Urteil des VG Darmstadt vom 23.11.2010

VG Darmstadt: industrie, hessen, gewerbe, grundsatz der gleichbehandlung, stadt, anbieter, realisierung, verwaltungsakt, verkehr, ausweisung

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Gericht:
VG Darmstadt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 K 865/09.DA
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 22 Abs 2 Nr 2 PlanG HE
2002, § 22 Abs 3 S 2 PlanG HE
2002, § 23 Abs 5 PlanG HE
2002, § 12 Abs 3 S 2 PlanG HE
2002
Abweichung vom Regionalplan und
Landesentwicklungsplan
Leitsatz
1. Die Ablehnung einer Abweichung vom Regionalplan entbindet die Oberste
Landesbehörde nicht davon, einen gestellten Antrag auf Zulassung einer Abweichung
vom Landesentwicklungsplan zu bescheiden, solange die Ablehnungsentscheidung der
Regionalversammlung nicht bestandskräftig geworden ist. Denn im Hinblick auf die
Sperrklausel des § 12 Abs. 3 S. 2 HLPG kann ohne die Zulassung einer Abweichung
vom Landesentwicklungsplan auch die begehrte Abweichung vom Regionalplan nicht im
Klagewege erfolgreich erstritten werden, sodass beide Ablehnungsbescheide parallel
angefochten werden müssen (im Anschluss an Hess VGH, Urt.v. 01.02.2007 - 4 UE
2480/06 -).
2. Aus § 22 Abs. 3 S. 2 und § 23 Abs. 5 HLPG ergibt sich die Ermächtigung der
Regionalversammlung, in Wahrnehmung ihrer Zuständigkeit aus § 12 Abs. 1 S. 1 HLPG
die ihr gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 HLPG zugewiesene Aufgabe der Beschlussfassung über
die Abweichung vom Regionalplan auf einen Ausschuss zu delegieren (tendenziell a. A.:
HessVGH, Urt. v. 25.03.2010 - 4 A 1687/09 -, NVwZ 2010, S. 1165 ff.
3. Bei den Zielbestimmungen des Regionalplans Südhessen 2000, wonach großflächige
Einzelhandelsbetriebe grundsätzlich in bestehenden zentralörtlichen
Siedlungsbereichen anzusiedeln und insbesondere solche mit innenstadtrelevanten
Sortimenten an Standorten außerhalb innerörtlicher Bereiche auszuschließen sind,
handelt es sich um Grundzüge der Regionalplanung.
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leisten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zulassung einer Abweichung von Zielen des
Landesentwicklungsplans Hessen 2000 sowie von Zielbestimmungen des
Regionalplans Südhessen 2000.
Im Regionalplan Südhessens 2000 ist die Klägerin als „Mittelzentrum“ eingestuft.
Mit Schreiben vom 19.11.2008 beantragte sie die Zulassung einer Abweichung
vom Landesentwicklungsplan Hessen 2000 gem. § 8 Abs. 8 HLPG und vom
Regionalplan Südhessen 2000 gem. § 12 Abs. 2 HLPG zugunsten eines
Sondergebiets „Elektrofachmarkt“ im Bereich des Gewerbegebiets „X./W.“. Der
Antrag wurde beim Regierungspräsidium Darmstadt eingereicht und von dort dem
Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung zur
Kenntnis und zum Verbleib übersandt.
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Die begehrte Abweichung sollte die Grundlage bilden für die Ausweisung eines
Sondergebiets im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO zur Ansiedlung eines
Elektrofachmarkts mit einer Verkaufsfläche von ca. 1.450 m² und einer
Geschossfläche von ca. 2000 m² auf dem Grundstück in der Gemarkung Stadt-B,
Flur 7, Flurstück Nr. 199/1, 198/1 teilweise und 197/2 teilweise. Als Betreiber ist
„V.“ vorgesehen, der die Errichtung eines Elektrofachmarkts im sogenannten Midi-
Size-Format plant mit einem Verkaufsflächenanteil von 350 m² für Elektrogeräte
des Segments der sogenannten „Weißen Ware“ und einem Anteil von 1.100 m² für
Sortimente der Unterhaltungselektronik.
Das geplante Sondergebiet umfasst eine Fläche von zirka 1,0 ha und liegt im
Westen der Kernstadt zwischen der U-Straße und der T-Bahn. Im Regionalplan
Südhessen 2000 ist diese Fläche als „Bereich für Industrie und Gewerbe, Bestand“
dargestellt. Sie liegt im Geltungsbereich des am 10.07.2009 bekanntgemachten
Bebauungsplans „X/W. – 1. Änderung – Teilplan A“ der die Fläche als
Gewerbegebiet ausweist. Im ursprünglichen, am 05.07.1995 in Kraft getretenen
Bebauungsplan „Gewerbegebiet X./W.“ war diese Fläche als „ Ausgleichsfläche-
Streuobstwiese“ festgesetzt. Als solche wird das Baugrundstück derzeit auch noch
genutzt.
Unmittelbar angelagert an die geplante Sondergebietsfläche im Dreieck zwischen
S. -Straße und der U-Straße sowie der Nordseite der S.-Straße haben sich z.T.
großflächige Einzelhandelsbetriebe angesiedelt, u.a. der R. Bau- und
Heimwerkermarkt, ein Rewe-Vollsortimenter, Getränke- und Drogeriemärkte sowie
mehrere Discount-Märkte (Penny, Lidl) und ein Textilmarkt (Vögele). Weiterhin
besteht hier das „Q.-Center“ mit zahlreichen Arztpraxen und gesundheitlichen
Einrichtungen. Diese Entwicklung führte zu einer Teilaufhebung des am 05.07.1995
in Kraft getretenen Bebauungsplans „Gewerbegebiet X./.W.“ mit am 27.10.2009
ortsüblich bekanntgemachten Satzungsbeschluss der Klägerin für einen ca. 4 ha
großen Bereich im Umfeld des R.-Baumarktes. Mit am 26.11.2009 bekannt
gemachten Bebauungsplan „Sondergebiet Baumarkt/Großflächiger Einzelhandel
S.-Straße“ wurde dieser Bereich als „Sondergebiet - Baumarkt und Sondergebiet -
Großflächiger Einzelhandel“ festgesetzt. Unmittelbar nördlich und östlich des
Vorhabengrundstücks befinden sich ungenutzte Flächen. Daran schließen sich
Wohn- und Mischgebiete an. Nach Süden grenzen ausschließlich gewerbliche
Nutzungen an. Auf dem südwestlich des geplanten Sondergebiets gelegenen
Grundstück Flur 7, Flurstück Nr. 226/2 und Nr. 226/3 ist zwischenzeitlich ein
Elektrofachmarkt mit einer Verkaufsfläche von 798 m² errichtet worden. Es handelt
sich hierbei um den ortsansässigen P.-Elektrofachmarkt O., dessen
Verlagerungsabsicht bereits vor dem Abweichungsantrag bekannt war.
