Urteil des VG Darmstadt vom 26.09.2003

VG Darmstadt: trennung von kirche und staat, friedliche koexistenz, präsidium, öffentliche gewalt, neutralität, grundrecht, landrat, fraktion, initiative, ausstattung

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Gericht:
VG Darmstadt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 E 2482/02 (1)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 3 GG, Art 4 Abs 1
GG, Art 33 Abs 1 GG, Art 140
GG, § 136 Abs 1 WRV
Leitsatz
Der Mandatsträger in einem Organ der kommunalen Selbstverwaltung kann vom
Vorsitzenden des Organs verlangen, dass er ein Kreuz im Sitzungssaal während der
Sitzungen abhängen lässt, um die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates zu
gewährleisten.
Tenor
Dem Beklagten wird aufgegeben, das im Sitzungssaal des Kreistages angebrachte
Kreuz während der Sitzungen des Kreistages, an denen die Klägerin als
Kreistagsabgeordnete teilnimmt, zu entfernen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Seit Juni 2002 finden die Sitzungen des Kreistages des Landkreises C in dessen
Sitzungssaal im neuen Kreishaus in C statt.
Dieser Sitzungssaal wurde auf Initiative des Beklagten und im Einvernehmen mit
dem Landrat in einer ökumenischen Feierstunde am 21.06.2002 geweiht und
gesegnet. Während anlässlich der ersten Sitzung des Kreistages im neuen
Sitzungssaal am 12.06.2002 dort noch kein Kreuz angebracht war, ließ der
Beklagte im Einvernehmen mit dem Landrat nach der Einweihung des
Sitzungssaales ein aus allgemeinen Mitteln des Verwaltungshaushalts ohne
besondere Beschlussfassung der Kreisgremien finanziertes ca. 50 cm hohes Kreuz
neben der Eingangstür an der Rückwand des Sitzungssaales anbringen. Als am
04.09.2002 die nächste Sitzung des Kreistages stattfand, erklärte die Klägerin, die
als Stellvertreterin des Beklagten auch Mitglied des Präsidiums des Kreistages ist,
in einer persönlichen Erklärung, es solle doch möglich sein, in einem Raum des
öffentlichen Rechts religiöse Neutralität zu wahren, so wie es das Gesetz zur
Trennung von Kirche und Staat vorsehe. Sie appelliere dringend an das Präsidium,
vor Eintritt in die Tagesordnung darüber zu entscheiden, ob - schon aus Respekt
vor Andersgläubigen und Atheisten - das Kreuz abgenommen werden könne. Sie
fühle sich in ihren religiösen Gefühlen verunsichert und beeinträchtigt. Der
Beklagte erwiderte, das Präsidium habe sich in seiner letzten Sitzung am
21.08.2002 bereits mit der Angelegenheit auf Initiative des Fraktionsvorsitzenden
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen befasst und sei sich darüber einig gewesen,
dieses Thema als eigenen Tagesordnungspunkt in seiner nächsten Sitzung zu
behandeln. Daraufhin verließ die Klägerin zusammen mit fünf weiteren
Kreistagsabgeordneten aus Protest den Sitzungssaal und nahm an der weiteren
Sitzung des Kreistages nicht mehr teil.
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Die Klägerin und die mit ihr aus dem Kreistag ausgezogenen fünf weiteren
Kreistagsabgeordneten wandten sich mit Schreiben vom 16.09.2002 an den
Beklagten und kündigten eine Klage an, falls bis zum 27.09.2002 keine Einigung
bezüglich der Entfernung des Kreuzes aus dem Sitzungssaal erfolgt sei. Man
beziehe sich auf Art. 50 Hessische Verfassung und auf Art. 4 Abs. 1 GG und auf die
einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und anderer
Gerichte, wonach aus dem Grundrecht der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG
der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen
und Bekenntnissen folge. Der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar
gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammen
lebten, könne die friedliche Koexistenz nur gewährleisten, wenn er selber in
Glaubensfragen Neutralität bewahre. Der Beklagte verwies in seiner Antwort vom
17.09.2002 auf ein beigefügtes Schreiben vom 16.09.2002 an die Fraktion Bündnis
90/Die Grünen, in dem er ausgeführt hatte, dass das Präsidium in seiner Sitzung
am 21.08.2002 einmütig entschieden habe, die Angelegenheit in der nächsten
Präsidiumssitzung am 16.10.2002 zu behandeln.
