentlicht im Amtsblatt des Kreises W vom Oktober 1998, Seite 553, zeigte der
Beklagte die Betriebsfertigkeit des Regenwasserkanals in der L-straße an.
Das Grundstück ist auf Grund einer der Firma P erteilten Baugenehmigung vom 2.
September 1965 mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebaut, das August 1966 fertig
gestellt wurde. Das Grundstück wurde im Zuge der Bauarbeiten an den in der L-straße
verlegten Schmutzwasserkanal angeschlossen. Die Niederschlagswasser wurden - und
werden auch heute noch - auf dem Grundstück versickert.
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Mit Bescheid vom 20. Januar 1967 zog der Beklagte die P OHG zur Zahlung einer
Gebühr für den Anschluss des Grundstücks an den Schmutzwasserkanal in Höhe von
1.260,- DM und eines Kostenersatzes für den Hausanschluss an den
Schmutzwasserkanal in Höhe von 214,50 DM (insgesamt 1.474,50 DM) heran. Dieser
Bescheid wurde bestandskräftig.
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In der Folgezeit wurde über das Vermögen der Firma P das Konkursverfahren eröffnet
und der Beklagte meldete die Forderungen im Konkursverfahren an.
6
Mit Schreiben vom 1. März 1972 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die von der
Stadt im Konkursverfahren P geltend gemachten Forderungen bei der Verteilung der
Konkursmasse in vollem Umfang hätten liquidiert werden können. Nunmehr könne zur
Abtragung der auf seinem Grundstück ruhenden öffentlichen Lasten nachstehende
Verrechnungen vorgenommen werden
7
a)............
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b) zur Abgeltung der einmaligen Gebühr für den Anschluss des Grundstücks an die
öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage sowie der Grundstücksanschlusskosten
1.474,50 DM.
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Mit Bescheid vom 10. November 2000 zog der Beklagte den Kläger zur Zahlung von
Kanalanschlussbeiträgen für sein Grundstück für die Möglichkeit, Niederschlagswasser
in das Kanalsystem der Stadt X einzuleiten, in Höhe von 4.502,25 DM heran. Der
Berechnung legte der Beklagte die Fläche des Grundstücks von 667 qm zu Grunde, die
er mit dem Beitragssatz von 6,75 DM multiplizierte. Die Heranziehung war gestützt auf
die Satzung über die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen in der Stadt X sowie den
Kostenersatz von Haus- und Grundstücksanschlüssen vom 23. Juni 1995 (KABS 1995).
10
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein, mit dem er
geltend machte, der Heranziehungsbescheid sei formell falsch, da er nicht alleiniger
Eigentümer des Grundstücks sei. Gegen einen formell korrekten Bescheid bestehe dann
wieder die Möglichkeit des Widerspruchs.
11
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 7. Dezember 2000, dem Kläger
zugestellt am 9. Dezember 2000, zurück.
12
Daraufhin hat der Kläger am 8. Januar 2001 die vorliegende Klage erhoben, mit der er
geltend macht: Der Heranziehungsbescheid sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen
Rechten.
13
Zunächst werde in Zweifel gezogen, dass im vorliegenden Fall eine betriebsfertige
Herstellung erfolgt sei. Ferner sei der Beklagte nicht berechtigt, ihn erneut zu einem
Kanalanschlussbeitrag für die Herstellung eines öffentlichen Abwasserkanals
heranzuziehen, nachdem er bereits ca. 30 Jahre zuvor eine einmalige und damit
abschließende Gebühr für den Anschluss des Grundstücks an die öffentliche
Abwasserbeseitigungsanlage erhoben habe. Dies ergebe sich unzweideutig aus dem
Schreiben der Stadt vom 1. März 1972. Durch die Verwendung des Wortes „einmalig"
habe der Beklagte damals ihm gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht,
dass eine weitere Gebühr für "die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage" nicht mehr
erhoben werde. Auf diese schriftliche Äußerung habe er sich verlassen dürfen; der
Beklagte habe sich selbst entsprechend gebunden. Die Frage, ob die damals
erhobenen Gebühren auf derselben Rechtsgrundlage erfolgt seien, auf der die heutige
Heranziehung zum Teilbeitrag Regenwasser vorgenommen worden sei, bedürfe vor
diesem Hintergrund keiner näheren Erörterung, da es auf sie nicht ankomme.