Bedingt durch die bereits vorhandenen Einzelhandelseinrichtungen im Bereich der
S.Straße / N.-Straße / U-Straße wurde dieser Bereich im Entwurf des Regionalen
Einzelhandelskonzeptes (REHK) als Ergänzungsstandort aufgenommen. Die
Aussagen des REHK zum Einzelhandel sind als Ziele und Grundsätze in das Kapitel
3.4.3 des Regionalplanentwurfs 2009 eingeflossen, der in der Zeit vom 01.09. bis
02.11.2009 offen lag. Im Rahmen dieser Offenlage stellte die Klägerin Anträge zur
Neuabgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche und zur Änderung des
bisherigen Vorranggebiets „Gewerbe und Industrie“ in Vorranggebiet „Siedlung“.
Nach einem Beschlussvorschlag des Regierungspräsidiums Darmstadt soll dem
Antrag der Klägerin teilweise entsprochen und unter anderem eine
Neuabgrenzung der Ergänzungsstandorte vorgenommen werden. Damit würde
der Standort des geplanten Elektrofachmarkts nunmehr innerhalb des
Ergänzungsstandorts liegen, aber der Bereich nicht als Vorranggebiet „Siedlung“
ausgewiesen sein. Voraussichtlich in ihrer Sitzung am 17.12.2010 wird die
Regionalversammlung Südhessen über die Vorlage des Regionalplans Südhessen
beschließen. Der Regionalplanentwurf 2009 sieht unter Ziffer Z 3.4.3-4 vor, dass
regional bedeutsame großflächige Einzelhandelsvorhaben mit zentrenrelevanten
Sortimenten nur in den zentralen Versorgungsbereichen innerhalb der
„Vorranggebiete Siedlung“ anzusiedeln sind. Unter Ziffer Z 3.4.3-5 wird bestimmt,
dass regional bedeutsame großflächige Einzelhandelsvorhaben mit nicht
zentrenrelevanten Sortimenten ebenfalls nach Möglichkeit den zentralen
Versorgungsbereichen zuzuordnen sind. Wenn hier nach Prüfung keine geeigneten
Flächen zur Verfügung stehen, ist die Ansiedlung und Erweiterung solcher Betriebe
in Ergänzungsstandorte zu lenken. Nach der Sortimentsliste der Begründung
hierzu gehören Elektroklein- und -großgeräte zu den zentrenrelevanten
Sortimenten.
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Die Klägerin begründete ihren Abweichungsantrag damit, dass mit dem geplanten
Elektrofachmarkt die Versorgungssituation für das Technik-Sortiment verbessert
und der Kaufkraftabfluss reduziert werden soll. Der Standort weise die für die
Ansiedlung eines Elektrofachmarkts erforderliche Verkehrsinfrastruktur auf.
Aufgrund der kleinteilig strukturierten und zum Großteil denkmalgeschützten
Altstadt komme der Innenstadtbereich für die Ansiedlung eines großflächigen
Elektrofachmarkts nicht in Frage. Aus dem vorgelegten Einzelhandelsgutachten
der M. 2008 ergebe sich, dass eine entsprechende Verträglichkeit für das
Vorhaben zu konstatieren sei. Bei Realisierung des Vorhabens sei mit einer
nachhaltigen Stärkung des Mittelzentrums Stadt B zu rechnen, was auch vor dem
Hintergrund der Versorgungsfunktion für die umliegenden Gemeinden positiv zu
bewerten sei.
Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der
Gebietskörperschaften äußerte die Industrie- und Handelskammer Darmstadt
Bedenken, da nach dem Entwurf des REHK das geplante zentrenrelevante
Sortiment nur im Versorgungskern oder im zentralen Versorgungsbereich zulässig
sei. Der Hessische Unternehmensverband Einzelhandel Mitte-Süd e.V. erhob mit
Blick auf den REHK-Entwurf ebenfalls Bedenken und sah im Hinblick auf die
Verlagerung des ortsansässigen P.-Elektrofachmarkts O. in die unmittelbare Nähe
des geplanten Sondergebiets eine Erweiterung des Ergänzungsstandorts als nicht
erforderlich an. Die beteiligten Gebietskörperschaften äußerten keine Bedenken
gegen das geplante Vorhaben bzw. gaben keine Stellungnahme ab.
Die Regionalversammlung Südhessen übertrug in ihrer Sitzung vom 27.02.2009
sowohl hinsichtlich des Abweichungsantrags der Klägerin als auch hinsichtlich eines
Abweichungsantrags der Stadt L. die weitere Beratung und endgültigen
Beschlussfassung dem Haupt- und Planungsausschuss. Dieser führte am
26.03.2009 Ortstermine durch und stimmte dem Abweichungsantrag der Stadt L.
mehrheitlich zu, lehnte den der Klägerin jedoch ab.
Mit Bescheid vom 28.05.2009 gab das Regierungspräsidium Darmstadt als
Geschäftsstelle der Regionalversammlung Südhessen der Klägerin diese
Entscheidung zur Kenntnis. Zur Begründung wurde ausgeführt, das geplante
Vorhaben widerspreche den regionalplanerischen Zielsetzungen des Regionalplans
Südhessen 2000. Da die Klägerin als Mittelzentrum ausgewiesen sei, komme eine
Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsvorhaben zwar grundsätzlich in Frage. Die
Lage des geplanten Vorhabens widerspreche jedoch Kapitel 2.4.3 des
Regionalplans Südhessen 2000, wonach großflächige Einzelhandelsbetriebe eine
enge bauliche und funktionelle Verbindung zu bestehenden Siedlungsgebieten
aufweisen müssten. Außerdem handele es sich nicht um Sortimente, die
ausnahmsweise in den im Regionalplan Südhessen 2000 ausgewiesenen
Bereichen für Industrie und Gewerbe zulässig seien wie beispielsweise Baustoff-,
Bau-, Garten-, Brennstoff- und Reifenmärkte. Das geplante großflächige Technik-
und Elektrofachmarktsortiment stelle vielmehr ein typisches zentrenrelevantes
Sortiment dar und sei daher gemäß den regionalplanerischen Zielsetzungen nur in
den Innenstadtbereichen bzw. zentralen Ortskernbereichen oder Stadtteilzentren
zulässig. Die bestehende Einzelhandelsagglomeration mit mehreren kleinflächigen
Einzelhandelsvorhaben und dem großflächigen R.-Bau- und Heimwerkermarkt sei
entsprechend als Ergänzungsstandort in den Entwurf des REHK aufgenommen
worden. Der geplante Elektrofachmarkt liege jedoch nicht innerhalb dieses
Ergänzungsstandorts und stehe auch mit dem geplanten innenstadtrelevanten
Sortiment im Widerspruch zu dem REHK-Entwurf. Nach der M.-
Verträglichkeitsuntersuchung komme es zu einer Umsatzverteilungsquote von 7,5
Prozent bzw. 9,2 Prozent für die Technik-Anbieter in der Altstadt bzw. im übrigen
Stadtgebiet. Zwar werde damit die Erheblichkeitsgrenze von 10 Prozent nicht
überschritten, die Zahlen deuteten aber darauf hin, dass lokale Anbieter
Umsatzeinbußen verzeichnen werden. Vor diesem Hintergrund sei auch die
Verlagerungsabsicht des ortsansässigen P.-Elektrofachmarkts O. zu sehen.
