Urteil des VG Darmstadt vom 15.04.2008

VG Darmstadt: gehweg, grundstück, aufschiebende wirkung, fahrbahn, bebauungsplan, abrechnung, gemeinde, abgrenzung, breite, vollziehung

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Gericht:
VG Darmstadt 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 G 1306/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 157 AO, § 4 Abs 1 Nr 4
Buchst b KAG HE, § 133 Abs 3
S 1 BauGB
Erschließungsbeitragsrecht: Vorausleistung auf den
zukünftigen Erschließungsbeitrag (erstmalige Herstellung
eines Gehweges)
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.243,33 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wendet sich die
Antragstellerin gegen ihre Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den
zukünftigen Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Frankfurter
Landstraße - Teileinrichtung Gehweg-West - im Gemeindegebiet der
Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des im Erschließungsgebiet gelegenen
Grundstücks Frankfurter Landstraße ... (Gemarkung Arheilgen, Flur ..., Flurstück
...). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans ..., der für das
Grundstück der Antragstellerin u.a. Mischgebiet, eine Grundflächenzahl von 0,4
und eine Geschossflächenzahl von 1,0 festsetzt. An anderen Stellen des
Erschließungsgebiets bestimmt dieser Bebauungsplan abweichende Arten der
Nutzung.
Die Frankfurter Landstraße verläuft in Nord-Süd-Richtung und war bis zur
Fertigstellung der sogenannten Westumgehung im Jahr 1998 Teil der
Bundesstraße 3 (Ortsdurchfahrt).Seit dem Frühjahr 2006 lässt die Antragsgegnerin
die Frankfurter Landstraße neu gestalten; inbegriffen ist der zweigleisige Ausbau
der dort verlaufenden Straßenbahntrasse und die Neuordnung des Verkehrs.
In der Vergangenheit waren sowohl die Fahrbahn dieser Straße als auch der
Gehweg auf der östlichen Seite endgültig hergestellt und zum Teil auch erneuert
worden. Auf der westlichen Straßenseite verlief im Jahr 1948 ein lediglich bekiester
Fußweg, der in der Folgezeit mit einer ca. 3 cm dicken Asphaltdecke auf einer
unsortierten Auffüllung überzogen worden war. Eine bauliche Abgrenzung zur
Fahrbahn bestand nicht durchgehend.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2007, ..., zog die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu
einer Vorausleistung auf den zukünftigen Erschließungsbeitrag für die Herstellung
der Erschließungsanlage "Frankfurter Landstraße - Teileinrichtung Gehweg-West" in
Höhe von 15.730 Euro heran. Diesen Beitrag errechnete sie auf der Basis von 90
v.H. der Gesamtkosten der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage nach
den Messflächen der erschlossenen Grundstücke. Als Rechtsgrundlage zog sie
hierbei §§ 127 bis 135 BauGB i.V.m. der städtischen Erschließungsbeitragssatzung
heran. Aus der Grundstücksfläche (2.343 m²) und der Geschossfläche (=
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heran. Aus der Grundstücksfläche (2.343 m²) und der Geschossfläche (=
Grundstücksfläche x Geschossflächenzahl (1,0), multipliziert mit dem Faktor 1,5 =
3.514,5 m²), errechnete sie die für das Grundstück der Antragstellerin
maßgebende Messfläche (5.857,5 m²) und multiplizierte diese mit der Messzahl
i.H.v. 2,685713460 Euro pro m². Den sich ergebenden Vorausleistungsbetrag
rundete sie auf volle 10 Euro nach unten ab.
Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch vom 12. Juni 2007 ließ die Antragstellerin
nach Akteneinsicht wie folgt begründen:
Dem angefochtenen Bescheid sei nicht hinreichend klar zu entnehmen, was in
örtlicher Hinsicht Grundlage der Ermittlung des voraussichtlichen umlagefähigen
Aufwands und der Verteilung desselben sei. Der zugrunde gelegte
Abrechnungsabschnitt sei nicht genannt.