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Der Kläger beantragt,
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den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 10. November 2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2000 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18
Er macht geltend:
19
Durch die nunmehr erfolgte Widmung des Regenwasserkanals sei sowohl die
satzungsgemäße Anschluss- und Benutzungspflicht als auch die sachliche
Beitragspflicht entstanden. Eine Vereinbarung der Abgeltung des
Kanalanschlussbeitrags auch für die Möglichkeit, Niederschlagswasser in das
Kanalsystem der Stadt X einzuleiten, sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Eine solche
Regelung ergebe sich insbesondere nicht aus dem Schreiben vom 1. März 1972.
Dieses beinhalte keinen Bescheid, der Rechte und Pflichten in Bezug auf den
Kanalanschlussbeitrag begründet oder geregelt hätte. Auch könne man es nicht als
Abgeltungsvereinbarung interpretieren. Es habe sich lediglich um eine Information
gehandelt, dass aus der Konkursmasse der persönlich zahlungspflichtigen Fa. P OHG
die als öffentliche Lasten auf dem Grundstück liegende Gebühr und der Kostenersatz
befriedigt worden seien. Dies werde allein schon aus dem ersten Absatz des
Schreibens vom 1. März 1972, wonach die Verrechnung „der auf dem Grundstück
ruhenden öffentlichen Lasten" vorgenommen würden, deutlich. Aus der Nichtkenntnis
des Regelungsgehalts des bestandskräftigen Gebührenbescheides, der korrekter Weise
an den Voreigentümer gerichtet gewesen sei, könne der Kläger nicht vertrauenswürdig
schließen, dass eine Heranziehung für die Möglichkeit, Niederschlagswasser in das
Kanalsystem einzuleiten, nicht mehr erfolgen werde. Der einzige Bescheid, mit dem
bisher für das klägerische Grundstück eine Abgabe für das Entwässerungssystem
festgesetzt worden sei, datiere vom 26. Januar 1967 und regele eindeutig die einmalige
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Anschlussgebühr an den Schmutzwasserkanal sowie die Kosten für die dazugehörige
Grundstücksanschlussleitung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie der Parallelverfahren 5 K 109/01 und
5 K 507/01 und die vom Beklagten in allen Verfahren eingereichten
Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
21
Entscheidungsgründe:
22
Die zulässige Klage ist unbegründet.
23
Der Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 10. November 2000 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2000 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
24
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den vom Beklagten geforderten
Beiträgen ist § 8 KAG NRW in Verbindung mit der Kanalanschlussbeitragssatzung vom
23. Juni 1995 gegen deren formelle Gültigkeit keine und gegen ihre materielle Gültigkeit
nur insoweit, als es die Teilregelung des § 3 B Abs. 6 KABS 1995 des
Verteilungsmaßstabes anbelangt, der im vorliegenden Fall keine Bedeutung zukommt,
Bedenken bestehen. Deren Unwirksamkeit führt nicht zur Unwirksamkeit der gesamten
Verteilungsregelung und damit zur Funktionsunfähigkeit der gesamten Satzung,
25
vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2002 - 5 K 4519/00 -.
26
Sonstige Bedenken gegen die Gültigkeit der Satzung bestehen nicht und hat auch der
Kläger nicht vorgetragen.
27
Auf der Grundlage der Kanalanschlussbeitragssatzung vom 23. Juni 1995 ist die vom
Beklagten festgesetzte Beitragsforderung entstanden.
28
Die Voraussetzungen des in § 2 Abs. 1 a) i.V.m. § 4 Abs. 1 b) KABS 1995 enthaltene
Beitragstatbestandes sind 1998 erfüllt worden.
29
Nach dieser Regelung unterliegen Grundstücke der Beitragspflicht, die an die
öffentliche Abwasseranlage mittelbar oder unmittelbar angeschlossen werden können -
hier nur soweit es die Einleitung von Niederschlagswasser anbelangt - und für die eine
bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich
genutzt werden können.
30
Dies war 1998 der Fall.
