Urteil des VG Darmstadt vom 20.02.2004

VG Darmstadt: hund, juristische person, aufschiebende wirkung, stadt, satzung, duldung, hauptsache, prozessvertretung, richteramt, beschwerdefrist

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Gericht:
VG Darmstadt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 G 278/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 3 HuV HE, § 3 Abs 1
Nr 4 HuV HE
Es bestehen Zweifel, die nicht abschließend in einem
Eilverfahren geklärt werden können, ob alle zwei Jahre ein
Wesenstest von einem Hund gefordert werden kann.
Tenor
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem
Antragsteller über den 15.02.2004 hinaus eine Duldung zur Haltung des Hundes
„Z.“ bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache zu
erteilen, wonach die Haltung des Hundes „Z.“ durch den Antragsteller als erlaubt
gilt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der bis zu
einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ausgeschlossen werden soll,
dass dem Antragsteller die Haltung des Hundes „Z.“ wegen fehlender Erlaubnis
nach §§ 1 Abs. 3, 3 Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von
Hunden vom 22.01.2003 (GVBl. I S. 54) – HundeVO – untersagt sowie der Hund
sichergestellt und verwahrt wird. Gleichzeitig begehrt er vorläufigen Rechtschutz,
um durch sein Verhalten nicht eine Straftat bzw. eine Ordnungswidrigkeit zu
begehen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der hier allein in Betracht kommt, kann das
Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus
anderen Gründen nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend
gemachten Anspruchs und der Grund für eine notwendige vorläufige Regelung sind
glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. mit § 123 Abs. 3 VwGO).
Der Antrags des Antragstellers ist zulässig und begründet.
Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers ist insbesondere nicht deswegen
ausgeschlossen, weil er gegen ein von der Antragsgegnerin bereits angekündigtes
Bußgeldverfahren gerichtlichen Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten
erlangen könnte. Ein solcher Verweis widerspräche dem aus Art. 19 Abs. 4 GG
folgenden Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Dieses gebietet einen
Rechtsschutz durch die entsprechenden Fachgerichte. Dem Antragsteller ist es
nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen im Rahmen
eines Bußgeld- oder Strafverfahrens klären zu lassen (BVerfG Beschluss vom
07.04.2003, 1 BvR 2129/02). Der Antragsteller ist daher auch nicht darauf zu
verweisen, zunächst die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der
Sicherstellungsanordnung abzuwarten und dann einen Antrag nach § 80 Abs. 5
VwGO zu stellen, da die Antragsgegnerin, wie sie dem Gericht gegenüber
telefonisch mitteilte, bereits zuvor ein Bußgeldverfahren einleiten wird.
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Der Antrag ist auch begründet, da der Antragsteller sowohl einen
Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Der Antragsteller ist derzeit nicht im Besitz einer gültigen Haltererlaubnis nach § 1
Abs. 3 HundeVO, da die Erlaubnis vom 29.12.2000 bis zum 31.12.2002 befristet
war. Die vom Antragsteller beantragte Verlängerung der Erlaubnis lehnte die
Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25.03.2003 ab und gab dem Antragsteller
gleichzeitig auf, den Hund „Z.“, ein American Staffordshire Terrier, bis spätestens
15.04.2003 in befugte Hände abzugeben, für den Fall der Zuwiderhandlung
ordnete sie die Sicherstellung des Hundes an. Mit Schreiben vom 28.03.2003
erklärte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller, die Haltung des
Hundes gelte zunächst bis 30.06.2003 als erlaubt und begründete dies mit dem
anhängigen Widerspruchsverfahren sowie der vorliegenden positiven
Wesenprüfung des Hundes vom 09.08.2000 und damit, dass der Hund seither
nicht auffällig geworden sei. Diese Duldung wurde von der Antragsgegnerin
verlängert bis einschließlich 15.02.2004.
Nach Auffassung der Antragsgegnerin bedarf es zur wiederholten Erteilung der
Haltererlaubnis eines neuen positiven Wesenstests für den Hund „Z.“.