Bei der Ermittlung des voraussichtlichen umlagefähigen Aufwandes und der
Ermittlung der Summe der Messflächen werde von einer Abschnittbildung von der
Virchow- bis zur Dürerstraße ausgegangen, wobei bisher lediglich der
voraussichtliche Ederschließungsaufwand bis zum Gehmerweg berücksichtigt
worden sein solle. Dies sei unsachgemäß. Im übrigen werde die formelle
Rechtmäßigkeit der Abschnittbildung bestritten.
Es gebe keinen sachlich-räumlichen Grund für die Abschnittbildung; diese sei
willkürlich und rechtswidrig. Die Ausbaukosten im streitbefangenen Abschnitt
lägen, insbesondere aufgrund der Einmündungssituation der Virchowstraße,
deutlich über den Kosten im sich anschließenden Abrechnungsabschnitt in
nördlicher Richtung.
Abgerechnet worden sei nicht die erstmalige Herstellung einer
Erschließungsanlage, sondern der Ausbau einer bereits vormals endgültig
hergestellten Anlage. Nach Einsicht in die Behördenakten sei festzustellen, dass
an derselben Stelle bereits früher ein Gehweg vorhanden gewesen sei. Bereits vor
vielen Jahren habe die Antragsgegnerin den fraglichen Bereich auf einer
erheblichen Breite mit einer Asphaltdecke und mit einer nicht nur als provisorisch
angesehenen Markierung zur Trennung in Geh- und Radweg markieren lassen. Zu
Unrecht gehe die Antragsgegnerin im Hinblick auf die bauliche Ausnutzbarkeit von
einer Geschossflächenzahl von 1,5 aus, angeblich weil das Grundstück im
Mischgebiet liege. Tatsächlich jedoch müsse die im Bebauungsplan vorgegebene
Geschossflächenzahl von 1,0 zugrunde gelegt werden. Die von der
Antragsgegnerin vorgenommene Multiplikation im Hinblick auf eine
unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung nach den Vorschriften der
Erschließungsbeitragssatzung hätte nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn
- da auf das einzelne Grundstück abzustellen sei (§ 8 Abs. 2 Satz 1 der
Erschließungsbeitragssatzung) - im Ausnahmefall für das einzelne Grundstück
diese unterschiedliche Nutzung zulässig sei. Dies sei bei dem Grundstück der
Antragstellerin allerdings nicht der Fall.
Mit Bescheid vom 6. August 2007, ..., lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der
Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO ab.
Am 17. Oktober 2007 beschloss der Magistrat der Antragsgegnerin u.a., dass der
beitragsfähige Aufwand für den Gehweg-West für die im Abschnitt zwischen
Virchowstraße und Jakob-Jung-Straße von der Frankfurter Landstraße
erschlossenen Grundstücke gesondert zu ermitteln und zu verteilen sei. Zur
Begründung wird darauf hingewiesen, dass es sich im Gegensatz zu allen übrigen
Abschnitten, die im Hinblick auf die Erhebung des Straßenbeitrags für den Umbau
der Frankfurter Landstraße gebildet wurden, um die erstmalige endgültige
Herstellung des Gehwegs (West) handele.
Am 13. August 2007 hat die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten Antrag
auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen und zur Begründung zunächst
wesentlich auf die Widerspruchsbegründung Bezug nehmen lassen. Mit
Bevollmächtigtenschriftsatz vom 14. Dezember 2007 bekräftigt und ergänzt die
Antragstellerin ihr bisheriges Vorbringen und weist insbesondere darauf hin, dass
die streitgegenständliche Erschließungsanlage bereits vor der streitigen
Abrechnung endgültig hergestellt worden sei. In § 10 des Ortsbaustatuts vom 7.