Unabhängig von der Frage, ob am Standort der Klägerin die Tragfähigkeit für zwei
Elektrofachmärkte mit zusammen rund 2.250 m² Verkaufsfläche in unmittelbarer
Nachbarschaft gegeben sei, sei zu befürchten, dass bei Realisierung beider Märkte
kleinere Anbieter in der Kernstadt hohe Umsatzverluste zu verzeichnen hätten. Im
Falle der Realisierung des geplanten großflächigen Elektrofachmarkts könne eine
Gefährdung der vorhandenen Technik-Anbieter im Stadtgebiet nicht
ausgeschlossen werden, zumal sich im Fall der Verlagerung des ortsansässigen P.-
Elektrofachmarkts am Standort X./W. eine Technik-Agglomeration entwickeln
würde.
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Nach dem in der Behördenakte des Regierungspräsidiums Darmstadt
vorliegenden Sendebericht ist der Klägerin am 29.05.2000 per Telefax eine
Sendung mit 11 Seiten übermittelt worden.
Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung teilte in
einem Schreiben vom 08.05.2009 an das Regierungspräsidium Darmstadt mit,
dass das Vorhaben auch eine Abweichung von den Zielsetzungen des
Landesentwicklungsplans Hessen 2000 darstelle. Die Abweichung für das geplante
Sondergebiet Elektrofachmarkt im Bereich des Gewerbegebiets „X./W.“ werde
nicht zugelassen. Zur Begründung verwies das Ministerium auf die
Beschlussvorlage des Regierungspräsidiums Darmstadt Nr. VII/64.1 vom Februar
2009.
Am 01.07.2009 hat die Klägerin vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben.
Die Klage gegen die abgelehnte Abweichung vom Regionalplan Südhessen 2000
sei nicht verfristet, da der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums
Darmstadt vom 28.05.2009 der Klägerin erst am 02.06.2009 zugegangen sei. Ein
früherer Zugang per Telefax sei nicht erfolgt. Zwar sei in der Behördenakte ein
Sendebericht enthalten, demzufolge 11 Seiten am 29.05.2009 um 7:44/7:48 Uhr
übermittelt worden seien. Gleichwohl sei der Bescheid nicht per Telefax
zugegangen. Ein Verzeichnis über Posteingänge werde bei der Klägerin zwar nicht
geführt, jedoch sei in den letzten sechs Jahren kein Fall eines abhanden
gekommenen Telefaxes aufgetreten. Der Nachweis eines früheren Zugangs könne
nicht mit dem „Blanko-Sendebericht“ geführt werden.
Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe einen Rechtsanspruch auf
Zulassung der beantragten Abweichung, mindestens jedoch einen Anspruch auf
Neubescheidung nach ermessensfehlerfreier Abwägung. Die angegriffene
Ablehnungsentscheidung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil nicht die hierfür
zuständige Regionalversammlung über den gestellten Abweichungsantrag
entschieden habe, sondern der Haupt- und Planungsausschuss. Eine
Rechtsgrundlage für eine Delegationsbefugnis der endgültigen Beschlussfassung
auf den Haupt- und Planungsausschuss sei nicht ersichtlich. Die Klägerin habe
einen Rechtsanspruch auf Zulassung der beantragten Abweichung, denn im
Rahmen der nach § 12 Abs. 3 Satz 1 HLPG zu treffenden Ermessensentscheidung
hätte berücksichtigt werden müssen, dass dem hier streitgegenständlichen
Abweichungsantrag ein Sachverhalt zugrunde liege, der mit dem
Abweichungsantrag der Stadt L. vergleichbar sei. Es seien keine sachlichen Gründe
ersichtlich, warum die beantragte Abweichung der Stadt L. zugelassen und der
Abweichungsantrag der Klägerin abgelehnt worden sei. Dies sei ein
Ermessensfehlgebrauch. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung bestehe
ein Rechtsanspruch auf Zulassung der Abweichung. Soweit die Ablehnung mit
einem Widerspruch gegen das Regionale Einzelhandelskonzept (REHK) begründet
werde, handele es sich lediglich um einen Entwurf, der derzeit noch keinerlei
Verbindlichkeit beanspruchen könne. Die Neuabgrenzung der
Ergänzungsstandorte zeige, dass es sich bei dem seinerzeitigen Entwurf des REHK
nicht um eine fachlich fundierte Grundlage für die angegriffene
Ablehnungsentscheidung gehandelt habe.
Die Klage auf Zulassung einer Abweichung vom Landesentwicklungsplan Hessen
sei als Verpflichtungsklage ebenfalls statthaft und auch im Übrigen zulässig. Es sei
davon auszugehen, dass die Klägerin einen Abweichungsantrag vom
Landesentwicklungsplan gestellt habe. Mit Schreiben des Regierungspräsidiums
Darmstadt vom 19.12.2008 sei dem Ministerium der Antrag auf Zulassung einer
Abweichung vom Landesentwicklungsplan Hessen 2000 gem. § 8 Abs. 8 HLPG und
vom Regionalplan Südhessen 2000 gem. § 12. Abs. 2 HLPG zugunsten eines
Sondergebiets-Elektrofachmarkt übermittelt worden. Auf dem Begleitschreiben
fänden sich handschriftliche Verfügungen, so unter anderem „1) Neues AV“. Der
Verwaltungsakte sei ein Vorblatt vorgeheftet, auf dem die Antragstellung vermerkt
sei. Das Schreiben des Ministeriums vom 08.05.2009 sei als
Ablehnungsverwaltungsakt auszulegen. Es sei zwar nicht an die Antragstellerin
adressiert, sondern an das Regierungspräsidium Darmstadt. Mit dem Schreiben
werde jedoch in ablehnender Form über den Antrag der Klägerin auf Abweichung
vom Landesentwicklungsplan entschieden. Diese Entscheidung sei ihr durch den
Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28.05.2009 bekanntgegeben
worden, in dem auf das Schreiben des Ministeriums vom 08.05.2009 verwiesen
werde.
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Die Klage sei auch insoweit begründet, weil die Klägerin einen Rechtsanspruch auf
Zulassung der beantragten Abweichung vom Landesentwicklungsplan 2000 habe.
Mit der von der M. eingeholten Verträglichkeitsprüfung habe die Klägerin
nachgewiesen, dass die Zulassung der beantragten Abweichung unter
raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar sei. Da die Abweichung nicht die
Grundzüge des Landesentwicklungsplans berühre und der Sachverhalt mit
demjenigen vergleichbar sei, der dem Abweichungsantrag der Stadt L. zugrunde
liege, bestehe unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ein Rechtsanspruch
auf Zulassung der Abweichung vom Landesentwicklungsplan.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28. Mai 2009
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Zulassung einer
Abweichung von den Zielen des Landesentwicklungsplans Hessens sowie von den
Zielbestimmungen des Regionalplans Südhessen zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Ministerium als oberste Landesplanungsbehörde habe gegenüber der Klägerin
bisher keinen Verwaltungsakt erlassen. Es sei zwar richtig, dass bei einer positiven
Entscheidung neben der Abweichung von den Zielen des Regionalplans Südhessen
auch eine Abweichung von den Zielen des Landesentwicklungsplans Hessen 2000
erforderlich gewesen wäre. Eine abschließende Entscheidung zum
Landesentwicklungsplan sei im vorliegenden Fall aber nicht erforderlich gewesen,
weil die Regionalversammlung bereits die Ablehnung beschlossen habe. Insoweit
handele es sich bei dem Schreiben vom 08.05.2009 an das Regierungspräsidium
auch nur um eine verwaltungsinterne Mitteilung zur Einschätzung der Sach- und
Rechtslage. Im Übrigen habe die Klägerin auch nie einen Antrag auf
Zielabweichung bei dem Ministerium gestellt, sodass auch eine Untätigkeitsklage
nicht statthaft sei. Das Regierungspräsidium Darmstadt habe das Ministerium
lediglich im Rahmen der verwaltungsinternen Berichterstattung über das
anhängige Verwaltungsverfahren unterrichtet.
