Urteil des VG Düsseldorf vom 27.10.2006

VG Düsseldorf (antragsteller, aufnahme einer erwerbstätigkeit, aufenthaltserlaubnis, serbien und montenegro, achtung des privatlebens, abschiebung, besondere härte, aufschiebende wirkung, emrk, familie)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 L 1338/06
Datum:
27.10.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 L 1338/06
Tenor:
Das Verfahren wird hinsichtlich des Antragstellers zu 1. eingestellt.
Im Übrigen wird der Antrag einschließlich des Begehrens auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zur teilweisen
Antragsrücknahme auf 7.500,- Euro, danach auf 6.250,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit der
Antragsteller zu 1., der sich nach seiner Abschiebung bereits seit dem 8. November
2005 wieder in Serbien aufhält, mit Schriftsatz vom 11. Juli 2006 den Antrag
zurückgenommen hat.
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Das von den Antragstellern zu 2. bis 6. weiter verfolgte Begehren mit dem Antrag,
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den Antragsgegner unter Abänderung der Beschlüsse vom 21. Dezember 2004 - 8 L
3616/04 - und 7. November 2005 - 8 L 2097/05 - im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, von Abschiebemaßnahmen abzusehen und den weiteren Aufenthalt der
Antragsteller zu 2. bis 6. zu dulden, bis über den Antrag auf Erteilung von
Aufenthaltserlaubnissen rechtskräftig entschieden ist,
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hat keinen Erfolg.
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Es ist schon zweifelhaft, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Abänderung
analog § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gegeben sind, also veränderte oder in den
vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände
vorgebracht worden sind. Dies kann im Ergebnis aber dahinstehen, weil den
Antragstellern zu 2. bis 6. nach wie vor kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.
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Die vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller zu 2. bis 6. haben auch in diesem
dritten Eilverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass sie einen Anspruch auf zeitweise
Aussetzung ihrer Abschiebung (Duldung) nach § 60a Abs. 2 AufenthG haben. Danach
ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder
rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
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Tatsächliche Gründe, die der Abschiebung der Antragsteller zu 2. bis 6. entgegenstehen
könnten, sind nicht ersichtlich (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro vom 28. Februar 2006, Az.:
508-516.80/3 SCG), zumal der Antragsteller zu 1., der geschiedene Ehemann der
Antragstellerin zu 2. und Vater der Antragsteller zu 3. bis 6., seit fast einem Jahr bereits
im Heimatort C1 lebt.
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Rechtliche Gründe, die allein substantiiert vorgebracht werden, stehen der Abschiebung
der Antragsteller zu 2. bis 6. bei der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen
Prüfung ebenfalls nicht entgegen. Insbesondere kommt eine weitere Duldung bis zur
rechtskräftigen Entscheidung über den Aufenthaltserlaubnisantrag vom 20. Juli 2005
nicht in Betracht. Es kann dahinstehen, ob ein Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis überhaupt im Verfahren nach § 123 VwGO sicherungsfähig ist.
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Vgl. zur bisherigen ständigen Rechtsprechung des OVG NRW nur Beschluss vom 1.
Juni 2005 - 18 B 677/05 -, m.w.N, anders aber wohl Beschluss vom 1. August 2006 - 18
B 1539/06 - und nunmehr klarstellend Beschluss vom 26. September 2006 - 18 B
1718/06 -.
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Die Antragsteller zu 2. bis 6. haben jedenfalls keinen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis glaubhaft gemacht.
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Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt allein § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG in
Betracht. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG scheidet aus, weil die Voraussetzungen für die
Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 AufenthG, der als einzige Möglichkeit in
Betracht zu ziehen wäre, ersichtlich nicht gegeben sind, wie auch der Lebensweg des
Antragstellers zu 1. nach seiner Abschiebung nach Serbien deutlich macht. Außerdem
greift hinsichtlich der Antragstellerinnen zu 2. und 3., die erfolglos ein Asylverfahren
betrieben haben, die Bindungswirkung des § 42 Satz 1 AsylVfG,
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vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - .
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§ 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar,
sondern knüpft an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1
AufenthG an und schränkt das nach Satz 1 der Ausländerbehörde eingeräumte weite
Ermessen für den Fall ein, dass neben den Voraussetzungen des Satz 1 zusätzlich
diejenigen des Satz 2 erfüllt sind; dann soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Ob
aus Art. 8 EMRK aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falles (ausnahmsweise)
ein Anspruch abgeleitet werden könnte, kann dahinstehen, weil - wie unten noch
ausführlich dargelegt werden wird - die Voraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt sind.
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Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG
steht den Antragstellern zu 2. bis 6. nicht zur Seite. Nach dieser Vorschrift kann einem
Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 eine
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Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in
absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die hier allein in Betracht zu ziehenden rechtlichen
Gründe stehen einer Ausreise der Antragsteller zu 2. bis 6. nicht entgegen.
Die Ausreise im Sinne dieser Bestimmung, worunter sowohl die zwangsweise
Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen ist,
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vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006, a.a.O.,
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ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse
entgegenstehen, die die Ausreise, was hier allein in Betracht kommt, als unzumutbar
erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich insbesondere aus vorrangigem
Recht ergeben, namentlich aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 2, 6 GG, dem aus dem
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und aus Art. 8 EMRK.
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Vgl. hierzu nur OVG NRW, Beschluss vom 1. August 2006, a.a.O. und vom 6. Oktober
2006 - 18 B 1768/06 -, m.w.N. auf die gefestigte Rechtsprechung des Senats.
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Dabei ist das Recht auf Achtung des Privatlebens i.S.d. Art. 8 Abs. 1 EMRK weit zu
verstehen und umfasst seinem Schutzbereich nach u.a. das Recht auf Entwicklung der
Person und das Recht darauf, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt
anzuknüpfen und zu entwickeln und damit auch die Gesamtheit der im Land des
Aufenthalts gewachsenen Bindungen.
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Vgl. hierzu und zum Folgenden nur OVG NRW, Beschluss vom 6. Oktober 2006, a.a.O.,
m.w.N. auf die Rechtsprechung des EGMR.
21
Die Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK kann aber nicht so ausgelegt werden, als verbiete
sie allgemein die Abschiebung eines fremden Staatsangehörigen nur deswegen, weil er
sich eine bestimmte Zeit im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates aufgehalten hat.
Entscheidend ist vielmehr, ob der Betroffene im Aufenthaltsstaat über intensive
persönliche und familiäre Bindungen verfügt, ob er aufgrund seiner gesamten
Entwicklung faktisch zum Inländer geworden ist und ihm wegen der Besonderheiten
seines Falles ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit nicht zugemutet werden
kann. Insoweit ist in Rechnung zu stellen, inwieweit der Ausländer in das hiesige
wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben auf Grund seiner deutschen
Sprachkenntnisse, seiner sozialen Kontakte, Wohn-, Wirtschafts- und Berufs- bzw.
Schulverhältnisse integriert ist. Auf der anderen Seite ist zu fragen, inwieweit er von dem
Land seiner Staatsangehörigkeit entwurzelt ist. Maßgebend sind insoweit, wie auch Art.
8 Abs. 1 und 2 EMRK verdeutlicht, die Umstände des konkreten Einzelfalles.
22
Die Antragsteller zu 2. bis 6. können sich nach diesen Grundsätzen nicht mit Erfolg auf
Art. 8 EMRK berufen.
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Die Integration in wirtschaftlicher Hinsicht hängt davon ab, dass der betreffende
Ausländer nicht von öffentlichen Mitteln lebt.
24
Vgl. hierzu nur OVG NRW, Beschluss vom 6. Oktober 2006, a.a.O.
25
Daran fehlt es hier, und daran ist bereits die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen
aufgrund der Anordnung des Innenministeriums des Landes NRW nach § 32 AuslG
(Erlass vom 21. Juni 2001 - I B 2/44.386-B 2/I 14-Kosovo -) gescheitert.
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Vgl. hierzu Beschluss der beschließenden Kammer vom 21. Dezember 2004 - 8 L
3616/04 -, bestätigt durch Beschluss des OVG NRW vom 4. November 2005 - 18 B
94/05 -.
