Urteil des VG Darmstadt vom 12.10.2009

VG Darmstadt: aufenthaltserlaubnis, besondere härte, lebensgemeinschaft, getrennt leben, eugh, arbeitserlaubnis, erwerbstätigkeit, mitgliedstaat, besitz, aufschiebende wirkung

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Gericht:
VG Darmstadt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 L 971/09.DA
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 EWGAssRBes 1/80, § 9
Abs 2 S 1 Nr 1 AufenthG 2004,
§ 9a AufenthG 2004, § 81 Abs
4 AufenthG 2004, Art 13
EWGAssRBes 1/80
Fehlende Anrechnungsfähigkeit einer fiktiven
Aufenthaltserlaubnis auf die Niederlassungserlaubnis;
aufenthaltsrechtliche Wirkung des
Diskriminierungsverbotes
Leitsatz
1. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt ein unbestrittenes, gesichertes
Aufenthaltsrecht voraus. Die Zeit des Besitzes einer fiktiven Aufenthaltserlaubnis nach
§ 81 Abs. 4 AufenthG ist nicht anzurechnen, sofern der Antrag auf Erteilung oder
Verlängerung eines Aufenthaltstitels abgelehnt wird.
2. Ein türkischer Staatsangehöriger kann aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 10
ARB 1/80 in Verbindung mit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 keine
aufenthaltsrechtliche Position ableiten, wenn er nach der damals geltenden AEVO
lediglich Anspruch auf eine befristete Arbeitserlaubnis hatte und diese bereits
abgelaufen wäre.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom
17.07.2009 ist zulässig.
Soweit der Antragsteller damit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner
Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
sowie einer Niederlassungserlaubnis in der Verfügung der Antragsgegnerin vom
29.05.2009 begehrt, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft.
Die Klage gegen die Ablehnung eines Antrages auf Verlängerung des
Aufenthaltstitels hat gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz kraft Gesetzes
keine aufschiebende Wirkung.
Wendet sich ein Ausländer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die
Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, so ist das Begehren nur dann
nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beurteilen, wenn der Antrag auf Verlängerung
der Aufenthaltserlaubnis zur Entstehung eines vorläufigen Bleibe- oder
Aufenthaltsrechts nach § 81 Abs. 3 AufenthG oder einer fiktiven
Aufenthaltserlaubnis nach § 81 Abs. 4 AufenthG geführt hat. Ein derartiges fiktives
Aufenthaltsrecht ergibt sich für den Antragsteller aus § 84 Abs. 4 AufenthG. Denn
der Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom
01.06.2006 löste die Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG aus, da der
Antragsteller im Besitz einer bis zum 19.06.2006 gültigen Aufenthaltserlaubnis
gewesen ist.
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Hinsichtlich der in der Verfügung vom 29.05.2009 ebenfalls enthaltenen
Abschiebungsandrohung ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alternative
VwGO statthaft. Insoweit wendet sich der Antragsteller gegen eine Maßnahme in
der Verwaltungsvollstreckung, die von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist (§ 80
Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. mit § 16 Hess. AGVwGO).
Der Antrag ist unbegründet.
Das private Interesse des Antragstellers, sich bis zum Abschluss des
Klageverfahrens im Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, tritt hinter dem öffentlichen
Vollzugsinteresse zurück. Die Verfügung der Antragsgegnerin vom 29.05.2009
erweist sich als offensichtlich rechtmäßig und ihre Vollziehung als eilbedürftig.
Der Antragsteller, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, hat nach der im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung
weder einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis noch auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller erfüllt die Anforderungen an die Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG nicht, da er nicht fünf Jahre im Besitz
einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 9 abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist. Auf
die 5-Jahresfrist ist entgegen der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur
vertretenen Auffassung (hierzu BayVGH, U. v. 04.02.2007 – 19 B 08.2774 – ZAR
2009, 280 m. w. N. zu § 26 Abs. 4 AufenthG) die Zeit von der Stellung des Antrags
auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung der Behörde über
den Antrag nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht anzurechnen, sofern der Antrag auf
Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt wird.
§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt ein unbestrittenes, gesichertes
Aufenthaltsrecht voraus. Zwar lässt sich dies nicht unmittelbar dem Wortlaut der
Regelung entnehmen, da die Norm nur von dem Besitz einer
„Aufenthaltserlaubnis“ spricht. Das Gesetz lässt aber an mehreren Stellen
erkennen, dass nicht jeder rechtmäßige Aufenthalt anrechnungsfähig sein soll. So
werden nach § 9 Abs. 4 Nr. 3 AufenthG die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts
zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet nur zur
Hälfte angerechnet. Außerdem bestimmt § 6 Abs. 4 Satz 3 AufenthG, dass die
Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum auf die Zeiten
des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird. Damit gibt das
Aufenthaltsgesetz zu erkennen, dass nicht jeder Aufenthaltstitel
berücksichtigungsfähig ist. Differenziert das Gesetz bei der Bestimmung des
erforderlichen fünfjährigen Aufenthalts nach bestimmten Titeln, so liegt diesem der
Gedanke zugrunde, dass nur ein gefestigter, gesicherter Aufenthalt, der auf einer
Aufenthaltserlaubnis beruht, anrechnungsfähig sein soll.
Indem der Gesetzgeber nach § 9 Abs. 4 Nr. 3 AufenthG die Zeit eines
rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im
Bundesgebiet nur zur Hälfte angerechnet, hat er erkennbar dem Umstand
Rechnung getragen, dass der Aufenthalt von Studenten während des Studiums,
wie § 16 Abs. 2 AufenthG verdeutlicht, nicht auf einen verfestigten Status gerichtet
ist. Erst mit erfolgreichem Abschluss des Studiums vermag sich der Aufenthalt
nach § 16 Abs. 4 AufenthG zu verfestigen.