August 1900 sei lediglich von der "Befestigung" u.a. der Fußpfade die Rede. Als
derartige Befestigung gelte auch eine wassergebundene Kiesschicht, wie sie
historisch tatsächlich vorhanden gewesen sei. Ferner lässt die Antragstellerin
bestreiten, dass es sich bei den nach 1948 am Gehweg-West durchgeführten
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bestreiten, dass es sich bei den nach 1948 am Gehweg-West durchgeführten
Arbeiten lediglich um provisorische Maßnahmen gehandelt habe.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 31. Mai 2007 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der angefochtene Heranziehungsbescheid sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Berechnungsgrundlage hierfür seien die §§ 132, 133 Abs. 1 und 3, § 134 BauGB
i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin. Der angegriffene
Vorausleistungsbescheid sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin
hinreichend bestimmt. Er lasse hinreichend deutlich erkennen, was von wem für
welche Maßnahme und für welches Grundstück gefordert werde. Nicht erforderlich
sei es, die Erschließungsanlage, für die der Beitrag gefordert werde, zu benennen.
Die Tatsache, dass die Abschnittbildung im Bescheid nicht erwähnt sei, führe nicht
zu dessen Rechtswidrigkeit. Die Antragsgegnerin vertritt weiter die Auffassung,
dass die ihrer Abrechnung zugrunde liegenden Abschnitte rechtmäßig gebildet
worden seien. Bei dem hier gewählten Abschnitt "Virchowstraße bis Jakob-Jung-
Straße/Fuchsstraße" handele es sich im Gegensatz zu allen übrigen Abschnitten
um die erstmalige endgültige Herstellung eines Gehwegs. Nur in diesem Bereich
könnten Erschließungsbeiträge von den Eigentümern der erschlossenen
Grundstücke erhoben werden, ansonsten Straßenbeiträge. Dies sei die Grundlage
für den Beschluss des Magistrats der Antragsgegnerin vom 17. Oktober 2007
gewesen. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid wäre - falls er insoweit
überhaupt fehlerhaft gewesen sein sollte - durch die vom Magistrat beschlossene
Abschnittbildung geheilt. Der Umstand, wonach das zuständige Amt der
Antragsgegnerin bei der Festsetzung der Vorausleistung nicht den gesamten
gebildeten Abschnitt abgerechnet habe, sondern nur eine Teilstrecke der
Frankfurter Landstraße (Teileinrichtung Gehweg-West) zwischen der Virchow- und
der Dürerstraße, mache diese Berechnung nicht fehlerhaft. Im Gegensatz zur
vollständigen Abrechnung dieses Abschnitts bis zur Jakob-Jung-/Fuchsstraße sei die
Antragstellerin lediglich mit einem etwa 1.600 Euro niedrigeren
Vorausleistungsbeitrag belastet worden. Statt der korrekten Messzahl von rd.
2,966 Euro pro m², bezogen auf den vollständigen Abschnitt, habe die
Antragsgegnerin nur die Messzahl von ca. 2,685 Euro pro m² zugrunde gelegt. Sie
verzichte darauf, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei die Teileinrichtung der Frankfurter
Landstraße "Gehweg-West" nicht bereits vor der hier abgerechneten
Baumaßnahme endgültig hergestellt gewesen. Der Gehweg habe weder die im
damals gültigen Ortsrecht noch die in § 10 der Erschließungsbeitragssatzung
geregelten Merkmale der endgültigen Herstellung erfüllt. Im Jahr 1948 noch, so
zeigten die diesbezüglichen Profilblätter, seien die Bürgersteige dort bekiest
gewesen, was nach dem Ortsbaustatut für die Gemeinde Arheilgen vom 7. August
1900, welches sich auf die allgemeine Bauordnung stütze, lediglich ein Provisorium
dargestellt habe. Aus dem Statut ergebe sich, dass eine Straße mit festem und
dauerhaftem Material, wie z.B. Pflaster, hergestellt sein müsse. Schließlich bezieht
sich die Antragsgegnerin auf das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes
vom 19. August 1968, W OE 56/68, wonach die entsprechende Bestimmung des
Baustatuts nur dahingehend verstanden werden könne, dass eine Straße erst
dann als fertiggestellt anzusehen sei, wenn die Fußwege eine 1 m breite
Pflasterung erhalten hätten. Zwar enthalte das Ortsstatut an der genannten Stelle
nicht den Begriff "Pflasterung", sondern nur den der "Befestigung" der Fußpfade.