Die Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.05.2009 sei zwar nicht
verfristet, da die Zustellung mittels Telefax nicht gem. § 5 Abs. 4 VwZG gegen
Empfangsbekenntnis erfolgt sei. Die Klage sei jedoch unbegründet. Sowohl § 8
Abs. 8 HLPG als auch § 12 Abs. 3 Satz 1 HLPG sei eine Ermessensvorschrift. Die
Versagung der beantragten Abweichung werde nicht nur mit dem Verstoß gegen
Zielsetzungen des Regionalen Einzelhandelskonzepts (REHK) begründet, sondern
auch mit dem Widerspruch des geplanten Vorhabens zu Zielsetzungen des
Regionalplans Südhessen und des Landesentwicklungsplans Hessen 2000. Auch
wenn der Standort des geplanten Elektrofachmarkts nunmehr innerhalb des
Ergänzungsstandorts liegen würde, seien zentrenrelevante Sortimente gemäß den
Zielsetzungen des Regionalplanentwurfs 2009 im Ergänzungsstandort aber
weiterhin nicht zulässig. Der Abweichungsbescheid setze sich auch mit den von
der M. erstellten gutachterlichen Äußerungen auseinander, insbesondere auch
hinsichtlich der genannten Umverteilungsquoten. Auch die in diesem Gutachten
angesprochene beabsichtigte Verlagerung und Verkaufsflächenerweiterung des
ortsansässigen P.- Elektrofachmarkts O. werde im Ablehnungsbescheid ausführlich
behandelt. Das Gutachten der M.enthalte jedoch keine belastbaren Aussagen
bezüglich der Ermittlung des tragfähigen Verkaufsflächenpotentials für zwei
Elektrofachmärkte im Gewerbegebiet X./W. und zu den Auswirkungen einer
sogenannten Technik-Agglomeration für die ansässigen übrigen
Elektrofachgeschäfte bzw. Anbieter des Technik-Sortiments. Da von dem
geplanten Elektrofachmarkt Zielsetzungen des geltenden Regionalplans
Südhessen 2000 sowie Zielsetzungen des REHK-Entwurfs betroffen seien und
negative Auswirkungen auf kleinere Anbieter in der Kernstadt nicht
ausgeschlossen werden könnten, sei die Abweichung für den geplanten
Elektrofachmarkt nicht zugelassen worden. Der Zulassung einer Abweichung für
einen großflächigen Elektrofachmarkt zugunsten der Stadt L. liege kein
vergleichbarer Sachverhalt zugrunde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten (2 Hefter) verwiesen, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
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Entscheidungsgründe
Die Klagen sind zulässig.
Die Verpflichtungsklage auf Zulassung einer Abweichung von Zielbestimmungen
des Regionalplans Südhessen 2000 ist fristgemäß erhoben worden. Der
Ablehnungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28.05.2009 ist der
Klägerin erst am 02.06.2009 bekannt gegeben worden. Der Nachweis eines
früheren Zugangs lässt sich mit dem auf Bl. 128 der Behördenakte des
Regierungspräsidiums Darmstadt befindlichen Blanko- Sendebericht nicht führen.
Danach sind der Klägerin am 29.05.2009 um 07:44 Uhr/07:48 Uhr zwar 11 Seiten
übermittelt worden. Ein unter Verwendung eines Telefaxgeräts übermittelter
schriftlicher Verwaltungsakt ist aber erst dann wirksam bekannt gegeben worden,
wenn er von dem empfangenden Telefaxgerät ausgedruckt worden ist. Der
Nachweis des Zugangs obliegt gem. § 41 Abs. 2 HVwVfG der Behörde, vorliegend
mithin dem Regierungspräsidium Darmstadt. Dafür reicht es nicht aus, wenn der
zugehörige Sendebericht zwar einen OK-Vermerk für die Übermittlung, aber keine
Kopie der übermittelten Seiten enthält. Denn daraus lässt sich nicht erkennen, ob
beschriftete oder unbeschriftete Seiten übertragen wurden (vgl. BFH, Urt. v.
08.07.1998 – I R 17/96 – NVwZ 1999, 220 und Juris). Die Übermittlung ist gem. § 5
Abs. 4 Verwaltungszustellungsgesetz auch nicht gegen Empfangsbekenntnis
erfolgt. Die Klagefrist begann damit erst mit der nachweislichen Bekanntgabe des
Ablehnungsbescheids am 02.06.2009. Mit Erhebung der Klage am 01.07.2009 hat
die Klägerin daher die Klagefrist von einem Monat gem. § 74 Abs. 1 und 2 VwGO
beachtet.
Die Verpflichtungsklage auf Zulassung einer Abweichung von den Zielen des
Landesentwicklungsplans Hessen 2000 ist ebenfalls zulässig. Das Schreiben vom
08.05.2009, mit dem das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und
Landesentwicklung dem Regierungspräsidium Darmstadt mitteilte, dass eine
Abweichung für das geplante Sondergebiet Elektrofachmarkt im Bereich des
Gewerbegebiets „X./W.“ nicht zugelassen werde, stellt zwar keinen gegenüber der
Klägerin erlassenen Verwaltungsakt dar. Gem. § 41 Abs. 1 HVwVfG ist ein
Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist
oder der von ihm betroffen wird. Er wird gem. § 43 Abs. 1 HVwVfG in dem
Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wird. Bekanntgabe ist die
Eröffnung des Verwaltungsakts mit Wissen und Wollen der erlassenden Behörde
(vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 41 RnNr. 6 ff.). Danach reicht der Verweis
auf das Schreiben des Ministeriums in dem Bescheid des Regierungspräsidiums
Darmstadt vom 28.05.2009 für eine wirksame Bekanntgabe der Ablehnung der
Abweichung vom Landesentwicklungsplan Hessen 2000 nicht aus. Das
Regierungspräsidium Darmstadt als Obere Landesplanungsbehörde ist insoweit
weder zuständige noch erlassende Behörde. Ein nicht wirksam bekannt gegebener
Verwaltungsakt ist jedoch nicht existent und ein reines Verwaltungsinternum (vgl.
Kopp/Ramsauer, HVwVfG, 9. Aufl., § 41 RnNr. 1).
Die Verpflichtungsklage ist jedoch als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig,
da über den Antrag der Klägerin ohne zureichenden Grund in angemessener Frist
nicht wirksam entschieden worden ist. Unter dem 19.11.2008 beantragte die
Klägerin die Zulassung einer Abweichung vom Landesentwicklungsplan Hessen
2000 gem. § 8 Abs. 8 HLPG und vom Regionalplan Südhessen 2000 gem. § 12
Abs. 3 HLPG. Dieser Antrag wurde zwar lediglich beim Regierungspräsidium
Darmstadt eingereicht, von dort aber mit Schreiben vom 19.12.2008 an das gem.