Die Anrechnung der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts eines nationalen Visums
auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis § 6 Abs. 4 Satz 3 AufenthG
beruht zwar auch darauf, dass ein Visum nach der in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG
zum Ausdruck kommenden Systematik keine Aufenthaltserlaubnis ist, jedoch hat
der Gesetzgeber mit der Anrechnungsmöglichkeit zudem klargestellt, dass er
Aufenthalte, die grundsätzlich auf eine Verfestigung ausgerichtet sind, auch für
berücksichtigungsfähig hält, wenn deren Rechtmäßigkeit auf einem nationalen
Visum beruht. Aufenthaltszeiten, die auf anderen Visa beruhen, insbesondere
Kurzaufenthalte, bleiben hingegen unberücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn der
Aufenthalt nachträglich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in einen
verfestigten Aufenthalt einmündet.
Dass der Gesetzgeber bei § 9 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG einen gefestigten
aufenthaltsrechtlichen Status im Blick hatte, wird auch aus § 9a AufenthG deutlich.
Der Gesetzgeber hat § 9 AufenthG an die durch die Daueraufenthaltsrichtlinie
zwingend vorgegebenen Anforderungen an eine Erlaubnis für den Daueraufenthalt-
EG (Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die
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EG (Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die
Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, ABl.
L 16 vom 23.01.2004, Seite 44) angeglichen. Die Angleichung der
Niederlassungserlaubnis wird insbesondere aus der Änderung des § 9 Abs. 2 Satz
1 Nr. 4 AufenthG (Gründe der Sicherheit und Ordnung) und der Aufnahme des § 9
Abs. 4 Nr. 3 AufenthG (Anrechnung von Studienzeiten) deutlich. Damit strebte der
Gesetzgeber eine möglichst inhaltsgleiche Ausgestaltung der Voraussetzungen
beider Daueraufenthaltsrechte an, was für eine im Zweifel einheitliche Auslegung
der verwendeten Rechtsbegriffe spricht, soweit Besonderheiten sich nicht aus der
Daueraufenthaltsrichtlinie ergeben. Dass der Gesetzgeber in § 9a Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 AufenthG die Erteilung der Erlaubnis zu Daueraufenthalt-EG an den Besitz
eines Aufenthaltstitels und nicht einer Aufenthaltserlaubnis knüpft, ist nur darauf
zurückzuführen, dass damit auch die Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG
anrechnungsfähig sein sollte.
In Bezug auf den fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt nach Art. 4 Abs. 1 RL
2003/109/EG geht die Daueraufenthaltsrichtlinie ersichtlich von einem gefestigten
Aufenthaltsstatus aus, der erst die Voraussetzung des Rechts zu Weiterwanderung
in andere Mitgliedstaaten der EU eröffnet. So führt die 6. Begründungserwägung
der Daueraufenthaltsrichtlinie aus:
„Die Dauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats sollte
das Hauptkriterium für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig
Aufenthaltsberechtigten sein. Der Aufenthalt sollte rechtmäßig und
ununterbrochen sein, um die Verwurzlung der betreffenden Person im Land zu
belegen.“
In der Begründung des Kommissionsentwurfs (KOM(2001) 127 endgültig, S. 16)
vom 13.03.2001 wird hierzu zu Art. 5 des Entwurfs ausgeführt:
„Die erste Bedingung, die jemand erfüllen muss, der den Status eines
langfristig Aufenthaltsberechtigten erlangen möchte, betrifft die Dauer des
Aufenthalts. Anhand dieses Kriteriums lässt sich die Beständigkeit des Aufenthalts
im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates messen. Die geforderte
Aufenthaltsdauer wird auf fünf Jahre festgelegt. Der Aufenthalt muss unbedingt
rechtmäßig gewesen sein.“
Folgerichtig findet die Richtlinie nach Art. 3 Abs. 2 RL 2003/109/EG u. a. keine
Anwendung auf Drittstaatsangehörige, die sich zwecks Studiums oder
Berufsausbildung aufhalten (Buchstabe a); denen zwecks vorübergehenden
Schutzes der Aufenthalt in einem Mitgliedstaat genehmigt wurde oder die aus
diesem Grund um eine Aufenthaltsgenehmigung nachgesucht haben und über
deren Rechtsstellung noch nicht entschieden ist (Buchstabe b) oder die sich
ausschließlich vorübergehend wie etwa als Au-pair oder Saisonarbeitnehmer, als
von einem Dienstleistungserbringer im Rahmen der grenzüberschreitenden
Erbringung von Dienstleistungen entsendete Arbeitnehmer oder als Erbringer
grenzüberschreitender Dienstleistungen aufhalten oder deren
Aufenthaltsgenehmigung förmlich begrenzt wurde (Buchstabe e).
Setzt die 5-Jahresfrist des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG damit einen
gesicherten, unbestrittenen Aufenthaltsstatus voraus, so werden
Aufenthaltszeiten, die auf der Aufenthaltsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG
beruhen, nicht erfasst. Denn während des Verfahrens der behördlichen Prüfung
des Verlängerungsantrags hat der Ausländer kein unbestrittenes Aufenthaltsrecht
im Bundesgebiet, weil die Frage des Fortbestehens eines Aufenthaltsrechts gerade
erst geklärt werden soll. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass der
Gesetzgeber mit § 81 Abs. 4 AufenthG ein "neues Rechtsinstitut" (siehe
Hailbronner, Ausländerrecht, § 81 AufenthG, Rdnr. 23) bzw. " einen völlig neuen
aufenthaltsrechtlichen Status" (Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 81 Rdnr. 38 sowie
Pfaff, ZAR 2007, 415) geschaffen hat, gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
81 Abs. 4 AufenthG der bisherige Aufenthaltstitel (lediglich) "bis zur Entscheidung
der Ausländerbehörde als fortbestehend". Dies schließt es aus, hierin ein
unbestrittenes Aufenthaltsrecht zu sehen. Mit der neuen Regelung in § 81 Abs. 4
AufenthG wollte der Gesetzgeber nicht bewirken, dass während der behördlichen
Prüfung eines Verlängerungsantrags noch weitere Stufen einer
Aufenthaltsverfestigung entstehen. Vielmehr sollte sichergestellt werden, dass
auch die mit dem Aufenthaltstitel verbundene Berechtigung zur Ausübung einer
Erwerbstätigkeit bis zur Bescheidung des Antrags fortgilt (siehe BT-Drs. 15/420, S.