31
Zu diesem Zeitpunkt ist für das klägerische Grundstück die Möglichkeit entstanden, das
auf ihm anfallende Niederschlagswasser in den zum Kanalsystem der Stadt X
gehörenden in der L-straße verlegten Regenwasserkanal einzuleiten.
32
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme bedeutet die Möglichkeit der Anschlussnahme
des einzelnen Grundstücks an die öffentliche Anlage. Das setzt voraus, dass die
tatsächliche und rechtliche Möglichkeit besteht, eine leitungsmäßige Verbindung
zwischen der Anlage und dem Grundstück herzustellen. Die tatsächliche Möglichkeit
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der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage ist gegeben, wenn ein Grundstück nahe
genug bei einem betriebsfertigen öffentlichen Kanal liegt, um unter
gemeingewöhnlichen Umständen an diesen angeschlossen werden zu können. Das ist
in der Regel dann der Fall, wenn das Grundstück unmittelbar an eine Straße angrenzt,
in der ein Kanal verlegt ist, der an dem Grundstück entlang führt oder wenigstens bis zu
einer Grenze des Grundstücks reicht. Betriebsfertig in diesem Sinne ist der zur
öffentlichen Anlage gehörende Kanal, wenn durch ihn die Abwässer des zu
entsorgenden Grundstücks in hygienisch einwandfreier Weise abgeleitet werden und
wenn der Träger der öffentlichen Anlage diese Leitungsstrecke für die Zwecke der
Grundstücksentwässerung gewidmet hat,
vgl. im Einzelnen dazu Dietzel, in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2002,
§ 8 Rdnr. 541 und 542.
34
Diese Voraussetzungen sind erst 1998 eingetreten.
35
Zwar hat der in der L-straße verlegte Regenwasserkanal 1998 bereits seit über 20
Jahren bestanden; er ist aber erst 1998 durch eine entsprechende Widmung des
Beklagten rechtlich in das Entwässerungssystem der Stadt X einbezogen worden. Nach
den Angaben des Beklagten, an denen kein Anlass zu Zweifeln besteht und denen der
Kläger auch nicht widersprochen hat, war dieser Kanal vorher ausschließlich dazu
bestimmt, der Entwässerung der Straßenflächen der L-straße zu dienen, und damit
ausschließlich Bestandteil der Straßenanlage. Der Beklagte hat diesen Kanal erst nach
der Erstellung des Regenwasserzuleitungssammlung und der Versickerungsanlage O
auch zur Aufnahme der Niederschlagswasser der anliegenden Grundstücke gewidmet.
Dies folgt inzidenter aus der Veröffentlichung der Betriebsfertigkeit dieses Kanals im
Oktober 1998 mit der der Beklagte gem. § 9 der Entwässerungssatzung der Stadt X vom
20. Dezember 1996 (EWS 1996) den Anschluss- und Benutzungszwang für die an den
genannten Straßen bzw. Abschnitten angrenzenden Grundstücke ausgelöst hat. Damit
hat der Beklagte deutlich gemacht, dass er den Regenwasserkanal in der L-straße
nunmehr rechtlich in die Entwässerungsanlage der Stadt X eingliedert und ihn zur
Aufnahme der Niederschlagswasser der angrenzenden Grundstücke widmet. Einer
förmlichen Widmung hat es nicht bedurft. Eine solche Widmung kann formlos und
gegebenenfalls sogar stillschweigend erfolgen,
36
vgl. Dietzel, a.a.O., § 8 Rdnr. 518.
37
Dass der Regenwasserkanal in der L-straße daneben auch weiterhin noch Bestandteil
der Straße ist, ist kein rechtliches Hindernis für die Einbeziehung des Kanals in das
Abwasserbeseitigungssystem der Stadt X. Ein und dieselbe Verrohrung kann (u.U. auch
durch zwei verschiedene Träger öffentlicher Verwaltung) verschiedenen Zwecken
gewidmet sein,
38
vgl. Dietzel, a.a.O., § 8 Rdnr. 520.