Hiermit könne jedoch nur eine Pflasterung oder ein anderer gleichwertiger
Bürgersteigbelag gemeint sein. Schließlich bezeichne § 8 Buchst. a) des Arheilger
Ortsbaustatuts die Bekiesung des Bürgersteiges ausdrücklich als provisorische
Herstellungsart für Fußsteige. Hierfür spreche auch der Zustand des Gehwegs vor
Beginn der Neugestaltungsmaßnahmen. Der Gehweg sei lediglich mit einer
dünnen, ca. 3 cm dicken Asphaltdecke auf einer unsortierten Aufschüttung
überzogen gewesen. Eine dauerhafte Abgrenzung gegen die Fahrbahn sei nicht
vorhanden gewesen, was sich aus den vorgelegten Lichtbildern deutlich ersehen
lasse.
Richtig sei auch die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Ermittlung
und Verteilung des Erschließungsaufwands. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 der
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und Verteilung des Erschließungsaufwands. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 der
Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin sei hierbei von der
Geschossflächenzahl zur Berechnung der Messfläche ausgegangen worden, die im
Hinblick auf § 8 Abs. 2 Satz 6 der Erschließungsbeitragssetzung mit 1,5 zu
vervielfachen gewesen sei, da das Grundstück der Antragstellerin im Mischgebiet
i.S. von § 6 BauNVO liege und die Frankfurter Landstraße im hier maßgebenden
Abschnitt Grundstücke erschließe, die unterschiedlichen Baugebietsarten
zuzuordnen seien.
Auf die Aufklärungsverfügung des Berichterstatters vom 5. Februar 2008 trägt die
Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 6. März 2008 zu den Fragen der Höhe der
Messzahlen der übrigen Abschnitte, der Herstellung von Fahrradwegen und den
Herstellungszeitpunkten der Frankfurter Landstraße mit ihren Teileinrichtungen
vor.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt und dem Vorbringen der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakten (4 Hefte,
2 Pläne) Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Beratung der Kammer
gewesen sind.
II.
Das nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthafte
Eilbegehren ist auch insgesamt zulässig. Die besonderen
Zulassungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO sind erfüllt. Mit Bescheid vom
6. August 2007 lehnte die Antragsgegnerin den Aussetzungsantrag der
Antragstellerin ab.
Der Eilantrag ist jedoch nicht begründet. Die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs der Antragsstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt
nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre in entsprechender Anwendung des §
80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, dass nach Durchführung des Eilverfahrens ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Antragstellerin zu einer
Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der
Frankfurter Landstraße - Teileinrichtung Gehweg-West - bestünden oder die
Vollziehung der Beitragszahlungspflicht für die Antragstellerin eine unbillige, nicht
durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Nach
der im Rahmen dieses Eilverfahrens gebotenen summarischen Prüfung der Sach-
und Rechtslage vermag die Kammer keines dieser beiden Tatbestandsmerkmale
als erfüllt anzusehen.
Unter Berücksichtigung des Inhalts der Behördenakten und des Vorbringens der
Beteiligten lassen sich nach Auffassung des Gerichts an der Heranziehung der
Antragstellerin zu einer Vorausleistung auf den zukünftigen Erschließungsbeitrag
keine ernsthaften Zweifel ableiten. Zum einen genügt der Bescheid vom 31. Mai
2007 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insbesondere
den rechtlichen Vorgaben des § 157 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 4 Abs. 1
Nr. 4 Buchst. b) des Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG).
Dementsprechend sind entgegen der Auffassung der Antragstellerin Form und
Inhalt dieses Vorausleistungsbescheides nicht zu beanstanden. Vor allem ist der
Beitragsbescheid hinreichend bestimmt. Er lässt in ausreichender Weise erkennen,
was von wem für welche Maßnahme und für welches Grundstück gefordert wird
(vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 9. Juli 1999, 5 TZ 4571/98, HGZ 2000, S. 78 m.w.N.).