27
Der Lebensunterhalt der Antragsteller war seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet im
Jahre 1992 zum ganz überwiegenden Teil zumindest durch ergänzende Unterstützung
mit öffentlichen Geldern sichergestellt. Ausweislich einer Zusammenstellung in den
Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners (Blatt 773 f. Beiakte Heft 1 in 8 L 1338/06)
hatten sie bis Ende Mai 2006 147.380 Euro an Mitteln zum Lebensunterhalt, ca. 68.000
Euro Nutzungsentschädigung für die Unterbringung in einer städtischen Unterkunft
sowie Leistungen der Krankenhilfe bezogen und erhielten im Juli 2006 aktuell monatlich
831,21 Euro. Zudem nahmen sie von November 1993 bis Juni 1997 zu Unrecht
Leistungen nach dem BSHG bzw. dem AsylbLG in Anspruch, da die Antragstellerin zu
2. eine - wenn auch - geringfügige Tätigkeit überhaupt nicht und der Antragsteller zu 1.
die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verspätet angezeigt hatte; außerdem wurde eine
Tätigkeit der Antragstellerin zu 3. beim Caritasverband nicht gemeldet (Blatt 739 Beiakte
Heft 1 in 8 L 1338/06). Der Rückforderungsbescheid vom 18. Juli 1997 über 13.068,71
DM (Blatt 754 ff. Beiakte Heft 1 in 8 L 1338/06) ist bestandskräftig und wird noch heute
durch Ratenzahlung beglichen.
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Auch wenn man berücksichtigt, dass es den Antragstellern zu 1. und 2. überwiegend
nicht erlaubt war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ergibt sich keine andere
Beurteilung der wirtschaftlichen Integration. Durch die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis wären nämlich jedenfalls derzeit keine maßgeblichen Änderungen
der wirtschaftlichen Situation zu erwarten. Es kann nicht davon ausgegangen werden,
dass es der Antragstellerin zu 2., die bisher lediglich als Reinigungskraft gearbeitet hat
und - soweit ersichtlich - nicht über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügt, durch die
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich sein wird, die fünfköpfige Familie zu ernähren.
Es mag deshalb dahinstehen, ob es der Antragstellerin zu 3. angesichts des über Jahre
andauernden Sozialhilfebezugs der Familie zumutbar gewesen wäre, nach Ablegung
der Mittleren Reife ihren weiteren Schulbesuch zur Erlangung des Abiturs
zurückzustellen und sich um eine Lehrstelle zu bemühen, um den Lebensunterhalt
zumindest teilweise ohne Inanspruchnahme öffentlicher Gelder zu bestreiten.
29
So auch OVG NRW, Beschluss vom 6. Oktober 2006, a.a.O.
30
Jedenfalls ist momentan trotz der guten schulischen Leistungen der Antragstellerin zu 3.
keine Prognose möglich, ob sie nach Abschluss einer Ausbildung in der Lage wäre,
sich und ihre Familie selbst zu unterhalten.
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Nicht zu verkennen sind allerdings die Integrationsleistungen, die insbesondere die
Antragsteller zu 3. bis 6. erbracht haben. Die 1988 geborene Antragstellerin zu 3. lebt
seit 1992 in Deutschland; die Antragsteller zu 4. bis 6. sind im Bundesgebiet geboren.
Sie kommen ihrer Schulpflicht nach; die Antragstellerinnen zu 3. bis 5. erbringen zum
Teil überdurchschnittliche Leistungen. Besonders hervorzuheben ist auch das soziale
Engagement der Antragstellerin zu 3. Die Antragsteller zu 3. bis 6. sind demnach -
soweit ersichtlich - in die Lebens- und Schulverhältnisse in Deutschland voll integriert.
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Auf die Anregung, zu den Integrationsleistungen der Antragstellerin zu 3. Beweis zu
erheben, kommt es deshalb nicht an.