39
Nach den Angaben des Beklagten, die der Kläger nicht substantiiert bestritten hat, ist
der in der L-straße verlegte Regenwasserkanal auch technisch so beschaffen, dass er
das auf dem Grundstück des Klägers anfallende Niederschlagswasser aufnehmen und
aus dessen Bereich so weit abtransportieren kann, dass das Abwasser für die
Bewohner dieses Grundstücks nicht mehr zu erheblichen Belästigungen (wie
Geruchsbelästigung oder Infektionsgefahr) führen kann,
40
vgl. Dietzel, a.a.O., § 8 Rdnr. 518.
41
Das Grundstück des Klägers liegt auch unzweifelhaft nahe genug bei einem
betriebsfertigen öffentlichen Regenwasserkanal, um unter gemeingewöhnlichen
Umständen an diesen angeschlossen werden zu können. Der in der L-straße verlegte
Regenwasserkanal führt unmittelbar an dem Grundstück des Klägers vorbei.
42
Dem Kläger steht auch die rechtliche Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage zu.
43
Dem steht § 51 a LWG NW nicht entgegen. Diese Regelung verbietet dem Kläger nicht,
das auf seinem Grundstück anfallende Niederschlagswasser in den in der L-straße
verlegten Regenwasserkanal einzuleiten.
44
Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist das Niederschlagswasser von Grundstücken,
die nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche
Kanalisation angeschlossen werden, vor Ort zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah in
ein Gewässer einzuleiten, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der
Allgemeinheit möglich ist. Nach Abs. 2 Satz 1 der Regelung hat der
Grundstückseigentümer eines Grundstücks, das unter die Regelung des Abs. 1 fällt, das
Niederschlagswasser zu beseitigen, wenn es auf dem Grundstück, auf dem es anfällt,
versickert, verrieselt oder ortsnah in ein Gewässer eingeleitet werden kann.
45
§ 51 a LWG NW findet im vorliegenden Fall bereits deshalb keine Anwendung, weil das
Grundstück des Klägers von dieser Regelung nicht erfasst wird. Es ist bereits lange vor
dem genannten Stichtag bebaut und befestigt worden. Auch ist es bereits vor dem 1.
Januar 1996 an die öffentliche Kanalisation angeschlossen worden. Bei dem in der
Regelung verwandten Begriff des „Anschlusses an die öffentliche Kanalisation" kann es
sich nur um einen Schmutzwasseranschluss handeln, da § 51 a Abs. 1 Satz 1 LWG NW
gerade eine Regelung für die Beseitigung von Niederschlagswasser ohne Einleitung in
ein Kanalsystem trifft,
46
vgl. OVG NW, Urteil vom 2. April 1998 - 20 A 3189/96 - S. 25.
47
Des Weiteren steht dem Kläger auf Grund der Entwässserungssatzung der Stadt X vom
20. Dezember 1996 auch das Recht zu, sein Grundstück an den in der L- straße
verlegten Regenwasserkanal anzuschließen. Dieses Recht ergibt sich aus §§ 3 und 4
Abs. 1 EWS 1996. Die in §§ 4 Abs. 3 und 5 Abs. 2 EWS 1996 normierten Ausnahmen
sind offensichtlich nicht erfüllt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im
vorliegenden Fall die Ausnahme des § 4 Abs. 2 EWS 1996 erfüllt ist.
48
Auch die weiteren Voraussetzungen der Tatbestandsregelung des § 2 Abs. 1 a KABS
1995 sind erfüllt. Das Grundstück liegt in dem Bereich, den der seit dem 20. März 1992
in Kraft befindlichen Bebauungsplanes Nr. 53 W der Stadt X als „Allgemeines
Wohngebiet" ausweist. Das Grundstück kann auch bebaut werden, wie die vorhandene
Bebauung belegt.
49
Der Erfüllung des Beitragstatbestandes steht nicht entgegen, dass auf dem Grundstück
ein eigenes funktionierendes Niederschlagswasserentwässerungssystem besteht. Der
durch die Anschlussmöglichkeit an ein öffentliches Entwässerungssystem gebotene
wirtschaftliche Vorteil im Sinne von § 8 Abs. 2 KAG NRW wird dadurch nicht berührt.