§ 8 Abs. 8 Hessisches Landesplanungsgesetz (HLPG) für die Entscheidung über die
Zulassung einer Abweichung von den Zielen des Landesentwicklungsplans
zuständige Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
weitergeleitet. Entsprechend ist auch ein Vorgang beim Ministerium angelegt
worden. Der Umstand, dass die Regionalversammlung Südhessen bereits die
Zulassung einer Abweichung von den Zielbestimmungen des Regionalplans
Südhessen 2000 abgelehnt hat, stellt keinen ausreichenden Grund dar, nicht
abschließend mit einem rechtsmittelfähigen Bescheid über die Abweichung von
den Zielen des Landesentwicklungsplans zu entscheiden. Nach § 12 Abs. 3 S. 2
HLPG dürfen Abweichungen vom Regionalplan nicht zugelassen werden, wenn eine
entsprechende Festsetzung im Regionalplan nach § 11 Abs. 3 HLPG nicht
genehmigt werden könnte. Diese Sperrklausel erfordert es, dass parallel zur
Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan auch ein Abweichungsverfahren
zum Landesentwicklungsplan durchgeführt wird, wenn das Planungsvorhaben auch
mit den Zielen des Landesentwicklungsplans nicht vereinbar ist (vgl. HessVGH,
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mit den Zielen des Landesentwicklungsplans nicht vereinbar ist (vgl. HessVGH,
Urt. v. 01.02.2007 – 4 UE 2480/06 -). Sofern bereits die Regionalversammlung die
Voraussetzungen einer Abweichung vom Regionalplan als nicht gegeben ansieht,
war für diese das Eingreifen der Sperrklausel des § 12 Abs. 3 Satz 2 HLPG und
damit die Frage der Zulassungsfähigkeit einer Abweichung vom
Landesentwicklungsplan nicht entscheidungserheblich. Dies entbindet die Oberste
Landesbehörde jedoch nicht davon, einen gestellten Antrag auf Zulassung einer
Abweichung vom Landesentwicklungsplan zu bescheiden, solange die
Ablehnungsentscheidung der Regionalversammlung nicht bestandskräftig
geworden ist. Denn im Hinblick auf die Sperrklausel des § 12 Abs. 3 S. 2 HLPG
kann ohne die Zulassung einer Abweichung vom Landesentwicklungsplan auch die
begehrte Abweichung vom Regionalplan nicht im Klagewege erfolgreich erstritten
werden, sodass beide Ablehnungsbescheide parallel angefochten werden müssen.
Die Klagen sind jedoch unbegründet.
Die Ablehnung der begehrten Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan
Südhessen 2000 mit Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses vom
26.03.2009 in Gestalt des Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
28. Mai 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie
hat auch keinen Anspruch auf Zulassung einer Abweichung vom
Landesentwicklungsplan Hessen 2000 (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Der angegriffene Ablehnungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
28.05.2009 ist nicht deshalb rechtswidrig, weil er auf dem Beschluss des Haupt-
und Planungsausschusses vom 26.03.2009 beruht und nicht die
Regionalversammlung als Plenum über den Abweichungsantrag der Klägerin
entschieden hat. Zuständig für die Entscheidung über die Zulassung einer
Abweichung vom Regionalplan ist gem. § 12 Abs. 1 S. 1 HLPG die
Regionalversammlung. In § 22 Abs. 2 Nr. 2 HLPG ist bestimmt, dass die
Regionalversammlung über die Abweichung vom Regionalplan beschließt. Während
§ 12 Abs. 1 S. 1 HLPG eine Zuständigkeitsregelung trifft, handelt es sich bei der
Vorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 2 HLPG um eine Kompetenzzuweisung. Dabei räumt
§ 22 Abs. 3 S. 2 HLPG der Regionalversammlung das Recht ein, ihre inneren
Angelegenheiten und die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu organisieren. Ergänzt
wird diese Vorschrift durch § 23 Abs. 5 HLPG, wonach sich die
Regionalversammlung eine Geschäftsordnung gibt. Außerdem hat sie einen
Haupt- und Planungsausschuss als ständigen Ausschuss zu bestellen und ist
darüberhinaus befugt, weitere Ausschüsse einzurichten, die auch für bestimmte
Aufgaben von abgegrenzten Teilen der Planungsregion zuständig sein können.
Daraus ergibt sich die Ermächtigung der Regionalversammlung, in Wahrnehmung
ihrer Zuständigkeit aus § 12 Abs. 1 S. 1 HLPG die ihr zugewiesene Aufgabe der
Beschlussfassung über die Abweichung vom Regionalplan auf einen Ausschuss zu
delegieren (tendenziell anderer Ansicht: HessVGH, Urt. v. 25.03.2010 – 4 A
1687/09 -, NVwZ 2010, S. 1165 ff.). Soweit nach der Begründung des
Gesetzentwurfs zur Neufassung des Hessischen Landesplanungsgesetzes vom
12.03.2002 (LT-Drucks. 15/3746, S. 24) ausgeführt wird, die Regionalversammlung
als Plangeber solle auch weiterhin Einfluss auf den Planvollzug haben und deshalb
auch für die Entscheidung über die Abweichung zuständig bleiben, lässt sich dem
nicht entnehmen, dass die Beschlussfassung der Regionalversammlung als
Plenum vorbehalten bleiben muss. Damit wird lediglich erläutert, weshalb es
entgegen der ursprünglich vorgesehenen Übertragung der
Entscheidungskompetenz für Abweichungen auf die Obere Landesbehörde bei der
Zuständigkeit der Regionalversammlung verbleibt und der als erforderlich
erachtete staatliche Einfluss durch die Ersetzungsbefugnis in § 12 Abs. 4 HLPG
gewährleistet wird. Dem gegenüber zeigt die Regelung in § 23 Abs. 5 S. 4 HLPG,
wonach bestimmte Aufgaben nicht auf Ausschüsse übertragen werden dürfen,
dass der Gesetzgeber mit Ausnahme dieser ausschließlich der
Regionalversammlung als Plenum vorbehaltenen Kompetenzen die Organisation
der Aufgabenwahrnehmung einschließlich der abschließenden Entscheidung über
die Zulassung einer Abweichung der Regionalversammlung überlassen wollte.
Nach § 10 der Geschäftsordnung der Regionalversammlung Südhessen vom
15.09.2006 obliegt den Ausschüssen lediglich die Vorbereitung der Beschlüsse der
Regionalversammlung. Abweichungen hiervon sind nach § 23 der
Geschäftsordnung jedoch im Einzelfall durch Beschluss der Regionalversammlung
möglich. Hiervon wurde vorliegend in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch
gemacht. Aus der Niederschrift über die 11. Sitzung der Regionalversammlung
Südhessen vom 27.02.2009 geht hervor, dass die Anträge der Stadt L. und der
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Südhessen vom 27.02.2009 geht hervor, dass die Anträge der Stadt L. und der
Klägerin auf Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan Südhessen 2000
zugunsten eines Elektrofachmarkts vom Plenum an den Haupt- und
Planungsausschuss zur weiteren Beratung und endgültigen Beschlussfassung
überwiesen wurden. Diese Delegation der Entscheidung über eine Abweichung ist
nicht zu beanstanden, so dass der Beschluss über den Abweichungsantrag der
Klägerin nicht von einem hierfür unzuständigen Gremium getroffen worden ist.