Mag man mit der Antragstellerin im Zeitpunkt der Begründung des Widerspruchs
noch davon ausgehen, dass der Vorausleistungsbescheid insofern ein
Bestimmtheitsdefizit aufweist, als er nicht mitteilt, für welchen Bereich (Abschnitt)
der Frankfurter Landstraße die Vorausleistung auf den zukünftigen
Erschließungsbeitrag erhoben wird. Ob dieser Umstand allerdings zur
Fehlerhaftigkeit des Bescheids führt, wie dies die Antragstellerin meint, erscheint
fraglich. Die streitgegenständliche Erschließungsanlage Frankfurter Landstraße -
Teileinrichtung Gehweg-West - ist die einzige Erschließungsanlage im Rahmen der
gesamten Neugestaltung der Frankfurter Landstraße. Bei allen anderen
durchgeführten bzw. projektierten Maßnahmen handelt es sich nicht um
Erschließungen, sondern um den Ausbau bereits früher fertig gestellter
Straßenteile. Doch dies kann in diesem Zusammenhang unentschieden
bleiben.Unabhängig hiervon hat die Antragsgegnerin diesen Umstand mit
Magistratsbeschluss vom 17. Oktober 2007 klar- und festgestellt, dass innerhalb
der Gesamtmaßnahme allein der Abschnitt von der Virchowstraße bis zur Jakob-
Jung-/Fuchsstraße eine Erschließungsanlage enthält.
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Zwar weist die Antragstellerin ferner zu Recht darauf hin, dass Grundlage des
streitgegenständlichen Beitragsbescheids nicht der gesamte Bereich der
Erschließungsanlage "Frankfurter Landstraße - Teileinrichtung Gehweg-West" ist,
sondern nur ein Teil von der Virchowstraße bis zur Dürerstraße. Die - offensichtlich
irrtümlich erfolgte - lediglich teilweise und entgegen dem
Abschnittbildungsbeschluss des Magistrats der Antragsgegnerin vorgenommene
Abrechnung der Erschließungsanlage ist rechtlich fehlerhaft. Allein sie benachteiligt
die Antragstellerin nicht. Konsequenz hieraus ist vielmehr, dass die
Antragsgegnerin die Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag um rd. 1.600
Euro zu niedrig festsetzte, wie sich der in der Antragserwiderung enthaltenen
Vergleichsberechnung zweifellos entnehmen lässt. Die Antragstellerin ist demnach
insoweit nicht in ihren Rechten i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.
Zum anderen gibt es eine die Heranziehung zur Vorausleistung tragende
Ermächtigungsgrundlage.
Die Antragsgegnerin hat mit der Vorschrift des § 11 ihrer
Erschließungsbeitragssatzung vom 27. Juli 1961 i.d.F. vom 30. März 1994 (EBS)
von der ihr nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch
gemacht, Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des
voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags für solche Grundstücke zu
verlangen, für die eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang
entstanden ist. Die Erschließungsbeitragssatzung ist - einschließlich der
öffentlichen Bekanntmachung - ordnungsgemäß zustande gekommen, und
hiergegen bestehen im übrigen - bezogen auf den hier zu beurteilenden
Streitgegenstand - keine materiellen Bedenken.
Die Voraussetzungen des § 13 EBS i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB für das
Entstehen der Vorausleistungspflicht der Antragstellerin liegen vor. Sie haftet nach
§ 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB als diejenige, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des
Vorausleistungsbescheids Eigentümerin des beitragsbefangenen Grundstücks ist.
Auch die weitere Voraussetzung des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB liegt vor: für das
genannte Grundstück konnte die Erschließungsbeitragspflicht bisher nicht
entstehen, weil die Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage
- entgegen der Auffassung der Antragstellerin - noch nicht erfüllt waren.