Dennoch spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsteller zu 3. bis 6. dem Land
ihrer Staatsangehörigkeit nicht so entfremdet sind, dass ihnen eine Rückkehr nicht
zugemutet werden könnte. Schon die Annahme, sie könnten sich in Serbien nicht
verständigen, erscheint wenig wahrscheinlich. Es dürfte angesichts des
Migrationshintergrundes lebensfremd sein, davon auszugehen, dass in der Familie
ausschließlich deutsch gesprochen wird. Auch die Behauptung, jedenfalls serbo-
kroatisch werde in der Familie nicht gesprochen, ist unglaubhaft, weil die Anhörung der
Antragsteller zu 1. und 2. im Asylverfahren in dieser Sprache durchgeführt wurde.
Außerdem entspricht es der Lebenserfahrung, dass sich Kinder und Heranwachsende,
zumal wenn sie begabt und lernfreudig sind, in einer fremden Sprache zügig und
problemlos zu verständigen lernen, vor allem wenn sie sich vor Ort befinden und mit der
Sprache im alltäglichen Leben konfrontiert werden. Außerdem hält sich der
geschiedene Ehemann und Vater, der Antragsteller zu 1, - wie im Übrigen offenbar auch
weitere Familienmitglieder wie etwa sein Bruder - bereits seit fast einem Jahr in Serbien
auf, so dass den Antragstellern zu 2. bis 6. das Einleben deutlich erleichtert sein wird.
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Schließlich fällt im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK anzustellenden
Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich zulasten der Antragsteller zu 2. bis 6 ins
Gewicht, dass sie zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen durften, dauerhaft in
Deutschland bleiben zu können.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. März 2006 - 18 B 787/05 -.
35
Der Aufenthalt der Antragsteller in Deutschland war und ist ausschließlich auf
Asylverfahren, Folgeverfahren und Duldungen aufgrund von Abschiebeverboten bzw. -
hindernissen gegründet; sie sind seit Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Es kann im
Ergebnis dahinstehen, ob ein schutzwürdiges Privatleben i.S.d. Art. 8 Abs. 1 EMRK
überhaupt nur bei legalem Aufenthalt des Ausländers im Vertragsstaat angenommen
werden kann,
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so Hess. VGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 7 TG 106/06 -, InfAuslR 2006, 217.
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Jedenfalls ist von maßgeblicher Bedeutung, dass die Duldung einem Ausländer
grundsätzlich keinen legalen, ordnungsgemäßen Aufenthalt vermittelt, sondern ihn
lediglich vorübergehend vor einer sonst rechtlich gebotenen Abschiebung schützt; die
Ausreisepflicht bleibt in einem solchen Fall unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG, § 56 Abs.
1 AuslG a.F.). In dieser Situation darf ein Ausländer zu keinem Zeitpunkt darauf
vertrauen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.
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So liegt es auch hier. Zwar halten sich die Antragstellerinnen zu 2. und 3. seit 1992 in
Deutschland auf, und die Antragsteller zu 4. bis 6. sind hier geboren. Sie durften aber zu
keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass sie auf Dauer im Bundesgebiet würden bleiben
dürfen. Weder ihre aufenthaltsrechtliche Situation noch das Verhalten des
Antragsgegners konnten bei vernünftiger Betrachtungsweise den Eindruck eines
verfestigten Aufenthaltsstatus vermitteln. Auch eine Petition sowie das zweimalige
Anrufen der Härtefallkommission blieben im Wesentlichen ohne Erfolg und gaben
keinen berechtigten Anlass zu der Hoffnung, irgendwann ein Daueraufenthaltsrecht zu
erwerben.
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Die Antragstellerin zu 3., die am 00.00.2006 das 18. Lebensjahr vollendet und im
nächsten Jahr bei planmäßigem Verlauf das Fachabitur ablegen wird, hat die auf
Ersuchen der Härtefallkommission vom 7. Juli 2006 für sie allein eingeräumte
Möglichkeit eines weiteren Verbleibs im Bundesgebiet nicht akzeptiert.