Der Ablehnungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28.05. 2009
ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Zulassung der begehrten Abweichung vom Regionalplan Südhessen 2000. Die
Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 HPLG liegen nicht vor. Danach kann die
Abweichung vom Regionalplan zugelassen werden, wenn sie unter
raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge des
Regionalplans nicht berührt werden. Abweichungen dürfen nicht zugelassen
werden, wenn eine entsprechende Festsetzung im Regionalplan nach § 11 Abs. 3
HLPG nicht genehmigungsfähig ist. § 11 Abs. 3 Ziff. 1 HLPG bestimmt, dass ein
Regionalplan unter anderem dann nicht genehmigt werden darf, wenn er gegen
Ziele des Landesentwicklungsplans verstößt und eine Abweichung hiervon nicht
zugelassen wird.
Die Klägerin hat nicht in ausreichendem Umfang dargelegt, dass die beantragte
Abweichung für die Ausweisung eines Sondergebiets Elektrofachmarkt im
Gewerbegebiet X./W. unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist.
Hierzu hat sie eine Verträglichkeitsuntersuchung der M. vom September 2008
vorgelegt. Daraus ergibt sich für die als Mittelzentrum eingestufte Klägerin zwar
eine eindeutige Unterversorgung im Technik-Segment, die sich in erheblichen
Kaufkraftabflüssen niederschlägt. Das Gutachten legt dar, dass durch die
Ansiedlung eines großflächigen Elektrofachmarkts unmittelbar in die bestehende
Einzelhandelsagglomeration im Westen des Stadtgebiets diese
Versorgungsdefizite ausgeglichen werden könnten. Für die lokalen Technik-
Anbieter sei zwar mit Umsatz-Umverteilungsquoten im oberen einstelligen Bereich
zu rechnen, die aber unter Verträglichkeitsaspekten tolerierbar seien. Zudem sei
insgesamt mit einer Steigerung des Einzelhandelsumsatzes durch die zu
erwartenden deutlichen Kaufkraftzuflüsse zu rechnen. Das Gutachten kommt zu
dem Ergebnis, dass die Realisierung des Planvorhabens zu einer nachhaltigen
Stärkung der Versorgungsfunktion des Mittelzentrums führen würde. In Anbetracht
der besonderen städtebaulichen Struktur im zentralen Versorgungsbereich der
Klägerin erscheine es daher tolerierbar, den Ergänzungsstandort auch mit
Anbietern zentrenrelevanter Sortimenten zu bestücken. Die Klägerin hatte zur
Begründung ihres Abweichungsantrags insoweit geltend gemacht, aufgrund der
kleinteilig strukturierten und zum Großteil denkmalgeschützten Altstadt komme
der Innenstadtbereich für die Ansiedlung eines großflächigen Elektrofachmarktes
nicht in Betracht.
Gegen dieses insoweit durchaus nachvollziehbare Gutachten trägt der Beklagte
aber zutreffend vor, dass es keine belastbaren Aussagen bezüglich der Ermittlung
des tragfähigen Verkaufsflächenpotentials für zwei Elektrofachmärkte im
Gewerbegebiet X./W. und zu den Auswirkungen einer sogenannten Technik-
Agglomeration für die übrigen ansässigen Elektrofachgeschäfte bzw. Anbieter des
Technik-Sortiments enthält. Durch die Verlagerung des ortsansässigen P.-
Elektrofachmarkts O. in das Gewerbegebiet X./W. würde im Fall der Realisierung
des geplanten Vorhabens der Klägerin an dem Standort eine Technik-
Agglomeration mit einer Verkaufsfläche von rund 2.250 m² entstehen. Hinsichtlich
der Tragfähigkeit von zwei Elektrofachmärkten in unmittelbarer Nachbarschaft hat
das Gutachten zwar durchaus nachvollziehbar dargelegt, dass der ortsansässige
P.-Elektrofachmarkt O. mögliche Umsatzverluste durch zu erwartende
Standortverbundeffekte an dieser Einzelhandelsagglomeration, mit einem
optimierten Verkaufsflächenprogramm und einer gezielten Sortimentsausrichtung
kompensieren könnte. Durch die Standortverlagerung sei ein breiterer
Kundenkreis als am bisherigen Standort erreichbar. Nicht untersucht wurde indes,
ob sich das bei Realisierung beider Märkte entstehende Verkaufsflächenpotential
von 2.250 m² im Versorgungsgebiet der Klägerin trägt und in welchem Umfang die
übrigen Technik-Anbieter im Stadtgebiet mit Umsatzverlusten zu rechnen hätten.
Hiergegen hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung zwar zutreffend
eingewendet, dass im Zeitpunkt der Erstellung des M.-Gutachtens noch nicht
feststand, ob die Standortverlagerung und Verkaufsflächenerweiterung des
ortsansässigen P.- Elektrofachmarkts O.tatsächlich erfolgen wird. Bei der
vorliegenden Verpflichtungsklage auf Zulassung einer Abweichung ist jedoch auf
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vorliegenden Verpflichtungsklage auf Zulassung einer Abweichung ist jedoch auf
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
abzustellen, sodass nach erfolgter Verlagerung und Erweiterung des
ortsansässigen Elektrofachmarkts dies in einer ergänzenden Begutachtung hätte
untersucht werden müssen.
Die Abweichung kann aber insbesondere deshalb nicht zugelassen werden, weil
das Planvorhaben der Klägerin Grundzüge des Regionalplans Südhessen 2000
berührt. Ziffer 2.4.1-3 bestimmt, dass Sonderbauflächen nur in
„Siedlungsbereichen Bestand und Zuwachs“ zulässig sind. Demgegenüber haben
ausgewiesene „Bereiche für Industrie und Gewerbe“ gegenüber anderen
Nutzungsansprüchen Vorrang (Ziffer 2.4.2-5). Die Einrichtung von Verkaufsflächen
innerhalb dieser Bereiche ist nach Ziffer 2.4.3-6 nur für die Selbstvermarktung der
in diesen Gebieten produzierenden und weiterverarbeitenden Betriebe zulässig,
wenn die Verkaufsfläche einen untergeordneten Teil der durch das
Betriebsgebäude überbauten Fläche einnimmt und zu keinen negativen
Auswirkungen führt. In Bezug auf großflächige Einzelhandelsvorhaben bestimmt
Ziffer 2.4.3-3, dass sie eine enge bauliche und funktionelle Verbindung zu
bestehenden Siedlungsgebieten aufweisen müssen. Standorte außerhalb der
gewachsenen zentralörtlichen Siedlungsbereiche sind auszuschließen, soweit es
sich nicht um Vorhaben handelt, die für eine Unterbringung im innerstädtischen
Bereich ungeeignet sind (zum Beispiel Baustoff-, Bau-, Garten-, Reifen-,
Brennstoffmärkte). Außerhalb der Innenstadtbereiche, Ortskerne und
Stadtteilzentren sind aber innenstadtrelevante Sortimente auszuschließen (Ziffer
2.4.3-4). Diesen regionalplanerischen Zielvorgaben widerspricht das geplante
Sondergebiet zur Ansiedlung eines Elek-trofachmarkts mit einer Verkaufsfläche
von zirka 1.450 m² und einer Geschossfläche von zirka 2000 m² im Bereich des
Bebauungsplans „Gewerbegebiet X./W.“. Nach den planerischen Vorstellungen der
Klägerin soll die Ausweisung in einem Bereich erfolgen, der im Regionalplan als
Vorrangfläche für „Industrie und Gewerbe“ ausgewiesen ist. Dort sind
Verkaufsflächen aber nur unter den in Kapitel 2.4.3-6 genannten Voraussetzungen
zur Selbstvermarktung zulässig. Außerdem ist der Elektrofachmarkt als
großflächiges Einzelhandelsvorhaben mit innenstadtrelevanten Sortimenten in den
zentralörtlichen Siedlungsbereich zu integrieren.