Mit der Antragsgegnerin geht die Kammer davon aus, dass der abgerechnete
westliche Gehweg der Frankfurter Landstraße mit der jetzt durchgeführten
Baumaßnahme erstmalig hergestellt wurde. Entgegen der Auffassung der
Antragstellerin wies dieser zu keinem früheren Zeitpunkt die nach dem jeweiligen
Recht gültigen endgültigen Herstellungsmerkmale auf.Während der Gehweg an
dieser Strecke im Jahr 1948 noch mit Kies belegt war, wie die Profilblätter aus
diesem Jahr zeigen, erhielt er nach 1948 eine dünne, etwa 3 cm starke
Asphaltdecke auf einem etwa 25 bis 30 cm starken Untergrund aus vermischtem
mineralischem Material. Zu dieser Auffassung gelangt die Kammer - jedenfalls mit
Verbindlichkeit für das Eilverfahren - durch den glaubhaften Vortrag der
Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung und insbesondere anhand der
Beurteilung der als Anlage 5 zur Antragserwiderung vorgelegten farbigen
Lichtbilder 1 und 2. Infolge Aufbrucharbeiten war damals ein vertikaler Anschnitt
entstanden, dessen schichtweiser Aufbau aus den Bildern gut erkennbar ist. Im
Gegensatz zur Antragstellerin hält die Kammer diese Lichtbilder für hinreichend
aussagekräftig.
Weder die Bekiesung des Gehwegs noch die nach 1948 vorgenommene
Befestigung, wie sie den Lichtbildern zu entnehmen ist, stellt nach Auffassung der
Kammer die endgültige Herstellung dar. Das Gericht pflichtet hier der
Einschätzung durch die Antragsgegnerin bei und stützt sich ebenfalls zunächst auf
das Ortsbaustatut für die Gemeinde Arheilgen vom 7. August 1900. Während in
der dortigen Vorschrift des § 8a u.a. die "Einebnung und Bekiesung des Fußsteigs"
als vorläufige Maßnahme genannt ist, ab deren Erledigung "eine Straße seitens
der Gemeinde eröffnet wird", legt § 10 des Statuts u.a. fest, dass die Gemeinde
"alle Kosten der Befestigung der Fahrbahn ... und derjenigen der Fußpfade auf je
1,0 m Breite" übernimmt. In diesem Zusammenhang nimmt die Kammer Bezug
auf ihre Ausführungen in dem Urteil vom 13. Mai 1969, IV 323/66 (Seite 11 des
Umdrucks):
"Zwar spricht § 10 des Arheilger Ortsbaustatuts nicht ausdrücklich von
"Pflasterung", sondern nur von "Befestigung" der Fußpfade. Hiermit kann aber
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"Pflasterung", sondern nur von "Befestigung" der Fußpfade. Hiermit kann aber
nach Auffassung der Kammer nur eine Pflasterung oder anderer gleichwertiger
Bürgersteigbelag gemeint sein, da nur er einen "festen" Belag darstellt. Außerdem
wird in § 8a des Arheilger Ortsbaustatuts die "Bekiesung" des Bürgersteigs
ausdrücklich als provisorische Herstellungsart für Fußsteige erwähnt."
Auch fand in der nach 1948 vorgenommenen Aufbringung einer etwa 3 cm starken
Asphaltschicht keine endgültige Herstellung i.S. der damals geltenden
satzungsrechtlichen Herstellungsmerkmale statt. Insbesondere erfüllt die
damalige Beschaffenheit des Fußwegs nicht die Merkmale der endgültigen
Herstellung, wie sie in § 10 Abs. 2 Nr. 1 EBS beschrieben sind. Hiernach ist der
Ausbau bei Geh- und Radwegen vollendet, "wenn sie mit einem Unterbau und
einer Oberflächenbefestigung aus Platten, Asphalt, Pflaster oder gleich
dauerhaftem Material versehen sind und eine dauerhafte Abgrenzung gegen die
Fahrbahn und gegeneinander sowie die Einrichtungen für ihre Entwässerung und
Beleuchtung aufweisen". Wie sowohl dem glaubhaften Vorbringen der
Antragsgegnerin, welches durch die Gegenseite nicht substantiiert erschüttert ist,
und den erwähnten Lichtbildern zu entnehmen ist, erfüllte der Gehweg auf der
Westseite der Frankfurter Landstraße nicht alle diese Merkmale der Endgültigkeit.