Am 16.10.2002 diskutierte das Präsidium die Angelegenheit ausführlich und
kontrovers. Auf Vorschlag des Beklagten war das Präsidium schließlich damit
einverstanden, die in der Diskussion geäußerten vielfältigen und widersprüchlichen
Meinungen und Argumente vor einer Entscheidung nochmals zu überdenken. In
seiner Sitzung am 25.10.2002 befasste sich das Präsidium erneut mit der
Angelegenheit. Hierbei erklärte der Beklagte, er lehne in Abstimmung mit dem
Landrat die Befassung der Aufsichtsbehörde mit der Angelegenheit ebenso ab wie
den Vorschlag, das Kreuz im Sitzungssaal abzuhängen und im Eingangsbereich
des Kreishauses anzubringen. Seine Entscheidung, das Kreuz nach Einweihung des
Kreishauses aufhängen zu lassen, beruhe auf seiner Grundeinstellung der
ethischen Werte unserer Gesellschaft und auf dem Wissen, dass das Kreuz auf der
ganzen Welt als Zeichen des Friedens und des friedlichen Zusammenlebens gelte.
Nach erneut ausführlicher und kontroverser Diskussion lehnte das Präsidium
mehrheitlich die Einschaltung der Aufsichtsbehörde ab, daraufhin verließ ein
Stellvertreter des Beklagten den Sitzungsraum, anschließend lehnte das
Präsidium mehrheitlich ab, das Kreuz aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Am
selben Tag teilte der Beklagte der Klägerin und den fünf weiteren
Kreistagsmitgliedern, die sich zusammen mit ihr an ihn gewandt hatten, das
Ergebnis der Präsidiumssitzung ebenso wie dem Fraktionsvorsitzenden der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit.
Am 28.10.2002 hat die Klägerin Klage erhoben und gleichzeitig vorläufigen
Rechtsschutz beantragt (Az.: 3 G 2481/02).
Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne beanspruchen, als
Kreistagsabgeordnete an Sitzungen des Kreistages in einem Sitzungssaal
teilzunehmen, in dem sich kein Kreuz als Ausdruck und Verkörperung des
christlichen Glaubens befindet. Dies folge aus ihrem Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1
GG sowie nach Art. 9 Hessischer Verfassung. Sie sehe sich in ihrem Recht aus § 28
a Abs. 1 HKO beeinträchtigt, ihr Mandat ungehindert auszuüben. Der Kreistag
unterliege wie alle unmittelbaren und mittelbaren Träger öffentlicher Gewalt der
Bindung an die Grundrechte. Das Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit
verpflichte die Träger öffentlicher Gewalt, jedwede Identifikation mit einer
bestimmten Religion, Glaubensrichtung oder Weltanschauung zu unterlassen, die
Träger öffentlicher Gewalt seien vielmehr zur Neutralität verpflichtet. Ihr Recht
stehe nicht zur Disposition der Mehrheit.
Die Klägerin beantragt,
dem Beklagten aufzugeben, das im Sitzungssaal des Kreistages angebrachte
Kreuz während der Sitzungen des Kreistages, an dem die Klägerin als
Kreistagsabgeordnete teilnimmt zu entfernen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seiner Auffassung nach hat die Klägerin nicht den geltendgemachten Anspruch.
Zum einen habe sie "ohne Murren" an der feierlichen ökumenischen Einsegnung
des Kreishauses teilgenommen, außerdem gehöre sie selbst einer freireligiösen
Gemeinde an, die in ihrem Zeichen auch ein Kreuz andeute. Der
staatskirchenrechtliche Grundsatz der religiös/weltanschaulichen Neutralität sei
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staatskirchenrechtliche Grundsatz der religiös/weltanschaulichen Neutralität sei
kein Grundrecht. Die Religionsfreiheit der Klägerin sei gewahrt, denn sie werde
nicht durch die öffentliche Gewalt zu einem Glauben oder Bekenntnis oder zur
Teilnahme an religiös/weltanschaulichen Handlungen gezwungen oder in dieser
Hinsicht einem bestimmenden Einfluss ausgesetzt. Der Kreistag identifiziere sich
nicht mit dem christlichen Glaubensinhalt, wenn er das Kreuz an seinem Platz im
Sitzungssaal belasse. Das Kreuz sei als Teil der traditionellen Einsegnung und
Einweihung des Kreishauses mit Segen, Weihwasser und Fürbitte angebracht
worden. Die ökumenische Feier sei als einheitliche Handlung anzusehen und habe