50
Die Schaffung von Abwasserversorgungsanlagen durch die Gemeinde ist mit
Gebrauchsvorteilen verbunden, die darin bestehen, das auf dem Grundstück anfallende
Abwasser zu beseitigen. Die Gebrauchsvorteile bewirken eine Verbesserung der
Erschließungssituation und steigern durch eine bessere Nutzbarkeit den Gebrauchswert
solcher Grundstücke, die auf diese Erschließungsmaßnahme angewiesen sind. Der
Vorteil, der durch die Möglichkeit des Anschlusses an eine leitungsgebundene Anlage
geboten wird, ist also unter erschließungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen,
51
vgl. Dietzel, a. a. O., § 8 Rdnr 534.
52
Dies gilt nicht nur für Grundstücke, denen durch die gebotene Anschlussmöglichkeit
erstmalig die Möglichkeit der Bebauung geboten wird, sondern auch für solche, die
bereits bebaut sind und die über eine private Abwassereinrichtung verfügen.
53
Solchen Grundstücken werden bereits deshalb Gebrauchsvorteile gewährt, weil die
öffentlichen Anlagen leistungsfähiger, sicherer (auch im Hinblick auf den Umweltschutz)
und weniger störanfällig arbeiten,
54
vgl. Dietzel, a. a. O., § 8 Rdnr 534.
55
Darüber hinaus steht die Zulässigkeit von privaten Entwässerungsanlagen stets unter
dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Vorbehalt, dass die Gemeinde von ihrem
Recht auf Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs keinen Gebrauch macht.
Privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte hinsichtlich der Entwässerung
eines Grundstücks werden nach Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs
regelmäßig gegenstandslos oder können nicht mehr ausgeübt werden. Das
Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers, der auf seinem Grundstück private
Entwässerungsanlagen betreibt, ist von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine
Anlage nur so lange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich
zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Abwasserbeseitigung im öffentlichen
Interesse in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür den Anschluss- und
Benutzungszwang anzuordnen,
56
vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.1997 - 8 B 234/97 -, in: NVwZ 1998, 1080.
57
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt X im vorliegenden Fall von der
Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs auf Dauer absehen wird,
bestehen nicht.
58
Der Kläger ist gem. § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KABS 1995 Beitragsschuldner. Er
schuldet die Kanalanschlussbeiträge als Gesamtschuldner. Nach § 44 Abs. 1 Satz 2
AO, der gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2b KAG NRW im vorliegenden Fall Anwendung findet,
schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Dass der Beklagte den Kläger
und nicht (auch) dessen Ehefrau zu den geschuldeten Beiträgen veranlagt hat, erscheint
nicht ermessensfehlerhaft.
59
Die Höhe des festgesetzten Beitrages ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
60
Die Heranziehung des Klägers zu den hier streitigen Kanalanschlussbeiträgen verstößt
auch nicht gegen das im Kanalanschlussbeitragsrecht geltende
61
Doppelveranlagungsverbot. Dieses Verbot folgt aus dem Grundsatz der Einmaligkeit
des Beitrags der aus dem Begriff des Beitrags folgt, dessen Wesen im
Kanalanschlussbeitragsrecht darin besteht, eine einmalige Abgabe zum Ersatz des
Aufwandes für die Herstellung der Abwasseranlage in ihrer Gesamtheit zu sein. Dies
bedeutet, dass die einmal entstandene Beitragspflicht für das Grundstück nicht noch
einmal entsteht, sodass der Beitrag nur einmal festgesetzt werden darf. Das Verbot der
Doppelveranlagung gilt auch in den Fällen, in denen eine Beitragspflicht
materiellrechtlich nicht entstanden ist, jedoch ein Beitrag wirksam, wenngleich
rechtswidrig, festgesetzt worden und damit eine Beitragspflicht formellrechtlich
entstanden ist. Für die aus dem Wesen des Beitrags folgende Einmaligkeit ist es
unerheblich, ob die Beitragspflicht materiellrechtlich oder formellrechtlich entstanden ist,
vgl. OVG NW, Beschluss vom 27. März 1998 - 15 A 3421/94 -.
62
Gegen dieses Verbot verstößt die hier streitige Heranziehung des Klägers nicht.