Die Formulierung der genannten Ziele des Regionalplans Südhessen 2000 lässt
erkennen, dass es sich hierbei um Grundzüge der Regionalplanung handelt. Nach
dem Willen des Plangebers sind Sondergebiete für großflächigen Einzelhandel den
„Siedlungsbereichen“ vorbehalten. Sie sind grundsätzlich in zentralörtlichen
Siedlungsbereichen anzusiedeln. Ausnahmen hiervon sind nur zugelassen, wenn
es sich um Vorhaben handelt, die für eine Unterbringung im innerstädtischen
Bereich ungeeignet sind. Für großflächige Einzelhandelsvorhaben mit
zentrenrelevanten Sortimenten ist die Ansiedlung außerhalb innerörtlicher
Siedlungsbereiche explizit nochmals ausgeschlossen worden. Der Plangeber
nimmt damit in Kauf, dass unter bestimmten Umständen großflächige
Einzelhandelsvorhaben in einem Gebiet nicht realisiert werden können. Begründet
wird dies damit, dass großflächige Einzelhandelsvorhaben geeignet sind, bei
falscher Standortwahl die raumordnerische und städtebauliche Struktur negativ zu
beeinflussen. Daher soll im Rahmen der Regional- und Bauleitplanung
sichergestellt werden, dass sich der Einzelhandel an städtebaulich integrierten
Standorten entfalten kann. Damit wird der Zweck verfolgt, die verbrauchernahe
Versorgung zu gewährleisten und die Attraktivität der Innenstädte,
Stadtteilzentren und Ortskerne zu stärken. Hierbei handelt es sich für die Kammer
deutlich erkennbar um einen Grundgedanken, der planerisch dahin umgesetzt
wurde, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe in die bestehenden
Siedlungsgebiete zu integrieren und insbesondere solche mit
innenstadtrelevanten Sortimenten an Standorten außerhalb innerörtlicher
Bereiche auszuschließen sind. Der Standort des geplanten großflächigen
Elektrofachmarkts mit seinen typischen innenstadtrelevanten Sortimenten liegt
nicht nur außerhalb des zentralen Innenstadtbereichs, sondern zudem in einem
Gebiet, das im gültigen Regionalplan Südhessen 2000 als Vorrangfläche für
„Industrie und Gewerbe“ ausgewiesen ist. Damit ist es mit dem planerischen
Grundgedanken zum großflächigen Einzelhandel nicht mehr vereinbar. Die
Zulassung der begehrten Abweichung würde eine erneute planerische Abwägung
erfordern, ob sinnvollerweise großflächiger Einzelhandel mit zentrenrelevanten
Sortimenten ausnahmsweise auch außerhalb der zentralörtlichen
Siedlungsgebiete, beispielweise in Ergänzungsstandorten, angesiedelt werden
kann, wenn die besondere städtebauliche Struktur dazu führt, dass andernfalls
solche Vorhaben in einem dafür grundsätzlich vorgesehenen Mittelzentrum nicht
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solche Vorhaben in einem dafür grundsätzlich vorgesehenen Mittelzentrum nicht
realisiert werden können.
Da bereits eine Unvereinbarkeit mit den Grundzügen des derzeit gültigen
Regionalplans Südhessen 2000 festzustellen ist, kommt es nicht darauf an, ob der
geplante Elektrofachmarkt mit seinen zentrenrelevanten Sortimenten auch in
Widerspruch zu dem Entwurf des Regionalen Einzelhandelskonzept (REHK) steht.
Dessen Aussagen zum Einzelhandel sind als Ziele und Grundsätze in den
Regionalplanentwurf 2009 eingeflossen. Danach sind regional bedeutsame
großflächige Einzelhandelsvorhaben mit zentrenrelevanten Sortimenten ebenfalls
nur in den zentralen Versorgungsbereichen innerhalb der „Vorranggebiete
Siedlung“ anzusiedeln (Ziffer Z 3.4.3-4). Zutreffend geht der Beklagte zwar davon
aus, dass in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung als unbenannte
öffentliche Belange bei der Erteilung einer Baugenehmigung zu berücksichtigen
sind. Dies mag auch für die Aufstellung der Bauleitplanung und die Zulassung
einer Abweichung gelten. Voraussetzung ist jedoch, dass hinreichend sicher zu
erwarten ist, dass das Ziel über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen
Vorgabe erstarkt. Dazu ist erforderlich, dass der Abwägungsprozess
abgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.2005 – 4 C 5/04 -, NVwZ 2005, 85 ff.;
BVerwG, Urt. v. 01.07.2010, - 4 C 4/08 -, DVBl 2010, 1377 ff.). Ob dies vorliegend
der Fall ist, unterliegt erheblichen Zweifeln. Über die im Rahmen der Offenlage des
Regionalplanentwurfs 2009 von der Klägerin eingereichten Anträge zur
Neuabgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche und zur Änderung des
bisherigen Vorranggebiets „Gewerbe und Industrie“ in Vorranggebiet „Siedlung“
hat die Regionalversammlung noch nicht rechtsverbindlich entschieden. Es liegt
lediglich ein Entscheidungsvorschlag des Regierungspräsidiums Darmstadt vor,
wonach unter anderem eine Neuabgrenzung der Ergänzungsstandorte
vorgenommen werden soll. Dies würde dazu führen, dass der Standort des
geplanten Elektrofachmarkts zwar innerhalb eines Ergänzungsstandorts liegt. Der
Bereich wäre aber nach wie vor nicht als Vorranggebiet „Siedlung“ ausgewiesen
und läge auch nicht im zentralen Versorgungsbereich. Ob die
Regionalversammlung als zuständiges Organ für die Aufstellung des Regionalplans
diesem Vorschlag folgen wird, steht derzeit nicht fest. Allein dieser Vorgang zeigt,
dass der Entwurf des Regionalen Einzelhandelskonzepts noch keine hinreichend
sichere Zielvorgabe darstellt, um bei der Abweichungsentscheidung
Berücksichtigung finden zu können.