tiefe Verwurzelung in unserer Kultur. Das Kreuz gelte als Zeichen des Friedens und
der Verständigung, mit dem Akt der Einweihung werde Bezug auf Gottes Hilfe
genommen. Durch die Anbringung des Kreuzes werde die Antragstellerin weder in
ihren persönlichen Rechten noch in ihrer Stellung als Organmitglied betroffen. Das
Kreuz als zentrales Symbol des christlichen Glaubens könne in einen säkularen
Kontext eingefügt sein und sei auch oder nur der überkonfessionelle Ausdruck der
vom Christentum maßgeblich geprägten Werte und Normen der abendländischen
Kultur und Tradition. Eine Konfliktsituation könne nur entstehen, wenn das Kreuz
nach den Umständen als eine den Betrachter bedrängende Identifikation der
öffentlichen Gewalt mit christlichen Auffassungen und als Ausdruck eines religiösen
Anspruches aufgefasst werden müsse. Nur dann befinde sich ein Nicht- oder
Andersgläubiger in einer unentrinnbaren Situation staatlich geförderter
Missionierung. Der Kreistag setze jedoch die erwachsene Klägerin keinem
religiös/weltanschaulichen Zwang oder Druck aus, die Mitglieder des Kreistages
könnten je nach ihrer Überzeugung von dem Kreuz in unterschiedlicher,
gegebenenfalls indifferenter, Weise Kenntnis nehmen. Auch der Klägerin gebiete
die Toleranz, die weltanschauliche Einstellung der anderen Kreistagsabgeordneten
zu achten und zu dulden.
Durch Beschluss vom 26.11.2002, NJW 2003, 455, hat das Gericht dem Beklagten
im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, das im Sitzungssaal des Kreistages
angebrachte Kreuz während der Sitzungen des Kreistages, an denen die Klägerin
teilnimmt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu entfernen.
Durch Beschluss vom 04.02.2003, NJW 2003, 2471, hat der Hess. VGH die
Beschwerde des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes in Einzelheiten wird auf die beigezogene
Gerichtsakte 3 G 2481/02(1) Bezug genommen, die zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Es handelt sich um eine auf schlichtes Handeln des Beklagten gerichtete
allgemeine Leistungsklage, die sich nach den von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätzen des kommunalverfassungsrechtlichen Organstreits
beurteilt, der allein die Innenrechtsbeziehungen des Kreistags als Organ des
Kreises betrifft. Ein Kreistagsabgeordneter kann danach die Verletzung ihm
zugeordneter organschaftlicher Befugnisse gerichtlich geltend machen und
gegebenenfalls die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen (vgl. hierzu OVG
Münster, NVwZ 1983, 487 ff.).
Die Klägerin ist für den von ihr geltend gemachten Anspruch auf eine
sitzungsleitende Maßnahme des Beklagten klagebefugt und beteiligtenfähig, denn
sie verfolgt damit eine ihr als Kreistagsabgeordnete nach der Hessischen
Landkreisordnung (HKO) zugewiesene mitgliedschaftsrechtliche
Wahrnehmungszuständigkeit. Der Klägerin stehen nicht nur als Person im
staatsfreien Raum, sondern auch als ehrenamtlich tätiges Kreistagsmitglied
Grundrechte zu, soweit deren Inanspruchnahme den ordnungsgemäßen Ablauf der
Sitzungen des Kreistags nicht stört (vgl. hierzu: BVerwG, NVwZ 1988, 837 f.; a.A.
OVG Münster, a.a.O.; offengelassen: VGH Kassel, NJW 2003, 2471 ff.).
Pflichtsubjekt des Klageanspruchs ist der Beklagte, da ihm durch § 32 S. 2 HKO i.
V. m. § 58 Abs. 4 S. 1 HGO die Sitzungsleitung im Kreistag übertragen ist und ihm
damit die erforderlichen Leitungsbefugnisse zukommen, um den
ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen des Kreistags unter Achtung der Rechte
der Kreistagsabgeordneten zu gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, NVwZ 1988,
837).
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Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin darf von dem Beklagten verlangen, dass er das auf seine Initiative hin
angebrachte Kreuz im Sitzungssaal des Kreistages in den Sitzungen abhängt, an
denen die Klägerin teilnimmt.