63
Der Kläger ist mit dem angefochtenen Bescheid zur Zahlung von
Kanalanschlussbeiträgen für die Möglichkeit, Niederschlagswasser in das Kanalsystem
der Stadt X einzuleiten, veranlagt worden. Eine Veranlagung zu
Kanalanschlussbeiträgen ist für das Grundstück des Klägers ausweislich seines
eigenen Vortrags, der durch die vom Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgänge
bestätigt wird, bisher noch nicht erfolgt. Mit Bescheid vom 26. Januar 1967 ist der
Rechtsvorgänger des Klägers durch die Gemeinde X zu „Anschlussgebühren" und
„Grundstücksanschlusskosten" (Kostenersatz für die Erstellung der
Grundstücksanschlussleitung) für den Anschluss des Grundstücks an den
Schmutzwasserkanal in Höhe von insgesamt 1.474,50 DM herangezogen worden.
Abgesehen davon, dass hier nur eine Geldleistung für den Anschluss des Grundstücks
an den Schmutzwasserkanal und nicht an den Regenwasserkanal gefordert worden ist,
hat es sich dabei -neben der Kostenersatzforderung-, wie der Name schon sagt, um eine
Gebühren- und nicht um eine Beitragsforderung gehandelt. Anschlussbeitrag und
Anschlussgebühr sind unterschiedliche Rechtsinstitute. Rechtssystematisch war die
Anschlussgebühr, die auf § 4 PrKAG beruhte, eine Gebühr für die Benutzung der
öffentlichen Anlage. Rechtliche Wechselwirkungen in dem Sinne, dass das mögliche
Erlöschen der Anschlussgebühr die Geltendmachung des Anschlussbeitrags
ausschließt, bestehen deshalb zwischen Anschlussgebühr und Anschlussbeitrag nicht,
64
vgl. Dietzel, a.a.O., § 8 Rdnr. 555.
65
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den genannten Schreiben der Gemeinde X
vom 1. März 1972. Auch dort wird nur eine Gebühr für den Anschluss des Grundstücks
an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage erwähnt.
66
Darüber hinaus hat es sich nach dem unzweideutigen Inhalt dieses Schreibens um eine
bloße Mitteilung der Gemeinde über das Erlöschen der wegen der Nichtbegleichung der
auf Grund des Bescheides vom 26. Januar 1967 geschuldeten Gebühr zunächst auf
dem Grundstück ruhenden öffentlichen Last gehandelt. Ein anderer Erklärungsinhalt, so
wie der Kläger meint, kommt dem Schreiben offensichtlich nicht zu.
67
Die Veranlagung des Klägers zu Kanalanschlussbeiträgen für die Möglichkeit,
Niederschlagswasser in das Kanalsystem der Stadt X einzuleiten, verstößt auch nicht
gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte bundesrechtliche Gebot des
68
Vertrauensschutzes. Danach ist die Erhebung eines Beitrags dann unzulässig, wenn
die Gemeinde durch ihr Verhalten dem Beitragspflichtigen gegenüber zum Ausdruck
gebracht hat, dass er den Beitrag nicht (mehr) schulde oder mit einer Heranziehung
nicht mehr zu rechnen brauche, der Pflichtige sich darauf verlassen hat, sein Vertrauen
adäquat betätigt hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist sowie dass im Zuge der bei
Vorliegen der Voraussetzungen gebotenen Interessenabwägung die Interessen des
Betroffenen die Interessen der Allgemeinheit überwiegen,
vgl. dazu z.B. Driehaus, in Driehaus a.a.O., § 8 Rdnr. 29.
69
Keine dieser Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Insbesondere fehlt es
bereits an einem solchen Vertrauensschutz auslösenden Verhalten des Beklagten. Er
hat durch das genannte Schreiben, auf dessen Inhalt sich der Kläger beruft, nicht zum
Ausdruck gebracht, dass er Kanalanschlussbeiträge für das Grundstück für die
Möglichkeit, Niederschlagswasser in das Kanalsystem der Stadt X einzuleiten, nicht
erheben werde. Wie bereits dargestellt, bezog sich der Inhalt dieser Schreiben nicht auf
die Leistung von Beiträgen sondern von Kanalanschlussgebühren.
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Danach ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung
mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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