96), es sollte also der Eintritt von Nachteilen für den Ausländer im Zeitraum der
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96), es sollte also der Eintritt von Nachteilen für den Ausländer im Zeitraum der
behördlichen Prüfung vermieden werden.
Endlich zwingt auch die ratio legis des § 81 Abs. 4 AufenthG nicht zur Anrechnung
des Fiktionszeitraums auf die Frist des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die
Fortgeltungsfiktion in § 81 Abs. 4 AufenthG bezweckt, dass der Ausländer nach
Stellung eines Verlängerungsantrags von den Rechtswirkungen seiner seitherigen
Aufenthaltserlaubnis weiterhin Gebrauch machen können soll. Hierdurch kann die
Ausländerbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen der Verlängerung des
Aufenthaltstitels umfassend prüfen, ohne dass der Ausländer hierdurch einen
Rechtsnachteil, insbesondere in Bezug auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit,
erleiden würde. Wären die Zeiten des fiktiven Aufenthalts unabhängig von der
späteren Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels
anrechnungsfähig, so wäre die Ausländerbehörde allein aufgrund des drohenden
Zeitablaufs gezwungen eine ablehnende Entscheidung zu treffen, um ein
Hereinwachsen in den Aufenthaltszeitraum von fünf Jahren nach § 9 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 AufenthG zu verhindern. So zeigt gerade der vorliegende Fall, dass
andernfalls ein Ausländer zunächst die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis
beantragen kann, um anschließend unter Berücksichtigung der fiktiven
Aufenthaltszeiten, die während der Prüfung des Antrags entstehen, einen Antrag
auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG zu stellen.
Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn dem Antrag auf Verlängerung oder
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nachträglich entsprochen wird. In diesem Fall
ist davon auszugehen, dass das gesicherte Aufenthaltsrecht bereits im Zeitpunkt
der Antragstellung vorlag.
Ein Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG scheidet unstreitig
aus, da die eheliche Lebensgemeinschaft spätestens durch die am 21.03.2006
ausgesprochene Scheidung beendet ist und der von § 27 Abs. 1 AufenthG
verfolgte Zweck der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft
im Bundesgebiet nicht mehr erreicht werden kann.
Dem Antragsteller steht auch kein von der ehelichen Lebensgemeinschaft
unabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 AufenthG i. V. mit § 28 Abs. 3
AufenthG zu. Nach dieser Vorschrift wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten
im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges,
vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr
verlängert, wenn
1. die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren
rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2. der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft
im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder
Niederlassungserlaubnis war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm
nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen.
Für die Berechnung der Zweijahresfrist kommt es auf den Zeitpunkt an, ab dem
die Eheleute nicht nur vorübergehend getrennt leben und ihre
Lebensgemeinschaft endgültig aufgehoben ist (Bay. VGH, B. v. 30.10.2008 – 19
CS 08.2617 – Juris –; zum alten Recht des § 19 AuslG vgl. Hess. VGH, B. v.
26.02.1997 – 3 TG 577/96 – FamRZ 1998, 615 [616]). Von einem Bestehen der
ehelichen Lebensgemeinschaft ist auszugehen, wenn außer dem formalen
rechtlichen Band der Ehe eine tatsächliche Verbundenheit der Eheleute vorliegt,
die regelmäßig in der Pflege einer häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommt.
Eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht hingegen nicht mehr, wenn die
Ehegatten auf Dauer getrennt leben, d. h. wenn eine Trennung im Sinne des §
1566 Abs. 1 BGB vorliegt (vgl. BVerwG, B. v. 30.09.1998 – 1 B 92.98 –, InfAuslR
1999, 72 [73]).
Die Trennung besteht in der Regel in der Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft.
Ob eine Trennung der Ehegatten als endgültig oder vorübergehend anzusehen ist,
kann nicht ohne weiteres bereits im Zeitpunkt einer im Streit erfolgten Trennung
der Eheleute beurteilt werden. Vielmehr kann dies häufig erst rückblickend sicher
festgestellt werden. Diese Feststellung muss allerdings nach objektiven Kriterien
unter Berücksichtigung der Erklärungen der Ehegatten sowie sämtlicher Umstände
des Einzelfalls erfolgen (Bay. VGH, U. v. 06.03.2008 – 10 B 07.1316 – Juris – und B.
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des Einzelfalls erfolgen (Bay. VGH, U. v. 06.03.2008 – 10 B 07.1316 – Juris – und B.
v. 12.09.2007 – 24 CS 67.2053 – Juris –).
Maßgeblich für die Bestimmung des Trennungszeitpunktes ist, wann sich objektiv
betrachtet der Wille zur Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft durch einen
Ehepartner nach außen manifestiert hat. Hingegen kann es nicht darauf
ankommen, ob und wie lange einer oder beide Ehepartner nach der durch eine
Ehekrise bedingten räumlichen Trennung auf eine Wiederaufnahme der häuslichen
Gemeinschaft gehofft haben oder ungeachtet der Trennung subjektiv vom
Fortbestand der Lebensgemeinschaft ausgegangen sind. Würde man solche
Zeiten des Bewusstwerdens der Trennung oder des Hoffens und Bangens um die
Ehe auf die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft anrechnen, ginge jede
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei der Ermittlung der Frist des § 31 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AufenthG verloren (Bay. VGH, U. v. 06.03.2008 – 10 B 07.1316 – Juris
–).
Die eheliche Lebensgemeinschaft muss von dem Trennungszeitpunkt
ununterbrochen zwei Jahre bestanden haben; demgemäß darf die Gesamtzeit von
zwei Jahren nicht aus mehreren Teilen zusammengesetzt sein (Bay. VGH, B. v.