Bei der vom Beklagten verlangten Maßnahme handelt es sich um eine
sitzungsleitende Maßnahme, mit der die Klägerin sichergestellt wissen will, dass sie
unbefangen an den Beratungen und Abstimmungen des Kreistages teilnehmen
kann. Denn da sie keiner christlichen Konfession angehört, fühlt sie sich durch das
im Sitzungssaal angebrachte Kreuz gleichsam ausgegrenzt und nicht als
vollwertiges Kreistagsmitglied angenommen, soweit sie sich zu ihrer eigenen
religiös-/weltanschaulichen Überzeugung bekennt. In seinem Beschluss vom
17.07.1973, NJW 1973, 2196 ff., hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich
eines mit einem Kreuz ausgestatteten Gerichtssaales ausgeführt, eine solche
Ausstattung lege auch heute noch den Eindruck nahe, dadurch solle eine enge
Verbundenheit mit christlichen Vorstellungen bekundet werden. Ähnlich äußert
sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16.05.1995, NJW
1995, 2477 ff.: Die Ausstattung eines Gebäudes oder eines Raumes mit einem
Kreuz werde bis heute als gesteigertes Bekenntnis des Besitzers zum christlichen
Glauben verstanden. Für Nichtchristen oder Atheisten werde das Kreuz als
Glaubenssymbol des Christentums schlechthin zum sinnbildlichen Ausdruck
bestimmter Glaubensüberzeugungen und zum Symbol ihrer missionarischen
Ausbreitung. Es sei eine dem Selbstverständnis des Christentums und der
christlichen Kirchen zuwiderlaufende Profanisierung des Kreuzes, wenn man es als
bloßen Ausdruck abendländlicher Tradition oder als kultisches Zeichen ohne
spezifischen Glaubensbezug ansehen wollte. Im Klassenzimmer habe das Kreuz
appellativen Charakter und weise die von ihm symbolisierten Glaubensinhalte als
vorbildhaft und befolgungswürdig aus. Nichts anderes kann bei der Ausstattung
des Sitzungssaales des Kreistags mit einem Kreuz gelten. Wer aufgrund seiner
religiös/weltanschaulichen Überzeugung dem durch das Kreuz symbolisierten
Glaubensinhalt des Christentums ablehnend oder gleichgültig gegenübersteht,
wird durch das Anbringen des Kreuzes in seiner Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1
GG, Art. 9 Hessische Verfassung) beeinträchtigt, weil er seine Mitwirkung bei
Beratungen und Abstimmungen nicht als von christlichen Glaubensüberzeugungen
geleitet verstanden wissen will.
Die Klägerin ist auch deshalb nicht verpflichtet, ihre Beiträge zur Beratung und
Beschlussfassung des Kreistages in seinen Sitzungen gleichsam "unter dem
Kreuz" zu erbringen, weil die Anbringung eines Kreuzes in einem Saal, in dem ein
(mittelbar) staatliches Gremium wie der Kreistag tagt, um seinen Aufgaben im
Rahmen kommunaler Selbstverwaltung (hier nach § 29 f. HKO) nachzukommen,
rechtswidrig ist. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom
16.05.1995, a.a.O., ausgeführt hat, hat der Staat in Glaubensfragen Neutralität zu
bewahren und darf den religiösen Frieden in einer Gesellschaft nicht von sich aus
gefährden. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3, 4 Abs. 1, 33 Abs. 1 sowie Art. 140 GG
i. V. m. Art. 136 Abs. 1 und 4, 137 Abs. 1 WRV sowie aus Art. 9, 48 Abs. 1, 3, 50
Hessischer Verfassung. Diese Normen verwehren - mit den Worten des
Bundesverfassungsgerichts - "die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und
untersagen die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die
Ausgrenzung Andersgläubiger". Das Bundesverfassungsgericht hat a.a.O.
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auf die zahlenmäßige Stärke oder die
soziale Relevanz der jeweiligen Bekenntnisse nicht ankommt und der Staat auf
eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften zu achten hat. Mit der Anbringung des Kreuzes
im Sitzungssaal des Kreistags hat der Beklagte seine Kompetenzen aus §§ 32 S. 2
HKO i. V. m. 58 Abs. 4 HGO (Sitzungsleitung und Hausrecht) überschritten und
damit in das Recht der Kreistagsabgeordneten eingegriffen, ihre Tätigkeit nach
ihrer freien Überzeugung auszuüben (§ 28 Abs. 1 HKO). Auch jede noch so
geringfügige rechtswidrige Beeinträchtigung bei der Ausübung ihres Mandates
muss die Klägerin nicht hinnehmen, insbesondere wenn diese Beeinträchtigung
durch eine einfache sitzungsleitende Maßnahme, im vorliegenden Fall durch die
Entfernung des eigenmächtig angebrachten Kreuzes aus dem Sitzungssaal
während der Sitzungen der Kreistages, unterbunden werden kann.
Da der Beklagte unterlegen ist, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154
Abs. 1 VwGO).
24 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.