Insbesondere der beschriebene Aufbau und die fehlende dauerhafte Abtrennung
gegen die Fahrbahn lassen die Kammer zu dieser Einschätzung gelangen.
Schließlich hat die Antragsgegnerin im angefochtenen Beitragsbescheid die
Festsetzungen des rechtsgültigen Bebauungsplans... im Hinblick auf Art und Maß
der baulichen Nutzung des Grundstücks der Antragstellerin zutreffend eingestellt.
Dies trifft sowohl zu für die planungsrechtliche Bestimmung der
Geschoßflächenzahl von 1,0 als auch die Berücksichtigung des Umstandes, dass
im erschlossenen Plangebiet verschiedene Baugebietstypen festgesetzt sind.
Ausgehend von § 8 Abs. 2 Satz 1 EBS, wonach sich die Messflächen als Summe
aus Grundstücksfläche und zulässiger Geschossfläche der einzelnen Grundstücke
ergeben, hat die Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Art und
Weise nach § 8 Abs. 2 Satz 6 EBS die so ermittelte Geschossfläche mit 1,5
multipliziert, weil der im Erschließungsgebiet unterschiedliche bauliche oder
sonstige Nutzungen zulassende Bebauungsplan ... für das Grundstück der
Antragsstellerin Mischgebiet festsetzt. Wenn die Antragstellerin in ihrer
Widerspruchsbegründung in diesem Zusammenhang meint, § 8 Abs. 2 Satz 6 EBS
könne nur dahingehend interpretiert werden, dass diese Vorschrift nur dann zur
Anwendung komme, wenn im Ausnahmefall für das einzelne Grundstück eine
unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig sei, folgt die Kammer
dem nicht. Diese die Antragstellerin begünstigende Interpretation der Norm würde
deren Sinn und Zweck nicht entsprechen. Der Erhöhung der ermittelten
Geschossflächen in Mischgebieten jeweils dann, wenn der Bebauungsplan im
Gebiet der erschlossenen Grundstücke unterschiedliche bauliche oder sonstige
Nutzungen zulässt, stehen gute Gründe der Vorteilsgerechtigkeit (vgl. § 131 Abs. 2
Nr. 1 BauGB) zur Seite (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8.
Auflage 2007, § 18, RdNr. 29, 48 m.w.N.).Treffen in einem überplanten Gebiet, wie
hier, Flächen, die dem allgemeinen Wohnen vorbehalten sind, und
Mischgebietsflächen zusammen, sind die nach der Baunutzungsverordnung für die
beiden Gebietstypen zulässigen Arten baulicher Nutzung derart unterschiedlich,
dass die hiervon betroffenen Grundstücke in wirtschaftlicher Hinsicht
unterschiedlichen Nutzen aus ihrer Erschließung ziehen können. Werden diese
Grundstücke von der Erschließungsmaßnahme auch gleichermaßen erschlossen,
was den Zugang zur Anlage angeht, so wirkt sich dies angesichts unterschiedlicher
zulässiger Nutzungen verschieden aus. Der Vorteil der Grundstücke, die
beispielsweise im Mischgebiet mit einer größeren Nutzungsmöglichkeit liegen,
haben dabei einen ungleich größeren Erschließungsvorteil als die Grundstücke
etwa im allgemeinen Wohngebiet, deren Nutzungsmöglichkeiten relativ
eingeschränkt sind. Um hier nun eine gewisse Gerechtigkeit bei der
Beitragserhebung walten zu lassen, sieht § 8 Abs. 2 Satz 6 EBS - rechtlich zulässig
- vor, dass der in Mischgebieten vorhandene höhere Erschließungsvorteil der
Grundstücke durch den Faktor 1,5 abgegolten wird.
Da die Antragstellerin unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO).
Das Gericht hielt es für sachgerecht, den Wert des Streitgegenstandes nach § 63
Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG festzusetzen und hierbei
von der streitgegenständlichen Beitragsforderung auszugehen, diese allerdings im
Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Rechtsschutzverfahrens nur mit einem Drittel
Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Rechtsschutzverfahrens nur mit einem Drittel
festzusetzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.