30.10.2008 – 19 CS 08.2617 – Juris; zum alten Recht schon Hess. VGH, B. v.
05.02.1998 – 6 TG 410/98 – EZAR 023 Nr. 13; Hamb. OVG, B. v. 16.02. 1995 – Bs V
380/94 – InfAuslR 1995, 293).
Letztlich muss der Antragsteller während dieser gesamten Zeit im Besitz einer
förmlichen Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum
Daueraufenthalt-EG gewesen sein; es sei denn, er konnte die Verlängerung aus
von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht beantragen. Hieraus folgt, dass die
Zeit, in der der Antragsteller lediglich im Besitz eines Visums war, bei der
zweijährigen Frist unberücksichtigt bleibt (OVG Berlin-Brandbg., B. v. 18.08.2009 –
11 S 36.09 – Juris).
Außerdem ist eine Verlängerung der bestehenden Aufenthaltserlaubnis als
Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG regelmäßig ausgeschlossen, wenn der
entsprechende Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der Geltungsdauer gestellt
worden ist. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm erfasst § 31
AufenthG nur den Fall, dass der Ausländer sich bei Antragstellung noch im Besitz
einer nicht abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis befindet, weil nur eine solche
verlängert werden kann (OVG Nordrh.-Westf., B. v. 24.07.2009 – 18 B 1661/08 –
Juris – und B. v. 26.06.2009 – 18 B 1695/08 – Juris –). Abweichendes könnte
insoweit nur gelten, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers infolge einer
auf den Verlängerungsantrag hin eingetretenen Fiktion des Fortbestandes des
Aufenthaltstitels gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gelten würde,
obwohl der Antrag verspätet gestellt wurde.
In Anwendung vorstehender Grundsätze begann die eheliche Lebensgemeinschaft
im aufenthaltsrechtlich relevanten Sinne mit der Erteilung der ersten
Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller am 11.09.2003. Ausweislich des
Scheidungsurteils des Amtsgerichts Schönebeck (Az.) vom 21.03.2006 erklärten
der Antragsteller und seine Ehefrau, seit mehr als einem Jahr getrennt zu leben.
Daher ist davon auszugehen, dass die eheliche Gemeinschaft zumindest seit dem
21.03.2005 nicht mehr bestand.
Die Angaben im Scheidungsurteil werden auch durch die Angaben der
Meldebehörde gestützt. Denn der Antragsteller wurde zum 28.02.2005 von der
Hauptwohnung nach unbekannt abgemeldet. Der Antragsteller bestätigte zudem
auf Anfrage der Ausländerbehörde anlässlich einer Vorsprache am 08.05.2006,
dass er sich in der Zeit vom 28.02.2005 bis zum 22.09.2005 bei Verwandten in F.
aufgehalten habe. Der Antragsteller meldete sich 22.09.2005 in der R-Straße an,
nachdem er zum 01.10.2005 dort eine Wohnung angemietet hatte.
Damit scheidet ein Anspruch gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG schon wegen Fehlens
der erforderlichen Voraufenthaltszeiten aus.
Ist – wie hier – infolge des rechtzeitigen Verlängerungsantrags am 01.06.2006 vom
Vorhandensein eines nach § 31 AufenthG verlängerbaren Aufenthaltstitels
auszugehen, kann von der Voraussetzung des zweijährigen rechtmäßigen
Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs.
2 Satz 1 AufenthG nur abgesehen werden, soweit es zur Vermeidung einer
besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu
ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der
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ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen.
Eine besondere Härte liegt gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG insbesondere vor,
wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen
Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche
Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten
wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten
an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; zu den schutzwürdigen
Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer
Lebensgemeinschaft lebenden Kindes.
Als solche Härte kommen etwa in Betracht, Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung, Zwangsprostitution oder Zwangsabtreibung, entwürdigende
Sexualpraktiken, physische oder psychische Misshandlungen oder ernsthafte
Bedrohungen des Ehegatten (OVG Nordrh.-Westf., B. v. 26.06.2009 – 18 B 1695/08
– Juris; B. v. 05.03.2009 – 18 B 983/08 –; Bay. VGH, B. v. 26.02.2007 – 19 CS
07.313, 19 C 07.286). Eine besondere Härte in Gestalt einer erheblichen
Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange wegen der aus der Auflösung der
ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung (§ 31 Abs. 2
Satz 2 Alt. 1 AufenthG) kann sich nur aus solchen Beeinträchtigungen ergeben, die
mit der Ehe oder ihrer Auflösung in Zusammenhang stehen (BVerwG, Urt. v.
09.06.2009 – 1 C 11.08).
Die Beispielsfälle machen deutlich, dass der Verlängerungsanspruch nicht in
jedem Fall des Scheiterns einer ehelichen Lebensgemeinschaft besteht, zu dem
es in aller Regel wegen der von einem oder beiden Ehegatten subjektiv
empfundenen Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Lebensgemeinschaft
kommt, und dass dementsprechend gelegentliche Ehestreitigkeiten,
Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik, als
unangenehm empfundene Verhaltensweisen und Kränkungen, die in einer Vielzahl
von Fällen trennungsbegründend wirken, für sich genommen noch nicht das
Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar im vorgenannten
Sinne machen (OVG Nordrh.-Westf., B. v. 26.06.2009 – 18 B 1695/08 – Juris –, B. v.
05.03.2009 – 18 B 983/08 –).
An diesen Anforderungen gemessen ist eine besondere Härte im Falle des
Antragstellers weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Ein Aufenthaltsrecht folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 ARB. Gemäß Art. 6 Abs. 1
ARB hat vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der
Familienangehörigen zur Beschäftigung der türkische Arbeitnehmer, der dem
regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf
Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über
einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den
Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden
Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner
Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den
Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu
bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder
von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wie die Antragsgegnerin in ihrem
Bescheid (Seite 8 bis 10) ausführlich dargelegt hat. Das Gericht nimmt insoweit
auf die Ausführungen in dem Bescheid Bezug.
Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
des Antragstellers kommt allein die unbefristete Arbeitsgenehmigung des
Antragstellers in Betracht, die ihm von der seinerzeit zuständigen
Arbeitsverwaltung am 23.09.2003 erteilt worden ist. Auch insoweit kann der
Antragsteller aufgrund der Grundsätze, die die Kammer mit Beschluss vom 17.
September 2009 [5 L 1411/08.DA (3)] festgelegt hat, keinen Anspruch auf
Erteilung oder Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ableiten.
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In der Rechtsprechung des EuGH zu den Assoziationsabkommen der Europäischen
Gemeinschaft mit Marokko und Tunesien ist anerkannt, dass die in den
Abkommen enthaltenen Regelungen über das Diskriminierungsverbot von
Arbeitnehmern auch aufenthaltsrechtliche Bedeutung haben können.
So untersagte der zwischenzeitlich aufgehobene Art. 40 Abs. 1 des
Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und
dem Königreich Marokko vom 27.04.1976 (im Namen der Gemeinschaft
genehmigt durch die Verordnung [EWG] Nr. 2211/78 des Rates vom 26.09.1978)
es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht, es abzulehnen, die
Aufenthaltserlaubnis eines marokkanischen Staatsangehörigen, dem er die
Einreise und die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt hat, für die gesamte Dauer
dieser Beschäftigung zu verlängern, wenn der ursprüngliche Grund für die
Gewährung des Aufenthaltsrechts bei Ablauf der ursprünglichen
Aufenthaltserlaubnis nicht mehr besteht. Anders verhält es sich nur, wenn dem
Betroffenen durch ein derartiges Vorgehen das Recht auf tatsächliche Ausübung
einer Beschäftigung, das ihm durch eine von der zuständigen nationalen Behörde
ordnungsgemäß erteilte Arbeitserlaubnis erteilt wurde, die länger als die
Aufenthaltserlaubnis war, entzogen würde, ohne dass Gründe des Schutzes eines
berechtigten Interesses des Staates, namentlich Gründe der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit und Gesundheit, dies rechtfertigen (EuGH, Urt. v. 02.03.1999 – Rs C-
416/96 [El-Yassini] –, NVwZ 1999, 1095 [1098] – Rdnr. 67).
Gemäß Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens vom 26.01.1998 zur
Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits, geschlossen
in Brüssel am 17.07.1995 und genehmigt im Namen der Europäischen
Gemeinschaft und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl durch
Beschluss 98/238/EG, EGKS des Rates und der Kommission vom 26.01.1998 (ABl.
L 97, S. 1), kann der Aufnahmemitgliedstaat dann, wenn er dem
Wanderarbeitnehmer ursprünglich in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung
weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen hatte, die
Situation dieses Arbeitnehmers nicht aus Gründen in Frage stellen, die nicht dem
Schutz eines berechtigten Interesses des Staates, wie der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit und Gesundheit dienen (EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-97/05 [Gattoussi]
– NVwZ 2007, 430 [432] – Rdnr. 40).
Beide Vorschriften, die lauten
Art. 40.
Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine
Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen keine auf
der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen
Staatsangehörigen.
Marokko gewährt den in seinem Hoheitsgebiet beschäftigten
Arbeitnehmern, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, die gleiche
Behandlung.
Art. 64.
Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine
Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und
Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende
Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt.
(2) Absatz 1 gilt hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für
alle tunesischen Arbeitnehmer, die dazu berechtigt sind, im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats eine befristete nichtselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben.
(3) Tunesien gewährt den in seinem Hoheitsgebiet beschäftigten
Arbeitnehmern, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, die gleiche
Behandlung.
finden im Assoziationsrecht EWG-Türkei in Art. 37 des Zusatzprotokolls zum
Abkommen vom 12. September 1963 und hierauf fußend speziell in Art. 10 Abs. 1
ARB eine Entsprechung. Diese Bestimmungen lauten:
Art. 37.
Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit eine Regelung vor, die in Bezug auf
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Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit eine Regelung vor, die in Bezug auf
die Arbeitsbedingungen und das Entgelt keine auf der Staatsangehörigkeit
beruhende Diskriminierung gegenüber Arbeitnehmern enthält, die
Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten sind.
Art. 10.
Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein,
die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des
Arbeitsentgeltes und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung
aufgrund der Staatsangehörigkeit ausschließt.
(2) Vorbehaltlich der Artikel 6 und 7 haben die in Absatz 1 genannten
türkischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen in gleicher Weise wie die
Arbeitnehmer aus der Gemeinschaft Anspruch auf die Unterstützung der
Arbeitsämter bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes.
Es liegt daher nahe, auch im Falle von türkischen Staatsangehörigen dieselben
Grundsätze anzuwenden, die der EuGH in Bezug auf marokkanische und
tunesische Wanderarbeitnehmer entwickelt hat.
Die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 26.10.2006 – Rs. C-4/05 [Güzeli] –
NVwZ 2007, 187 [189] –, Rn. 52 und 53, legen nahe, dass Art. 10 ARB
aufenthaltsrechtliche Wirkungen hat. Geklärt ist, dass Art. 10 ARB in den
Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung hat und sich türkische Staatsangehörige auf
diese Vorschrift berufen können (EuGH, B. v. 25.07.2008 – C-152/08 [Real
Sociedad de Fútbol und Kahveci] – Juris – Rn. 29; U. v. 08.05.2003 – Rs. C-171/01
[Wählergruppe Gemeinsam] – Juris – Rn. 67). Nach Auffassung des BVerwG
vermittelte eine deutsche Arbeitserlaubnis einem marokkanischen Arbeitnehmer
nach der maßgeblichen nationalen Rechtsordnung keine weitergehenden Rechte i.