Die Kammer hat erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verlangens der
regelmäßigen und wiederholten Durchführung eines Wesenstests im Abstand von
zwei Jahren. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 HundeVO, ist für die Erteilung der Erlaubnis
erforderlich, dass der Halter eine positive Wesenprüfung des Hundes nachweist. In
der Verordnung ist nicht geregelt, ob bei der wiederholten Erteilung einer
Haltererlaubnis nach Ablauf der Befristung von zwei Jahren erneut ein Wesenstest
durchgeführt werden muss. Gleiches gilt auch für das Erfordernis der
Sachkundeprüfung des Halters. Das Hessische Ministerium des Innern teilt in
seinen Erlassen vom 22.07.2002 und 29.01.2003 mit, dass der Verordnungsgeber
aufgrund der Befristung der Erlaubnis davon ausgehe, dass die Wesenprüfung zur
Erteilung einer neuen Erlaubnis zu wiederholen sei. Bei der Sachkunde werde
dagegen davon ausgegangen, dass sie entsprechend der waffenrechtlichen
Sachkunde auf Lebenszeit gelte. Da dies jedoch nicht zweifelsfrei in der
Verordnung geregelt ist, und für eine unterschiedliche Handhabung bei
Wesenstest und Sachkundebescheinigung keine sachlichen Gründe ersichtlich
sind, bedarf die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 HundeVO der Auslegung. Hierbei ist
zu berücksichtigen, dass die Regelung nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen
und nicht unverhältnismäßig sein darf. Fraglich ist, ob nach Ablauf der befristeten
Erlaubnis nach zwei Jahren regelmäßig erneut ein derartiger Wesenstest verlangt
werden kann oder ob es nicht besonderer tatsächlicher Anhaltspunkte in der Art
bedarf, dass sich das Wesen des Hundes in dieser Zeit geändert hat. In der
Rechtsprechung werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. VG
Gießen, Urteil vom 06.10.2003, 10 E 607/03; a. A. VG Frankfurt am Main,
Beschluss vom 30.07.2003, 5 G 2630/03). Insbesondere im Hinblick auf die mit der
Durchführung eines solchen Wesenstests verbunden Kosten wäre auch eine
vereinfachte Form eines Wesenstests denkbar, mit dem der Gutachter unter
Bezugnahme auf die früher durchgeführte Wesensprüfung bestätigt, dass sich das
Wesen des Hundes nicht geändert hat. Die Frage der Erforderlichkeit einer
weiteren Wesensprüfung und des Umfangs einer solchen kann nicht abschließend
in einem Eilverfahren beantwortet werden und bedarf der Klärung im
Hauptsacheverfahren, unter Umständen durch Hinzuziehung eines
Sachverständigen. Geht man davon aus, dass eine erneute Wesenprüfung nur
dann erforderlich ist, wenn das Verhalten des Hundes Anlass dazu gibt, müsste
dem Antragsteller eine erneute befristete Erlaubnis zum Halten seines Hundes
„Z.“ erteilt werden, denn der Hund des Antragstellers ist in zurückliegenden
Zeitraum nach bestandener Wesenprüfung nicht auffällig in Erscheinung getreten.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Würde der
Antragsteller während des laufenden Widerspruchsverfahrens und des sich
anschließenden gerichtlichen Verfahrens seinen Hund „Z.“ ohne die erforderliche
Erlaubnis halten, so würde er den Straftatbestand des § 143 Abs. 2 StGB erfüllen.
Danach ist strafbar, wer ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer
vollziehbaren Untersagung einen gefährlichen Hund hält. Das Gericht hält eine
einstweilige Regelung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass für den Hund
„Z.“ bereits ein positiver Wesenstest vorliegt und der Hund seither nicht negativ in
Erscheinung getreten ist, insoweit für geboten, als sie dem Antragsteller die
Haltung seines Hundes bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im
Hauptsacheverfahren ermöglicht. Da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens
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Hauptsacheverfahren ermöglicht. Da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens
offen ist, war auf den Rechtsgedanken des § 80 b Abs. 1 VwGO abzustellen,
wonach die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage
bei Klageabweisung drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist
des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels endet. Sollte
der Klage im Hauptsacheverfahren stattgegeben werden, bedürfte es eines neuen
vorläufigen Rechtsschutzantrags des Antragstellers.
Bezüglich des Inhalts der vorläufigen Regelung hat sich die Kammer an der bisher
geübten Praxis der Antragsgegnerin orientiert und die Antragsgegnerin
verpflichtet, dem Antragsteller weiterhin eine Duldung zu erteilen, wonach die
Haltung des Hundes „Z.“ weiterhin als erlaubt gilt. Die Antragsgegnerin geht
offensichtlich selbst davon aus, dass es für den Lauf eines Rechtsmittelverfahrens
einer vorläufigen Regelung bedarf, auch wenn diese in der Hundeverordnung nicht
vorgesehen ist.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG.
Das Gericht bemisst das Interesse des Antragstellers an einer Entscheidung im
Hauptsacheverfahren im Fall der Untersagung der Haltererlaubnis mit dem
Auffangstreitwert in Höhe von 4.000,00 EUR, der angesichts des vorläufigen
Charakters des Eilverfahrens auf die Hälfte zu reduzieren ist.
Sonstiger Langtext
RECHTSMITTELBELEHRUNG
a) Gegen diesen Beschluss kann – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung –
innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde eingelegt werden. Über
die Beschwerde entscheidet der Hessische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof muss sich jeder Beteiligte, soweit er
einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer
deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung
zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die
Einlegung der Beschwerde.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch
Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im
höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit
Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen
kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören,
vertreten lassen.
In Abgabenangelegenheiten sind vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als
Prozessbevollmächtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen.
In Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts
sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des
Sozialhilferechts sind vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als
Prozessbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Verbänden im Sinne
des § 14 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes und von Gewerkschaften
zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt
sind.
In Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4
Verwaltungsgerichtsordnung betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten
und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen
oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des
Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind vor
dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als Prozessbevollmächtigte auch
Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften zugelassen, sofern sie kraft
Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind.
Die beiden vorstehenden Absätze gelten entsprechend für Bevollmächtigte, die als
Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen
Eigentum einer der in den beiden vorstehenden Absätzen genannten
Organisationen stehen, handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die
Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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Die Beschwerde ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht A-Stadt, Havelstraße 7,
64295 A-Stadt (Postanschrift: Postfach 11 14 50, 64229 A-Stadt) einzulegen. Die
Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim
Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingeht.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung zu
begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde
vorgelegt worden ist, bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Brüder-Grimm-
Platz 1, 34117 Kassel einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten,
die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist
und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an
einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Der
Hessische Verwaltungsgerichtshof prüft nur die dargelegten Gründe.
b) Gegen die Festsetzung des Streitwertes ist die Beschwerde statthaft, wenn der
Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 EUR übersteigt. In dem Verfahren über
diese Beschwerde bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten. Auch die
vorgenannten Vorschriften über die Begründung und die Begründungsfrist gelten
in diesem Verfahren nicht.
Diese Beschwerde ist beim Verwaltungsgericht A-Stadt schriftlich oder zur
Niederschrift des dortigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Sie ist
nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache
Rechtskraft erlangt hat oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, zulässig.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist
beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingeht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.