Soweit die Klägerin geltend macht, dem streitgegenständlichen
Abweichungsantrag der Klägerin liege ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem
vergleichbar sei, der der zugelassenen Abweichung der Stadt L. zugrunde liege,
führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Für jeden Einzelfall der Abweichung
ist zu prüfen, ob die tatbestandlichen Vor-aussetzungen einer Zulassung
vorliegen. Selbst wenn der Regionalversammlung hinsichtlich der maßgeblichen
raumordnerischen Gesichtspunkte eine gewisse Einschätzungsprärogative
eingeräumt wird (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 10.05.2005, - 2 E 317/05 -), ist dies bei
der Frage, ob Grundzüge der Regionalplanung berührt werden, nicht der Fall. Es
handelt sich insoweit um ein gerichtlich voll überprüfbares Tatbestandsmerkmal,
das keinen Beurteilungsspielraum enthält. Der Grundsatz der Gleichbehandlung
wäre daher allenfalls auf der Rechtsfolgenseite bei der Ausübung des Ermessens
zu berücksichtigen, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3
HLPG vorliegen. Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes allein führt
noch nicht zu einem Anspruch auf Erteilung einer Abweichung.
Des Weiteren steht der Zulassung einer Abweichung auch § 12 Abs. 3 Satz 2 HLPG
entgegen. Danach dürfen Abweichungen nicht zugelassen werden, wenn eine
entsprechende Festsetzung im Regionalplan nach § 11 Abs. 3 HLPG nicht
genehmigungsfähig ist. § 11 Abs. 3 Ziff. 1 HLPG bestimmt, dass ein Regionalplan
unter anderem dann nicht genehmigt werden darf, wenn er gegen Ziele des
Landesentwicklungsplans verstößt und eine Abweichung hiervon nicht zugelassen
wird. Im vorliegenden Fall steht die geplante Ausweisung eines Sondergebiets
Elektrofachmarkt im Widerspruch zu der Zielfestsetzung unter Ziff. 4.1.2. des
Landesentwicklungsplans Hessen 2000 (GVBl. 2001, 18). Danach sind
Sondergebiete für großflächigen Einzelhandel im Rahmen der kommunalen
Bauleitplanung nach § 11 Abs. 3 BauNVO nur in den im Regionalplan
ausgewiesenen „Siedlungsbereichen" zulässig. Vorliegend befindet sich der
Standort des geplanten Elektrofachmarktes aber in einem Gebiet, das im
Regionalplan Südhessen 2000 als Vorrangfläche für „Industrie und Gewerbe“
ausgewiesen ist. Ein Regionalplan, der Sondergebiete für großflächigen
Einzelhandel außerhalb von Siedlungsbereichen in Vorrangflächen für Industrie und
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Einzelhandel außerhalb von Siedlungsbereichen in Vorrangflächen für Industrie und
Gewerbe festsetzte, liefe dieser Zielvorgabe des Landesentwicklungsplans zuwider.
Die Abweichung von dieser Zielfestsetzung des Landesentwicklungsplans ist bisher
auch nicht zugelassen worden. Vielmehr hat das Hessische Ministerium für
Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung als zuständige Oberste
Landesplanungsbehörde dem Regierungspräsidium Darmstadt mit Schreiben vom
08.05.2009 mitgeteilt, dass die Abweichung für das geplante Sondergebiet
Elektrofachmarkt im Bereich des Gewerbegebiets „X./W.“ nicht zugelassen wird.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zulassung der begehrten Abweichung
von der Zielfestsetzung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000. Eine solche
Abweichung vom Landesentwicklungsplan kann gemäß § 8 Abs. 8 Satz 3 HLPG
zugelassen werden, wenn sie unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar
ist und die Grundzüge des Landesentwicklungsplans nicht berührt werden.
Ebenso wie bei der begehrten Abweichung vom Regionalplan Südhessen 2000
werden durch die Ausweisung eines Sondergebiets Elektrofachmarkt in einem
Bereich, der im Regionalplan als Vorrangfläche für „Industrie und Gewerbe“
ausgewiesen ist, die Grundzüge des Landesentwicklungsplans berührt. Nach dem
Willen des Plangebers sind Sondergebiete für großflächigen Einzelhandel nur den
„Siedlungsbereichen“ vorbehalten und in Vorrangflächen für „Industrie und
Gewerbe“ grundsätzlich ausgeschlossen. Das ergibt sich aus der Aussage im
Landesentwicklungsplan, wonach die Regionalplanung festlegen kann, dass
innerhalb der „Bereiche für Industrie und Gewerbe“ die Einrichtung von
Verkaufsflächen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 11 Abs. 3 BauNVO auf
bestimmte Sortimente oder auf die Selbstvermarktung der in diesen Gebieten
produzierenden und weiterverarbeitenden Betriebe begrenzt wird, wenn hierfür
regionalspezifische Gründe vorliegen oder raumbedeutsame Auswirkungen zu
erwarten sind (GVBl. 2001, S. 18). Dies lässt erkennen, dass der Einzelhandel nach
dem Willen des Plangebers in Bereichen für „Industrie und Gewerbe“ die
Erheblichkeitsschwelle des § 11 Abs. 3 BauNVO nicht überschreiten darf mit der
Folge, dass für die Zulassung großflächigen Einzelhandels in Bereichen für
„Industrie und Gewerbe“ kein Raum ist (vgl. HessVGH, Urt. v. 01.02.2007, - 4 UE
2480/05 -). Darüber hinaus haben sich großflächige Einzelhandelsvorhaben in das
zentralörtliche Versorgungssystem einzufügen und sind in bestehende
Siedlungsgebiete zu integrieren. Nur Vorhaben, die für eine Unterbringung im
innerstädtischen Bereich ungeeignet sind (z. B. Baustoff-, Bau-, Garten-, Reifen-,
Kraftfahrzeug-, Brennstoffmärkte), können davon ausgenommen werden. Dabei
sollen jedoch innenstadtrelevante Sortimente ausgeschlossen werden (GVBl.
2001, S. 18). Dem liegt nach der Begründung des Landesentwicklungsplans die
Erwägung zugrunde, eine flächendeckende Versorgung der – auch nicht
motorisierten - Bevölkerung mit einem differenzierten und bedarfsgerechten
Warenangebot in zumutbarer Erreichbarkeit sicherzustellen. Im Rahmen der
Regional- und Bauleitplanung soll daher sichergestellt werden, dass sich der
Einzelhandel an städtebaulich integrierten Standorten entfalten kann, und zwar
sowohl im Interesse eine verbrauchernahen Versorgung als auch zur
Attraktivitätssteigerung der Innenstädte, Stadtteilzentren und Ortskerne, um diese
u.a. in ihrer Versorgungs-, Dienstleistungs- und Kommunikationsfunktion zu
stärken. Der Plangeber verfolgt damit das Ziel räumlich ausgeglichener
Versorgungsstrukturen und die Gewährleistung einer wohnungsnahen
Grundversorgung der Bevölkerung.
Daraus ist zu folgern, dass großflächiger Einzelhandel mit innenstadtrelevanten
Sortimenten außerhalb von Siedlungsgebieten in ausgewiesenen Vorrangflächen
für „Industrie und Gewerbe“ dem Grundgedanken der Landesplanung in Bezug auf
den Einzelhandel eindeutig entgegensteht und nicht genehmigt werden kann.
Damit liegen weder die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Regionalplan
Südhessen 2000 gemäß § 12 Abs. 3 HLPG noch vom Landesentwicklungsplan
Hessen 2000 gemäß § 8 Abs. 8 Satz 3 HPLG vor. Auf die Frage, ob die Behörden
das nach beiden Vorschriften eigeräumte Ermessen fehlerfrei, insbesondere unter
Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, ausgeübt haben, kommt es
daher nicht mehr an.
Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.