S. d. Rechtsprechung des EuGH, insbesondere kein Aufenthaltsrecht (BVerwG, U.
v. 01.07.2003 – 1 C 18.02 – NVwZ 2004, 241 [243]; U. v. 01.07.2003 – 1 C 32.02 –
NVwZ 2004, 245/246; ihm folgend OVG Nordrh.-Westf., B. v. 22.06.2007 – 18 B
722/07 – NVwZ-RR 2008, 59; Hess. VGH, B. v. 06.04.2004 – 9 TG 864/04 – NVwZ-
RR 2005, 285).
Das Gericht kann im vorliegenden Eilverfahren offen lassen, ob sich Art. 10 ARB,
mit dem eine andere Zielrichtung verfolgt wird als mit den Europa-Mittelmeer-
Abkommen mit Marokko und Tunesien (vgl. EuGH, U. v. 02.03.1999 – Rs C-416/96
[El-Yassini] – NVwZ 1999, 1095 [1098] – Rn. 61), aufenthaltsrechtliche Wirkungen
entnehmen lassen (bejahend: Hess. VGH, B. v. 30.03.2009 – 11 B 642/09 – und B.
v. 29.06.2009 – 11 A 787/09.Z; VGH Mannheim, U. v. 10.07.2008 – 13 S 708/08 –
InfAuslR 2008, 424). Einer solchen zugunsten des Antragstellers zu treffenden
Annahme stünde nämlich die Tatsache entgegen, dass der Mitgliedstaat nicht
gehindert ist, ein etwaiges weitergehendes Recht zu beschränken oder zum
Erlöschen zu bringen. Dies ist vorliegend geschehen: Mit dem Inkrafttreten des
AufenthG am 01.01.2005 ist die unbefristete Arbeitsgenehmigung des
Antragstellers an diesem Tage als solche erloschen, sie gilt seitdem nur noch als
uneingeschränkte Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Aufnahme einer
Beschäftigung fort (§ 105 Abs. 2 AufenthG) und befreit lediglich von dem
behördeninternen Beteiligungsverfahren nach § 39 AufenthG. Seitdem benötigt
der Ausländer, der eine Erwerbstätigkeit aufnehmen möchte, eine
Aufenthaltserlaubnis, die ausdrücklich die Aufnahme dieser Erwerbstätigkeit
gestattet (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
Dieser am 01.01.2005 zu Lasten des Antragstellers eingetretene Rechtsverlust
wäre hingegen unbeachtlich, wenn § 105 Abs. 2 AufenthG mit dem sog.
Stillhaltegebot des Art. 13 ARB unvereinbar wäre. Diese Bestimmung lautet:
Art. 13.
Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung
in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für
den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.
Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die sich ordnungsgemäß im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedsstaates aufhalten, keine neuen Beschränkungen für den Zugang
zum Arbeitsmarkt einzuführen.
Das Gericht hat keine Bedenken, diese Bestimmung auf den Antragsteller
anzuwenden, der während seines Aufenthalts immer als Arbeitnehmer tätig war.
Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass das in Art. 41 des
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Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass das in Art. 41 des
Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 verankerte
Stillhaltegebot, das neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des
freien Dienstleitungsverkehrs verbietet, unmittelbare Wirkung in den
Mitgliedstaaten hat und allgemein die Einführung neuer Maßnahmen verbietet, die
bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der wirtschaftlichen Freiheiten durch
einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren
Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Zusatzprotokolls in dem betreffenden Mitgliedstaat galten
(EuGH, U. v. 17.09.2009 – C-242/06 [Sahin] – Rn. 64; U. v. 19.02.2009 – C-228/06
[Soysal und Savatli] – NVwZ 2009, 513 [514] – Rn. 45, 47). Entsprechendes gilt für
das Stillhaltegebot des Art. 13 ARB, der Arbeitnehmern Schutz vor neuen
Beschränkungen bietet (EuGH, U. v. 17.09.2009 – C-242/06 [Sahin] – Rn. 62, 63,
65; U. v. 21.10.2003 – Rs. C-317/01 – [Abatay], und Rs. C-369/01 [Sahin] – InfAuslR
2004, 32 – Rn. 58, 59; U. v. 20.09.1990 – Rs. C-192/89 [Sevince] – NVwZ 1991, 255
– Rn. 26).
Maßgeblich ist insoweit die Rechtslage im Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Stillhaltegebotes. Gemäß Art. 16 Abs. 1 ARB ist die Regelung des Art. 13 ARB am
01.12.1980 in Kraft getreten. Infolgedessen darf das auf den Antragsteller
anzuwendende Recht hinsichtlich seiner Arbeitserlaubnis nicht ungünstiger sein als
am 01.12.1980.
Davon ist allerdings hier nicht auszugehen. Am 01.12.1980 galt die Verordnung
über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer
(Arbeitserlaubnisverordnung – AEVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom
12.09.1980 (BGBl. I S. 1754). Unter der Geltung dieser Verordnung hätte der
Antragsteller wegen seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen
eine besondere Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AEVO erhalten. Diese hätte
ihn berechtigt, jede Tätigkeit im gesamten Bundesgebiet aufzunehmen (§ 2 Abs. 1
i. V. mit § 1 und § 3 Abs. 2 AEVO). Sie wäre allerdings nicht unbefristet erteilt
worden, sondern lediglich mit fünfjähriger Geltungsdauer (§ 4 Abs. 2 Satz 1 AEVO).
Erst nach einem ununterbrochenen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt wäre die
Arbeitserlaubnis unbefristet erteilt worden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 AEVO). Infolgedessen
hat die im Jahre 1998 in Kraft getretene Verordnung über die Arbeitsgenehmigung
für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung – ArgV) vom
17.09.1998 (BGBl. I S. 2899) eine Verbesserung der Rechtsstellung eines mit
einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten ausländischen Arbeitnehmers
bewirkt. Verbesserungen der individuellen Rechtspositionen durch nach dem
maßgeblichen Zeitpunkt am 01.12.1980 in Kraft getretene Änderungen werden
jedoch vom Schutz des Stillhaltegebotes nicht erfasst.