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Ebenso wurden die zahlreichen Eingaben verschiedener Unterstützerkreise an
unterschiedliche öffentliche Stellen zu keinem Zeitpunkt so beantwortet, dass hieraus
bei vernünftiger Betrachtungsweise ernsthaft Erfolgsaussichten entnommen werden
konnten. Ihre Situation mussten die Antragsteller spätestens eindeutig erkennen, als der
Antragsgegner mit Ordnungsverfügungen vom 1. Oktober 2004 die Anträge auf Erteilung
von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG a.F. ablehnte und sowohl der
Widerspruch (vgl. Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung E1 vom 13. Dezember
2004) als auch das Eilverfahren (Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 8 L 3616/04 -,
bestätigt durch Beschluss des OVG NRW vom 4. November 2005 - 18 B 94/05 -) keinen
Erfolg hatten. Die am 13. Januar 2005 erhobene Klage 8 K 184/05 nahmen die Kläger
bereits am 15. Februar 2005 noch während des beim OVG NRW laufenden
Beschwerdeverfahrens 18 B 94/05 zurück. Anstatt hieraus die Konsequenz zu ziehen
und wie viele Tausende ihrer Landsleute auch nach Serbien zurückzukehren,
beantragten sie am 20. Juli 2005 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25
Abs. 5 AufenthG, ohne die Entscheidung im Beschwerdeverfahren abzuwarten.
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Weiterhin ist in diesem Zusammenhang maßgeblich zu Lasten der Antragsteller zu
berücksichtigen, dass sie erst nach der Abschiebung des Antragstellers zu 1. bei ihrer
zweiten Eingabe an die Härtefallkommission im März 2006 offenlegten, dass die Ehe
der Antragsteller zu 1. und 2. bereits im Januar 2003 in Serbien geschieden worden war.
In Kenntnis der Bedeutung dieses Umstandes für den aufenthaltsrechtlichen Status der
gesamten Familie in Deutschland hatten sie die Ehescheidung bis dahin verschwiegen
und u.a. Erkrankungen des Antragstellers zu 1. als Begründung dafür vorgebracht, dass
die Familie das Bundesgebiet nicht verlassen könne. Sowohl im
Aufenthaltserlaubnisantrag vom 20. Juli 2005 als auch im Eilantrag 8 L 2097/05 vom 6.
November 2005 wurde die seit Jahren bekannte schwere psychische Erkrankung des
Antragstellers zu 1. als besondere Härte angeführt. Dieses Verhalten ihrer Eltern
müssen sich die minderjährigen Antragsteller zu 3. bis 6. im Rahmen der hier gebotenen
familienbezogenen Gesamtbetrachtung zurechnen lassen.
42
Vgl. hierzu etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Mai 2006 - 11 S 2354/05
-
43
Die Antragsteller zu 2. bis 6. erfüllen auch im Übrigen nicht die Voraussetzungen für die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Gemäß § 5 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, der allgemeine Erteilungsvoraussetzungen festlegt, setzt die
Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert
ist. Hiervon kann bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG
abgesehen werden (§ 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG). Der Lebensunterhalt der
Antragsteller zu 2. bis 6. ist, wie bereits oben ausführlich dargelegt, nicht sichergestellt.
Gesichtspunkte für eine Reduzierung des dem Antragsgegner sowohl in § 25 Abs. 5
Satz 1 AufenthG als auch in § 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG eingeräumten Ermessens
auf Null mit der Konsequenz, dass ein Anspruch auf Erteilung der begehrten
Aufenthaltserlaubnis bestünde, sind jedenfalls bei summarischer Prüfung nicht
gegeben. Insbesondere fehlen derzeit auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 3.
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konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihr Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme
öffentlicher Mittel sichergestellt werden und sie so nach Vollendung des 18.
Lebensjahres in ca. sechs Wochen möglicherweise ein eigenständiges Aufenthaltsrecht
erwerben könnte.
Auch der Hilfsantrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 4815/05 anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
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Er ist unzulässig, weil die Antragsteller zu 2. bis 6. über eine Rechtsposition, in die sie
durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung (wieder) eingewiesen werden könnten,
nicht verfügen. Die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG greift in ihrem Fall nicht
ein. Denn bei Beantragung der Aufenthaltserlaubnis am 20. Juli 2005 war ihr Aufenthalt
nicht erlaubt. Sie waren zu diesem Zeitpunkt wegen der Ablehnung des Antrags auf
Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen durch die bestandskräftigen
Ordnungsverfügungen vom 1. Oktober 2004 vollziehbar ausreisepflichtig.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
49
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den oben dargelegten Gründen keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
51
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