Unter der Geltung der am 01.12.1980 geltenden Rechtslage wäre dem
Antragsteller im September 2003 eine lediglich bis September 2008 gültige
Arbeitserlaubnis erteilt worden. Da die Auflösung der ehelichen
Lebensgemeinschaft gemäß § 8 AEVO keinen Erlöschenstatbestand darstellt und
auch sonst keine Gründe ersichtlich sind, die zum Unwirksamwerden der
Arbeitserlaubnis führen könnten, muss von ihrem (fiktiven) Fortbestand bis zum
September 2008 ausgegangen werden. Hätte der Antragsteller dann eine
Verlängerung der Arbeitserlaubnis beantragt, hätte er sich für die Verlängerung
jedoch nicht mehr auf die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen berufen
können, da er am 21.03.2006 bereits geschieden war und von da ab die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zumindest ungesichert
war (vgl. in diesem Sinne auch BVerwG, Urt. v. 01.07.2003 – 1 C 18.02 – NVwZ
2004, 241 [243]).
Da der Antragsteller aus dem außer Kraft getretenen Recht somit keine
günstigeren Ansprüche ableiten kann, liegt in der Regelung des § 105 Abs. 2
AufenthG auch kein Verstoß gegen das Stillhaltegebot vor.
Der Antragsteller vermag auch aus dem seit Januar 2005 geltenden Recht –
unabhängig von der Standstillklausel – keine Rechtsstellung aus dem
Diskriminierungsverbot abzuleiten. Als Ehegatte einer deutschen Ehefrau wurde
die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers am 01.01.2005 in eine
Aufenthaltserlaubnis übergeleitet, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer
Erwerbstätigkeit berechtigt. Damit wurde dem Antragsteller aber keine
arbeitsgenehmigungsrechtliche Stellung verliehen, aus der aufenthaltrechtliche
Ansprüche aus dem Diskriminierungsverbot abgeleitet werden können.
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Der EuGH hat die für die Ableitung einer aufenthaltsrechtlichen Rechtsstellung
erforderliche arbeitsgenehmigungsrechtliche Position in der Rechtssache El-Yassini
(EuGH, U. v. 02.03.1999 – Rs. C-416/96 – El-Yassini, Rn. 64 f.) dahingehend
konkretisiert, dass der Betroffenen ein Recht auf tatsächliche Ausübung einer
Beschäftigung innehaben muss, das ihm durch eine von der zuständigen
nationalen Behörde ordnungsgemäß erteilte Arbeitserlaubnis erteilt wurde, die
länger als die Aufenthaltserlaubnis war. In der Rechtssache Gattoussi (EuGH, U. v.
14.12.2006 – Rs. C-97/05 – Gattoussi, Rn. 40 aaO) hat er an die Entscheidung El-
Yassini angeknüpft und ausgeführt, dass dem Wanderarbeitnehmer in Bezug auf
die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den
Aufenthalt verliehen worden sein müssen. Sowohl der Hinweis auf eine
eigenständige Arbeitserlaubnis als auch die Formulierung „verliehen Rechte“
zeigen, dass es sich nicht nur um eine deklaratorische Rechtsstellung handeln
darf.
Eine solche, zeitlich über das Aufenthaltsrecht hinausgehende eigenständige
Rechtsposition auf dem Arbeitsmarkt ist dem Antragsteller mit der
Aufenthaltserlaubnis allenfalls in einem letztlich unerheblichen Maße eingeräumt
worden. Dies ergibt sich daraus, dass das Recht des Klägers zur Ausübung einer
Beschäftigung nicht mehr - wie nach der bis zum Inkrafttreten des
Zuwanderungsgesetzes (vom 30.07.2004, BGBl. I S. 1950, 2001, ber. BGBl. 2005 I
S. 725) geltenden Regelung des § 284 SGB III (i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom
24.03.1997, BGBl. I 594, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.04.2003, BGBl. I S.
602) - auf einer eigenständigen Arbeitserlaubnis beruht. Vielmehr wurde dem
Antragsteller die Erwerbstätigkeit nach § 4 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 5 AufenthG
unmittelbar und ausschließlich durch die ihm nach §§ 28 Abs. 1 Nr. 1, 101 Abs. 2
AufenthG übergeleitete Aufenthaltserlaubnis vom 01.07.2004 gestattet. Dem
Hinweis in der Aufenthaltserlaubnis auf diese Gestattung kommt gegenüber der
hier allein maßgeblichen gesetzlichen Regelung nur die Bedeutung eines
deklaratorischen Vermerks zu (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; BT-Drs. 15/420 S.
69; siehe auch HessVGH, B. v. 29.06.2009 – 11 A 787/09.Z; VGH BW, B.
v.24.01.2008 – 11 S 2765/07 – Juris).
Damit wurde dem Antragsteller weder ein Recht auf Erwerbstätigkeit verliehen
noch geht die gesicherte arbeitsgenehmigungsrechtliche Rechtsstellung über den
aufenthaltsrechtlichen Status hinaus. Der unmittelbaren Bindung der Gestattung
einer Erwerbstätigkeit an die Erteilung eines Aufenthaltstitels entspricht es, wenn
diese Gestattung auch in ihrer Gültigkeitsdauer an den Fortbestand des
entsprechenden Aufenthaltsrechts gekoppelt ist und somit auch grundsätzlich mit
dem Ablauf der Geltungsdauer einer Aufenthalterlaubnis erlischt (HessVGH, B. v.
29.06.2009 – 11 A 787/09.Z; VGH BW, B. v.24.01.2008 – 11 S 2765/07 – Juris).
Durch die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis wird der
Antragsteller auch nicht deshalb im Sinne des Art. 10 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 in
unzulässiger Weise diskriminiert, weil die mit dem Aufenthaltserlaubnisantrag
verbundene Gestattung der Erwerbstätigkeit nach § 81 Abs. 4 AufenthG und § 84
Abs. 2 Satz 2 AufenthG über die Geltungsdauer der ursprünglichen
Aufenthaltserlaubnis hinaus noch während des gerichtlichen Verfahrens auf
vorläufigen Rechtsschutz fortdauerte. Denn mit der hiermit gegebenen Gestattung
der Erwerbstätigkeit wird dem Ausländer keine eigenständige Rechtsposition auf
dem Arbeitsmarkt eingeräumt, die vom Bestehen eines Aufenthaltsrechts
unabhängig wäre und deren Entzug durch die Beendigung des Aufenthaltsrechts
sich deshalb gegenüber diesen Arbeitnehmern als nach Art. 10 Abs. 1 ARB Nr.
1/80 unzulässige Diskriminierung darstellen könnte. Vielmehr hat das vorläufige
Beschäftigungsrecht des Antragstellers seinen Grund allein in der gesetzlichen
Vermutung, dass das Fehlen eines Anspruchs auf Verlängerung des bisherigen
Aufenthaltsrechts bis zu einer Entscheidung der Ausländerbehörde und dem
Abschluss eines Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz noch unsicher ist, sodass
es unverhältnismäßig wäre, dem Ausländer die Möglichkeit der Aufnahme oder
Fortführung einer Erwerbstätigkeit bereits vor einer entsprechenden ablehnenden
Entscheidung der Ausländerbehörde und der Verwaltungsgerichte zu nehmen.
Ebenso wie in den sonstigen Fällen des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bleibt das
Beschäftigungsrecht des Ausländers insoweit allein auf das - in seinem Bestand
allerdings streitige - Aufenthaltsrecht bezogen, als es unmittelbar mit dem Eintritt
der Bestandskraft der ausländerrechtlichen Entscheidung oder des Wegfalls der
aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen diese wieder entfällt (so
zutreffend VGH BW, B. v.24.01.2008 – 11 S 2765/07 – Juris).
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Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch aus der Richtlinie 2003/86/EG des
Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf
Familienzusammenführung (ABl. L 251 S. 12) –
Familienzusammenführungsrichtlinie –. Auch wenn diese Richtlinie nur die
Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige regelt (Art. 1 der
Richtlinie) und deshalb im Falle des mit einer Deutschen verheirateten
Antragstellers nicht unmittelbar anwendbar ist, kann sie sich mittelbar auch auf
seinen Fall auswirken. Denn durch die Verweisung des § 28 Abs. 3 AufenthG auf §
31 AufenthG, der seinerseits der Umsetzung von Art. 15 der
Familienzusammenführungsrichtlinie dient, hat der Gesetzgeber diese für
Ehegatten von Drittstaatsangehörigen geltende Regelung auch auf Ehegatten von
Deutschen erstreckt, so dass auf Grund nationalen Rechts auch für diesen
Personenkreis die Vorgaben der Richtlinie zu beachten sind (BVerwG, U. v.
09.06.2009 – 1 C 11.08 – Rn. 29).
Allerdings lässt sich der einschlägigen Bestimmung in Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie
nicht entnehmen, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach
Scheitern der Ehe in weitergehendem Umfang als nach § 31 AufenthG in der oben
dargestellten Auslegung gewährt werden müsste. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 der
Familienzusammenführungsrichtlinie kann im Falle der Scheidung bzw. Trennung
Personen, die zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist sind, ein
eigener Aufenthaltstitel gewährt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift erlassen die
Mitgliedstaaten Bestimmungen, nach denen die Ausstellung eines eigenen
Aufenthaltstitels gewährleistet ist, „wenn besonders schwierige Umstände
vorliegen“. Aus der Begründung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission zu
der Richtlinie vom 01.12.1999 – KOM (1999) 638 endgültig S. 22 – geht hervor,
dass die Bestimmung dazu dient, der spezifischen Situation von Frauen gerecht zu
werden, die Opfer von Gewalt in der Familie geworden sind, oder von Frauen,
Witwen, Geschiedenen oder Verstoßenen, die sich in einer besonders schwierigen
Lage befinden würden, wenn sie gezwungen wären, in ihre Herkunftsländer
zurückzukehren. Diese Begründung, die auch für die spätere Fassung der Richtlinie
maßgeblich blieb, macht deutlich, dass die Vorschrift – ebenso wie die nationale
Regelung in § 31 Abs. 2 AufenthG – besondere Schwierigkeiten, die die Fortsetzung
einer Ehe unzumutbar machen oder die aus der Auflösung einer ehelichen
Lebensgemeinschaft resultieren, abfangen soll, nicht aber auch Umstände
erfassen soll, die damit nicht in Zusammenhang stehen und für die spezielle
Verfahren mit besonderen Zuständigkeiten bestehen (BVerwG, U. v. 09.06.2009 –
1 C 11.08 – Rn. 30).
Besonders schwierige Umstände i. S. d. von Art. 15 Abs. 3 der
Familienzusammenführungsrichtlinie sind im Falle des Antragstellers nicht
ersichtlich.
Der Antragsteller kann auch aus sonstigen Rechtsnormen keinen Anspruch auf
Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ableiten. Insoweit wird auf
die Verfügung Bezug genommen.
Sonstige private Interessen des Antragstellers, die einen Verbleib im Bundesgebiet
bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren geboten sein ließen,
sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
Da der Antragsteller das Bundesgebiet zu verlassen hat (§ 50 Abs. 1 AufenthG), ist
die verfügte Abschiebungsandrohung ebenfalls rechtmäßig (§ 59 AufenthG). Die
verfügte Frist zur freiwilligen Ausreise ist ausreichend bemessen.
Da der Antragsteller unterliegt, sind ihm die Kosten aufzuerlegen (§ 154 Abs. 1
VwGO). Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus §§ 52
Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG, wobei das Gericht wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung
von der Hälfte des Auffangstreitwertes ausgeht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.